Regierungs- und Parteipolitik im 🇺🇦-Krieg / Strategie- und Werte-Konflikte

Gut beschrieben. Sehe es ebenso.

„verstrickt“ klang für mich mich „persönlich involvierend“, „davon profitierend“

Was das jetzt von den Medien endlich aufgegriffene Thema „Stiftung Natur- und Umweltschutz“ betrifft: Wer dem von Anfang gefolgt ist, wusste schon lange:

  1. Dass der Stiftungszweck mehr schlecht als recht als Natur- und Umweltschutz „getarnt“ ist, war von Anfang an eine an Unverschämtheit gegenüber der Öffentlichkeit kaum zu überbietende Finte.
  2. Diese Stiftung ist gegründet worden, um die am Bau von North Stream 2 (NS2) beteiligten Firmen vor den Sanktionen der Amerikaner zu schützen. Man mag zu NS2 stehen, wie man will (ich war von Anfang an dagegen): Die Sanktionen der Amerikaner waren und sind ein massiver Eingriff in die Souveränität eines anderen Staats und daher nicht hinnehmbar!
  3. Wenn ich aber eine Stiftung mit diesem eigentlichen Zweck gründe, dann muss ich mich zu deren Gründung und Etablierung natürlich viel mit den am Bau beteiligten Unternehmen und den anderen Stiftern (Gasprom) koordinieren.

Dass einige Medien jetzt zahlreiche Besprechungen aufzählen, um zu belegen, dass Schwesig und die SPD MV von den Russen gekauft oder deren Marionetten sind, ist einfach nur lachhaft. Offenbar haben die Journalisten, die so etwas schreiben, keine Ahnung, was es beinhaltet, eine Stiftung (oder ein Unternehmen) zu gründen. Und wenn man den Artikel genau ließt, merkt man: Der Journalist (auch wenn er für die von mir überwiegend gelegene Süddeutsche schreibt) weiß genau, dass er da ein dünnes Brett abliefert: Es ist eine Aneinanderreihung von Insinuierungen.

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… und noch eine Ergänzung: Es wird immer wieder kritisiert, dass Sellering (Vorsitzender der Stiftung) sich weigert, die Sitftung zu liquidieren / schließen, obwohl das sogar MP Schwesig das befürworte.

Die Kritiker und offenbar auch Frau Schwesig haben offenbar das zentrale Charakteristikum einer Stiftung nicht verstanden: Die Mittel der Stiftung sind dem Schenker ein für alle Mal entzogen. Der Vorsitzende einer selbstständigen Stiftung ist verantwortlich dafür, dass die Gelder ausschließlich für den Stiftungszweck verwendet werden. Den Stiftungszweck ändern kann man nur, wenn dies in der Satzung vorgesehen ist (ob das der Fall ist, weiß ich nicht). Was aber m.W. rechtlich ausgeschlossen ist, ist, eine Stiftung einfach so aufzulösen und die verbliebenen Gelder zurück an die Stifter zu zahlen (abgesehen davon, dass man gar nicht wollen sollte, dass Gazprom etwas von diesem Geld erhält - vermutlich würden das allein schon die Sanktionen nicht zulassen).

Wundert mich nicht. Diese Art von ‚Politikerbeteiligung‘ (aka ‚revolving Door‘) gibt es ja in voller Breite. Das haben die Russen ja nicht erfunden. Ich glaube, sowas ist so weit verbreitet, dass es keinen gibt, der da den ersten Stein werfen will. Die ganze Lobbygesetzgebung wird ja auch nicht effektiv vorangetrieben.

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Wer die aktuellen Pressestatements und Interviews von Olaf Scholz zum Theme “schwere Waffen für die Ukraine” hört (z.B. aktuell im Spiegel), hat gelernt:

Olaf Scholz drückt sich um eine Antwort auf die Frage, ob Deutschland nun schwere Waffen liefert oder nicht.

