Populistische These: Wegen der Ausländer bekommen deutsche Rentner:innen kein Geld

Hallo,
meine Schüler:innen (Auszubildende) haben heute lautstark über die Flüchtlinge und ihre eigenen Rentenerwartungen gemeckert. Leider fehlt mir selbst, trotz ausführlicher Suche, die passende Antwort. Ich hoffe auf Schwarmwissen.

Also, hier die These der SuS: Weil wir den Flüchtlingen soviel Geld schenken, haben wir nicht mehr genug Geld um unsere eigenen Renter:innen zu unterstützen. Als Arbeitnehmer haben wir hohe steuerl. Abgaben, aber selber werden wir in Zukunft davon nicht profitieren.

Ein Verweis auf den Rentenplan der AfD mit 45 Beitragsjahren hat nicht wirklich geholfen. Und die Aussage, dass wir sozialer gegenüber Fremden als den eigenen Mitbürger:innen sind, hat sich hartnäckig gehalten.

Vielleicht hat jemand eine Lösung?

Viele Grüße

Nur so als Hinweis:

Um die Umlage kann es ja nicht primär gehen, sondern letztlich nur um die steuerlichen Zuschüsse. Es kann auch nicht um kurzfristige Effekte gehen, sondern nur um die langfristigen. Die Frage ist also, was Flüchtlinge/Migranten langfristig ökonomisch und ferner steuerlich oder über z. B. die Krankenversicherung beitragen. Bei der Modellierung solcher Studien muss man dann natürlich genau hinschauen: Was wurde einbezogen? Und was wurde außen vor gelassen? Z. B. kann die Teilhabe am Arbeitsmarkt von Migranten/Geflüchteten auch einen gesamtwirtschaftlichen Prosperitätseffekt haben, der über Lohn-/Einkommensteuern u. dgl. hinausgeht.

‚Nothilfe‘ rein unter ökonomischen Nutzenkalkülen zu betrachten ist aber ohnehin schon problematisch.

Aus meiner Sicht ganz einfach:

Es wurde in den vergangenen 50 Jahren praktisch ignoriert, dass die geburtenstarken Jahrgänge pensioniert werden, respektive, dass es hierfür eine Anpassung im Rentensystem braucht.

Mehr Menschen als Rentenbezüger bedeutet damit also für weniger Leute eine höhere Abgabenlast. Hinzu kommt, dass die Inflation die Lebenshaltenskosten der Rentenbeziehenden weiter erhöht. In der Folge kam es in der Vergangenheit und wird es in Zukunft immer wieder zu Rentenerhöhungen kommen (müssen).

Ausländer, die in Deutschland arbeiten leisten einen Beitrag an die Rentenkasse und helfen damit, das Rentensystem zu stützen.

Eine Restrukturierung des Rentensystems krankte bisher daran, dass früher stark konservative Kräfte und heute überproportional viele alte Menschen (50+), die natürlich an hohen Rentenausschüttungen interessiert sind, in den Wählerstimmen vertreten sind.

Junge Menschen haben in der Politik daher eine verhältnismässig kleine Lobby, weshalb deren Belange nicht (immer) so gehört werden, wie sie vielleicht sollten. Das betrifft einerseits Mietpreise (ältere Menschen haben mit höherer Wahrscheinlichkeit Wohneigentum und/oder Vermögen), Konsumentenpreise (Inflation) und geht selbstverständlich bei Rente und Sozialsystem weiter.

Wie @Bent würde ich zuerst mal darauf hinweisen, dass es sich bei Rente und Sozialleistungen um zwei unterschiedliche Systeme handelt:

Die gesetzliche Rente wird zum allergrößten Teil durch die Beiträge der aktuellen Arbeitnehmer finanziert. Wenn deine Schülerin an einer möglichst hohen gesetzlichen Rente interessiert ist, dann sollte sie eigentlich für möglichst hohe Migration sein, egal von wem. Denn jeder Arbeitnehmer, der bei ihrem Renteneintritt noch arbeitet erhöht den Geldfluss in die gesetzliche Rentenkasse und damit ihre persönliche Chance auf eine hohe Rente.

