Naturstrom Preiserhöhung

Die Leute von Naturstrom haben es wohl auch gelesen:

Dann hätten sie aber gleich mal mit ein paar Daten ihre angeblich in dem Maße gestiegenen Kosten transparent belegen können!

Genau in dasselbe Horn habe ich in meinem (von der Community zensierten) Beitrag letzten Monat geblasen.
Schön, dass meine Meinung mehrheitsfähig wird :nerd_face:

Ich finde die Erklärung dort nicht passend. Wir als Kunden kaufen ja keinen Strom an der Börse, sondern beim Öko-Strom-Anbieter. Und die verdienten sich dieses Jahr an der Börse dumm und dusselig und sind dann auch noch so frech ihren Kunden die Preise zu erhöhen :rage:

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Ich bin jetzt kein Experte in Sachen Stromindustrie, und lasse mich gerne korrigieren, aber ich glaube, dir (und anderen weiter oben) unterläuft hier ein Denkfehler, wenn du Ökostromerzeuger mit Ökostromanbietern in einen Topf wirfst.

Prinzipiell ist es doch so, dass auch „100% Ökostrom“-Anbieter zu Zeiten mit wenig Sonne und Wind an der Börse Kohle-/Gas-/Atomstrom kaufen müssen. Einen Tarif „bei Dunkelflaute drehen wir dir den Strom ab“ gibt es nicht, und ich vermute auch, der würde sich am Markt nicht durchsetzen. Und ausreichend Speicherkapazität, um das auszugleichen, existiert derzeit noch nirgendwo.

„100% Ökostrom“ bedeutet also nicht mehr und nicht weniger, als dass der Anbieter in Summe über das Jahr(?) mindestens genauso viel Ökostrom erzeugt (– gut – bzw. sich als Kontingent von Erzeugern sichert – schlecht – denn die passen jetzt die Preise nach oben an), dass der Stromverbrauch aller seiner Kunden damit abgedeckt wird. Ein Teil davon fällt in Überschusszeiten an und wird an der Börse verkauft, ein anderer Teil muss zu Unterdeckungszeiten an der Börse zugekauft werden.

Nun ist aber das Problem, dass bspw. Windstrom mittlerweile im Vergleich sehr günstig ist, fossiler Strom aber sehr teuer. Das Verhältnis von Einnahmen zu Überschusszeiten zu den Kosten bei „Dunkelflaute“ wirkt sich deswegen extrem nachteilig für den Ökostromanbieter aus.

Ein Rechenbeispiel (keine Ahnung, ob die Zahlenordnungen realistisch sind): Ein Ökostromanbieter hat einen Kundenstamm, der durchschnittlich 100 MW verbraucht. Da seine Windkraftanlagen im Mittel nur etwa 50% ihrer theoretischen Kapazität erzeugen, hat er davon 200 MW installiert. Wenn die zufällig gerade bei starkem Wind 180 MW erzeugen, verkauft er die überschüssigen 80 MW. Zu diesen Zeiten ist der Strom an der Börse aber dummerweise spottbillig, weil alle ihren Windstrom loswerden wollen, und er bekommt kaum mehr als die Erzeugungskosten heraus. Herrscht aber gerade praktisch Flaute, und seine WKWs erzeugen nur 20 MW, ist er gezwungen die fehlenden 80 MW zu Mondpreisen dazuzukaufen.

Anders sieht es natürlich bei Windkrafterzeugern aus. Die nehmen die Merit-Order-Preise mit und verdienen wirklich sehr gut damit. Vorausgesetzt, sie haben auch zu Zeiten relativer Knappheit, wenn die WKWs bspw. nur auf 30, 40 oder 50% laufen, Überschuss um ihn an die Börse zu bringen, was aber eben Ökostromanbieter, selbst wenn sie auch Erzeuger sind, genau nicht haben, denn sie müssen ja zuerst ihre eigenen Kunden damit beliefern.

Im Grunde müssten die Anbieter also nicht, wie oben im Beispiel beschrieben, bloß in Summe genug Kapazitäten für ihre Kunden besitzen, sondern ein Vielfaches davon, da sie bei der augenblicklichen Preisvolatilität an der Börse vielleicht das zehn- oder zwanzigfache an der Strombörse verkaufen wie kaufen müssten, um das finanziell einigermaßen auszugleichen. Der Anbieter müsste also statt 200 MW vielleicht 1000 MW installieren, um seine 100 MW Kunden deutlich günstiger zu versorgen als es die Wettbewerber mit fossilem Strommix tun. (Und dann müsste er natürlich einen Neukundenstopp verhängen, sonst hat er in Kürze Kunden mit 500 MW Bedarf, und dann sind wir wieder am Anfang angekommen.)