Seine “Argumente” sind:

  • Wir liefern doch (und zählt dann lauter Verteidigungswaffen auf)
  • Die anderen liefern auch keine Panzer, die die Ukrainer nicht ohne langwierige Einweisung nicht bedienen können. Dabei verweist mit einem “zum Beispiel” auf den Ringtausch, in dem die Slowakai Panzer liefern, die die Ukrainer sofort einsetzen könnten
  • Deutschland können aus Bundeswehrbeständen nicht liefern, was wir zur Landes- und Bündnisverteidigung brauchen. Dabei verweist er auf das Nato-Ziel, “dass wir bei einem konventionellen Angriff zwölf Tage mit unserer Munition und unserer Ausrüstung standhalten müssen.”
  • Ja, die Amerikaner lieferten schneller und mehr weil das US-Militär deutlich größere Bestände hat. “Die Sparpolitik bei der Bundeswehr in den letzten Jahrzehnten hat ihre Spuren hinterlassen.”
  • Mit ausdrücklichem Verweis auf eine Flugverbotszone, sein Amtseid und Nuklear-Option Russlands sagt er, die Nato dürfe nie zur Kriegspartei werden. Er werde alles tun, um eine Eskalation zu verhindern.

Es verfestigt der Eindruck, Scholz zögert. Aber wissen wir denn überhaupt alles, was da läuft. Gerade weil Scholz so Sorge hat, als Kriegspartei in den Krieg hineingezogen zu werden, kann es doch auch gut sein, dass vieles “unter der Decke bleibt”

Ich verfolge die Medien ziemlich genau. Aber ich habe nicht herausgefunden:

  • Hat Deutschland überhaupt schon “schwere Waffen” jenseits von Artilleriewaffen und -munition geliefert? Dazu zähle ich auch Ringtausch-Lösungen
  • Plant Deutschland konkret und kurzfristig die Lieferung weiterer schwerer Waffen?

Wenn nun die Sorge davor, in den Krieg hineingezogen zu werden, über allem zu stehen scheint:

Allen sollte doch klar sein:

  • Sanktionen oder Waffenlieferungen, die dazu beitragen die Souveränität der Ukraine zu stützen, d.h. einen Sieg Russlands zu verhindern, wird Putin eher mehr als weniger verärgern.
  • Putin allein bestimmt, ob er Deutschland oder die NATO als Kriegspartei wahrnimmt. Die völkerrechtliche Abgrenzung geht ihm dabei am A* vorbei
  • Wenn wir verhindern wollen, als Kriegspartei wahrgenommen werden, sollten wir Putin nicht verärgern. Dann sollten wir konsequenter Weise nicht Ziel verfolgen, einen russischen Sieg zu verhindern oder die Souveränität der Ukraine zu schützen!

Wie der kleine Feigling, der dabei zuschaut, wie der hemmungslos brutale Schulhofschläger einen beliebigen Schwächling verprügelt. Dabei weiß er ganz genau: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er sich mich selbst vornimmt. “Uff, Jetzt nochmal gut gegangen”. Der Rest ist Hoffnung. Naiv.

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Oh ja. Da könnte zum Beispiel die Angst bei unserem Bundeskanzler vorherrschen, dass Jan Marsalek (Veruntreuung von 1,9 Milliarden Euro bei WireCard), der sich aktuell in Russland befindet, Dinge ausplaudert oder schon an die Russen ausgeplaudert hat. …

Tatsächlich habe ich die einzige halbwegs komplett wirkende Liste bisher nur auf Twitter gefunden: https://pbs.twimg.com/media/FRCjd6cWYAAsWnL?format=jpg&name=large

Was ich auch noch auf Twitter gefunden habe: https://twitter.com/BSBonner/status/1518212863428599809
Und dieser Tweet bringt die (jedenfalls auf mich) katastrophal wirkende Kommunikation der Bundesregierung auf den Punkt. Wurde vom Bundeskanzler schon einmal klar gesagt, dass - unter Beachtung all der gebotenen Vorsicht im Hinblick auf eine aktive Teilnahme am Krieg - die Niederlage Russlands das von der deutschen Regierung gewünschte Ergebnis dieses Konflikts ist?

Das ist doch jetzt sehr weit hergeholt, zumal bei Wirecard die Bafin versagt hat und Scholz als Finanzminister daher nur indirekt betroffen ist.

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Die verwirrende Argumentation der SPD. (Teil 1 / 3)

Ich bin selbst SPD-Mitglied und habe große Schwierigkeiten, die aktuelle Haltung der SPD zu verstehen. Aber ich habe mir viele Gedanken zu dem Thema gemacht. Das Problem bei der Frage, warum die SPD so zögerlich beim Thema Waffen ist, liegt zum Teil auch in der Art und Weise, wie die Diskussion von der SPD geführt wird, nämlich voller Widersprüche. Ich will im Folgenden mal versuchen aufzudröseln, wie die Diskussion über die Lieferung schwerer Waffen von der SPD gerade geführt wird. Der Einfachheit halber habe ich folgende Themen weitgehend ausgeklammert. Für eine Gesamtschau der SPD sollte man diese aber dennoch mitdenken. Ich meine damit:

a) Die Frage der engen Russlandkontakte. Um nur die wichtigsten Stichworte zu nennen: Nord-Stream 2, Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, Ausverkauf kritischer Infrastruktur an Gazprom, Rolle von SPD-Außenpolitikern in Osteuropa und last but not least: Gerhard Schröder.