Genauso profitieren auch die aktuellen Rentner von allen Migranten. Diese arbeiten entweder selber oder erhöhen durch ihren Konsum die Zahl der Arbeitsplätze in Deutschland. Dadurch gibt es höhere Einzahlungen in die Rentenkasse. Wenn man nur die Renten betrachtet, dann kann es gar nicht „zu viel“ Migration geben. Deine Schülerin sollte jedem Syrer der hierher kommt dankbar sein, denn der rettet sie vielleicht davor mal als Arbeitnehmerin sechs (deutsche) Rentner zu finanzieren (das ist die aktuelle Prognose).

Die Migranten haben dagegen überhaupt keinen Zugang zum Rentensystem, jedenfalls solange sie nicht durch sozialversicherungspflichtige Arbeit Rentenpunkte erworben haben. Sie kosten die Rentenkasse also per Definition gar nichts.

Eine andere Sache sind die Sozialleistungen, also Bürgergeld, Integrationsangebote, Leistungen der Krankenkassen usw. Diese sind entweder direkt steuerfinanziert, oder Arbeitnehmer müssen durch ihre Abgaben auch Migranten querfinanzierten, die nie in diese Systeme eingezahlt haben.

Wie hoch diese Ausgaben sind ist wie in der Lage schon diskutiert schwer zu ermitteln, aber sie bewegen sich wohl im niedrigen einstelligen Bereich der öffentlichen Haushalte (wenn man die Fluchtursachenbekämpfung rausrechnet, die ja eher außenpolitisch ist).

Das kann man natürlich problematisch finden. Ich finde das zur Erfüllung einer gewissen moralischen Pflicht, Menschen in Not zu helfen, einen völlig akzeptablen Preis. Deine Schülerin genießt ja auch eine Schulbildung, deren tatsächliche Kosten sich ihre Eltern vermutlich in keiner Weise leisten könnten. Die meisten deutschen Familien haben zudem eine eigene Migrationsgeschichte (manchmal schon ein paar Generationen her) und sehr viele Deutsche auch eine Fluchtgeschichte (2. Weltkrieg und DDR).

Wenn sie aber rein utilitaristisch argumentiert, hilft vielleicht der Fakt, dass in den USA (die traditionell und auch heute noch ein vergleichsweise offene Einwanderungspolitik haben) mehr als die Hälfte aller Gründer von Unicorn-Startups (Marktwert 1+ Milliarden Dollar) Immigranten sind. Migration ist herausfordernd für alle Beteiligten, aber es bietet enorme Chancen und Potentiale für die aufnehmende Gesellschaft. Wenn wir dagegen alle drausenhalten muss deine Schülerin dagegen irgendwann mal ihre alten Eltern persönlich pflegen (da keine Pflegerinnen am Markt zu haben sind) und gleichzeitig noch deren Rente (und die Rente von vier Freunden der Eltern) finanzieren. Her Choice.

1 „Gefällt mir“

Gerade für Auszubildende wäre hier didaktisch doch die Vorgehensweise:

a) Wie funktioniert das Rentensystem: die aktuell Arbeitenden zahlen für die aktuellen Rentner,

b) Zeigen/Erklären der Alterspyramide, die uns in aller Deutlichkeit zeigt, dass das aktuelle Rentensystem ein riesiges Problem hat.

c) Was können wir dagegen tun?

c1) Änderung des Rentensystems, ja, aber zu spät, soll die aktuelle Generation auf einen Schlag die aktuellen Rentner versorgen und die Rücklagen für die eigene Rente aufbauen? Unrealistisch.

c2) Mehr Geburten, auch schön, aber zu spät, dauert 20+ Jahre aus Babys Beitragszahler zu machen.

