Sozialstaat - wiederkehrende Debatte um Kürzungen und Eigenverantwortung

Ich komme gerade nicht mehr mit. Meinst du gestiegene Sozialausgaben als absolute Zahl, egal für was?

Ich stelle mir das gerade vor: Die Pfleger werfen hin, machen Umschulung zu Büro-Job. Pflegeheime müssen Betten abbauen, die Angehörigen müssen sich zum selber pflegen frei nehmen. Die Produktion sinkt. Durch die verringerten Einkommen der häuslich Pflegenden sinkt aber auch die Nachfrage. Leider fehlt mir die Fantasie, welcher Politiker in dieser Situation drohender Rezession für die Schaffung hoch bezahlter Jobs in der Pflege eintritt. Der Erfolg würde sich ja erst mit Verzögerung einstellen.

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Das Sozialbudget bezeichnet alle Sozialausgaben eines Staates in Bezug auf seine Wirtschaftskraft BIP. Es ist also eine relative Größe. @PhilippBo bezog sich in

explizit auf einen Beitrag in dem ich den Anstieg des Sozialbudgets auf Basis historischer Daten mit der Inflation verglich. Es zeigte sich, dass das Sozialbudget seit 1970 durchgängig stärker und meist sogar viel stärker stieg als die Inflation - der Sozialstaat also kontinuierlich ausgebaut wurde - anders als oft suggeriert wird.

Eine Ausnahme gab es in den Jahren 2021&2022(& vllt. auch 2023, aber da gibt es noch keine Daten). Der Angebotsschock durch die Lockdowns und die russische Invasion in der Ukraine führte zu einem historisch einmaligen Anstieg der Inflation, mit dem das Sozialbudget nicht mithalten konnte. Defacto dürfte dies das Sozialbudget aber nur um einige Jahre zurückgeworfen haben, auch wenn man berücksichtigt, dass der Warenkorb bei Ärmeren abweicht.

Hier der Beitrag, auf den @PhilippBo sich bezog.

Naturgemäß werden natürlich nicht alle Pfleger gleichzeitig den Job wechseln. Realistisch sind wohl eher ein paar Prozent in 5 Jahren. Das heißt, es gäbe eine Übergangsphase in der dies punktuell eintreten würde. Es gäbe genug Zeit um gegenzusteuern, vor allem mit wirtschaftlich gebildeten Politikern, die schnell merken, dass eine Arbeitskraft, die Opi pflegt, dem gelernten Job nicht mehr zur Verfügung steht.

Wenn ich meinen Angehörigen so zuhöre ist die Bezahlung aber nicht das große Problem. Urlaub und Wohnung könne man sich (als Fachkraft) schon leisten. Was nervt seien die unbezahlten Überstunden (locker 4-5 pro Woche) und das gerenne von Patient zu Patient um den Laden am Laufen zu halten. Da helfe aber schon wenn als unsinnig empfunden oder als unsinnig empfundene Dokumentationspflichten (bspw. Protokolle übers Waschen und Anziehen pro Patient) entfielen oder zumindest digitalisiert und automatisiert würden. Dieser Schreibkram nähme pro Woche auf einer Station allein 6-8 Stunden der Arbeitszeit ein. Medikamenten-Blister händisch zusammenstellen dauere 1-2 weitere Stunden pro Tag pro Station, obwohl das Unternehmen (große Apotheken) automatisch könnten. Es gäbe Hebel um die Arbeit angenehmer zu machen, aber man müsste sie ziehen.

Und nebenbei, besser als ein Job-Exodus wäre natürlich eine starke gewerkschaftliche Organisation. Aber die ist in der Pflege unterirdisch.

Nun sollten wir aber versuchen den Thread nicht zu verwässern.

Wie sollte sich die Hilfe zur Selbsthilfe in diesem Fall nun ausgestalten?

Und wahrscheinlich wieder nur untere Einkommen treffen würde, da die sich keine Pflegekraft privat leisten können. Aus diesem Grund ist die Idee abzulehnen.

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Bessere Arbeitsbedingungen und höheres Gehalt, sehr gut Idee.

Nur, wer bezahlt dieses? Kannst du mir eine Vorstellung geben, wie du dies finanzieren möchtest?