b) Den gesamten Komplex um die Ausladung des Bundespräsidenten, die Diffamierung der ukrainischen Regierung und insbesondere den ukrainischen Botschafter aus den Reihen der SPD („unverschämt“, „ungebührlich“, „undankbar“, „Verschwörungstheoretiker“ etc.) möchte ich hier ebenfalls mal weglassen.

c) Die Frage nach dem Ziel der Unterstützung der Ukraine. Neuerdings scheint eine Diskussion um das korrekte Wording ausbrochen zu sein. Aus den Reihen der SPD wird davon gesprochen, dass „Putin den Krieg nicht gewinnen, die Ukraine den Krieg nicht verlieren dürfe.“ Hört sich für unbedarfte Ohren nach einem logischen Zusammenhang an. Es müsste aber doch eigentlich heißen: „Putin darf den Krieg nicht gewinnen. Die Ukraine muss den Krieg gewinnen.“ In der Konsequenz heißt das, dass man in der SPD offenbar darauf setzt, dass der Krieg in irgendeiner Position erstarrt, die russische Armee zwar die Ukraine nicht erobern kann, aber auch nicht abzieht, weil sie keine umfassende Niederlage erleidet. Es folgen idealerweise Waffenstillstands- oder sogar Friedensverhandlungen, in denen die Ukraine irgendeine Form von Kompromiss eingehen muss. Besonders eindringlich sind hier die Diskussionen bei Maybrit Illner (vom 21.04.22, hier ab Minute 30): Putins Offensive – Deutschland weiter defensiv? | maybrit illner vom 21.04.2022 - YouTube

und Markus Lanz vom 20. April 2022. Der gesamte Auftritt von Ralf Stegener:

Ich denke, diese Punkte sollte man im Hinterkopf behalten, wenn wir über die Haltung der SPD zur Lieferung schwerer Waffen reden.
Nun zur widersprüchlichen Argumentation der SPD in Bezug auf die schweren Waffen

Argument A: Wir müssen aufpassen, nicht zur Kriegspartei zu werden. Es droht der Atomkrieg.

• Contra: Wir liefern ja bereits Waffen. Wir finanzieren die Aufrüstung der Ukraine. Wir beteiligen uns an Sanktionen. Sind wir nach diesem Argument nicht schon längst Kriegspartei? Und falls nein: Warum nicht? Was unterscheidet die Lieferung eines Leopard II -Panzers von der Lieferung einer Panzerfaust? Ich bin sicher, hierfür gibt es eine gute Erklärung, aber es wird m.E. nicht gut genug erläutert. Die Unterscheidung zwischen Waffen die die BRD zur Kriegspartei machen und solchen, die das nicht tun, wirkt daher künstlich.

• Contra: Wir organisieren einen Ringtausch mit Staaten des ehemaligen Ostblocks, die im Ergebnis dann Panzer in die Ukraine liefern. Werden diese Staaten nach dem obigen Argument dann nach nicht anstelle der BRD zur Kriegspartei? Und wäre die BRD, die diesen Ringtausch organisiert, aus Sicht des Kreml nicht genauso Kriegspartei, als würde sie selber aus eigenen Beständen liefern? Warum macht die Lieferung eines alten Sowjetpanzers z.B. die Slowakei nicht zur Kriegspartei, die Lieferung eines Leopard II aus Deutschland aber schon? Es entsteht der Eindruck, Deutschland unternimmt formalistische Winkelzüge, um nicht das Missfallen der Kremls zu erregen. Gleichzeitig sieht es so aus, als wolle man unsere osteuropäischen Verbündeten das Risiko der Eskalation alleine tragen lassen.

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Bei allen guten Gründen, sich ggf. zurück zu halten oder Dinge nicht laut zu sagen, die im Verborgenen bleiben sollen: Jedenfalls lässt Olaf Scholz alle Seiten im Unklaren was er vorhat, denkt oder anstrebt und das widerspricht einerseits dem eigenen An- bzw. Ausspruch „Wer Führung bestellt, bekommt Führung“ und ENTspricht andererseits genau dem Politikstil, für den er die Mehrheit gewonnen hat.

