Auch wer sich nicht für Politik interessiert hat trotzdem eine Meinung, sonst wären in Umfragen 50% unentschieden, denn warum sollten sie sich für Themen interessieren, die auf ihr Leben keinen unmittelbaren Einfluss haben. Insofern ist es einfach eine Schutzbehauptung, man habe sich zu wenig mit der AFD befasst und sei zu wenig politisch interessiert, um nicht zu wissen, dass man „rechte Hohlbirnen“ wählt.
Hier legst du mir eine Behauptung in den Mund. Ich habe nie gesagt, dass das fehlende Interesse dazu führt, dass die Wähler nicht erkennen, dass die AfD eine Partei von rechten Hohlbirnen ist. Okay, ob sie erkennen, dass es Hohlbirnen sind weiß ich nicht. Aber, dass es sich um Rechte handelt, das sollte klar sein.
Es sind viel eher die einfachen Antworten und das Finger zeigen auf die Anderen als angebliche Ursache der Probleme, das verfängt.
Wenn jemand am Tag nur eine tägliche Aufmerksamkeitsspanne von 5 Minuten für politische Themen hat, dann passt da ein Slogan wie Die Grünen ruinieren unsere Wirtschaft, denn wenn wir weniger herstellen sind wir ressourcenschonender besser rein als wenn ich einen langen Monolog über völkerrechtliche Verträge, Klimawandel und Co halten muss um überhaupt die Grundlagen für das Thema zu legen.
Zumal viele ihre 5 Minuten mit dem größten Klatschblatt Deutschlands verbringen, dass eben diese einfachen (und falschen) Zusammenhänge selbst regelmäßig suggeriert.
Wir sollten nicht vergessen, das Forum ist eine Blase. Die meisten Deutschen würden nach dem dritten längeren Post eines Themas eher abschalten.
Auch das ist kein Grund, Nazis zu wählen.
Die „Story“ der rechtsextremen AfD ist Rassismus. Folglich müssen die „Sorgen“ xenophobe Ressentiments sein.
Somit unterstellst du allen Leuten, die trotzdem Nazis wählen, faktisch, dass sie dumm wären. Das mag zwar in vielen Fällen richtig sein, aber ist dennoch eine unzulässige Verallgemeinerung.
Im Gegensatz zu dir gehe ich schon davon aus, dass auch geistig recht einfach gestrickte Menschen schon intuitiv checken, was gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist, auch wenn den allermeisten der Begriff nicht geläufig sein dürfte.
Habe als Zivi mit geistig-behinderten Menschen gearbeitet, auch die haben - so sie denn sprechen konnten - kapiert, was solcherart Menschenfeindlichkeit ist. Auch Kita-Kinder verstehen schon, dass man Menschen wegen einer zufälligen, nicht selbst gewählten Gruppenzugehörigkeit nicht diskriminieren sollte. Jedenfalls sind sie dazu in der Lage.
Es spalten nur die, die Menschen wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung etc. ablehnen und diskriminieren. Freiwillig rechtsextrem zu sein ist etwas anderes als eine andere Herkunft, Religion, sexuelle Orientierung oder Hautfarbe zu haben.
Folgendes Beispiel:
Ein Islamist pöbelt auf deiner Gartenparty 'rum und verlangt, dass alle Frauen gehen. Den würdest du doch auch nicht weitermachen lassen, sondern ihm die Gartentür weisen.
Nazis benehmen sich nicht anders, nur dass sie zumeist andere Gruppen ausschließen wollen, Geflüchtete, Muslime, queere Personen z. B.
Diese Rechtsextremen schließen sich selbst aus der Gemeinschaft aus, weil sie die reale Vielfalt nicht akzeptieren.
Nazis spalten.
Lesenswert ist noch das Fazit des Abschlussberichts zu einem Forschungsprojekt, der den Titel „Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland: Ursachen – Hintergründe – regionale Kontextfaktoren“ trägt:
Das Ganze ist zwar schon sieben Jahre alt, aber - wie mir scheint - immer noch aktuell.
