Grundsätzlich gilt in unserem Rechtssystem, dass das Strafrecht die Ultima Ratio sein soll. Ich zitiere dafür einfach mal den Wikipedia-Artikel:
Dieses Ultima Ratio-Prinzip wird bei der strafrechtlichen Verfolgung von Schwarzfahrern schlicht und ergreifend verletzt. Und es gibt tatsächlich kaum einen anderen Bereich in unserem Strafrecht, in dem das so offensichtlich der Fall ist. Der einzige andere Bereich, der mir dazu spontan einfällt, wäre der der Urheberrechtsverletzungen im Hinblick auf „illegales“ Streamen. Auch hier gilt, dass die zivilrechtliche Verfolgung (siehe Diskussionen über Abmahnkanzleien und ihre immensen Forderungen bei Verstößen) das durchaus vorhandene Unrecht bereits überkompensiert, sodass eine staatliche Strafverfolgung unangemessen erscheint. Der Unterschied zum Schwarzfahren ist tatsächlich: Bei Urheberrechtsverstößen kommt es fast nie zu Strafverfahren (und das ist gut so).
Das Brechen eines zivilrechtlichen Vertrages wird in der Regel auch nicht strafrechtlich verfolgt, sondern nur unter ganz engen Bedingungen, z.B. wenn jemand, der weiß, dass er zahlungsunfähig ist, dennoch weitere vertragliche Verpflichtungen / Kredite aufnimmt, mit dem Ziel, diese nie zurück zu zahlen (weil hier natürlich auch eine direkte Schädigung der geprellten Person vorliegt). Diesen Schaden der geprellten Person gibt es hier eben nicht in dieser Form, da es beim Schwarzfahren eher um die Beteiligung an laufenden Kosten geht. Deshalb besteht hier auch nicht der Schutzanspruch durch das Strafrecht, wie er beim besagten betrügerischen Eingehen von zivilrechtlichen Verträgen vorliegt.
Die allgemeine Diskussion, ab wann Zivilrecht nicht mehr ausreicht und stattdessen eine Norm Verwaltungs- oder gar strafrechtlich unterfüttert werden muss, würde glaube ich viel zu weit gehen, es ist auch schwer, hier exakte Grenzen zu ziehen. Aber man kann ohne Weiteres einzelne Fälle (hier: Schwarzfahren, Streaming) ausmachen, in denen eine staatliche „Überreaktion“ recht offensichtlich vorliegt, in denen in jedem Fall das Ordnungswidrigkeitenrecht ausreichen würde und kein Bedürfnis für eine strafrechtliche Ahndung besteht, weil der Unrechtsgehalt einfach grundsätzlich keine Gefängnisstrafe rechtfertigen kann. Wenn wir zu diesem Ergebnis kommen, daher ganz klar sagen: Niemand sollte in das Gefängnis kommen, weil er schwarzfährt oder einen Film runterlädt, müssen wir auch sagen, dass diese Dinge keine Straftaten sein sollten, denn wenn nur die Geldstrafe verbleibt, könnten wir das auch über Bußgelder im Ordnungswidrigkeitenrecht regeln, dann brauchen wir gerade kein Strafrecht… und ich hoffe, dass jeder hier zustimmt, dass man für Schwarzfahren und Filme downloaden nicht im Strafvollzug landen sollte.