Diese Haltung und dieses Verhalten sind in einer kriegsnahen Situation natürlich ungeeignet, aber auch kein gutes Zeichen für den Umgang mit Klimawandel oder Energiewende. Diese Themen wirken aktuell nicht so brandheiß wie ein imperialistischer Angriffskrieg in Europa, sind aber mindestens so dringend und wichtig.

Die verwirrende Argumentation der SPD. Fortsetzung (2/3):

Argument B: Wir liefern nur das, was das ukrainische Militär entweder sofort oder in relativ kurzer Zeit bedienen kann.

Anmerkung: Das bezieht sich offenbar vor allem auf Kampfpanzer und Schützenpanzer. In den Diskussionen ist aber nicht immer klar, was mit „schweren Waffen“ eigentlich gemeint sein soll. Man müsste im Grunde genommen die Frage nach Panzern und anderem schwerem Gerät wie Haubitzen getrennt führen. Dass diese Dinge in der Diskussion miteinander vermengt werden, verschleiert gegenüber der Öffentlichkeit die Haltung der Bundesregierung bzw. der SPD.

  • Contra: Bittet die Ukraine denn um Waffen, die sie nicht bedienen kann? Würde das nicht die militärische Niederlage eher herbeiführen als verhindern? Der Gedanke erscheint irrational und das Argument wirkt daher vorgeschoben.

  • Contra: Wenn das ukrainische Militär in bestimmte westliche Waffensysteme eine längere Einarbeitungszeit braucht, wäre es dann nicht sinnvoll, jetzt schon mit der entsprechenden Ausbildung zu beginnen, damit Deutschland wenigstens auf mittlere oder lange Frist diese Waffen liefern kann? Das Argument wirkt also nicht zu Ende gedacht und erweckt den Eindruck, dass man in der SPD nicht mit einem längeren Krieg plant, es also gar nicht lohnt über langfristig angelegte Waffenlieferungen zu sprechen. Schlimmer noch, es entsteht der Eindruck, dass man im Grunde genommen mit einer ukrainischen Niederlage plant.

Argument C: Die Bundeswehr hat nichts mehr. Jetzt Waffen aus Bundeswehrbeständen zu liefern, würde die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr aufs Spiel setzen.

  • Contra:Wenn die Bundeswehr nichts mehr in ihren Beständen hat, was geliefert werden kann, sollte man dann nicht die Produktion in der Rüstungsindustrie jetzt hochfahren, damit der Ukraine wenigstens auf mittlere oder lange Sicht Waffen geliefert werden können? Dieses Argument täuscht die Öffentlichkeit darüber, dass die Bundeswehr die einzige deutsche Quelle für Waffen an die Ukraine sei. Und auch dieses Argument erweckt den Eindruck, dass man in der SPD – aus welchen Gründen auch immer ­– nicht mit einem langen Krieg plant.
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Einerseits wundert es mich auch nicht wirklich, weil es ein bekanntes Reaktionsmuster ist. Andererseits fände ich es schon wichtig, dass zumindest die langjährige Anschubfinanzierung eines Angriffskriegs und die politische Normalisierung der beteiligten Akteure dazu führt, dass die Russland-Netzwerke in der gesamten deutschen Politik durchleuchtet werden und den Verantwortlichen das politische Handwerk gelegt wird. Die Relativierung über Brandt-Nostalgie und angeblich unklare Sachlagen oder Business as usual - gepaart mit ein wenig USA-Bashing - scheint mir in dieser Hinsicht kontraproduktiv.

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Die verwirrende Argumentation der SPD. Fortsetzung (3/3):

Argument D: „Wir müssen bei der Lieferung schwerer Waffen auch an die Zivilbevölkerung denken“ (Ralf Stegener, Markus Lanz am 20.4., siehe Link oben, ab Minute 11:40). Eine Ausrüstung der ukrainischen Armee mit schweren Waffen würde die Eskalation des Krieges noch weiter vorantreiben, die vor allem die Zivilbevölkerung treffen würde.

