Das geht mir auch so und auch ich konnte meine Haltung zum Thema ebenfalls nicht erhalten.
Die grosse Frage ist: Warum?
Nun, wir haben eine neue und sehr viel komplexere geopolitische Lage, in der die Welt leider nicht mehr in festen Wertebündnissen funktioniert. Wir können uns auf unseren grössten „Aufpasser“ die USA nicht mehr vorbehaltlos verlassen, gleichzeitig können wir uns aber auch nicht mehr auf diplomatische und friedliche Lösungen verlassen. Das hat lange funktioniert, der Angriff auf die Ukraine zeigt aber, dass es auch anders geht.
Dazu gesellen sich neue Mächte, denn während China lange nur eine untergeordnete Rolle in der Weltpolitik spielte, sind sie jetzt überall auf der Welt mit drin, gleiches gilt immer stärker auch für Indien. Auch, wenn diese Staaten sich bisher nicht für uns Europäer zentral relevant kriegerisch inszeniert haben, sehen wir in gewisser Weise schon eine Nähe von China und Russland. Es ist unwahrscheinlich, dass China oder Indien Europa angreifen, aber Europa ist aktuell dennoch nicht in der Lage ohne die USA eine funktionierende Verteidigung zu gewährleisten, sollte es beispielsweise durch Putin zu einem Angriff kommen. Wir können uns nicht mehr leisten, diese Lücke offen zu halten.
Meine Sorge hierbei geht in folgende Richtung:
Angenommen, Russland greift einen NATO Staat in Europa an, werden dann alle europäischen Bündnispartner mit voller Härte hinter dem Bündnis stehen? Würden Franzosen, Spanier und Deutsche (und natürlich alle anderen) für Polen sterben? Wenn nicht stirbt die komplette europäische Bündnisidee. Ich vermute, dass genau das auch ein Bisschen Putins Überlegungen sind. Die Existenz der EU würde mit einem einzigen Panzer-Grenzübertritt bei Polen in Frage gestellt, wenn keine entschlossene Reaktion folgt. In diese Richtung gibt es bereits verschiedene Anzeichen.
NATO und Russland: Wie groß die Kriegsgefahr ist
Wir brauchen folglich eine starke Verteidigung, um überhaupt die Idee der gemeinsamen europäischen Wertegemeinschaft sicherzustellen. Es ist eben nicht nur eine Wirtschaftsunion.
Und genau da muss ich sagen, finde ich die Schaffung einer europäischen Armee - zumindest aus einem bestimmten Kontingent der jeweiligen nationalen Armeen - gar keine grundsätzlich dumme Vorstellung. Im Gegenteil, wenn junge Menschen aus Europa miteinander arbeiten müssen, lernen sie sich kennen und stehen kameradschaftlich zueinander, im Idealfall stärkt das sogar den Wert, den wir Europa in Zukunft beimessen. Das könnte Kosten sparen und standardisierte Beschaffung von Waffensystemen, Munition etc. ermöglichen. Zudem könnten sich einzelne Staaten ggf. auf etwas vertieft fokussieren.
Und damit zum wie viel: Ich denke, die 2% des BIP sind ein guter Richtwert. In Kombination mit Europa-Sourcing und Zusammenlegung eines Teils der Streitkräfte, vermute ich, dass diese 2% auch deutlich wirksamer wären als sie es heute sind.