Robin Alexander hat es im Podcast Machtwechsel so gedeutet, dass es mit Absicht kein Sondervermögen für Verteidigung gibt, weil das ja immer begrenzt ist (egal wie hoch es ist). Diese Regelung hat bewusst keinen Deckel und sei quasi die politische Umsetzung von Merz’ Ansage „Whatever in takes“ - was man als Parallele zu Mario Draghis Ansage im Zuge der Euro-Rettung ansehen kann. Alexander stellte allerdings auch alternative Interpretationen vor, vielleicht war es auch nur ein möglichst unkonventioneller Vorschlag, um die Gräben zwischen Union und SPD in puncto Schuldenbremse zuzuschütten. Und der Vorschlag kommt wohl vom saarländischen Finanzminister Jakob von Weizsäcker (SPD), der auch schon die Idee mit der Umschichtung von Corona-Sondervermögen hatte, die das Bundesverfassungsgericht dann gekippt hat. Es ist also nicht unbedingt sicher, dass diese Regelung - für alles andere muss die Schuldenbremse eingehalten werden, für Verteidigung über 1 % des BIP nicht - auch verfassungskonform ist.
Na ja, was soll er als Grünen-Chef auch sonst sagen. Vielleicht „Wir stimmen eh zu und das wissen auch alle, wir brauchen nur noch ein paar (symbolische) Zugeständnisse, die wir unseren Wählern als Verhandlungserfolg verkaufen können“?
Unschlagbar on the point in diesem Zusammenhang übrigens das Titelblatt der taz von heute:
Du bringst diesen Punkt mit dem BVerfG ja gelegentlich ein und grundsätzlich stimme ich dir zu. Wenn nicht das BVerfG, dann der EuGH.
Allerdings hat auch das Grenzen und ist kein Automatismus. Wir können doch nicht ernsthaft schlechte Politik machen und den Gerichten immer die Aufräumarbeiten überlassen. Zudem führt das auch dazu, dass gewisse Politiker:innen wieder auf der Justiz herumhacken und weiter Stimmung gegen Gerichte gemacht wird, die angeblich den Mehrheitswillen boykottieren…
So elegant dieser Ansatz also wirkt, ich befürchte, nachhaltig ist das nicht, sondern erodiert Vertrauen in Institutionen.
Wenn die Industrie das ok findet und aus eigenen Geldern stemmt soll mir das recht sein. Ein CO2 intensiver Konzern kann durch CCS klimaneutral werden, das ist (soweit ich weiß) auch heute nicht verboten. Da frage ich mich jedoch wieso das niemand tut.
Ich arbeite bei so einem Unternehmen und wir werden bis 2035 klimaneutral sein, dafür bauen wir heute schon flächendeckend Solaranlagen auf die Gebäude und daneben und werden dieses Jahr auch in die Windkraft investieren. CCS ist hier überhaupt kein Thema.
Das dürfte für die 180-Grad-Wende der Union in der Schuldenfrage wohl ohnehin gelten.
Einerseits können die SPD (und in Teilen auch Habeck) sagen: Jetzt macht die Union endlich, was wir schon immer wollten. Andererseits könnte man auch sagen: Merz setzt innerhalb von Wochen um, was die Ampel in drei Jahren nicht hinbekommen hat. Wer Recht hat liegt wohl vor allem im Auge des Betrachters. Allerdings dürfte Merz nicht dasselbe Talent haben wie Merkel, die Forderungen der SPD umzusetzen und danach selber die Lorbeeren dafür einzuheimsen.
Meine Frage ist eher, warum nur 9 Mrd? Und warum überhaupt 44 Mrd. Es werden unbegrenzt Militärausgaben erlaubt, aber von den unbegrenzten ausgaben sollen trotzdem die etwa 44 Mrd. unter die Schuldenbremse fallen? Warum?
Ich verstehe schon, warum man keinen Deckel haben möchte. Wie gesagt, geht meine Frage eher in die umgekehrte Richtung. warum diese fiktive grenze von 1%? Wird damit nicht der reguläre Haushalt auf dauer mit 44 Mrd „zugemüllt“?