• Contra: Wie verhindert die fehlende Ausrüstung der ukrainischen Armee mit schweren Waffen den Beschuss ukrainischer Städte durch schwere Waffen der russischen Armee? Wie kann ohne eine bessere Ausrüstung der ukrainischen Armee die russische Armee aus den besetzen Gebieten zurückgedrängt werden, wo die Zivilbevölkerung massakriert wird? Das Argument wirkt nicht durchdacht, denn die Zivilbevölkerung in der Ukraine leidet bereits jetzt massiv. Gerade weil die ukrainische Armee nicht imstande ist, die russische Armee zurückzudrängen ohne Hilfe aus dem Westen. Das Argument erweckt den Eindruck, dass man die ukrainische Armee am langen Arm verhungern lassen will, um die ukrainische Seite zu für sie ungünstigen Verhandlungen zu zwingen. Es enstehen Zweifel darüber, auf welcher Seite die SPD eigentlich steht.

Argument E: Wir müssen uns mit unseren Verbündeten abstimmen. Wir tun, was USA, Frankreich und UK machen.

• Contra: Welches Ergebnis haben diese Abstimmungen? Wie ist die deutsche Position zu diesen Abstimmungen? Die Bevölkerung bleibt im Unklaren darüber, wie die Bundesregierung im Rahmen dieser Abstimmungen agiert. Man gewinnt den Eindruck, dass mit dem Verweis auf noch zu erfolgende Abstimmungen mit Verbündeten rhetorisch die Position der Bundesregierung verschleiert werden soll.

Argument F: Generäle sagen, dass die Ukraine den Krieg nicht gewinnen kann. Inzwischen gibt es in Deutschland so viele Militärexperten wie vorher Virologen. Eine Eskalation (durch Lieferung schwerer Waffen) würde eine politische Lösung nur erschweren, indem der Krieg brutaler wird. (siehe hierzu nochmal Ralf Stegener bei Markus Lanz, Link oben).

• Contra: Was ist denn mit „gewinnen“ gemeint? Eine Vertreibung der russischen Armee? Eine Eroberung Russlands? Ohne dass klar gemacht wird, was man als Sieg der Ukraine ansehen könnte, wird argumentiert, dass die Ukraine dieses Kriegsziel niemals erreichen kann. Es bleibt zurück: ein verwirrter Bürger.
• Contra: Hat die ukrainische Armee die russische Armee in der Schlacht um Kiev nicht schon einmal geschlagen? Was hat sich an der militärischen Lage verändert, dass die Ukraine nun nicht mehr gewinnen kann? Sind es die russischen Ressourcen? Die Taktik? Eine der größten Überraschungen in diesem Krieg ist, dass die (konventionelle) militärische Leistungsfähigkeit der russischen Armee offenbar viel niedriger angesetzt werden muss, als allgemein gedacht. Es gibt zahlreiche Einschätzungen und Berichte verschiedener hochrangiger Militärs und ausländischer Regierungsstellen die bestätigen, dass die russische Armee große strukturelle Probleme in fast allen Bereichen hat, enorme Verluste erleidet und diese nur mit Schwierigkeiten ausgleichen kann. Etwa hier (diese Seite benutzen verschiedene deutsche Nachrichtenmagazine als Quelle): https://www.understandingwar.org/
Vertreter der SPD stellen hingegen die Unmöglichkeit einer russischen Niederlage als unumstößliche Tatsache dar. Die zitierten Militärexperten bleiben ungenannt. Und wenn dann doch einmal ein Militär diese Position vertritt (siehe General Vad, bei Mayrbit Illner vom 21.4.22), dann versäumt er ebenfalls zu erklären, worauf diese Annahme gründet. Sie mag ja richtig sein. Sie ist aber angesichts der öffentlichen Wahrnehmung des Kriegsverlaufs und gegenteiliger Einschätzungen zumindest erklärungsbedürftig. Diese Erklärung unterblieb bisher. Ohne eine solche Erklärung wirkt es, als sei die SPD noch auf dem Stand der militärischen Lage vom 24. Februar.

Zusammengefasst ist es sehr schwierig, aus diesen argumentativen Widersprüchen herauszudestillieren, wo die SPD eigentlich steht. Es fehlen eindeutige Aussagen, insbesondere zur politischen Zukunft der Ukraine. Es wird zwar gerne betont, dass die Ukraine das Recht auf Verteidigung habe, und sie sich selbst verständlich „erwehren“ müsse. Von einer möglichen militärischen Befreiung besetzter Gebiete ist aber kaum die Rede. Nach meiner Beobachtung gibt es auch kaum eindeutige Aussagen aus der SPD etwa über eine zukünftige EU-Mitgliedschaft der Ukraine . Wenn ich mich zum Abschluss darauf festlegen müsste, was aus dem oben Gesagten der kleinste gemeinsame Nenner ist, dann komme ich zu folgendem Schluss:

Die SPD hält eine umfassende militärische Niederlage Russlands weder für eine zwingende Voraussetzung eines Friedens zwischen Russland und der Ukraine noch für eine zukünftige Friedensordnung in Osteuropa.

