Ohne Fahrschein Bus und Bahn zu fahren wird in Deutschland teilweise hart bestraft – manchmal sogar mit Gefängnis. Um das zu ändern, haben zwei Wissenschaftlerinnen einen offenen Brief an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) verfasst. Fahren ohne Ticket sollte in Zukunft weder als Straftat noch als Ordnungswidrigkeit gelten, fordern Nicole Bögelein, Kriminologin an der Uni Köln, und Luise Klaus, Stadtgeografin an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, in dem Schreiben. […]
Wer das Bußgeld nicht zahlt, das bei einer Ordnungswidrigkeit anfällt, riskiere eine Erzwingungshaft von bis zu drei Monaten. „Unter diesen Umständen halten wir eine ersatzose Streichung des § 265 a StGB für angebracht“, lautet das Fazit der Forscherinnen. Mehr als 120 Wissenschaftler:innen unterstützen den offenen Brief.
Warum sollte Fahren ohne Fahrkarte nicht mehr hart geahndet werden? Wer einen Zug oder Bus ohne gültigen Fahrschein nutzt, weiß, dass Unrecht ist. Und er tut es mit Vorsatz. Niemand wird daran gehindert, sich eine Fahrschein zu kaufen. Das nicht mehr zu bestrafen - im Extremfall auch mit Haft - wäre ein Fehler. Und warum sollte ich mit meinem Ticket deren unsoziales Verhalten quersubventionieren?
In anderen Ländern ist wenigstens die U-Bahn nur benutzbar, wenn man einen gültigen Fahrschein hat. Das wäre natürlich mit Investitionen verbunden - aber es würde das sogenannte Schwarzfahren erschweren.
Auch der Diebstahl von Lebensmitteln in haushaltsüblichen Mengen könnte ohne Konsequenzen möglich sein, also ohne Bußgeld und ohne Hausverbot. Weil, Lebensmittel halt zum Überleben notwendig sind, der Aufwand zum Warenwert in keinem sinnvollen Verhältnis steht und natürlich nur für Bürgergeldbeziehende. Allerdings stört das negative Framing „Diebstahl“. Das wäre dann vielleicht „Solidarbezug“ von Lebensmitteln.
Die gleiche Argumentation könntest du auch auf „Parken ohne Parkschein“ anwenden. Wärst du deshalb dafür, „Parken ohne Parkschein“ zur Straftat zu machen?
Das Strafrecht ist die ultima ratio der staatlichen Eingriffsmöglichkeiten. Es sollte Bereichen vorbehalten sein, in denen entweder der Schutz anderer Bürger im Vordergrund steht oder ein Schaden von der Gemeinschaft abgewendet wird. Durch einen Schwarzfahrer wird weder in die Rechte eines Bürgers eingegriffen, noch entsteht ein ernsthafter Schaden (die drei Schwarzfahrer, die in jedem Zug sind, würden nicht zu einer Kapazitätserhöhung führen…).
Niemand sagt, dass der Staat nicht auf Schwarzfahrer reagieren solle, dass Schwarzfahren gar „legalisiert“ werden sollte. Aber es braucht mMn ganz sicher kein Strafrecht gegen Schwarzfahrer. Gerade diejenigen Schwarzfahrer, die dafür tatsächlich vor Gericht landen, sind zu weit über 90% Menschen mit massiven psychischen Problemen. Diese Menschen brauchen schlicht andere Interventionen als das Strafrecht bieten kann.
Daher:
Schwarzfahren sollte eine Ordnungswidrigkeit sein, wie z.B. „Parken ohne Parkschein“ es auch ist. Und bei wiederholten Verstößen sollten generell andere Interventionen als „Strafe“ in Betracht gezogen werden.
Genaugenommen subventionieren die Leute Dich quer, da sie ja auch ohne Strafbarkeit die 60€ bezahlen müssen. Die Strafbarkeit hingegen kostet uns Steuerzahler ziemlich viel Geld und Aufwand.
Ich würde neben der Entkriminalisierung sogar eine Schippe drauf legen und dem Bürgergeld ein Deutschlandticket beilegen.
Ich habe das Gefühl, diese Art der Armutskriminalisierung und -demobilisierung dient zur Abschreckung um die Mitte schön im Hamsterrad zu halten.
In den skandinavischen Ländern, wo die Menschen regelmäßig glücklicher sind, wird das nicht so gemacht.
