Diskussion wird ja nicht geführt, weil irgendjemand Lust darauf hat, sondern weil unsere Verfassung für Grundrechtseinschränkungen tragfähige Gründe verlangt. Und bei Menschen, die mit sehr großer Wahrscheinlichkeit immun sind, fehlt es an diesen Gründen. An der Diskussion kommen wir also nicht vorbei. Das ist nicht unsolidarisch, sondern schlicht rechtsstaatlich.
Sie mögen immun sein, aber im übertragenen Sinn sind sie hoch ansteckend, wenn sie in Urlaub fahren, ins Kino gehen oder Partys feiern, während Eltern jeden Tag um ihr Überleben und die Unversehrtheit Ihrer Kinder kämpfen. Das sät einen Frustvirus bei Ungeimpften, die keine Chance haben auch nur mittelfristig an eine Impfung zu kommen, und führt dort zu mehr Frust und frisst das Durchhaltevermögen auf. Schon heute sind einige Familien am absoluten Limit. Ehen gehen in die Brüche, Burn out, Depression beim Kind, Selbstmordversuch bei einer Alleinerziehenden… alles was es in unserer unmittelbaren Umgebung aktuell gibt, weil sich keiner um die verdammten Eltern kümmert und sie mit der Situation alleine sind. Wir haben wahrlich immer noch andere Probleme als über Lockerungen in jedweder Form zu unterhalten, ob geimpft oder nicht geimpft. Die die noch mitten im Schlamassel sitzen werden dadurch nur noch weiter frustriert.
Außerdem sind die Ansteckungsrisiken ja nicht gänzlich auf Null reduziert. Gibt es nicht ganze Pflegeheime die sich infizierten, trotz Impfung? Wenn die dann wieder unterwegs sind und ein Kluster starten, dann ist doch der Ungeimpfte der dadurch vielleicht infiziert wird, auch wieder der der dran glauben muss. Die mit Impfung sind es dann nach 2 Wochen Schnupfen los, der Ungeimpfte bekommt Long Covid oder muss auf die Intensivstation.
Ich denke und vor allem empfinde das Solidarität noch viel weitergeht, als eure Definition wie ihr es definiert habt. Beispielsweise wurde eine Klassenkameradin kurz vor der Klassenfahrt krank und konnte nicht mitfahren. ALLE haben dann darauf verzichtet und die Klassenfahrt einfach später in kleinerem Rahmen nachgeholt (auf eigene Kosten). Das war Solidarität und brachte auch keinen Vorteil für die erkrankte Klassenkameradin, sie hat es dennoch getröstet und war sehr dankbar. Aber das fordere ich gar nicht in dieser Situation, es geht eher darum, dass endlich mal was für die Eltern getan wird, damit sich deren Situation verbessert. Es sollte doch Priorität haben den Leuten im Schlamassel zu helfen, als denen die gerettet, weil geimpft sind, auch noch zusätzlich das Leben wieder lebenswerter zu machen. Dann sollen die Geimpften eben mal Kinderbetreuung, Einkaufsservice oder Putzhilfe für alle Eltern unternehmen.
Bei uns sah der Muttertag gestern so aus, dass wir die Wohnung geputzt haben, Steuererklärung abgeschlossen haben und das Abflussrohr repariert haben, weil wir schlicht keine Zeit haben die Seele baumeln zu lassen und einfach mit der Familie eine schöne Zeit verbringen können. Der Alltag von Eltern sieht aktuell so aus, dass der Tag um 5 Uhr anfängt und spät in der Nacht endet. Dazwischen sind Arbeit, Haushalt und Kinderbetreuung. Seit über einem Jahr geht das schon so und scheinbar interessiert das keinen. Wenn einer von uns nicht im Homeoffice arbeiten könnte, hätten wir bereits aufgeben müssen, ich weiß nicht wie das hätte laufen sollen, ohne das einer seinen Job aufgegeben hätte, was uns wahrscheinlich das Haus gekostet hätte. Die Situation ist dramatisch und wir sind da nicht mal die bei denen es am schlimmsten ist. Aber macht ruhig, fahrt ruhig in Urlaub und geht ins Kino. Wir schaffen das schon irgendwie. Aber erwartet nicht, dass ich zukünftig auch nur freiwillig auf Vorfahrt verzichten werde oder meinen Platz in der Bahn räume. Wie man in den Wald rein ruft, schallt es heraus.