Zur Klarstellung: Ich halte diese Position für falsch.

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Ich stimme dir da total zu. Wenn wir uns international umsehen, dann gibt es mit der Trump Sekte und Brexit auch schon 2 Beispiele wo es richtig gekracht hat. Ich gehe mal davon aus, dass wir Russland nicht beide per se ablehnen oder als böse erachten. Aber die Einflussnahme hierzulande war sehr reichweitenstark und auch (um die Aluhüte zu kitzeln) ‚tief im Staat‘ installiert. Das ein, sich so stark über das ‚nationale‘ definierende Staat wie Deutschland, hier unterlaufen lässt ist schon ein guter Hinweis darauf wie wenig die vorhandenen Sicherheitsbehörden hier aktiv und informiert sind.
Russland und auch gleich danach China haben uns hier ‚Pants Down‘.

Wir sollten die Amerikaner nicht so stark bei dem Thema bashen, denn sie haben uns wirklich stark und lange gewarnt.

Wenn du mich fragst, dann haben die Russen (Geheimdienste z.B.) irgendwann entdeckt, dass bestimmte, eher liberale Staatsapparate in Europa halt eher durchlässig für diese Art der Korruption sind und begonnen zu arbeiten. So Geschichten wie fehlende Gewldwäschegesetze (Immobilien z.B.) machen dann Deutschland wahrscheinlich anfälliger als andere.

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Es gibt noch alternative Erklärungen:

  1. Bei der SPD liegt noch richtig viel im dunkeln und zwar auch Dinge die zur Folge haben, dass eine ganze Menge gehen müssten.
  2. Was hat Putin gegen die SPD bzw. Scholz in der Hand?

Hauptproblem dabei: Die SPD hat sich durch die Politik der Vergangenheit genau wie die CDU eine ganze Menge an Schuld aufgeladen. Durch das aktuelle Nichtstun wird diese Schuld nochmal größer und das hängen wir alle Deutschen letzendlich auch mit dran.

Ja, das sehe ich genauso. Und ich verstehe es auch nicht. Insbesondere, wenn ich den Kontrast zu den USA sehe.

Zitat Lloyd Austin, Außenminister der USA: „Wir wollen, dass Russland so weit geschwächt wird, dass es zu so etwas wie dem Einmarsch in die Ukraine nicht mehr in der Lage ist.“

Das ist doch mal eine Ansage. Und eine Haltung.

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Also das ist doch einfach alles ein kommunikatives Desaster. Erst, wie hier schon mehrfach aufgezählt, geht keine Lieferung von schweren Waffen aus den unterschiedlichsten Gründen. Von „nix da“ bis „kein Atomkrieg“ und jetzt sowas:

Noch vor vier (!) Tagen hat Scholz im Spiegel-Interview das abgelehnt. Das ist doch unfassbar, wie hier mal-so-mal-so argumentiert wird…

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Vielleicht steckt hinter dem Kurs der Bundesregierung ja eine wohlüberlegte Politik. Aber wenn das so ist, dann wird sie unglaublich schlecht kommuniziert.

Allein schon die Tatsache, dass die deutsche Regierung eine klare Positionierung gegenüber Russland scheut, aber gleichzeitig die USA in Ramstein eine Konferenz zur Bewaffnung der Ukraine abhalten. Das erweckt doch den Eindruck, dass die Bundesregierung letztlich nicht aus eigenen Willen handelt, sondern missmutig den Verbündeten hinterhertrottet. Deutschland trägt also letztlich alle Risiken mit, während es durch die Zögerlichkeit gleichzeitig einen gewaltigen Reputationsschaden erleidet.

Wozu ist das gut?

Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten, aber ich versuche es mal zumindest.

Lange beherrschten in diesem Zusammenhang Begriffe wie „Offensiv-“ und „Defensivwaffen“ die Debatte, ob man zur Konfliktpartei wird. Solange man keine Offensivwaffen liefere, werden man auch nicht Konfliktpartei. Dabei sind Angriff und Verteidigung keine Rechtsbegriffe, sondern einzig taktische Begriffe. Das 1. Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen definiert in Art. 49 Abs. 1 den Angriff als eine Gewaltanwendung zu Lasten des Gegners. Es mag sein, dass sich bestimmte Systeme für bestimmte Arten der Gefechtsführung besser eignen als für andere. Daraus ergibt sich allerdings keine allgemeine Kategorisierung. Jedenfalls auf die Frage nach dem Dürfen hat die Charakterisierung der gelieferten Waffen daher keinen Einfluss.

