Progressive Geldpolitik

(1/3) Liebes Lage-Team,

ich schätze euren Podcast und eure nüchterne, faktenbasierte und aufrichtige wöchentliche Analyse dessen was Deutschland und die Welt bewegt sehr. Ich bin allerdings der Überzeugung, dass ihr im Hinblick auf die Frage der Finanzierung öffentlicher Ausgaben einem weit verbreiteten Irrtum aufsitzt. Das ist weiter nicht verwunderlich, denn ein großer Teil meiner Disziplin, der Volkswirtschaftslehre, sitzt diesem Irrtum ebenfalls auf, aber nach eurer letzten Folge zum BVerfG-Urteil zur Schuldenbremse ist es mir ein großes Anliegen euch da mal meine Sicht der Dinge darzustellen. Es handelt sich dabei nicht um meine Privatmeinung, genau genommen noch nicht einmal generell um eine Meinung, sondern um wissenschaftliche Fakten, die jederzeit nachgeprüft werden können.

Oft sprecht ihr in der Lage, wenn ihr über Mittel der öffentlichen Hand redet, von „Steuerzahlergeld“, oder davon, dass die Steuerzahlerinnen irgendetwas „finanzieren“. Dem zugrunde liegt die Vorstellung, dass ein Staat zunächst einmal Geld einnehmen muss, bevor er es ausgeben kann, oder wie meine Freundinnen von der FDP zu sagen pflegen „Geld muss erst erwirtschaftet werden, bevor es verteilt wird“. Natürlich gibt es auch in dieser konventionellen Betrachtung die Möglichkeit der staatlichen Kreditaufnahme, aber es herrscht die Vorstellung vor, dass diese staatliche Verschuldung dann später durch künftige Steuerzahlungen getilgt werden müsse und daher eine Belastung künftiger Generationen sei.

Ich möchte euch hier in aller Kürze die Modern Monetary Theory (MMT) vorstellen, die aus meiner Sicht dieses Narrativ vom „Steuerzahlergeld“ falsifiziert hat. Die Theorie wird von anerkannten Ökonom*innen vertreten, deren Beiträge in anerkannten akademischen Journals publiziert werden. Eine kleine Auswahl zum Einlesen stelle ich euch sehr gerne zur Verfügung. Als wissenschaftliche Theorie kann die MMT jederzeit widerlegt werden, allerdings ist mir kein Versuch bekannt, bei dem das geglückt wäre (und ich habe schon viele MMT-Kritiken gelesen).

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(2/3) Hier also die zentrale Aussage der Theorie im Überblick:
Ein öffentlicher Haushalt funktioniert kategorial anders als ein privater Haushalt, denn die öffentliche Hand ist (jedenfalls in einem Staat mit souveräner Währung) der Währungsschöpfer, während private Haushalte Währungsnutzer sind. Das heißt, der Staat hat das Monopol auf die Schöpfung seiner Währung, während private Haushalte selbst kein (staatliches) Geld schöpfen können. Aus diesem Grund unterliegt der Staat im ökonomischen Sinne keiner monetären Budgetbeschränkung. Private Haushalte tun das natürlich. Sie müssen immer Einnahmen erwirtschaften, bevor sie Ausgaben tätigen und sich notfalls durch Kreditaufnahme oder die Emission von Wertpapieren verschulden. Der Staat muss das aus ökonomischer Sicht nicht, denn er hat das Privileg sein Geld selbst zu schöpfen.
In einer Währungsunion wie der Eurozone ist das ganze ein bisschen komplizierter, aber das Grundprinzip bleibt das gleiche. Jedesmal, wenn die Bundesregierung Ausgaben tätigt, führt die Bundesbank (als operativer Akteur im Europäischen System der Zentralbanken (ESZB)) diese Zahlungen durch, indem sie den Banken der Empfänger*innen der Staatsausgaben neu geschöpftes Zentralbankgeld auf deren Zentralbankkonten gutschreibt. Im Gegenzug schreiben die Banken den Zahlungsempfängern dann Giralgeld auf deren Konten gut. Damit dieser Prozess vonstatten gehen kann, benötigt es keine Steuereinnahmen, denn alle beschriebenen Vorgänge sind reine elektronische Buchungsprozesse, die in der Bundesbank per Mausklick ausgeführt werden. Insofern kann man ganz plakativ sagen: Dem Staat wird sein eigenes Geld nie ausgehen, weil Mausklicks nicht knapp sind. Damit die Bilanz in der Bundesbank ausgeglichen ist, zieht die Bundesbank bei einer Staatsausgabe zwar den entsprechenden Betrag vom Konto der Bundesregierung ab, aber das ist ökonomisch ohne Bedeutung. Denn Bundesbank und Bundesregierung sind beides Institutionen der öffentlichen Sektors. Da ändert auch die vermeintliche Unabhängigkeit der Zentralbanken nichts dran. Man könnte auch sagen, die Abbuchung vom Zentralbankkonto der Bundesregierung ist nichts weiter als ein Bilanzschatten der Erzeugung von neuem Zentralbankgeld. Die einzige Aussage dieses Buchungsprozesses ist: Die Bundesregierung schuldet der Bundesbank einen Betrag x. Das ist aber eine sinnlose Aussage, denn Bundesbank und Bundesregierung sind beides Institutionen des öffentlichen Sektors, sie sind beide „der Staat“. Insofern reduziert sich die Aussage auf: Der Staat schuldet sich selbst sein eigenes Geld. Das ist eine sinnbefreite Aussage. Man kann sich selber nichts schulden.

