Rechtsextremen das passive Wahlrecht entziehen?

Die Maßnahme gibt es ja (siehe unten).

Abgesehen davon, dass man für meinen Vorschlag Gesetze ändern müsste - wäre es nicht gerade in Deutschland sinnvoll, dass Höcke etc gar nicht erst auf Wahllisten auftauchen können?
Rechtsextreme haben doch auf demokratischen Wahllisten nichts zu suchen, oder?


ZITAT AUS https://www.wahlrecht.de/lexikon/ausschluss.html:

Verlust des passiven Wahlrechts

Wer wegen einer Straftat rechtskräftig verurteilt wird, verliert gemäß § 45 Abs. 1 StGB automatisch sein passives Wahlrecht für fünf Jahre (plus Dauer der Freiheitsstrafe), wenn

  • es sich bei der Straftat um ein Verbrechen handelt, also um eine Straftat, die auch im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht ist,
  • und das Urteil dann auch wirklich auf Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr (mit oder ohne Bewährung) lautet.

Beispiel: Wer wegen Volksverhetzung zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurde, verliert sein passives Wahlrecht nicht (weil die Mindeststrafe bei Volksverhetzung nur drei Monate beträgt). Wer hingegen wegen Raubes zu der gesetzlich vorgesehenen Mindeststrafe von einem Jahr verurteilt wird, kann fünf Jahre nicht mehr gewählt werden. Lautet das Strafmaß hingegen hier wegen besonderer strafmildernder Umstände auf unter zwölf Monaten, bleibt die Wählbarkeit erhalten.

Der Verlust der Wählbarkeit wird mit der Rechtskraft des Urteils wirksam. Die Dauer des Verlustes des passiven Wahlrechts wird von dem Tage an gerechnet, an dem die Freiheitsstrafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist. Wer zum Zeitpunkt der Wirksamkeit noch ein Amt innehat, das er durch öffentliche Wahlen erhalten hat, verliert dieses Amt mit sofortiger Wirkung.

Die betroffene Person darf in den fünf Jahren auch kein Mitglied einer Partei mehr sein (§ 10 Abs. 1 PartG).

Entzug des aktiven und passiven Wahlrechts

Darüber hinaus kann ein Gericht unter bestimmten Vorraussetzungen sowohl das passive Wahlrecht als auch das aktive Wahlrechtfür zwei bis fünf Jahre bei folgenden Straftaten entziehen:

  • Vorbereitung eines Angriffskrieges
  • Aufstacheln zum Angriffskrieg
  • Hochverrat gegen den Bund
  • Hochverrat gegen ein Land
  • Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens
  • Fortführung einer für verfassungswidrig erklärten Partei
  • Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot
  • Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen
  • Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
  • Agententätigkeit zu Sabotagezwecken
  • Verfassungsfeindliche Sabotage
  • Verfassungsfeindliche Einwirkung auf Bundeswehr und öffentliche Sicherheitsorgane
  • Verunglimpfung des Bundespräsidenten
  • Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole
  • Verfassungsfeindliche Verunglimpfung von Verfassungsorganen
  • Landesverrat
  • Offenbaren von Staatsgeheimnissen
  • Landesverräterische Ausspähung, Auskundschaften von Staatsgeheimnissen
  • Preisgabe von Staatsgeheimnissen
  • Verrat illegaler Geheimnisse
  • Verrat in irriger Annahme eines illegalen Geheimnisses
  • Landesverräterische Agententätigkeit
  • Geheimdienstliche Agententätigkeit
  • Friedensgefährdende Beziehungen
  • Landesverräterische Fälschung
  • Angriff gegen Organe und Vertreter ausländischer Staaten
  • Wahlbehinderung
  • Wahlfälschung
  • Wählernötigung
  • Wählerbestechung
  • Abgeordnetenbestechung
  • Sabotagehandlungen an Verteidigungsmitteln
  • Sicherheitsgefährdender Nachrichtendienst

Das aktive Wahlrecht darf also nur bei bestimmten (nicht allen) politischen Straftaten aberkannt werden, keinesfalls jedoch bei Verbrechen wie etwa Mord, Totschlag und schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern.

(Dies ergibt sich aus den §§ 45, 92a, 101, 102, 108c, 108e, 109i StGB.)

Wer sein aktives oder passives Wahlrecht durch Richterspruch verliert, darf auch nicht Mitglied einer Partei sein. Das heißt, er darf keiner Partei beitreten, und eine bereits bestehende Parteimitgliedschaft erlischt automatisch (§ 10 Absatz 1 Satz 4 Parteiengesetz).

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Interessant. Zumindest beim passiven Wahlrecht könnte man dies relativ einfach nur auf die Dauer der Freiheitsstrafe beziehen (alles ab 1 oder 2 Jahren?), was meiner Meinung nach nicht so problematisch wäre.
Beim aktiven Wahlrecht wäre ich überaus vorsichtig.

