Senkung der Wochenarbeitszeit

Nö, wenn sich der Regelarbeitszeit ändert, ändert sich natürlich die Teilzeitarbeitszeit auch entsprechend prozentual.

Und zumindest ein Elternteil arbeitet ja normalerweise Vollzeit und kann damit schon alleine die ausfallende Betreuung übernehmen.

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Gerade bei Leuten die schon heute nur die minimale Zeit machen die Sinnvoll ist macht es aber keinen Sinn diese noch zu reduzieren. Oder soll die Person die heute 3 Vormittage mit 4 Stunden macht dann nur nur noch für 3 Stunden kommen? Soll die Person die aktuell in zwei Stellen putzt diese zwei Stellen dann nur noch je zu 75% putzen?

Wenn das so einfach wäre. Wenn aber heute die Frau von 8.30 bis 12:30 arbeitet und der Mann von 8.30 bis 16:00 Uhr und die Kinder sind von 8.00 bis 14.00 in der Betreuung (zwischen 12.00 Uhr und 14 Uhr kann man in der Regel nicht abholen), dann nutzt es doch nichts, wenn der Mann jetzt nur noch von 8:30 bis 14:30 Arbeitet (Pause entfällt ja auch). Und selbst wenn die Frau auch nur noch von 8.30 bis 12.00 arbeiten müsste, dann würde sie ein Abholen vor der Mittagsruhe im Kindergarten nicht schaffen und das Kind bliebe weiter bis 14 Uhr in der Betreuung.

Stimme ich voll zu, scheint aber nicht so leicht zu sein, siehe:

Im öffentlichen Dienst und Gesundheitswesen sind etwa 11 Mio Menschen tätig.

Wenn die in Zukunft alle 25% weniger arbeiten, wo kommen die zusätzlichen 2,75 Millionen Menschen her, die diese Jobs erledigen?

Etwa aus Zuwanderung? Wir schaffen es ja heute nicht mal 400.000 Menschen pro Jahr zu integrieren. In Beamtenverhältnisse kommen die sowieso schon mal nicht.

Hast Du Kinder? Man schafft es schon im System heute in der Regel nicht Vollzeit zu arbeiten, weil die Kita-Öffnungszeiten das nicht erlauben. Unsere Kita ist seit 2020 im Notbetrieb mit reduzierten Öffnungszeiten.

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Was man dabei vielleicht ausblendet:

Wenn jemand vor 40 Jahren seine 40h die Wiche gearbeitet hat, dann ging man um Z.b. 7 Uhr zur Arbeit, es gab ein klassisches Telefon, ein Fax, viel Papier, oder die vorrangig mechanische Maschine. Im Handel teils deutlich begrenztere Öffungszeiten.
Dann war um 15-16 Uhr Feierabend, man ging nach Hause, oft kümmerte sich die Ehefrau als Hausfrau um die Kinder, also spielte man mit den Kindern, schaute nach der Post, trank sein Feierabendbier in der Kneipe und guckte noch TV auf einem von drei Sendern.

Also eine eher überschaubare Taktung.

Heute ist die Informationsdichte und -Geschwindigkeit deutlich höher, beide Eltern sind meist berufstätig, Kinderbetreuung wird existenziell, auch in der Freizeit ist die Taktung und Belastung höher.
Kann man sagen, selbst schuld, spiegelt aber nunmal unsere heutige Gesellschaft wieder.

Auch wenn evolutionsbedingt sicher die Leistungsfähigkeit der Menschen steigt - eine 30h Woche heute ist offenbar genauso belastend wie eine 40h Woche damals.
Der körperliche Arbeitsschutz ist sicher besser, aber die psychische Belastung dabei signifikant gestiegen.
Stelle ich täglich beruflich fest.

Jetzt zu fordern, es sollen alle mal wieder mehr leisten, mehr und länger arbeiten, damit….

