Ich denke da würden dir die Menschen, die dem kritisch gegenüber stehen, widersprechen. Ich denke für die ist das nämlich eindeutig und per Mehrheitsvotum geklärt. Oder bist du der Meinung, dass der erstmalige Diskurs quasi unendlich lang gehen darf?
Erstens schrieb ich
(auch unter den Grünen)
und habe damit deutlich gemacht, dass es nicht nur an den Grünen liegt.
Zweitens ignorierst du bei der Schuldfrage, aber auch die Verantwortung der Grünen. Denn Gegenwind gab es auch aus dem Umweltministerium unter Steffi Lemke und die aktuelle Lösung wird von vielen Grünen wegen der Ausgleichszahlungen auch scharf kritisiert.
Zuletzt hätte man den Prozess auch enorm beschleunigen können, hätte man mit der FDP nicht über Für und Wider der Einbeziehung des Autobahnausbaus gestritten. Was hätte eigentlich dagegen gesprochen, statt etlicher neuer Sonderregeln zur Beschleunigung, die Verfahren allgemein zu entschlacken, so dass Bauanträge insgesamt weniger verzögert werden? Diese Chance wurde völlig verschlafen.
Bei unserem bisherigen Tempo werden wir bis 2030 die Lage nicht viel verbessert haben. Ich setze ungern auf Prinzip „Hoffnung“. Ein Backup-Plan ist mir bei wichtigen Dingen stets 100mal lieber als Daumendrücken. Zumal wir für das Abpuffern von Dunkelflauten ja ohnehin Kapazität brauchen. Bei nur 6 % Anteil am deutschen Strommix tragen AKW jedenfalls kaum zu signifikanten Überkapazitäten bei. Im ARD Beitrag oben kam übrigens Habeck zu Wort und erklärte Dunkelflauten mit Wasserstoff-Kraftwerken kompensieren zu wollen, ohne zu erwähnen, dass bis zur ausreichenden Verfügbarkeit von H2 (lange nach 2030) einfach weiter Gas und Kohle verbrannt würden.
Aber hier sind wir ja eigentlich d’accord.
Ich empfinde konservative Politik nicht per se als realitätsnäher. Aber ich halte Fundi-Meinungen fast immer für Unfug. Fundamentalismus verträgt sich nicht mit Demokratie.
Oh da bin ich aber gespannt. Vor allem haben wir bis dahin kein Knowledge mehr auf dem Gebiet und fangen mehr oder weniger wieder bei Null an. Die Techniker und Ingenieure können wir dann ja glücklicherweise aus Frankreich importieren.
Das Problem ist hier:
Die Grünen wollten eine Priorisierung von Projekten, die mit dem Ausbau von erneuerbaren Energien zu tun haben und deshalb in diesen Bereichen Bürokratie abbauen. Der Abbau dieser Bürokratie ist dabei ein Privileg, weil die Bürokratie, neben ihrem Nachteil, Dinge zu verlangsamen, ja auch Vorteile hat (insbesondere im Hinblick auf die Gleichbehandlung; Bürokratie ist das Gegenteil von Willkür, die jeder Beamte hätte, wenn es keine strikten bürokratischen Vorgaben gäbe…)
Wenn wir nun aber generell Bürokratie abbauen ist dieser Bürokratieabbau zum einen auch Schädlich (wie gesagt, die Bürokratie existiert nicht als Selbstzweck), sondern zum anderen verpufft auch jeder Effekt der Priorisierung - wenn man alles priorisiert, priorisiert man letztlich nichts.
Das alles ist auch den Entscheidungsträgern der FDP bewusst gewesen, als sie diese Nebelkerzen und Störfeuer geworfen haben, indem sie unbedingt auch den Autobahnausbau beschleunigen wollten…
Ich glaube der Punkt ist eher umgekehrt, dass ich mir leicht verschaukelt vorkomme wenn mit mir jemand über sowas diskutieren will aber gleichzeitig die AKW abschalten möchte. Die spielen vom Einsparpotential nicht in der selben Liga.
Das liegt daran, dass die hier emittierten CO²-Mengen Peanuts im Vergleich zum wahnsinnig umweltschädlichen Verbrennen von Braun- und Steinkohle sind. Beim Tempolimit sind wir bei 6 - 12 Millionen Tonnen Einsparung per annum, Inlandsflüge sind für ca. 0,3% der deutschen CO²-Emissionen verantwortlich und das Anstrahlen von Kirchen dürfte (beinahe) völlig vernachlässigbar sein.
