Ich empfand diesen Artikel als sehr interessant und aufschlussreich, wie Politiker:innen auf Wähler:innen und umgekehrt schauen:
Daraus ergibt sich die Frage, die für die Lage spannend sein könnte: wie können Politiker:innen und Bürger:innen wieder mehr zueinander finden?
Mehr Inhalte? Mehr Show (nach US Prinzip)?
Müssten Politiker:innen wieder mehr Selbstverantwortung fordern und somit doch mehr den Grundgedanken der FDP verfolgen: schlanker Staat, der nicht jedes kleine Wehwehchen klärt und abfedert?
Ja mir ist bewusst, dass gerade die FDP mit der Spritsubvention genau das gemacht hat. Ich halte die FDP aber inzwischen für eine reine Klientelpolitik, die ihre Grundwerte verloren hat.
Der Anfang müsste ja die wirkliche Einsicht sein. Die findet aber schon nicht statt und darf keinesfalls offen ausgesprochen werden(gilt als Wählerbeschimpfung und dass das gewählte Personal sich über seinen Souverän beklagt, gilt als unschicklich). Den Anfang müssten die Bürger machen. Die sind in der Demokratie dafür verantwortlich, wen sie wählen. Diese Verantwortung schieben sie aber gern ab. Auf irgendwelche Umstände oder “die Politik”. Aber wehe, man spricht dann aus, dass sie vielleicht am Wahltag besser daheim blieben, wenn sie keine Verantwortung für ihre Wahl tragen wollen und sollen.
Wenigstens dafür, was eigentlich das Ergebnis welcher Politik ist, sollte man sich als Wähler schon interessieren, aber auch dafür reichts bei vielen schon nicht.
Das Ergebnis scheint ja grade eben nicht zu zählen:
we found that elected politicians hold widely varying views on central debates in elections and voting but tend, on average, to think that voters are unfair in their retrospective assessments of politicians’ performance, identity oriented rather than policy oriented, retrospective, egocentric, single-issue-focused, leader oriented, relatively uninformed, and oriented to the short term.
Man könnte kurz zusammenfassen: Eine Mehrheit von Politikern denkt, dass die Wählergunst vorallem von einem kurzfristigen und personenorientierten Zugehörigkeitsgefühl bestimmt ist. Und ich denke, dass sie recht haben, sicherlich auch bei mir. Wie könnte man dem entgegen wirken? Wahlomaten sind finde ich schonmal ein ganz gutes Instrument, um abzufragen, wie sehr Absichten zwischen mir und den zur Verfügung stehenden Parteien übereinstimmen.
Eigentlich müsste es aber vor Wahlen auch eine Art Rückblick auf die letzte Legislatur geben: Wer hat welches Gesetz (oder auf Kommunalebene entsprchende Beschlüsse) eingebracht? Wer hat wie abgestimmt? Das wären dann Ergebnisse und würde einige der Punkte von oben angehen. Edit: Nennen wir es vielleicht Retromaten also: Ich nehme mir die Beschlüsse der letzten Jahre, „stimme“ dann selbst ab und sehe die Differenz zwischen mir und den zur Verfügung stehenden Kandidaten.
Und dann läge es in der Verantwortung der Wählerinnen und Wähler, entsprechend der Absichten und Ergebnisse auch zu handeln und nicht entsprechend der Gewohnheit immer das gleiche zu wählen.
Aber offenbar ist es ja mit der Abstimmung für oder gegen Gesetze nicht getan.
Es gibt eine große Zahl z.T. seit Jahrzehnten ungelöster Probleme, die die meisten Wähler in ihrem Lebensalltag zunehmend nerven und belasten. Politik und Staat wirkt zunehmend wie ein Looser, Versager, der die wichtigen Dinge einfach nicht mehr „auf’ die Kette kriegt“.
Und uns Wählern ist es am Ende des Tages egal, warum die Probleme nicht gelöst werden:
Gelingt es der Regierung nicht, in dem z.T. sehr komplexen (z.B. bei zustimmungspflichtigen Gesetze muss der Bundesrat zustimmen) politischen System Mehrheitheiten zu zimmern?
Oder verlieren sich beschlossene Gesetze wirkungslos in der Ministerial- und Verwaltungsbürokratie?
Oder traut sich die Regierung / Regierungsfraktionen einfach nicht, Lösungen umzusetzen, bei denen mehr oder weniger wichtige Wählergruppen ein Opfer bringen müssten? Z.T. weil sie schon seit Jahren sich nicht trauen, den Wählern reinen Wein einzuschenken (den die Meisten aber ohnehin schon längst wissen!)?
Oder hat die Regierung / Regierungsfraktionen / Regierungsparteien einfach keinen konkreten Plan / sind sich intern gar nicht einig, wie die Lösungen aussehen müssten?
Inwiefern hat unsere parlamentarische Demokratie die falschen Anreizsysteme, damit Politiker die richtigen Lösungen umsetzen?
Was wir benötigen, ist eine große Staatsreform. Es gibt aber niemanden, der so was anpacken möchte. Niemand, der dafür eine große Vision hätte. Dabei gibt es dazu sehr viele Vorlagen.
Man müsste mal alle Folgen der „Lage der Nation“ in eine KI werfen mit der Liste der wichtigsten Probleme, die es zu lösen gilt. Dann noch den Abschlussbericht der „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“. Und dann die KI beauftragen, einen Entwurf für ein „Programm für Deutschland“ zu erstellen, je Problem ein Kapitel und in jedem Kapital noch Abschnitte für „Prüfung auf Klimawirkung“, „Prüfung auf Bürokratie“, „Prüfung auf Digitalisierung“ (und noch ein paar mehr Prüfungen).
Zum Thema Bürokratie empfehle ich die letzte Folge Der Anstalt.
Das sind dann nur leider oft die, die am lautesten geschrieen haben. Ob das dann die “wichtigsten” Probleme sind würde ich zumindest mal ein Fragezeichen dran setzen
Hier nochmal ein Auszug einer Liste ungelößter Probleme eines anderen Forenteilnehmers @alex0815 - fett von mir für bereits sehr lang anhaltende, ungelößte Problem:
Grade bei den Fett gedruckten Themen ist für mich ziemlich klar, dass keines von denen wahlentscheidend ist. Weil der Souverän da wenig Interesse und Durchblick hat. Wenn es dann hier einschlägt, ist das Gejammer aber dann wie immer groß, dass Politiker machen wofür sie gewählt werden, statt das, wofür sie nicht gewählt werden.
Aber wehe, die Probleme etwa in Schule und Kita würden auf dem Stand der Forschung adressiert. Da wäre das Geschrei dann auch wieder groß.