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Wir hatten dieses Thema schon ziemlich häufig im Forum.
Wegen der Verfassungsgerichtsurteils und der Einordnung in der Lage melden sich nun wieder vermehrt Vertreter der MMT und anderes.
Hier ist also ein neuer Thread.
Aber eine allgemeine Bitte: Bei neuen Themen/Kommentaren immer erst im Forum schauen, ob es schon einen oder mehrere Thread/s zu diesem Thema gibt.

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Guten Tag, ich habe auch mitbekommen, das das Bundesverfassungsgericht den Haushalt gekippt hat und nun „mal wieder“ massive Finanzierungsprobleme auftauchen. Vor dem Hintergurnd des massiven Investitonsstaus stellt sich doch die Frage, ob die Gelschöpfungspolitik, die Geldpolitik und die Fiskalpolitik nicht überdacht werden sollte, um die Finanzierungsspielräume für dringend notwendige, wirtschaftliche, gesellschaftliche und klimapolitische Projekte endlich zu öffnen.
Dazu gibt es mittlerweile einige Autoren aus unterschieldichen wissenschaftlichen Disziplinen, die eine Neuausrichtung der Geldschöpfungspolitik, Geldpolitik und der Fiskalpolitik erörtern und die gegenwärtige Konstitution dieser drei Politikbereiche und die daraus resultierenden Selbstbeschränkungen kritisieren.
Dazu gibt es in der Beilage der Zeitschrift „Das Parlament“ eine sehr gute Beilage, die das Thema aufgreift.

Hier der Link:

Etwas für gut zu befinden, ist kein Argument, aber empfehlen tue ich die Lektüre uneingeschränkt.

Dein Akutor dieser Beilage,der Soziologe Aaron Sahr, beschäftigt sich auch intensiv mit dem Thema unter der Forschungsgruppe " Monetäre Souveränität".

In meinen Augen sind diese Überlegungen dieser Autoren der Befreiungsschlag, den wir dringend brauchen, um endlich aus dem „schwäbischen Hausfrauendenken“ herauszukommen, obwohl ich privat auch wie eine schwäbische Hausfrau ticke ;-), aber der Staat ist keine schwäbische Hausfrau!!!

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Hallo zusammen,

auch mir wäre es ein großes Anliegen, dass in einer Lage-Folge einmal ein kleiner Exkurs in die Geldpolitik gemacht wird und dabei auch über die Modern Monetary Theory (kurz: MMT) gesprochen wird.

@Margarete hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dieses Thema bereits mehrfach an anderen Stellen angesprochen wurde. Danke an dieser Stelle für die Zuordnung dieser Beiträge ;). Da in der aktuellen Lage-Folge ausführlich auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil über die Umwidmung der 60 Mrd. € eingegangen wurde und im Anschluss über die möglichen Finanzierungswege gesprochen wurde, wäre der Zeitpunkt sehr günstig über die MMT und ihre Implikationen zu sprechen.

Ein möglicher Gast wäre Maurice Höffgen, der mit seinem Youtube Kanal „Geld für die Welt“ und seinem wöchentlichem Wirtschaftsbriefing bei Jung & Naiv zeigt, dass er dieses Thema „leicht verträglich“ bzw. verständlich erklären kann. Ziel sollte es ja schließlich sein, einen Mehrwert für alle Hörer zu erreichen und keine abstrakte, unverständliche Wirtschaftstheorie Vorlesung aufzunehmen.