Letztendlich ist es aber einfach so, dass man bei Kauf von „100% Ökostrom“ für die gute Sache die eigenen Optionen an Energiequellen einschränkt. Es ist daher klar, dass solche Tarife nicht langfristig günstiger sein können, als welche ohne Beschränkungen, allenfalls gleich teuer.

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Da würde ich jetzt mal schauen, wie sich die Lage entwickelt. m.E. soll durch die hohen Preise das Bewusstsein für Verbrauchsminderung/ Einsparung geweckt und gelenkt werden!

Die Alternative zum einsparen ist Eigenenergie über

  • Pv (auch Balkonkraftwerke/Steckersolaranlagen)
    -Bürgerenergiegenossenschaft
  • Anbieterwechsel

Nicht jammern ist angesagt sonder Lösungen umsetzen!

Ich habe Antwort von Naturstrom bekommen:

Ich habe daraufhin geantwortet:

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Na ja, ich spiel jetzt mal Devil’s Advocate und zitiere mal dich selbst aus deiner Ursprungsmail:

Wenn dem so ist,] darf Naturstrom den vereinbarten Arbeitspreis ausdrücklich nur nach billigem Ermessen erhöhen, wenn eine Preiskomponente, auf die Naturstrom keinen Einfluss hat, gestiegen ist (Verweis auf § 315 BGB). Solche Preiskomponenten sind:

  • Einkaufspreis für Strom aus erneuerbaren Energien und/oder Bestandteile der Gestehungskosten des von Ihnen aus erneuerbaren Energien produzierten Stroms (abzüglich von Neuanlagenförderungen), auf die Sie keinen Einfluss haben
  • Stromsteuer
  • EEG-Umlage, Netzentgelte

Da Naturstrom in seiner Antwort a) zugegeben hat, dass bestenfalls 25% des Stroms nicht eingekauft werden müssen (das kann man durchaus als „nicht unerheblich“ interpretieren, ist mehr wie ein kleiner einstelliger Prozentbetrag; da bist du halt so gesehen auf eine sehr dehnbare Gummi-Aussage reingefallen), somit 75% von steigenden Einkaufspreisen voll betroffen sind, und b) die preistreibenden Komponenten der Einkaufspreis und die Netzentgelte sind, haben sie doch für dich nachvollziehbar dargelegt, dass die Preiserhöhung auf Komponenten, auf die sie keinen Einfluss haben, zurückzuführen ist. Du antwortest ja sogar selbst damit, dass du genau dies aus ihrer Grafik herausinterpretiert hast. Scheint ihnen also gelungen zu sein, die nachvollziehbare Darlegung.

Der einzige Weg, wie man von diesem Punkt aus „noch nachvollziehbarer“ werden könnte, wäre eine Offenlegung sämtlicher Lieferverträge und der internen Berechnungsmodelle für die Preise und die Deckungssummen bei den eigenen Kraftwerken, damit du die Zahlen alle selbst im Detail nachrechnen kannst. Das werden sie aus ebenfalls nachvollziehbaren Gründen (Geschäftsgeheimnisse) nicht tun wollen, und ich kann mir ehrlich gesagt auch nicht vorstellen, dass du oder die Schlichtungsstelle es hinbekommen werden, sie zu diesem Schritt zu zwingen. Aber nichtsdestotrotz bin ich gespannt drauf, wie’s weitergeht :smiley:

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Ich hatte das Problem bei der EWS Schönau wieder nicht, die haben sogar von 50ct/kwh auf 43,9ct/kwh abgesenkt vor etwa zwei Monaten…
Früher hatte ich jahrelang Naturstrom…
Alles sehr merkwürdig

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Das ist natürlich nicht richtig.

Nach Gesetzt, Rechtsprechung und AGBs darf der Stromanbieter vereinbarten Arbeitspreis nur nach billigem Ermessen erhöhen, wenn eine Preiskomponente, auf die Naturstrom keinen Einfluss hat, gestiegen ist.

Also muss er mir auch darlegen können, dass sein Ermessen billig war. Das bedeutet, dass der Stromlieferant bei seiner Preisfestlegung seinen Ermessensspielraum nur im Rahmen eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung ausüben darf. Und das muss er darlegen können.