Das befürchte ich auch. Das heißt für mich aber auch:
Wenn in Zukunft aufgrund von Kürzungen
das Jugendzentrum um die Ecke schließen muss
die Straßenreinigung mit ihrer Arbeit nicht mehr hinterherkommt
die schimmelnden Umkleiden in der Grundschulsporthalle nicht saniert werden können
das Krankenhauspersonal oder der ÖPNV wieder streiken
die Buslinie eingestellt wird
[gerne ergänzen]
dann ist die Ausrede, es sei kein Geld da, genau das. Eine Ausrede.
44 Mrd (1% des BIPs) trotz unbegrenzter Militärausgaben in den regulären Haushalt zu schreiben und damit die Mittel für andere notwendige Aufgaben künstlich weiter einzuschränken ist anscheinend von Union und SPD so gewünscht.
Gute Frage, vielleicht hatte man noch größere Sorge vor einem Urteil aus Karlsruhe, wenn man Verteidigung komplett aus dem regulären Haushalt nimmt.
Das war es ja vorher schon. Denn es gibt ja keinen sachlichen Grund, warum man nicht schon längst ein x-Hundert-Milliarden-Sondervermögen für Infrastruktur (etwa in den Bereichen Bildung, Gesundheit und öffentlicher Verkehr) aufgelegt hat. Für „Bankenrettung“, Coronahilfen und Bundeswehr ging das ja auch.
Man könnte auch sagen, dass das Festhalten an der Schuldenbremse beim gleichzeitigen Eingeständnis, dass es ohne deren Umgehung nicht möglich ist, zu tun, was schlicht notwendig ist, an Schizophrenie grenzt.
Das ist m. E. nur Ausdruck eben dieser Haltung, die sagt „na gut, einmal kriegt ihr jetzt was, aber danach haltet ihr die Klappe, verstanden?“
Tja, das neoliberale Märchen, der Staat könne nur ausgeben, was er zuvor einnimmt, muss anscheinend verzweifelt aufrecht erhalten bleiben. Aber das die SPD da mitspielt, enttäuscht mich sehr.
Für einen Staat wie Deutschland ist Geld nicht knapp. Reale Ressourcen, Arbeitskraft und politischer Wille hingegen schon.
Ich kann diese Enttäuschung nicht so ganz nachvollziehen. In puncto Neoliberalismus stand die SPD der Union lange Zeit in nichts nach. Sie hat sogar mehrfach durchgesetzt, wozu Union und FDP nicht in der Lage gewesen wären, vor allem während der Schröder-Jahre (Hartz IV, Teilprivatisierung des Rentensystems, Kommerzialisierung des Gesundheitswesens, Absenkung des Spitzensteuersatzes etc. pp.).
Grundsätzlich stimme ich dir zu. In der Liste sind aber ausschließlich kommunale Aufgaben (eventuell mit Ausnahme des ÖPNV, der auch von den Ländern bestellt wird). Da wäre eine Durchsetzung von Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz eher die Lösung.
Jedenfalls ist sich die Union nicht soooo einig, wie es der Begriff und die versuchte Außendarstellung suggerieren will…
"Auch an Söder persönlich äußerte Seehofer deutliche Kritik: Die Landtags- und Bundestagswahlen unter Parteichef Söder gehörten „zu den schlechtesten in der Geschichte der CSU“. Die AfD sei nun auf Sichtweite zur Union herangekommen. Mit „Bierzelt-Reden“ lasse sich das nicht verhindern.
Ob Seehofer ihm den Führungsanspruch abspreche? „Nein“, sagte Söder in der ARD-Sendung. Seehofer und er hätten eigentlich vereinbart, „dass wir übereinander gar nichts sagen wollen“, erläuterte der bayerische Ministerpräsident. Er halte sich daran. „Ich habe ihn seit über sechs Jahren nicht gesehen, und ich freue mich, dass er offenkundig noch ganz munter ist.“ Das Verhältnis der beiden Politiker gilt seit Jahren als angespannt."