Der auf einer Studie basierende Bericht war vier Jahre lang unter Verschluss:
Aktuelle noch nicht auf Übergriffe je Million Einwohner/innen umgerechnete Daten zeigen übrigens, wie sich die Melange aus verbreitet rechtsextremen Einstellungen und entsprechendem Wahlverhalten auswirken:
@schackerio: Ist diese Zusammenfassung des Fazits der Studie „ Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland: Ursachen – Hintergründe – regionale Kontextfaktoren“ durch ChatGPT zutreffen?
Das Kapitel „8. Fazit“ der Studie bietet eine umfassende Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse und Argumente aus den vorherigen Kapiteln und beleuchtet insbesondere die strukturellen und gesellschaftlichen Bedingungen, die zur Entstehung rechtsextremer Einstellungen in Sachsen und Thüringen beitragen. Im Folgenden eine detailliertere Zusammenfassung:
1. Sozioökonomische und strukturelle Faktoren:
- Wirtschaftliche Lage: In den untersuchten Regionen herrschen schwierige wirtschaftliche Verhältnisse, die durch hohe Arbeitslosigkeit, strukturelle Schwächen und einen Mangel an wirtschaftlicher Dynamik gekennzeichnet sind. Diese ökonomischen Herausforderungen tragen dazu bei, dass sich bei vielen Menschen ein Gefühl der Perspektivlosigkeit und Marginalisierung entwickelt, was wiederum die Anfälligkeit für rechtsextremes Gedankengut erhöht.
- Bevölkerungsstruktur und Migration: Die demografische Entwicklung, einschließlich eines vergleichsweise geringen Migrantenanteils, führt zu einer Homogenität in der Bevölkerung, die wiederum Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit begünstigt. Migration wird oft als Bedrohung wahrgenommen, was in einigen Regionen zu einer verstärkten Unterstützung rechtsextremer Positionen führt.
2. Kulturelle und soziale Rahmenbedingungen:
- Desintegrationserfahrungen: Viele Menschen in diesen Regionen erleben eine soziale und kulturelle Desintegration. Der Mangel an kulturellen und sozialen Angeboten verstärkt das Gefühl der Ausgeschlossenheit und Isolation. Diese Desintegrationserfahrungen werden oft von rechtsextremen Akteuren instrumentalisiert, um einfache Erklärungsmodelle und Feindbilder zu verbreiten.
- Autoritäre Orientierung: Es gibt eine weit verbreitete Tendenz zu autoritären Denkmustern, die sich durch eine starke Hierarchieorientierung und die Ablehnung von Pluralismus auszeichnen. Diese Denkweisen stehen im Einklang mit rechtsextremen Ideologien, die eine strikte gesellschaftliche Ordnung propagieren.
3. Erinnerungskultur und Geschichtsbild:
- Selektive Erinnerungskultur: Die Auseinandersetzung mit der Geschichte in Ostdeutschland ist oft selektiv. Die DDR-Vergangenheit wird in Teilen idealisiert, während andere Aspekte der Geschichte, insbesondere die Verantwortung Deutschlands für den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust, relativiert oder ausgeblendet werden. Diese selektive Erinnerungskultur schafft einen Nährboden für rechtsextreme Narrative.
- Nostalgie für autoritäre Systeme: Verbunden mit der Erinnerungskultur ist eine gewisse Nostalgie für die DDR, die als stabile, geordnete Gesellschaft wahrgenommen wird. Diese Sichtweise fördert Sympathien für autoritäre und rechtsextreme Ideen, die eine ähnliche gesellschaftliche Ordnung anstreben.
4. Regionale Unterschiede:
- Unterschiede zwischen Sachsen und Thüringen: Die Studie hebt hervor, dass es signifikante regionale Unterschiede in den rechtsextremen Einstellungen zwischen Sachsen und Thüringen gibt. Diese Unterschiede werden auf spezifische lokale Gegebenheiten zurückgeführt, wie etwa unterschiedliche historische Erfahrungen, wirtschaftliche Strukturen und politische Traditionen. Diese regionalen Spezifika sind entscheidend für das Verständnis der Verbreitung rechtsextremer Einstellungen und für die Entwicklung von Gegenmaßnahmen.