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Da an anderer Stelle bereits die Kernaussagen und Implikationen der MMT besprochen wurden, will ich hier ungerne erneut lange Texte dazu schreiben. Stattdessen möchte ich lieber ein paar Thesen oder Fragestellungen nennen, die potentiell als Startpunkt für eine Diskussion oder eine Lage-Folge dienen könnten.

1.) Müssen Staatsschulden in der Zukunft (von der nächsten Generation) getilgt werden?
Ich meine mit der Frage natürlich nicht, die technische Rückzahlungen für ausgegebene Staatsanleihen, sondern ob ein Staat das Ziel verfolgen sollte, seine Staatsverschuldungsquote in der Zukunft auf 0% zu reduzieren.

2.) Wie entsteht Geld?
Die Frage klingt so trivial und doch lassen sich so viele Erkenntnisgewinne bei der Beantwortung erzielen. Beispielsweise grundlegende Aussagen wie:
Die Schulden von Akteur X sind das Vermögen von Akteur Y (zwei Seiten einer Medaille).

3. Woher nimmt der Staat seine Mittel, um Ausgaben zu tätigen?
Zitat von Margaret ThatcherThere is no such thing as public money; there is only taxpayers’ money.
Die FDP propagiert zuletzt wieder häufiger Folgendes: „Tatsache ist, dass Geld erst erwirtschaftet werden muss, bevor es verteilt werden kann.“ (FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr, Spardebatte nach Haushaltsurteil: FDP will Sozialleistungen kürzen | tagesschau.de)
Fallbeispiel: Bundeskanzler Scholz hat am 27.02.2022 die 100 Mrd. € für die Bundeswehr angekündigt hat. Wie ist dieses „Sondervermögen“ entstanden und wie wurde es „erwirtschaftet“

(3/3) Nun ist mir und mit mir allen anderen Vertreter*innen der MMT natürlich klar, dass es rechtliche Regelungen gibt, manche sogar mit Verfassungsrang. Da wären die Maastricht-Kriterien (die im übrigen komplett arbiträre Setzungen ohne ökonomische Begründung sind), die deutsche Schuldenbremse oder §20 des Bundesbankgesetzes. Auf diesen letzten Paragraph will ich nochmal eingehen. Er schreibt nämlich vor, dass das Konto der Bundesregierung bei der Bundesbank (das Zentralkonto des Bundes) nicht länger als einen Tag überzogen werden darf. Insofern ist es unter dem gegenwärtigen rechtlichen Regelwerk tatsächlich so, dass die Bundesregierung jeden Tag ihr Konto bei der Bundesbank durch Steuereinnahmen oder die Emission von Staatsanleihen ausgleichen muss. Gleichwohl, das ist eine politisch konstruierte, rechtliche Selbstbeschränkung, die ökonomisch keinerlei Notwendigkeit hat. Staatsanleihen dienen in Wirklichkeit einem anderen Zweck, aber der hat nichts mit der Solvenz der Regierung zu tun sondern eher mit der Geldpolitik. Wenn nämlich durch Staatsausgaben neues Zentralbankgeld ins Bankensystem gelangt, übt es dort einen Abwärtsdruck auf den Geldmarktzins (einen der Zielzinsen der Geldpolitik) aus. Mit der Emission von Staatsanleihen wird dieses überschüssige Zentralbankgeld wieder aus dem Geldmarkt gezogen, sodass der Zins nicht fällt. Allerdings ist auch das nicht zwingend notwendig. Der Geldmarktzins ist eine durch die Zentralbank perfekt steuerbare Variable. Wenn die EZB ihren Einlagezins und ihren Spitzenrefinanzierungszins entsprechend setzt, ist die Emission von Staatsanleihen für die Stabilisierung des Geldmarktzinses völlig überflüssig.