Daher richtet sich die Frage des Dürfens von Waffenlieferungen nach dem Neutralitätsrecht. Das sog. Neutralitätsrecht regelt die Rechte und Pflichten von Staaten, die an einem bewaffneten Konflikt nicht beteiligt sind. Neutrale Staaten haben das Recht und die Pflicht, sich von den Kampfhandlungen fern zu halten. Sie dürfen nicht von Angriffen betroffen werden, insbesondere ist ihr Territorium unverletzlich. Gleichzeitig müssen sie Unparteilichkeit gegenüber den Konfliktparteien wahren.

Die Vorschriften des Völkerrechts zu Waffenlieferungen sind leider seit über 100 Jahren nicht mehr verändert worden und sind daher aus heutiger Sicht nicht einfach zu deuten. Art. 6 des XIII. Haager Abkommen verbietet den Staaten die „Abgabe von Kriegsschiffen, Munition oder sonstigem Kriegsmaterial“ im Seekrieg ausdrücklich. Im V. Haager Abkommen, betreffend dem Landkrieg, fehlt eine solche Vorschrift. Der in beiden Abkommen ähnliche Art. 7 wiederum erlegt Neutralen keine Pflicht auf, Waffenlieferungen Privater zu verhindern. Moderne Kriege lassen sich aber nur noch taktisch bzw. operativ nach den Dimensionen See, Land, Luft und ggf. Weltraum unterscheiden. In Bezug auf Waffenlieferungen Neutraler liegt es daher nahe, eine einheitliche Regelung, unabhängig vom konkreten Gefechtsfeld zu finden. Dass private Waffenlieferungen die Neutralität von Staaten ausweislich beider Abkommen nicht verletzen, könnte ein Ansatzpunkt sein.

Zu Recht wird dagegen kritisiert, dass die Trennung zwischen staatlich und privat aufgrund des immensen Einflusses der Staaten auf ihre jeweilige Rüstungsindustrie – nicht zuletzt durch Exportkontrolle – zu künstlich sei. Tatsächlich erscheint es schlicht „unrealistisch“, rechne man einem Staat die Exporte seiner „offiziellen“ Waffenindustrie nicht zu. Inzwischen hat sich eine gewohnheitsrechtliche Regel herausgebildet, nach der bereits eine Ausfuhrgenehmigung ein „nicht neutraler Dienst“ an einer der Parteien darstellt.

Demnach ist die Lieferung von Waffen und Munition gleich welcher Art nicht zulässig. Ob es sich dabei um eine Panzerfaust oder einen Kampfpanzer handelt, ist gleichgültig. Nicht jede Zuwiderhandlung gegen ein Verbot ist aber rechtswidrig. Auch das Völkerrecht kennt Rechtfertigungsgründe. Die Ukraine ist Opfer einer völkerrechtswidrigen Aggression geworden. Die Aggression ist die schlimmste Begehungsweise eines Verstoßes gegen das – zwingende – völkerrechtliche Gewaltverbot und ein völkerrechtliches Verbrechen. Alle UN-Mitglieder haben nach Art. 51 das Recht, der Ukraine beizustehen.

Dies verdrängt das Neutralitätsrecht jedoch nicht vollständig. Staaten können und dürfen sich weiterhin neutral verhalten. Eine absolute Neutralitätspflicht lässt sich angesichts des Rechts zur kollektiven Selbstverteidigung kaum ableiten. Insofern könnte Art. 51 VN-Charta, der ja sogar eine militärische Intervention an der Seite des Opfers der Aggression erlaubt, einen Verstoß gegen das Neutralitätsrecht als damit verglichen milderes Mittel durchaus rechtfertigen.

Wenn ein Verstoß gegen das Neutralitätsrecht nicht zu rechtfertigen wäre, bliebe die Frage nach den Folgen. Denkbar wäre, dass ein Staat automatisch zur Konfliktpartei würde. Dann dürften sich die Kampfhandlungen auch auf sein Gebiet erstrecken. Dafür spricht aber, entgegen landläufiger Befürchtungen, wenig. Stattdessen zeigt die Staatenpraxis, dass Neutralität zunächst einen Status kennzeichnet, aus dem gewisse Erwartungen an das Verhalten folgen – nicht umgekehrt. Staaten treten trotz umfangreichster Unterstützungsleistungen erst dann in den Krieg ein, wenn sie dies ausdrücklich erklären, oder aber in signifikanten Umfang an Feindseligkeiten teilnimmt.