Noch einmal: DAS GIBT ES SCHON, da braucht man nichts mehr beziehen. Bei bestimmten Verurteilungen verliert man das passive Wahlrecht für 5 (FÜNF!) Jahre.

Aber ein als rechtsextrem eingestufter Höcke darf aus Wahllisten erscheinen…

Der Thread ist zwar schon 11 Tage her, aber da ich gerade aus dem Kosovo zurückkomme, möchte ich dennoch darauf antworten:

Einschränkungen des Wahlrechts sind im Hinblick auf Demokratie und Rechtstaatlichkeit grundsätzlich extrem gefährlich und sollten keinesfalls zum Normalfall werden. Dass jemand, der aktuell eine Haftstrafe verbüßt, sich nicht in ein Parlament wählen lassen kann, ist nachvollziehbar. Der längerfristige Ausschluss über 5 Jahre aus § 45 StGB ist schon grenzwertig - diesen auch auf Vergehen (wie Volksverhetzung) anzuwenden fände ich sehr problematisch. Ebenso fände ich es problematisch, Volksverhetzung zu einem Verbrechen zu machen, da Volksverhetzung eben ein „Meinungsäußerungsdelikt“ ist. Für Free-Speech-Hardliner (wie die USA) ist die Strafbarkeit der Volksverhetzung jetzt schon ein Problem - so weit würde ich nicht gehen. Ich finde es gut, dass Volksverhetzung strafbar ist und man somit auch den Hetzer hinter der „Glatze mit dem Molotov-Cocktail“ zumindest irgendwie greifen kann. Es ist aber eben eine Gratwanderung, bloße Meinungsäußerungen - wie dumm man sie auch immer finden mag - unter Strafe zu stellen.

Beim Verlust des aktiven Wahlrechts bin ich ganz bei @Ruhrpottler - die USA zeigen sehr gut, welche Konsequenzen dies für Minderheiten haben kann. Die schwarze Bevölkerung ist stärker von Armut und damit auch Kriminalität betroffen und durch den Ausschluss vom aktiven Wahlrecht wegen strafrechtlicher Verurteilung hat ein relevanter Teil der schwarzen Bevölkerung kein Wahlrecht und damit noch weniger politische Lobby als ohnehin schon, was i.d.R. zu mehr Benachteiligungen, mehr Armut und damit auch mehr Kriminalität führt. Derartige Entwicklungen würde ich in Deutschland um nahezu jeden Preis verhindern wollen.

Natürlich wird hier nur darüber diskutiert, klaren Nazis das aktive Wahlrecht abzuerkennen, aber wie lange wird es wohl dauern, bis eine CDU-Regierung diese Denkweise auch auf die Antifa anwendet - und danach auf alle, weil die CDU ebenso wie die US-Republikaner weiß, dass sie damit vor allem diejenigen trifft, die sie nicht wählen werden. Es ist ein inhärentes Interesse einer selbsternannten Law-and-Order-Partei (und eine solche ist die CDU!), Straftäter von der Wahl fernzuhalten. Dem sollte man keine Türen öffnen, auch nicht, um Nazis zu bekämpfen.

Grundsätzlich gilt, dass Häftlinge dem Staat mehr als andere Bürger ausgeliefert sind, da sie in einer totalen Institution („Gefängnis“) leben. Diesen Menschen das aktive Wahlrecht und damit die Einflussmöglichkeit auf politische Änderungen wegzunehmen ist daher besonders gefährlich.

Der Entzug des aktiven Wahlrechts ist zwar in der Tat aktuell möglich, wird aber nur in 1,4 Fällen pro Jahr praktiziert, hat daher praktisch nahezu keine Bedeutung. Und das ist auch gut so.

Grundsätzlich muss man sich auch fragen, was die Konsequenz ist, wenn man Rechtsaußen wie Höcke oder der NPD das passive Wahlrecht oder gar das aktive Wahlrecht entziehen würde.

Ein Entzug des Wahlrechts führt generell zu einem noch stärkeren Opfer-Mythos und dazu, dass diese Menschen sich im Kampf gegen die Demokratie bestätigt fühlen. Daher: wenn du in der Demokratie gar nicht mitspielen darfst, wirst du dir umso schneller das Recht herausnehmen, dieses System mit Waffengewalt zu beseitigen. Das gilt sowohl für das aktive als auch das passive Wahlrecht.

Eine gesunde Demokratie muss mit ein paar Nazi-Parteien und einem gewissen Anteil an naziwählender Bevölkerung klar kommen müssen. Es sind Systeme wie Russland oder der Iran, die mit Strömungen, die gegen deren Staatsräson verstoßen, nicht klar kommen und deshalb deren Politiker von den Wahlen ausschließen oder die in Straflagern verschwinden lassen. Eine Demokratie sollte das nicht nötig haben.

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