Den größten Anteil an den deutschen CO²-Emissionen hatte im Jahr 2022 mit knapp 35% des Gesamtausstoßes die Energiewirtschaft - ca. 236 Millionen Tonnen. (Quelle: Umweltbundesamt) Ein Großteil verursacht durch Kohlestrom (v.a. der fürchterlich umweltschädliche Braunkohlestrom, wo die Erzeugung von 1KWh ca. 1kg CO² emittiert. (Klima-) Schädlicher gehts kaum noch.
Mit einem Weiterbetrieb der AKWs hätte man den kumulativen Effekt von Tempolimit, Verbot von Innlandsflügen und Dunkelheit für Gotteshäuser um ein Vielfaches übertreffen können.
Das bemängele ich an der deutschen Klimabewegung: Bei vielen herrscht gefühlsmäßig die typisch deutsche Vollkaskomentalität sowie die Vorliebe, sich detailverliebt in Nebenschauplätzen zu verzetteln, während man das Problem mit ein wenig Risiko elegant lösen könnte (oder wie hier: große Effekte vernachlässigt werden, während man seine Zeit mit Diskussionen über das Tempolimit verplempert).
Das Problem ist mir durchaus bewusst. Ich musste aber kürzlich für eine Baugenehmigung durch solche Prozesse und habe dabei so einiges erlebt. Und Freunden von mir war es noch schlimmer. Denen wurde nach fast einem Jahr Bearbeitung explizit die Baugenehmigung zum Ausbau eines Stalls zum Wohnhaus auf dem Hof der Großeltern verweigert. Der Grund ist faktischer Unsinn, aber rechtlich sauber und hätte bereits nach 5 Minuten so entschieden werden können. Aber die Erlebnisse würden den Thread nun völlig verwässern.
Daher nur soviel, wir leisten uns so unheimlich viel Overhead in bürokratischen Bauverfahren. Das hat nichts mit Schutz vor Willkür zu tun, sondern eher damit dass jeder Amtsschimmel seine eigenen Pfründe verteidigen möchte. Nur leider wird durch die 20. Erweiterung des 25. Gesetzes um Edge Case 115 abzufangen, der Prozess nur noch ineffizienter.
Es geht nur noch um 3 AKW. Die zu ersetzen, verursacht mit Sicherheit nicht soviel CO2, wie die gesamte deutsche Energiewirtschaft ausstößt oder auch nur alle Kohlekraftwerke.
Aber der Punkt ist auch eigentlich der, dass wir genug Einsparpotential hätten, um ohne Probleme die 3 letzten AKW vom Netz zu nehmen, ohne dafür auch nur ein Stück Kohle mehr zu verbrennen.
Aber das lässt die typisch deutsche Bequemlichkeit nicht zu.
Was wäre denn dagegen einzuwenden wenn wir AKWs weiter betreiben UND Tempolimit, Wärmewende und Ausbau der Erneuerbaren betreiben würden? Ist das denn nichts wert?
Durch konsistentes, politisches Handeln. Wie oben schon von @Oneiroid bemerkt, ist es schwer erklärbar, dass wir AKWs den Grünen zuliebe abschalten, obwohl wir damit mehr CO2 durch Kohleverstromung erzeugen.
Die Bundesregierung sollte schleunigst 5 Prioritäten ihres Handelns formulieren und die dann priorisiert, unideologisch und stringent abarbeiten.
Die Menschen verstehen schon, dass nicht immer alles Prio 1 sein kann und sich ihre Lieblingsprojekte unterordnen müssen. Wichtig ist nur der Eindruck, dass es allen anderen auch nicht anders geht und niemand Sonderregeln bekommt.
Das habe ich auch nicht gesagt - trotzdem würden die verbleibenden Meiler (Isar 2 ist mit 1,49 Gigawatt Bruttoleistung noch immer in den Top 10 weltweit - Emsland mit 1,406 und Neckarwestheim 2 mit 1,4 GW nur knapp dahinter) die Energieversorgung in Deutschland nicht unwesentlich entlasten und Kohleverstromung reduzieren.