c3) Zuwanderung, Facharbeiter wären schön, die gibt’s aber nicht, bzw. kommen nicht zu uns. Also bleibt uns fast nur: Migranten in Beitragszahler umwandeln!

d) Zum Theme wir zahlen denen so viel, naja, wir zahlen das Existenzminimum, also Wohnen, Essen und (minimal) Gesundheit. Da bleibt nicht (viel) zum Teilen mit den Familien zuhause, also bleibt das meiste Geld welches wir an Migranten zahlen am Ende doch hier und wird Teil unseres Wirtschaftskreislaufes. Denn Wohnen, Essen und zum Arzt gehen sie ja in Deutschland, geben das Geld also (fast) komplett hier wieder aus.

Wichtiger Fakt: Bei der Rentenversicherung handelt es sich grundsätzlich um eine Sozialversicherung im Umlageverfahren, sprich die aktuellen Rentner erhalten ihr Geld von den aktuellen Einzahlern. Um aus diesem Topf Geld zu bekommen müssen Ausländer genauso wie Deutsche mindestens fünf Jahre Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt haben.. Ausländer nehmen hier theoretisch also einem Rentner in Deutschland nichts weg.

Nun trägt sich das Rentensystem in Deutschland nicht von selbst, weil es nicht genügend Einzahler gibt. Das ist ein Riesenproblem, welches aber Nichts mit Ausländern zu tun hat. Man könnte sich jetzt vielleicht herleiten, dass man Steuergelder, welche aktuell für Geflüchtete und Asyl aufgewendet werden, dann ja den Rentern geben könnte.

Hier ist Fakt: 2023 betrugen die Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt zur Rentenversicherung 111,9 Milliarden Euro. Dem Gegenüber stehen 27,6 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt und 6,3 Milliarden Euro von den Ländern für asylbedingte Ausgaben, also mehr als ein Faktor 3 weniger. (Edit: da gehören auch ca. 10 Milliarden für das Thema Fluchtursachenbekämpfung dazu, also nicht direkt Asyl.) Letzteres würde, wenn es weniger würde, nicht (automatisch) den Rentern zu Gute kommen, weil so schon die Rentenausgaben den Bundeshaushalt massiv belasten.

Eigentlich kann das Rentenniveau nur gehalten werden, in dem die Einzahlungen im Verhältnis zu den Auszahlungen verbessert wird. Das geht durch die Erhöhung der Beiträge (wie im Rentenpaket 2 der Ampel) oder durch die Erhöhung der Beitragenden. Das ersteres nicht toll ist ist klar, schreibst du ja selbst: „Als Arbeitnehmer haben wir hohe steuerl. Abgaben, aber selber werden wir in Zukunft davon nicht profitieren.“. Wie sieht es also mit letzterem aus?

Es gibt das sogenannte Erwerbspersonenpotential. Das ist eine Zahl, die widerspiegelt, wie viele Menschen in einem Land Erwerbsarbeit tätigen könnten (also auch Rentenbeiträge zahlen könnten). Da wir ja wissen, wie viele Kinder in den nächsten 18 Jahren erwachsen werden und wie viele Menschen aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden lässt sich das ganz gut prognostizieren.
Fakt ist: Ohne Migration (mit positivem Saldo) stehen dem deutschen Arbeitsmarkt pro Jahr ca. 400.000 Menschen weniger zur Verfügung.. Die Zahlen sind aus dem Jahr 2021 und die Ukrainer haben den Effekt ordentlich abgeschwächt, so richtig bekommen wir es erst in den nächsten 10 Jahren ab. Migration ist hier also eine Chance, die Rentenversicherung noch irgendwie über Wasser zu halten, wenn es gelingt, möglichst viele Immigranten zu Renteneinzahlern zu machen.

Weitere Quelle:

2 Beiträge wurden in ein neues Thema verschoben: Rentendiskussion

Ein Beitrag wurde in ein existierendes Thema verschoben: Rentendiskussion

Ein Beitrag wurde in ein existierendes Thema verschoben: Rentendiskussion