…ja warum und wofür eigentlich? Für mehr Wohlstand? Wenn man rund um die Uhr arbeitet und sich dabei die Gesundheit ruiniert, welchen Wohlstand will man dann genießen?
Den spontanen Kurzurlaub zwischendurch, der möglichst vollgepackt wird um die Erholung gut zu Takten? Das schicke Auto was 80% der Zeit auf dem Firmenparkplatz oder in der heimischen Garage steht? Das tolle Eigenheim, was man in der Woche nur zum Essen und Schlafen sieht und am Wochenende ist man zu K.O zum Entspannen oder packt Besuche von Familie und Freunden plus Hobby in zwei Tage, dabei die Firmenmails im Auge behalten.

Jetzt eher Worst Case, aber kommt sehr häufig vor, bis Leute dann wegklappen.

Vielleicht sollten wir Arbeit nicht mehr quantitativ in Zeit messen, sondern qualitativ?

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Ich finde es ja extrem spannend, dass man Forschungsergebnisse mit Einzelbeispielen ablehnen möchte.

Ich hatte mal eine Diskussion mit einem anderen Gewerkschaftsklub, die hatten für sich vor etlichen Jahren beschlossen, dass sie nur noch die zentral verhandelte Lohnerhöhung in Geld nehmen und die lokal erreichten Ergebnisse in ATF- Zeit (Arbeitszeitverkürzung) umwandeln.

In der Firma haben inzwischen alle in der Belegschaft 2 extra Urlaubstage im Jahr.

Auch das wäre ein Weg die Arbeitszeit sukzessive zu verkürzen.

So lange aber alle auf die Prozente starren (die den Abstand von niedriegen zu hohen Löhnen erhöhen) wie ein Kaninchen auf die Schlange sind natürlich solche Verkürzungen der WAZ immer mit Sprüngen und Bauchschmerzen verbunden.

Weil diese Ergebnisse in der Regel keine Ergebnisse von entsprechenden Studien mit entsprechenden Vergleichsgruppen sind, sondern reine Beobachtung von Einzelfällen.

Wenn ich jetzt sage ich reduziere im Unternehmen X die Arbeitszeit um 25% und kompensiere das durch eine Optimierung der Prozesse, dann ist es eben nicht so, dass man daraus ableiten kann, dass allgemein in diesem Fall mit 6 Stunden gleich viel geschafft wird wie mit 8 Stunden, sondern hätte man bei gleichbleibend 8 Stunden die Prozesse ebenso optimiert, dann hätte man auch bei 8 Stunden Produktivitätszuwächse erreicht.

Dewegen muss man eben differenzieren:
Die Maschine wird nicht 33% schneller arbeiten nur weil der Maschinenführer 25% weniger Arbeitszeit leisten muss, die Kinder werden nicht 33% länger betreut wenn die Erzieher 25% weniger arbeiten und der Linienbus fährt nicht 33% länger pro Stunde wenn der Fahrer 25% weniger arbeitet.

Der Programmierer programmiert aber unter umständen um 33% effizienter indem er bei 6 statt 8 Stunden weniger Fehler macht, die er dann wieder suchen und beheben muss, schneller zu Lösungen kommt etc.

Und so sehe ich in bestimmten Bereichen durchaus Potential für eine Reduzierung der Stunden, in anderen Bereichen aber eben nicht. In meinen Augen eigentlich ziemlich plausibel.

Edit:
Einige Berichte über Firmen die 6h eingeführt haben schreiben z.B. auch, dass ein wichtiger Punkt der die Effizienz vorantreibt der Fakt sei, dass seit der Einführung die Fluktuation der Mitarbeiter geringer ist. Dieser Effekt tritt aber ja nur solange auf wie man mit der 30 h Woche ein Alleinstellungsmerkmal hat. Sobald alle Firmen weniger arbeiten treten wieder andere Anreize für einen Wechsel in den Vordergrund und die Fluktuation ist wieder auf dem gleichen Level wie aktuell wenn alle 35 h oder 40 h (je nach Branche) arbeiten.