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Ich sehe hier keine einfache Lösungen. Akut könnte die Bundesregierung durch Bürokratieabbau die Arbeitsbedingungen massiv verbessern, aber welche Regierung in Deutschland hat jemals Bürokratie abgebaut?! Zumal ohne, dass öffentlicher Druck sie dazu zwingt.

Und so hängt es an den Idealisten zu erkennen, dass sie mit ihrer Selbstaufopferung nicht nur sich selbst sondern allen schaden. Ich habe vor einiger Zeit beim Betrieb eines Bekannten von einem interessanten Konzept zur Stärkung der Gewerkschaftsbindung gehört. Die Gewerkschaft hat dort zusätzlich zum Verhandlungsergebnis einen Bonus nur für Mitglieder herausgehandelt. Er lag etwa in der Höhe der Gewerkschaftsbeiträge eines durchschnittlichen Mitarbeiters bis zum Ende der Laufzeit - quasi Gewerkschaft zum Nulltarif.

Wie oben beschrieben. Bürokratieabbau gibt es zum Nulltarif und der entlastet schon enorm. Mehr Gehalt oder mehr Fachkräfte Arbeitskräfte würden natürlich Geld kosten und hier müssen wir uns ehrlich machen. Jens Spahn hat zum Ende seiner Amtszeit den Elternunterhalt bis zu 100.000 € Einkommen ausgesetzt. Möglicherweise war das ein Fehler und stattdessen hätte man lieber die Unterhaltssätze anpassen sollen?!

Darüber hinaus müssen wir die Pflegekosten aber grundsätzlich in den Griff bekommen. Wenn wir auf die demografische Entwicklung schauen und die Pflegebedürftigkeit einbeziehen, dann kommt da ein Fass ohne Boden auf uns zu. Da können wir auch Vermögenssteuern einführen oder Pflegebeiträge signifikant erhöhen. Das wird uns nicht helfen, zumal wir das Geld an anderer Stelle viel dringender benötigen.

Hör doch bitte auf so zu tun als ob immer nur Ärmere alle Lasten tragen während die Einkommensstärkeren gepämpert werden. Gerade die Änderungen am Elternunterhalt haben eher untere und vor allem mittlere Einkommen entlastet. Und by the way, ich kenne literally niemanden der sich eine private Pflegekraft leisten kann oder würde. Die sind nämlich sehr teuer. Es geht also nicht um untere Einkommen, sondern eher um alle außer den Top 5 %.

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Ist aber in deinem Plan die Konsequenz. Außerdem ist er grundlegend fragwürdig, da dadurch wahrscheinlich wieder Frauen die Pflege machen müssen.

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Leider typischer FDP Sprech. Erklär uns doch mal bitte, was Du genau meinst. Was genau soll man abbauen und weswegen spart man dort Geld?

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Vielleicht hilft es schon, keine neue Bürokratie aufzubauen. Siehe Folge 362, Interview mit Ministerin Pau. Die Freude, mit der sie den Aufbau einer neuen 5000-Mann(Frau) -Behörde schildert, lässt einen fassungslos zurück.

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CDU und SPD legen ein Wettrennen hin, wer am deutlichsten Kürzungen von Bürgergeld bei „Verweigerern“ fordert.
Eine reine Scheindebatte. Um die wenigen Fälle echter Verweigerer zu identifizieren, ist viel Arbeitseinsatz erforderlich und kaum Geld zu sparen. Stattdessen hetzt man die Gesellschaft auf, indem man den Eindruck erweckt, viele Bürgergeldempfänger würden sich ernsthaft verweigern. Dabei brauchen viele einfach Hilfe, um auf die Beine zu kommen. Druck hilft da gar nichts. Wer spricht genauso deutlich über die Verweigerer unter den Vermögenden? Die Politiker jedenfalls nicht. Kunststück… woher kommt das Geld…?

Ich bin so enttäuscht von Hubertus Heil.
Irgendwann sollten wir uns fragen, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen.

Da diese Thematik gleichzeitig in mindestens einem anderen Thread diskutiert wird und sich wiederholt, mache ich hier mal zu.