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(4/3) Zusammengefasst bedeuten diese zugegebenermaßen etwas technokratischen Ausführungen also folgendes: Der Staat hat kein Finanzierungsproblem. Genau genommen finanziert er niemals seine Ausgaben, sondern er tätigt sie einfach kraft seines Währungsmonopols über die Zentralbank. Staatsanleihen und Steuern dienen nicht der Staatsfinanzierung. Sie haben andere Zwecke (die eben angesprochene Zinsstabilisierung, aber natürlich auch Inflationsdämpfung, Umverteilung, Verhaltenslenkung etc.). Diese Aussagen treffen auch auf Deutschland zu, obwohl Deutschland als Mitglied der Eurozone streng genommen keine komplett souveräne Währung hat, sondern sich seine Währung mit allen anderen Mitgliedern der Währungsunion über das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) teilt.

Ganz abgesehen von der juristischen Debatte über die Schuldenregeln und die deutsche Fiskalpolitik, die ihr bei der Lage vortrefflich analysiert und kommentiert, ist also der ökonomische Blick auf die Sache folgender: Alle Fiskalregeln, die öffentliche Ausgaben des Bundes beschränken (bei Ländern und Kommunen verhält es sich anders), sind ökonomisch sinnfreie künstliche Selbstbeschränkungen, die mit vernünftiger Fiskalpolitik und Generationengerechtigkeit nichts zu tun haben. Niemand wird je die monetären Ausgaben der Bundesregierung mit seinen Steuern finanzieren - weder in der Gegenwart, noch in der Zukunft.

Ich hoffe so sehr, dass sich diese Einsicht in der öffentlichen Debatte durchsetzt. Schließlich ist es reine Logik und Empirie. Jeder, der anderer Ansicht ist, möge versuchen, die obigen Ausführungen zu widerlegen und als großer Freund von Popper und Habermas wünsche ich mir, dass der zwanglose Zwang des besseren Arguments der Sichtweise der MMT zum Durchbruch verhelfen wird.

Ich würde mich sehr freuen, mit euch, lieber Herr Buermeyer und lieber Herr Banse, weiter über die angeschnittenen Themen zu diskutieren, denn ich konnte hier freilich nur einen kleinen ersten Aufschlag machen. Ich kann ihnen auch gerne Kontakt zu promovierten Ökonom*innen herstellen oder akademische Paper schicken, die meine Ausführungen belegen. Meldet euch jederzeit gerne unter jonas@mapl.de

Viele Grüße und herzlichen Dank für eure wertvolle Arbeit,
Jonas Plattner

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Vielen Dank für den Hinweis. Tut mir leid, dass ich nicht gut genug geschaut habe ob es das Thema schon gab.
Ich finde die Zuordnung unter „Progressive Geldpolitik“ allerdings nicht ganz passend. MMT ist mehr als Geldpolitik. Sie ist auch kein normatives Plädoyer für eine Veränderung in der Geldpolitik. Vielmehr ist es eine umfassende deskriptive Analyse von Geld- und Fiskalpolitik mit einer Vielzahl von makroökonomischen Implikationen. Ich finde die Zuordnung hier also eine gewisse Verkürzung und würde mich freuen, wenn die Frage tatsächlich im Zusammenhang mit dem BVerfG-Urteil weiter diskutiert werden könnte.

Hallo, eigentlich ist es sehr schön zu sehen, dass es weitere Leute gibt, die sich mit dem Thema beschäftigen. Ich wollte nur schnell zum Ausdruck bringen, dass die Diskussion, um die Neuausrichtung bzgl. der Geldschöpfungspolitik, der Geldpolitik und der Fiskalpolitik nicht begrenzt ist auf die MMT. Sicherlich nimmt sie eine größeren Raum ein, aber man sollte die Diskussion, um die Finanzierungspielräume nicht auf die MMT reduzieren. Am schlimmsten wäre es, wenn am Ende der Erörterung (bevor sie überhaupt richtig angefangen hat) dieser wichtigen Diskussion wiederum nur 2 theoretische Lager aufeinander kopfschüttelnd einreden.

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Hallo Fabs,
dem kann ich nur zustimmen. Ich finde die MMT-Thematik im Rahmen des aktuellen BVerfG-Urteils zwar sehr passend, allerdings endet das Thema ja nicht bei der wirtschaftstheoretischen Problemanalyse. Kurzfristig wäre natürlich erst einmal spannend wir trotz Schuldenbremse die notwendigen Investitionen tätigen können. Sei es über den Ausruf einer Notlage, einer Änderung der Schuldenbremse oder anderen Einzelmaßnahmen. Der Gelder, die in die Deutsche Bahn hätten fließen sollen (~14,5 Mrd. €), könnten beispielsweise über eine Eigenkapitalerhöhung an der Schuldenbremse vorbeigeführt werden.