Na mal schauen, ob die Grünen nur den Preis für eine Zustimmung hochtreiben wollen (wozu sie jedes Recht haben) oder ob sie wirklich von Merz und Söder die Nase voll haben. Die Grünen haben in den letzten Jahren genug politische Verantwortung und Kompromissbereitschaft bewiesen.
Jetzt wäre mal die Union damit dran, aber sie scheitert schon mal grandios an konstruktiven Verhandlungen für ihre Grundgesetzänderung, indem sie die Grünen maximal verprellt.
edit:
Brantner sagte zudem, Merz habe bisher lediglich angeboten, bei dem Sondervermögen im Begründungsteil das Wort „Klima“ zu nennen.
Gesprächen der Union mit den Grünen will er [Markus Söder] fernbleiben.
Kann es eigentlich sein, dass die Union will, dass die Grünen die neuen (Sonder-) Schulden ablehnen? Anders kann ich mir soviel Verhandlungsungeschick kaum noch erklären.
Grüne haben doch eigentlich eine hervorragende Verhandlungsposition. Merz wird Kompromisse machen müssen, sonst wird er nichts umsetzen können, weil ihm das Geld fehlt.
Mit der Afd kann er dann auch nicht regieren, wenn das mit spd und grünen nicht klappt, weil auch da die Zustimmung für mehr Geld und somit seine Wahlversprechen fehlen wird.
Grüne könnten auch vorschlagen, dass Merz die CSU rausschmeißt und dafür die Grünen ins Boot holt. Oder verspricht, dass kein CSU Minister ein Ministerium besetzt. Tempolimit, Afd Verbotsverfahren verlangen, 500 Milliarden für Klimaschutz und und und.
Den Kompromiss muss Merz seinen Leuten verkaufen und da würde sich dann zeigen, ob Merz das politisch kommunikativ überhaupt kann.
Parteichefin Franziska Brantner sagte, die Grünen stünden nicht zur Verfügung, um Wahlgeschenke von Union und SPD zu finanzieren. Es gehe um eine nachhaltige Reform der Schuldenbremse.
Ich denke, dass das der Kern ist, und sie haben damit recht.
Es gibt denke ich eine Einigkeit auch bei den Grünen, dass zusätzliche Gelder für Verteidigung und Infrastruktur nötig sind.
Das Sondierungspapier geht ja aber darüber hinaus und enthält Punkte, die soweit ich das überblicke nicht gegenfinanziert sind:
Verringerung Mehrwertsteuer Gastronomie
Agrardiesel-Rückvergütung
Ausweitung Mütterrente
Begrenzung der Migration, Zurückweisung an der Staatsgrenze, Rückführungsoffensive, Bezahlkarte => muss ja auch finanziert werden, wenn es seriös umgesetzt werden soll
Dem würde ich zustimmen. Zumal wurde noch angemerkt, dass sie ein MEHR an Investitionen wollen, nicht ein Verschieben der Investitionen aus dem normalen Haushalt in das Sondervermögen, damit die Regierungsparteien Wahlgeschenke verteilen können. Das wäre die „Gegenfinanzierung“.
Nenne es ein Rest von Schamgefühl. Anders kann man es nicht erklären.
Ich hätte es verstanden, wenn man 2% gesagt hätte und alles darüber ist eine Ausnahme und nicht mehr Schuldenbremse berücksichtigt. So könnte man Investitionen und große Veränderungen finanzieren aber der Regelhaushalt wird aus dem laufenden Einnahmen finanziert.
Ich kann irgendwie nicht glauben, dass das Merz ernsthafte Absicht gewesen sein kann. Für mich klingt das so amateurhaft, dass es vielleicht eher geplant war von Merz, dass das scheitert, damit er den Grünen die Schuld für die Konsequenzen geben kann und gleichzeitig keine Schulden machen muss, was er ja versprochen hat. Passt aber eben nicht zu seinen Wahlgeschenken…boah. Echt spannend, wie Merz sich da rausmanövrieren will.