Es reicht völlig aus, das Schwarzfahren als Ordnungswidrigkeit zu ahnden.
Auch Falschparken ist kein Straftatbestand und führt keinesfalls im schlimmsten Fall (Strafbefehl, Ersatzfreiheitsstrafe) zu Gefängnis.
Dieser Paragraph ist ein typischer Fall von harter Bestrafung armer Menschen, die sich wegen Armut oder Krankheit (Demenz z.B.) kein Ticket kaufen (können), während wohlhabendere Menschen Anwälte engagieren oder die Strafe einfach bezahlen können oder wie Olearius & Co straffrei davonkommen.
Wie ist dann diese Aussage von Bögelein und Klaus im Artikel aus dem Eingangspost zu verstehen:
„Unter diesen Umständen halten wir eine ersatzose Streichung des § 265 a StGB für angebracht“
Ist das wirklich ihre Sichtweise? Sie nehmen einem anderen Menschen – in dem Fall dem Eigentümer des Geschäfts einfach etwas weg zum eigenen Konsum und wollen dafür nicht bezahlen? Das ist Diebstahl und damit ein Verbrechen. Hier hätte ich nicht das geringste Verständnis. Und das hat nichts mit Solidarität zu tun.
Ein „schöner“ Vergleich. Parke ich sehr häufig falsch und werde entsprechend erwischt, droht irgendwann der MPU Test. Es hätte Konsequenzen. Die im taz Artikel formulierte Forderung heißt: der Staat zieht sich komplett raus, es wird eine rein zivilrechtliche Angelegenheit. D.h. die Verkehrsunternehmen werden viele Fälle wegen Aussichtslosigkeit eh fallen lassen. Die Personen haben dann immer freie Fahrt.
Auch das Parken ohne Parkschein sollte härter geahnt werden, da gebe ich Ihnen recht. Jeder hat die Chance, ein Parkschein zu lösen, wenn er ein Parkplatz findet. Also muss er dafür auch bezahlen. Schließlich hat die Gesellschaft, die Allgemeinheit für den Parkplatz bezahlt. Ich persönlich finde das schwarzfahren ärgerlicher, da die Investitionen und die Kosten für die Bahn deutlich höher sind. Und jeder, der sie nutzt, sollte das gleiche zahlen. Wer das nicht tut, gehört bestraft.
Heute hat Arne Semsrott mit dem Freiheitsfonds die 1000. Person aus dem Gefängnis freigekauft und ihr damit weitere soziale Probleme erspart und der Gemeinschaft die Unterbringungskosten.
Da sind wirklich bizarre Fälle dabei. Für einen Schaden, der teilweise unter 10 Euro liegt…
Ist natürlich zugespitzt. Aber die wenigsten Geschäfte gehören einer Einzelperson und wenn, dann niemanden der hier großes Mitleid bekommt (Milliardäre, Millionäre, Großkonzerne). Die Verkehrsbetriebe sind (meist) kommunale Unternehmen, die der Gesellschaft gehören. Sie werden hochgradig aus Steuern und Abgaben subventioniert.
Gleichzeitig kann man sich, indem man Insolvenz anmeldet, einfach von Schulden beim Staat auslösen und nach drei Jahren ist alles wie vorher.
Hier misst der Staat mit zweierlei Maß. Es wäre ein leichtes Schulden an der Allgemeinheit von der Insolvenz frei zu stellen - und wer sie nicht begleicht, kommt in Beugehaft.
Vielleicht habe ich den Sachverhalt noch nicht ganz verstanden. Die Unterstützer des offenen Briefes fordern ja eben nicht die Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit, sondern die Abschaffung des § 265 a StGB bzw. Straffreiheit von Schwarzfahren. Jetzt wäre meine Frage: was passiert denn dann, wenn jemand ohne Ticket fährt?
Ich behaupte einmal, dass die wenigsten Schwarzfahrer dement sind. Hier hätte ich Verständnis – Sie wissen es einfach nicht besser. Andere Krankheiten oder Armut sind keine Entschuldigung, kein Ticket zu kaufen. Viele Schwarzfahrer steigen aber bewusst ohne Ticket in das Verkehrsmittel. Sie nehmen also in Kauf, das andere ihre Fahrt zahlen. Das ist für mich verabscheuenswert
In letzter Konsequenz könnten wir ja alle schwarz fahren. Ich frage mich, wie lange das die Bahn mitmacht…