Da eine Änderung der Schuldenbremse im deutschen Bundestag aktuell jedoch recht unwahrscheinlich erscheint, fände ich es sehr wichtig unsere aktuelle Geld- und Fiskalpolitik für alle verständlich im großen Stil zu besprechen.

Adam Tooze ist nicht Teil der MMT aber befürwortet, dass Deutschland im Vergleich mit zB Frankreich und andere Europäische Länder locker viel mehr Schuld auf sich nehmen könnte (bis ungefähr 2x was es jetzt ist) um damit sinnvolle Sachen zu machen.

In dieser Folge: The United States vs. Europe - Ones and Tooze

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Mit anderen Worten, bräuchte es eigentlich gar keine Steuern?

Wozu dann das ganze Gedöns weltweit?

Die MMT ist jetzt auch nicht unbedingt neu, genauso wie die Forderungen ihrer Befürworter.

Ich hab da als Normalsterblicher ohne Ökonomiestudium ein paar Bauchschmerzen wenn solche Schlussfolgerungen wie die oben entstehen: das alle Staaten dieser Welt alle denselben Fehler machen und niemand Steuern zahlen müsste.

Kling für mich ein bischen zu doll nach Schlarafenland.

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Steuern sind in diesem Modell (so weit ich weiß) hauptsächlich dafür um zu lenken und um das Zuviel and Geld wieder aus der Wirtschaft rauszuholen. Sonst gibt es Inflation.

Die Bundesbank ist auch dafür „den Kreditrahmen etwas auszuweiten.“:

https://x.com/schieritz/status/1726705959295406359?s=20

(1/2) Nein, das heißt es auf keinen Fall. Steuern sind unverzichtbar, nur sie dienen nicht der Staatsfinanzierung.
Aus Sicht der MMT ist ihr wichtigster Zweck, dass sie die Akzeptanz der staatlichen Währung garantieren. Dadurch, dass die meisten Bürgerinnen und Unternehmen Steuern zahlen müssen, sind sie gezwungen die staatliche Währung zu erwerben. Das ermöglicht dem Staat überhaupt erst im Tausch für seine Währung vom Privatsektor Güter und Dienstleistungen bekommen zu können. Historisch ist modernes Geld auch tatsächlich auf diese Weise entstanden: Der Staat erhebt Steuern und zwingt damit seine Bürgerinnen die staatliche Währung zu erwerben um die Steuern zahlen zu können. Und dann bringt er diese Währung durch seine eigenen Ausgaben (die logischerweise erstmal als Budgetdefizite des Staates auftreten) in Umlauf. Der Anthropologe David Graeber hat zu dieser historischen Entstehung von Geld ein hervorragendes Buch geschrieben ("Schulden - die ersten 5000 Jahre).

Im Übrigen zeigt diese Entstehung von Geld auch noch etwas anderes ganz gut: Alles Geld, das der Staat ausgegeben, aber noch nicht wieder durch Steuern eingezogen hat ist ein Netto-Geldvermögen des Privatsektors. Ohne staatliche Defizite kein Netto-Geldvermögen im Privatsektor. Natürlich können einzelne Haushalte und Unternehmen Netto-Geldvermögen haben. Aber das Geld muss ja irgendwo herkommen, mit anderen Worten, irgendwer muss es geschaffen haben. Haushalte und Unternehmen können neues Geld nur schaffen, indem sie Kredite aufnehmen. In diesem Fall schöpft ihre Geschäftsbank neues Giralgeld und schreibt es ihnen auf ihren Konten gut. (Dass bei der Kreditvergabe die Spareinlagen andere Bankkund*innen an den Kreditnehmer verliehen werden ist ebenso falsch wie die Geschichte mit dem Steuerzahlergeld.) Das bedeutet aber, dass der Privatsektor als ganzes niemals alleine sparen kann. Damit jemand ein Netto-Geldvermögen aufbauen kann, muss sich zwangsläufig jemand anderes verschulden oder sein Netto-Geldvermögen abbauen. Der Privatsektor kann nur als ganzes sparen, wenn ein anderer Sektor ein Defizit hat. Wenn wir mal vom Ausland absehen, bleibt dafür nur der öffentliche Sektor. Deshalb: Budgetdefizite der Regierung sind für den Privatsektor etwas gutes, denn sie bedeuten Netto-Geldvermögen für den Privatsektor.