Oft ist ja auch der Effekt, wenn man es schafft die Arbeit von 8h auf 6h zu verdichten, man als Arbeitgeber noch Ideen findet wie man die gewonnenen 2h noch gewinnbringend füllen kann. :wink:

Witzige Anekdote: einer unser IT-Ausbilder und Admins (bei uns gibt es nur Mehrfachfunktionen🥴) erzählte, das er für drei Unterrichtsvorbereitungen sonst einen Tag braucht. Mit KI-Hilfe hat er das jetzt in einem Viertel der Zeit geschafft. Konnte dann noch 9 weitere Aufgaben machen.
Sehr effektiv.
Allerdings hatte er am Ende des Tages dann nicht 3, sondern 12 verschiedene Projekte im Kopf….was eher als belastend empfunden wurde. :wink:

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Nein, das ist ein ernsthaftes Problem, es müssten heute schon deutlich mehr Menschen in den beschriebenen Bereichen beschäftigt werden. Nur sind wir uns doch vermutlich alle einig, dass es besonders für die Beschäftigten in diesen Berufen gesundheitlich deutlich besser wäre, wenn sie deutlich weniger Stunden arbeiten müssten. Ganz davon ab, dass die Menschen in diesem Land dazu auch noch eine Unmenge an Überstunden anhäuft.

Diese Arbeitsplätze sind, so sie denn wegen dem Gehalt noch in Deutschland sind, aus anderen Gründen in Deutschland. Sprache, Zeitzonen, Umgangsformen etc. Nach der Argumentation dürften in der Schweiz auch niemand mehr arbeiten. Tun sie aber doch.

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Ich würde statt zu differenzieren erstmal den Blickwinkel der Wohlstandsdefinition von reinem monetären Fokus ändern.

Wenn Wohlstandszuwachs nicht mehr zwingend bedeutet, dass die Zahl in der Lohntüte beständig steigt, kann man ganz anders verhandeln und auch entwickeln.

Wie schon geschrieben, man hat die ganze Zeit produktivitätssteigerungen in Lohnerhöhungen umgewandelt, statt einen Teil davon in kürzere Arbeitszeiten zu investieren, daher ist immer wieder zu lesen/hören: einen solchen Sprung können wir uns nocht vorstellen/finanzieren …

Einfach mal nicht springen sondern in kleinen Schritten vorwärts gehen.

Wenn das Ziel einer jeden Tarifrunde 15 Minuten weniger WAZ ist hast du in 4 Jahren die WAZ um 1 Stunde verringert bei „vollem Lohnausgleich“

Willst du eine Stunde weniger in einem Jahr erreichen (selbst wenn du den Vertrag auf 4 Jahre fest schreibst) werden sich alle sträuben und sagen geht nicht.

Hätte man mit dem System schon nach Einführung der 40 Stunden Woche angefangen wären wir schon weit unter 30 Wochenstunden.

Und ja die Zahl in der Lohntüte steigt dann nocht ganz so schnell, aber Wohlstand ist nicht 2x im Jahr zum Städtetrip nach New York oder Tokio fliegen zu können.

Wobei genau diese Branchen ja schon heute eine hohe Teilzeitquote haben. Bei Erziehern arbeiten über 60 % in Teilzeit. Die Frage ist wie weit man die Arbeitszeit noch reduzieren müsste um die Ausfallzeiten signifikant zu senken oder ob das vor allem auch wegen des Kontakts mit Kindern gar nicht so einfach ist.

Teilweise ist der Grund einfach nur die Historie. Ein Konzern mit Ingenieuren quer durch Europa hat hier halt auch noch seine Abteilungen die mit Mitarbeitern besetzt werden. Man bekommt aber gerade bei Europaweit aufgestellten Betrieben immer wieder mit, wie Abteilungen in Deutschland aus Kostengründen geschlossen werden. In Anbetracht des Mangels an Fachkräften aber bisher oft noch verschmerzbar.