5. Politische und gesellschaftliche Implikationen:
- Mangelnde politische Partizipation: Ein zentraler Punkt der Studie ist die Feststellung, dass in den betroffenen Regionen eine geringe politische Partizipation herrscht. Diese politische Apathie schwächt demokratische Strukturen und fördert die Entfremdung von politischen Prozessen, was wiederum rechtsextremen Gruppen Raum gibt, um ihren Einfluss auszubauen.
- Erforderliche Gegenmaßnahmen: Abschließend betont die Studie die Notwendigkeit gezielter politischer und sozialer Interventionen. Es wird argumentiert, dass langfristige und nachhaltige Maßnahmen erforderlich sind, um die strukturellen Ursachen rechtsextremer Einstellungen anzugehen und die demokratische Kultur in diesen Regionen zu stärken.
Das Fazit der Studie unterstreicht somit die komplexen Wechselwirkungen zwischen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Faktoren, die zur Verbreitung rechtsextremer Ideologien beitragen. Es fordert eine umfassende gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung mit diesen Problemen, um die Demokratie in den betroffenen Regionen zu festigen und rechtsextreme Tendenzen zurückzudrängen.
Interessante Zusammenfassung. Beim Lesen der Studie blieb mir - vielleicht selektiv - Abwertungserfahrungen aus der Wendezeit als Faktor in Erinnerung. Genau so wie die zu DDR Zeiten erlernte Abgrenzung zum Fremden (These: die DDR war strukturell rassistisch). Schon spannend, wie die ChatGPT Zusammenfassung Dinge „weg glättet“ - die bei fokussierter Betrachtung interessant sind.
[edit: sprachlich]
Die Audio Doku der FAZ möchte hier hier auch noch mal sehr empfehlen („schaut auf diese Stadt“). Insbesondere folge 5 - auch wenn ich sie ehrlicherweise kaum ertragen habe und die Interviewpartner der AFD und Linkspartei gerne schütteln wollte.
Heute in der Süddeutschen Zeitung [hinter Paywall] eine Besprechung eines neuen Buches „Freiheitsschock“ des Historikers Ilko-Sascha Kowalczuk mit interessanten, wenn auch reißerisch-provokativen Thesen:
Das ist harter Tobak und die SZ geht damit auch ziemlich kritisch um. Aber bedenkenswert sind die Thesen dennoch …
Dagegen ein Ausschnitt von einem Interview mit Ministerpräsident a.D. Platzek in der 6. Folgen des hervorragenden FAZ-Sommerpodcasts „Sehr auf diese Stadt“ (Markierungen von mir)
Von FAZ Podcast für Deutschland: Schaut auf diese Stadt (6): „Ost-, Ost-, Ostdeutschland!“, 16. Aug. 2024
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Das ist ja nicht weit weg von den Erklärungen des ostdeutschen Soziologen Steffen Mau:
Es gibt hohe Erwartungen an die Politik und so 'ne Vorstellung: „Demokratie ist dann, wenn die da oben das machen, was wir gerne wollen!“ Auch so 'ne Vorstellung eines unmittelbaren Volkswillens, der dann durch die Politik irgendwie zu berücksichtigen wäre. Aber die Demokratie lebt eben auch stark von Verfahren, wie gewählt wird, wie sich Parlamente zusammensetzen, wie 'ne Regierung zustande kommt.
(Ab Minute 26:50)
Das schließt übrigens auch an die Daten, die ich im Anschluss ans von @Bent verlinkte Policy Paper hier zusammengefasst habe, an. Denn zumindest bei Mau klingt ja die Vorstellung eines einheitlichen „Volkswillens“ durch.
Der aktuelle Podcast „Machtwechsel“ interviewt Ministerpräsident Kretschmer. Möchte beim Hören regelmäßig widersprechen, aber hilft ihn und seine Einschätzung des Ostens zu verstehen.
Hier ist ein Schlüssel enthalten: Der DDR-Antifaschismus hat sich ideologisch zwar gegen die Machtverteilung im Faschismus gerichtet (weg vom Volk), aber nicht gegen das Identitätsbild (einheitlicher Volkskörper). Beides zusammen lebt heute in der Populismuserzählung des „wahren Volkes“ gegen die „Machtelite“.
Das Narrativ von der „Volksgemeinschaft“ wurde ja auch im Nationalsozialismus gepflegt.