Ich selbst sehe mich nicht in der Lage (und es ist mir auch nicht zumutbar), nach Offenlegung all der von Dir genannten Informationen die Angemessenheit der Preiserhöhung zu prüfen. Dass muss mir der Lieferant schon darlegen.

Und da reicht ein „25% des gelieferten Stroms kommt von uns und für die restlichen 75% sind halt unsere Einkaufspreise und die Netzentgelte so gestiegen, dass wir den Arbeitspreis um 74% erhöhen müsse, ohne dass wir dabei mehr verdienen“ nicht.

Natürlich weiß ich, dass ich am Ende des Tages keine Preissenkung werde erreichen können. Und ich vermute auch, dass Naturstrom hier im Rahmen von Recht und Gesetz handelt. Aber ein bisschen mehr Mühe müssen sie sich schon geben.

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Ja gut, aber wenn dir diese Aussage, die ja nix anderes als ein „Wir haben geprüft ob die Preiserhöhungen unserer Lieferanten angemessen sind, und wir finden, sie sind es, und damit kommen wir auf den neuen Preis für unsere Kunden“ enthält, nicht reicht…was, außer einem Nachrechnen der Kalkulation, würdest du denn als Option sehen, um die Angemessenheit angemessen zu prüfen?

Das Nachrechnen würdest du ja selbst bei Verfügbarkeit aller Informationen nicht wollen…

Der Lieferant hat dir dargelegt, dass die Preiserhöhung aus seiner Sicht angemessen ist. Du willst dieser Aussage nur nicht glauben. Aber du würdest sie auch nicht selbst überprüfen wollen. Was möchtest du denn dann haben? Soll Naturstrom sich auf den Rücken werfen und unterwürfig gucken?

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Naturstrom hat bei mir seine Strompreise per 1.4. wieder etwas gesenkt.

Dazu ein interessanter Beitrag vom (offenbar inoffiziellen) „Pressesprecher“ der Naturstrom @Sven_K:

Sein Blog-Text, auf den er verweist, ist etwas ausführlich. Daher kurz:

Entsprechend der Strompreise an der Börse konnte Naturstrom meine Arbeitspreise aber nicht absenken. Das liegt an der gesetzlichen Übergewinnabschöpfung: Die gesetzliche Regulierung sorgt dafür, dass nicht etwa die Differenz zwischen Geststellungskosten und Börsenstrompreis abgeschöpft wird, sondern zwischen Einkaufspreis und Börsenpreis. Und das ausdrücklich auch aber Unternehmen, die ihren Strom in der eigenen Unternehmensgruppe erzeugt und innerhalb der Gruppe „verkauft“.

„Damit wird praktisch ausgeschlossen, dass wir den selbstproduzierten Wind- oder Solarstrom günstiger als Marktniveau zur Belieferung unserer eigenen Kund:innen einsetzen.“

Warum Naturstrom dieses Argument nicht in deren Antwort an mich verwendet hat, wundert mich …

Hallo @TilRq,
erstmal danke, dass du mich mit deiner Erwähnung darauf aufmerksam machst, dass es hier sogar einen ganzen Thread zu naturstrom gibt. Ich bin dort übrigens Teil des Presseteams, also gar nicht so inoffiziell unterwegs :wink:
Hier bin ich allerdings schon in erster Linie als Privatmensch und sehr regelmäßiger Lage-Hörer dabei, versuche aber natürlich gerne, die berufliche Expertise einfließen zu lassen.

Zu deinem Punkt, warum naturstrom die Probleme mit dem Strompreisbremsengesetz noch nicht im Dezember bzw. zu Jahresanfang kommuniziert hat: Der Gesetzgebungsprozess hat sich ja bis Weihnachten hingezogen und auch danach war die Interpretation dieses Punktes zunächst nicht ganz klar - bei naturstrom gab es zwar schon länger die Befürchtung, dass eigene Anlagen eben nicht mehr wie geplant zur Belieferung von Kund:innen eingesetzt werden können, aber es wurde eben doch noch lange auf Änderungen am Gesetz bzw. entsprechende Möglichkeiten gehofft. Und über ungelegte Eier sollte man eben nicht reden, Leider haben sich die entsprechenden Hoffnungen aber nicht erfüllt, weswegen dieser Punkt inzwischen auch in der Außenkommunikation klarer benannt wird.

Viele Grüße

Sven

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