Wenn dadurch aber die Kaufkraft sinkt, dann ist das doch nichts anderes als wenn heute jemand in Teilzeit arbeitet. Diese Möglichkeit hat ja heute schon jeder (und die nutze ich auch mit gering unter 35 h).

Das ist jetzt schon gerade für Familien ein ziemlich mieses Framing.

Ich wäre auch bei 40 h Vollzeit (bei mir wären Vollzeit aber eh nur 37h) weit entfernt von 2 solchen Städtetrips pro Jahr, selbst wenn meine Partnerin fortan auch Vollzeit arbeiten würde.

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Was ja zu dem Schluss führen könnte, das man differenzieren muss:
Es gibt Berufe und Tätigkeiten, wo eine Verkürzung von Arbeitszeit denkbar und ggf sinnvoll ist (u.a. Industrie).

Dann gibt es Berufe und Tätigkeiten, wo man mit dem Thema Arbeitszeit wenig beeinflussen kann, wobei eher darum geht, personell ausreichend Ressourcen zu haben, in Vollzeit und Teilzeit.

Es wird ja auch in Zukunft viele Berufe geben die wegfallen werden. Zum Beispiel alles im Transportwesen dank Automatisierung. Oder im Supermarkt die Kassierer. Schon jetzt werden immer mehr ab Kassen eingeführt und auch angenommen. Es geht nicht unbedingt von heute auf morgen auf 30 Stunden zu gehen. Aber als Teil einer Zukunftsvision auf die man hinarbeitet sehe ich es als Bestandteil.

Produktivitätssteigerung kommt auch an Ihre Grenzen im Markt. Nicht umsonst denkt VW über Werksschließungen nach. Einfach mehr produzieren, weil es geht ist ja auch nicht.

Gerade in der Industrie aufgrund der globalen Konkurrenz oft eher nicht. Zumindest nicht in der Produktion. Wie gesagt ist in vielen Bereichen schon heute der Prozess und nicht die Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters der limitierende Faktor. Ein Effizienzgewinn durch Reduzierte Arbeitszeit dürfte da eher die Ausnahme sein, zumindest in voller Höhe als Ausgleich.

Ich sehe das Potential vorwiegend in kreativen Berufen oder Berufen mit einem hohen kreativen Anteil.

Wenn eine solche Zukunftsvision international gesehen gelebt wird halte ich das für deutlich realistischer als in Form eines nationalen Alleingangs.

Der Beruf mit höchstem Substitutionspotential sei angeblich der Jurist.
(Sorry, Ulf😉)

Ganz so schlimm ist nicht…2 von 6 Kerntätigkeiten von Juristen lassen sich durch KI ersetzen.

Von Automatisierung sind primär Helferberufe bedroht

Ist Polemik die in übertriebenem Sinne anschaulich macht worauf die derzeitige Wohlstandsdefinition beruht.

Du schaust ebenfalls mit vollem Fokus auf die Kaufkraft, weil es dir dann doch irgendwo wichtiger erscheint ein neues Handy/Fernseher what ever zu leisten statt Zeit mit deiner Familie zu verbringen.

Wenn wir Wohlstand nicht mehr als monetäre Größe definieren und Geiz ist Geil als ultimative Lebenseinstellung wird sich die Lebensqualität deutlich erhöhen, so dass die Kaufkraft nocht mehr so wichtig ist.

Das Argument musst du aber auf automatisierte Produktion begrenzen.

Alle Produktion die sich nicht oder nur mit sehr hohem Aufwand automatisieren lässt sind von deinem Argument ausgenommen.

Wir produzieren bei uns kundenangepasste Einzelstücke (Schaltanlagenbau).
Da ist nix mit Automation.

Selbst unsere Warenversorgung ist nicht automatisiert, weil schlicht das Volumen dazu fehlt.

Und wir sind ja nicht der einzigste Bereich wo Manufaktur angesagt ist und nicht Robotik.