Jetzt kann man noch mal gucken, was denn das antifaschistische Narrativ der DDR war.
Das allein ist ja schon eine extreme Umdeutung.
Der „einheitliche[] Volkskörper“ war im sog. „Arbeiter- und Bauern-Staat“ im Sinne einer v. a. ethnisch wenig diversen Gesellschaft tatsächlich auf gewisse Art und Weise gegeben. Das macht aber anfälliger für Vorurteile gegenüber als fremd wahrgenommenen Minoritäten.
Ost und West nähern sich demnach also eher an.
Weiterhin ist ein klare Mehrheit in Westdeutschland mit dem Funktionieren der Demokratie mindestens zufrieden, wohingegen eine klare Mehrheit in Ostdeutschland mindestens unzufrieden ist.
Nach politischen Einstellungen i. e. S. (z. B. den sechs Dimensionen des Rechtsextremismus) wurde gar nicht gefragt.
Und von einem Abschmelzen der Unterschiede in politischer Hinsicht kann auch keine Rede sein, wenn man sich die jüngsten gesamtdeutschen Wahlergebnisse nach Ost und West unterschieden anschaut.
@Schnackerio: Also ist diese Studie für dich schonmal nicht brauchbar, oder? Was ich aber spannend finde, ist aber, dass übereinstimmend in Ost und West 97% der Befragten die Demokratie grundsätzlich als die beste Staatsform ansehen. Es scheint also ganz und gar nicht so zu sein, dass die Ostdeutschen im Gegensatz zu den Westdeutschen die Demokratie ablehnen. Und auch mit der Ablehnung der momentanen Politik finde ich die Werre in West (immerhin auch 40%) nur 16 Prozentpunkte weniger als im Osten. Wenn man das auf die Anzahl der Bewohner pro qm umrechnet, dürften das also gleich viele Leute im viel dichter besiedelten Westen wie im deutlich dünner besiedelten Osten sein. Ich finde, das kann durchaus als ein aufeinander zubewegen bezeichnet werden.
@turmfalke: meine volle Zustimmung. Jetzt rächt sich wahrscheinlich das Erziehen von vielen Leuten zu bildungsfernen Schichten aus Optimierungs-, Spar- und Gewinnerzielungsgründen. Insofern müssen wir nun mit einer Entwicklung klarkommen, die wir als Gesellschaft zumindest gefördert und in Kauf genommen haben.
Die Frage ist nur, was die Befragten jeweils unter Demokratie verstehen.
Der ostdeutsche Soziologe Steffen Mau sprach mit Blick auf Ostdeutschland von der Vorstellung einer „Einforderungsdemokratie“. In einer ARD-Doku (s. o.) erläuterte er die Spezifik Ostdeutschlands diesbezüglich:
Es gibt hohe Erwartungen an die Politik und so 'ne Vorstellung: „Demokratie ist dann, wenn die da oben das machen, was wir gerne wollen!“ Auch so 'ne Vorstellung eines unmittelbaren Volkswillens, der dann durch die Politik irgendwie zu berücksichtigen wäre. Aber die Demokratie lebt eben auch stark von Verfahren, wie gewählt wird, wie sich Parlamente zusammensetzen, wie 'ne Regierung zustande kommt.
Das ist also eine ganz problematische Vorstellung von Demokratie.
Ergänzen würde ich noch:
Jeder zweite wünscht sich eine ‘starke Partei‘, die die ‚Volksgemeinschaft‘ insgesamt verkörpert. Statt pluralistischer Interessensvielfalt wird eine völkische Gemeinschaft gewünscht“, erläuterte Brähler. Decker fügt hinzu: „Unsere Untersuchung zeigt, dass sich derzeit viele Menschen in den ostdeutschen Bundesländern nicht mehr demokratische Teilhabe und Sicherung der demokratischen Grundrechte wünschen, sondern die scheinbare Sicherheit einer autoritären Staatlichkeit.“
Das hat dann nun wirklich nichts mehr mit Demokratie in unserem Sinne zu tun.
Eine solche Schlussfolgerung lässt sich aus dem von mir Zitierten gerade nicht ableiten.