Es wäre denkbar, die humanitärvölkerrechtlichen Kriterien der unmittelbaren Teilnahme an Kampfhandlungen analog heranzuziehen. Demnach wären Waffenlieferungen nicht geeignet, eine Einbeziehung in die Feindseligkeiten zu begründen. Die bloße Lieferung ist zwar Unterstützung, aber noch keine unmittelbare Teilnahme.

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Vielen Dank für Ihre klare und gründliche Ausführung über den Zusammenhang zwischen den Waffenlierungen und dem völkerrechtlichen Status einer Partei im Krieg. Wenn ich richtig verstanden habe, dann ist die Waffenkategorie (ohnehin schwierig zu bestimmen) weniger entscheidend als die Kriterien der Verhältnismäßigkeit und der Zweckmäßigkeit. Ich bin juristisch absoluter Laie, aber m. W. hängt an der Frage der Verhältnismäßigkeit und Zweckmäßigkeit auch das Erfordernis zu prüfen, ob mit einem mideren Mittel die Ziele einer Maßnahme nicht genauso gut erreicht werden könnten. Sie haben auch hinsichtlich dieser Frage gut herausgestellt, dass die Waffenlieferungen bereits das mildere Mittel sind – im Vergleich zu einem direkten militärischen Eingriff. Ich würde das genauso sehen, zumal alle anderen milderen Mittel, z.B. Sanktionen, politischer Druck auf Russland etc. der unmittelbaren Notwehrsituation der Ukraine nicht abhelfen können.
Wenn nun klar ist, ab welchem Punkt ein Staat völkerrechtlich zur Kriegspartei wird, dann ist die derzeit gebrauchte Formel vom „Aufpassen, dass man nicht zur Kriegspartei wird“ ja in gleich mehrfacher Hinsicht problematisch.

A) Im Sinne von „Wir müssen aufpassen, die russische Regierung nicht zu einer Eskalation des Krieges gegen uns bzw. die NATO zu provozieren.“ Sicherlich ein vernünftiger Gedanke. Durch die Benutzung des Begriffes „Kriegspartei“ suggeriert aber diese Formel, dass man die Entscheidung darüber, ob jemand völkerrechtlich als Kriegspartei anzusehen ist oder nicht letztlich der Interpretation des Verbrechers selbst in die Hand gibt, der dadurch die rechtliche Norm praktisch nach Belieben verschieben kann. Weil man die völkerrechtliche Auffassung Russlands vom Begriff der „Kriegspartei“ im aktuellen Krieg nicht genau kenne, habe man Angst, sozusagen unbeabsichtigt zur Kriegspartei zu werden. Wenn man das dann noch weiterdenkt, dann suggeriert diese Formel auch, dass Russland sich weiterhin mit völkerrechtlichen Kategorien auseinandersetzt und Russland deren Geltung weiterhin prinzipiell anerkennt. Dafür gibt es aber keinerlei Hinweise. Fazit: Wenn man jetzt nicht gerade böse Absichten vermutet, wird die Formel „Aufpassen, dass man nicht zur Kriegspartei wird“ also meiner Ansicht nach zumindest unvorsichtig benutzt und trägt nicht gerade zur Klärung der Position der Bundesregierung bei.

B) Die Formel „Aufpassen, dass man nicht zur Kriegspartei wird“ kann auch dahingehend ausgelegt werden, dass es innerhalb der Bundesregierung / SPD unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, ab wann man völkerrechtlich zur Kriegspartei wird.

Berücksichtig man den Kontext, ist wahrscheinlich A) die Botschaft, die mit der Formel vermittelt werden soll. Auffassung B) würde sich aber zumindest mit der Beobachtung decken, dass es innerhalb der Bundesregierung / SPD sehr unterschiedliche Stimmen zum Thema Waffenlieferungen gibt. A) und B) schließen sich auch nicht aus. Aber das ist jetzt wahrscheinlich zu spitzfindig und würde eine für Berufspolitiker ungewöhnliche rhetorische Finesse voraussetzen.

Danke noch einmal für Ihre Ausführungen. Das hat mir sehr geholfen, die aktuelle Diskussion besser zu begreifen.