Ja, die verbleibenden Atomkraftwerke müssten sicherlich einige Monate lang gewartet werden, um wieder einsatzbereit zu sein - dennoch - es würde über einige Jahre Hunderte Millionen CO² einsparen. Sehr wahrscheinlich wären die restlichen, inzwischen stillgelegten Atomkraftwerke geeignet, unter den sichersten Meilern jene auszuwählen, die sich zum kurz- bis mittelfristigen Wiederhochfahren eignen - um damit noch mehr Kohle einzusparen. Letzteres halte ich für ein kleines Wagnis, ersteres für vernünftig.
Ich spreche hier für mich und sicherlich etwas polemisch: Wer nicht bereit ist, das abstrakte (und sicher vorhandene) Risiko eines nuklearen Super-GAUs auf sich zu nehmen, während wir gleichzeitig (im Falle der Braunkohlekraftwerke) die höchsten Klima- und Umweltschäden schlechthin akzeptieren, sollte nicht mit Forderungen nach Tempolimit oder Flugverbot um die Ecke kommen. „Kostenlos“ sind diese Maßnahmen nämlich auch nur für jene, die sie sehr unterstützen oder nicht von ihnen betroffen sind - jedes Kilogramm eingesparte CO² zählt auch offenbar nur dann, wenn es die eigene Komfortzone nicht verletzt, da unterscheiden sich anscheinend Grüne und Konservative nur wenig. Echter Utilitarismus sieht aber anders aus.
Entweder Klimaschutz ist sehr wichtig bis das wichtigste Menschheitsthema, oder eben nicht. Ohne schmerzhafte Kompromisse für alle wird das ganze zur unglaubwürdigen Ideologie-Show. Ich denke, mit dem erzwungenen Atom-aus hat man sehr viele Menschen dahingehend verprellt, als dass Klimaschutz in Deutschland eben doch nur parteipolitische Dimensionen hat.
Der Atomausstieg stand seit 2011 in jedem Koalitionsvertrag explizit drin und er wurde von einer schwarz-gelben Regierung beschlossen. Er ist also mitnichten ein rein grünes Projekt.
Nachdem wir uns hier überwiegend einig sind, dass Atomkraft im Hinblick auf die Umweltrisiken der Kohle vorzuziehen ist, möchte ich die Frage, ob die politischen und gesellschaftlichen Kosten eines Wiedereinstiegs den Nutzen übersteigen oder nicht, mal beiseite lassen.
Stattdessen würde mich in der Sache interessieren:
a) Wie stellt man wirtschaftspolitisch sicher, dass die Kernenergie denn auch die Kohle (oder Gas) ablöst und nicht Erneuerbare verhindert? Für mich wäre das Risiko der Akw deutlich leichter hinnehmbar, wenn ich sicher wäre, dass dadurch die Kohle aggressiv aus dem Markt gedrängt würde. Passiert das allein durch den Preis? Oder ergeben sich Besonderheiten, weil regional die Netze mit Atomstrom vollgestopft sind und Erneuerbare abgeregelt werden? Das Argument kommt immer wieder und ich kann es nicht einschätzen.
Parteipolitisch aufseiten der CDU? Wir sollten nicht vergessen, wer den Atomwiederausstieg beschlossen hat. Neben den Grünen, die in dieser Hinsicht sehr dogmatisch sind (Ideologie verwende ich lieber neutral im Sinne von weltanschaulichem Leitbild oder Fundament, das - zum Glück - jede Partei hat, Wikipedia ), tragen da also auch Schwarz und Gelb ihr Päckchen. Und alle (die FDP nehme ich mal tendenziell aus) in Teilen auch aus Populismus, Merkel damals wahltaktisch nach Fukushima, die Grünen wegen ihres Gründungsmythos Anti-Akw-Bewegung. Letztlich ist mein Eindruck, dass hier wirklich eine weit verbreitete „German Angst“ gepaart mit vielen Halbwahrheiten (ich muß ehrlich sein, ich habe keine Ahnung bezüglich der technischen Fragen, auf die es zur Abschätzung der Sicherheit und der Endlagerung letztlich ankommt, durch die Medien - auch gute - geistern immer wieder nur Fetzen einer Faktenbasis, und vermute deshalb, den meisten geht es ähnlich) die Oberhand gewonnen hat.