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(2/2) Zurück zu den Steuern: Akzeptanz der Währung ist nur einer der vielen Zwecke, den sie erfüllen. Ein zweiter ist, wie alper schon erwähnt hat, Kaufkraftreduktion. Wenn der Staat immer weiter Geld ausgeben würde und keine Steuern einnähme, würde irgendwann die Nachfrage in der Wirtschaft das Produktionspotential übersteigen. Dann steigen die Preise und wir haben Inflation. Deshalb ist es schon notwendig, dass der Staat dem Privatsektor an manchen Stellen Kaufkraft entzieht, damit Produktionskapazitäten (also Arbeit, Kapital und Ressourcen) frei werden um vom Staat nachgefragt werden zu können. Aber hier kommt jetzt der entscheidende Punkt: Die Frage, wie viele Steuern eingenommen und wie viel Staatsausgaben getätigt werden sollten, ist in diesem Sinne natürlich nicht einfach damit zu beantworten, dass man einen ausgeglichenen Haushalt anstrebt. Man muss sich stattdessen bei der Besteuerung genau überlegen, in welchen Sektoren Angebotsknappheiten liegen und wie man durch das Steuersystem bestimmte Ressourcen entlasten kann. Es bringt zum Beispiel in einem fiskalischen Sinne überhaupt nichts die Superreichen stärker zu besteuern. Weil die werden ihren Konsum lange nicht senken, selbst wenn man ihnen 50% ihres Vermögens wegnimmt. Sprich, man könnte zwar im monetären Sinne einen ausgeglichenen Staatshaushalt haben, aber es würde im Sinne des eigentlichen Zwecks von Steuern (Kaufkraftreduktion zur Inflationsbremsung) überhaupt nichts bringen. Das wusste auch der große Ökonom John Maynard Keynes schon. Der hat während des zweiten Weltkrieges ein kleines Buch geschrieben mit dem Titel „How to pay for the war“. Darin gibt es ein Kapitel mit dem Namen „Can the rich pay for the war?“. Seine Antwort: Nein! Genau aus dem angesprochenen Grund.

Darüberhinaus haben Steuern natürlich auch eine Lenkungswirkung und können Ungleichheit bekämpfen. Man kann die Superreichen aus normativen Gründen ja trotzdem stärker besteuern. Aber es hat eben keinen fiskalischen Zweck.

Hoffe, das beantwortet Deine Frage, wozu wir das ganze „Gedöns“ dann brauchen :slight_smile:

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Das ist auch ein altes, für MMT-Vertreterinnen inzwischen wirklich ein bisschen nerviges Missverständnis. MMT bedeutet nicht, unbegrenzte Staatsausgaben zu fordern. Es ist zunächst nur mal eine deskriptive Analyse dessen wie unser modernes Geldsystem funktioniert. Dass die Bundesregierung im ökonomischen Sinne keine monetäre Budgetrestriktion hat, ist nichts was MMTLinnen gerne „einführen“ würden, es ist einfach eine Tatsache unseres heute bestehenden Systems.

Also keine Angst, dass MMTler*innen uns in eine neue Hyperinflation mit unbegrenzten Staatsausgaben stürzen würden :wink:

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Zusammenfassung von MMT:
Modern Monetary Theory (MMT) besagt, dass Staaten mit eigener Währung unbegrenzt Geld schöpfen können, um öffentliche Ausgaben zu finanzieren. Die tatsächliche Limitierung liegt dabei an der Wirtschaftsleistung: Pumpt der Staat mehr Geld in die Wirtschaft, als diese umsetzen kann, steigt die Inflation. Diese dient somit als Indikator dafür, wie viel Geld der Staat tatsächlich in die Wirtschaft pumpen kann.

Warum MMT betrachten:

•	Finanzpolitische Flexibilität: MMT ermöglicht eine flexiblere und effektivere Reaktion auf wirtschaftliche Krisen und strukturelle Herausforderungen.
•	Investitionen in öffentliche Güter: Anstatt Defizite zu reduzieren, könnten Staaten mehr in Infrastruktur, Bildung und grüne Technologien investieren.

Schuldenbremse als Unfug:
Die Schuldenbremse ist unnötig, da ein Staat mit eigener Währung immer in der Lage ist, seine Verbindlichkeiten zu decken. Sie hindert notwendige Investitionen.

