Ich stimme vielen Kommentaren hier und auch Ulf und Phillipp zu, dass nach einer Zeitenwende mehr Führung nötig ist. Dennoch möchte ich die zögerliche Haltung zur Lieferung von schweren Waffen ein wenig aus meiner persönlichen Sicht verteidigen.
Zum einen glaube ich nicht, dass die Ukraine - so sehr sie mit dem Rücken zur Wand steht - ein Recht auf die Lieferung von schweren Waffen hat, das wird in der Debatte meines Erachtens oft vernachlässigt.
Richtig ist, dass der Westen geschlossen steht und möchte, dass Putin diesen Krieg nicht gewinnt. Gleichzeitig möchte man aber auch nicht, dass sich der regionale Krieg zu einem europäischen ausweitet. Mit den bisherigen Lieferungen von sog. Defensivwaffen (und Helmen ;)) betätigt man einen komplett anderen Schalter, als wenn man plötzlich auch Artillerie und Schützenpanzer nach Charkiw liefert - Waffen, die Russland selbst in die Defensive drängen könnten.
Ohne Putinfreund oder -versteher sein zu wollen - dieser hat mehrmals deutlich gemacht, dass wenn der Westen eine aktive Rolle im Krieg einnimmt, unvorhergesehene Konsequenzen drohen. Es ist unklar, wo diese rote Linie bei Putin ist, aber die Lieferung von Offensivwaffen könnte es sein. Gleichzeitig sollte sich der Westen nicht von Erfolgen der Ukrainer im Norden blenden lassen, die u.a. vermutlich auch aufgrund der zögerlichen/nicht vorhandenen aber eingeplanten Unterstützung aus Belarus zustande kamen.
Deutschland hat vor der Invasion alles in Richtung Diplomatie geworfen, und Diplomatie ist der einzige Ausweg. Dazu gehört auch Abschreckung. Aber ein zu blindes oder emotional geleitetes Liefern von Waffen, nach denen am lautesten geschrien wird, halte ich für ein gefährliches Manöver.
Ich hoffe daher, dass vom Kanzler die Führung kommt, die er versprach. Aber ohne große persönliche Interessen, gut abgewogen und im Zweifel deeskalierend auf allen Seiten. Das mindeste vor jeder Lieferung sollte zudem eine enge Absprache mit den Verbündeten auf NATO&EU Ebene sein, da es im Zweifel zu einem Konflikt kommt, der alle direkt betrifft. Führungskraft ist für mich in jedem Fall mehr als immer zeitnah und medienwirksam richtungsweisende Entscheidungen bekannt zu geben.
Diese Meinung geht ein bisschen einher mit der von Herrn Busse in der FAZ (Waffenlieferungen an die Ukraine: Ein Hebel gegen Putin) … Vielleicht kann man auch ohne die Waffen letztendlich direkt zu liefern, diese als Druckmittel aufbauen? Vielleicht kann man auch ohne Waffenlieferungen diplomatisch auf China und Indien einwirken, und diese Länder zu einem Umdenken bewegen hinsichtlich ihres Supports für RUS?