Es nützt wenig, das Thema auf diese Weise parteipolitisch aufzuladen, wenn man nicht auch einen Weg sucht, entscheidende Akteure umzustimmen. Das wären aktuell wohl mindestens große Teile der Grünen und der SPD. Was schlägst Du also vor, um es denen schmackhaft zu machen? Ich persönlich könnte mich mit dem vorgeschlagenen „Kuhhandel“, Akw-Weiterbetrieb gegen Tempolimit, sehr gut anfreunden.
Daneben möchte ich anmerken, dass ich die von dir vorgenommene Reduktion des Themas auf CO2 als gefährlich monodimensional empfinde - im Fall der Akws sind es eben von vielen als gewichtig eingeschätzte andere Risiken, die eine Rolle sprechen, beim Tempolimit kommen positive Effekte wie verminderter Ausstoß anderer Schadstoffe und weniger Unfalltote hinzu (erstere kann man gegen Kohle und für Atom auch anführen). Auch wenn man der Versuchung widerstehen muss, den Austausch von Argumenten und Faktoren ewig in die Länge zu ziehen und dadurch Entscheidungen zu verhindern bzw. Wertungen zu verschleiern, sollte man Komplexität anerkennen.
Wir sind also als Gesellschaft bereit, die Risiken der Atomkraft zu tragen, ja?
Komisch, irgendwie scheinen nur AKW akzeptabel zu sein, an denen mehrheitlich die deutsche Energiewirtschaft mitverdient, wie man an diesem Artikel hier am besten sieht:
Schon blöd, wenn man als CSU gleichzeitig das AKW Isar 2, an dem München kräftig mitverdient, verteidigen will und gleichzeitig die tschechischen AKW kritisieren möchte…
Im Spotmarkt würde Kohle, um die Leistung verdrängt werden, welche die AKW noch leisten können, da Grenzkosten nahe Null. ( Bei EE sind Grenzkosten auch Null).
Von dem „Verstopfen“ der Netze wird gesprochen, wenn es Netzengpässe gibt. Dann wird ein sogenannten Redispatch durchgeführt, dass heißt vor dem Engpass werden Kraftwerke abgeschaltet und nach dem Engpass hochgefahren ( geographisch gesehen). Die geographische Lage der Kernkraftwerke spricht eher gegen das vermehrte Aufkommen von Netzengpässen durch den Weiterbetrieb, da es in der Erzeugungsleistung immer mehr ein Nord-Süd Gefälle gibt. Zudem sind die AKWs im 380/220 kV netz angebunden, EE eher im 10 bis 110 kV Netz oder Niederspannungsnetz. Also sind verschiedene Netzebenen betroffen und Netzengpässe auf der Verteilnetzebene,wo die EE angeschlossen sind werden nicht durch AKW ausgelöst.
Man könnten nun argumentieren, dass natürlich AKW nicht so steile Leistungsgradienten hinkriegen und deshalb möglicherweise einige EE zeitweise nicht betrieb gehen können trotz Vorrangeinspeisung . Das mag sein verhindert aber nicht direkt den Ausbau von EE, da die netzbedingten Abschaltung diese Anlagen entschädigt werden muss.
Ich würde somit zudem Schluss kommen, dass ein verstopften der Netze durch den Weiterbetrieb der verbleibenden 3 AKW nicht eintritt und der Ausbau von EE nicht verhindert wird.
Es ist aber ein grünes Projekt darüber in veränderter Situation nicht neu nachzudenken. @Daniel_K hat ja mehrfach deutlich gemacht, warum man den Grünen zuliebe hier nicht nachgeben darf.
Ich habe die Diskussion verfolgt und muss für mich feststellen:
Jahrzehntelang haben wir darüber diskutiert. Dann unter rotgrün den Ausstieg beschlossen und das nach einer kurzen Volte unter schwarzgelb nochmal bestätigt. Ein Gesetz wurde verabschiedet. Damit ist die Diskussion abgeschlossen.
Die Energie, die in diese Diskussion gesteckt wird, ist für mich irrsinnig.
Es hat sich nämlich nur eine einzige Änderung ergeben - Gas ist teurer geworden. Das war gewollt und sollte die Emissionen an CO2 verringern.
Also doch keine Änderung - die bisherigen Regierungen haben nur nicht nach ihrem eigenen Fahrplan gehandelt.
Auf dieser Basis die Diskussion von vorne zu beginnen (wie schon gesagt) - nicht notwendig.