Direkte Finanzierung durch die EZB:
Statt über umständliche Umwege wie eine Bietergruppe könnte der Staat direkt Geld von der EZB erhalten. Dies würde das System vereinfachen und effizienter machen.

Grenzen der Wirtschaftsleistung:
Die Hauptgrenze staatlicher Ausgaben ist die Produktionskapazität. Ziel sollte sein, das wirtschaftliche Potenzial zu erweitern und Inflation zu vermeiden.

Außenhandelsbilanz und Rohstoffe:
Der Handel in fremder Währung ist für Deutschland, als Exportnation, kein gravierendes Problem.

Steuern als Lenkungsinstrument und sozialer Ausgleich:
Steuern sollten nicht primär zur Füllung der Staatskassen dienen, sondern als Lenkungsinstrument eingesetzt werden, um gesellschaftspolitische Ziele zu erreichen. Beispielsweise könnte die Tabak- oder CO2-Steuer erhöht werden, um gesundheitsschädliches Verhalten oder den Klimawandel zu bekämpfen. Zudem sollten Steuern genutzt werden, um die soziale Ungleichheit zu verringern. Hohe Einkommen sollten stärker besteuert werden, um den sozialen Frieden zu bewahren, während niedrigere Einkommen, etwa unter 3.000 oder 4.000 Euro brutto im Monat, steuerfrei bleiben sollten. Dies würde den Binnenmarkt erheblich stärken und den Binnenkonsum ankurbeln, was wiederum das Wirtschaftswachstum stimuliert. Menschen mit niedrigeren Einkommen geben ihr Geld nahezu vollständig aus, was den Binnenmarkt stärkt und der Gesamtwirtschaft zugutekommt, während Reiche einen geringeren Anteil ihres Einkommens ausgeben, was dem Binnenmarkt weniger hilft.

Empfehlung:
Für eine tiefere Diskussion sollte Maurice Höfgen eingeladen werden. Er betreibt den YouTube-Kanal “Geld für die Welt” und hat ein hervorragendes Verständnis von MMT.

Fazit

MMT bietet eine zukunftsorientierte, flexible und nachhaltige Wirtschaftspolitik, die überholte Ängste vor Staatsverschuldung überwindet und zu einer gerechteren und stabileren Wirtschaft beiträgt.

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Die Schuldenbremse ist ja in erster Linie ein politisches und kein ökonomisches Instrument. Aus ökonomischer Sicht kann es Sinn machen, sich deutlich höher zu Verschulden, als es die aktuelle Schuldenbremse zulässt, solange sich die Investitionen langfristig auszahlen. Aber genau letzteres ist ja in den meisten Fällen a priori nicht belastbar einzuschätzen und damit auch schwer zu kontrollieren. Für einen Staat wiederum gibt es leider genügend Anreize, Geld für nicht lohnende Investitionen auszugeben. Eine Schuldenbremse ist da ein pragmatischer Kompromiss. Daher sind die meisten Ökonomen ja auch nicht für eine komplette Abschaffung, sondern für eine umfassende Reform.

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Die Schuldenbremse sagt doch aus, dass sich Politik selbst nicht vertraut sinnvolle Entscheidungen zu treffen bzw keine Wahlgeschenke zu machen. Aber würde eine Koalition nicht gerade deshalb gewählt, das Politik in ihrem Interesse Politik macht? Wenn das der Mehrheit nicht passt, kann sie ja abwählen.
Außerdem wird die Schuldenbremse ja gerade immer wieder dafür herangezogen, um zu argumentieren dass man nicht mehr ausgeben könne, weil man ja nur das zur Verfügung habe, was man einnehme. Also als Bestärker der Sparpolitik, den Staat klein halten, gegen Bürgergeldempfänger Stimmung machen, gegen Ausländer Stimmung machen,gegen Ukrainehilfe Stimmung machen, gegen Entwicklungshilfe Stimmung machen. Motto: Wir haben zu wenig und geben euer teuer erarbeitetes Steuergeld es für alle anderen aus. Lindner nutzt das Sparnarrativ ja sogar über die Schuldenbremse hinaus. „Eigenkapital Aufstockung in die Autobahn GmbH sei ja unvernünftig“. Das wäre als Investition sogar innerhalb der Schuldenbremse zulässig. Aber der Spargedanken ist so verfestigt, dass er schädlich ist.
Aus dem Blickwinkel finde ich die Schuldenbremse gesamtgesellschaftliche kontraproduktiv.