LDN 402: Russland bis spätestens 2030 angriffsfähig

Also die These geistert ja jetzt seit Wochen durch die Medien, mit unterschiedlichen Jahreszahlen. So richtig plausibel erklärt, wie genau ein Russland, welches nicht in der Lage ist die vom Westen unterversorgte Ukraine aus dem Feld zu schlagen, dazu in der Lage sein wird, hat allerdings niemand.

-Der derzeitigen Berichterstattung zum Ukrainekrieg entnehme ich, dass Russland WK II Panzer aus dem Museum holt, weil die insane hochgetunte Rüstungsindustrie nicht in der Lage ist, die verheerenden Verluste zu ersetzen. Die industrielle Rüstungsproduktion ist aber schon ziemlich am Anschlag, nicht umsonst holt Russland ja bereits Munition und Soldaten aus Nordkorea, weil man aus eigener Produktion den Bedarf derzeit nicht decken kann.
-Wenn ich mich im Internet über Russlands Waffensysteme versuche zu informieren, dann haben die von ihren wirklich modernen Systemen immer eine verschwindend geringe Anzahl, die sie nicht mal in der Ukraine einsetzen. Diese Systeme können sie aber auch mit ihrer Kriegswirtschaft nicht einfach unbegrenzt nachproduzieren.

  • Der Hinweis, dass Russland seine Landstreitkräfte umorganisiert mit Fokus auf den Westen ist auch irgendwie billig: Selbstverständlich strukturieren sie ihre Landstreitkräfte um, immerhin funktioniert es im Moment ja nicht besonders gut. Dass sie das im Westen tun ist auch logisch, weil sie da zum einen Krieg dort führen und sich im Osten die Flanke freigeschaufelt haben, weil dort mit China und Nordkorea „neutrale Verbündete“ sitzen. Also aus diesem Punkt allein einen Angriffskrieg herauszuorakeln finde ich total schwierig. Ganz Europa organisiert ja derzeit auch seine Truppe um - wir haben sogar welche an die russische Grenze nach Litauen verlegt - und dennoch plant Deutschland keinen Angriffskrieg gegen Russland. Umorganisation ist gerade Teil des Geschäfts und mir ohne weiteren Kontext als Argument einfach zu wenig.
  • (Wie immer: Erwägt Russland wirklich Deutschland letztenendes mit Atomwaffen anzugreifen, dann erzeugt man da durch konventionelle Rüstung keine Abschreckung).
  • Russland muss ja die NATO auch erstmal spalten bis 2030, damit Deutschland allein da steht. Das werden sie versuchen, aber ein Erfolg dieser Strategie ist ja auch mitnichten ausgemacht.

Damit sage ich nicht, dass so ein Angriffs Russlands auf Deutschland vollkommen ausgeschlossen ist - theoretisch ist er ohnehin immer denkbar. Die Frage ist ja, inwiefern er angesichts der eben nur angerissenen Punkte (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) auch realistisch ist. Was mir daher in diesem Zusammenhang im Lagesegment gefehlt hat, ist eine kritische Betrachtung der Akteure, die derzeit vor einem Angriff warnen. Genannt wurden Geheimdienstchefs, der Verteidigungsminister und seine Generäle - das sind aber alles interessierte Akteure. Sie alle respräsentieren Einrichtungen, die ein Interesse daran haben diese Gefahr als sehr real zu portraitieren, damit ihre jeweiligen Einrichtungen Geld und Kompetenzen bekommen. Das heißt nicht, dass sie zwingend lügen, aber dass hier ein Interessenskonflikt bestehen könnte, der sie hinsichtlich eines drohenden Angriffs etwas dicker auftragen lässt, sollte zumindest mal thematisiert werden. Das muss mMn sogar zwingend immer gemacht werden, wenn die „Expterten“ zugleich interessierte Parteien sind.
Außerdem finde ich, dass man konkreter hinterfragen müsste, wie ganau Russland die oben angerissenen Hürden denn bis 2030 überkommen soll/will. Die in verschiedenen Geschmacksrichtungen wiedergegebene Aussage „Russland rüstet auf“ ist halt nicht selbsterklärend, wenn sie derzeit ihren gesamten Rüstungsfortschritt in der Ukraine gleich wieder verschrotten. (Von der zu betrachtetenden Frage, ob Russland wirtschaftlich in der Lage wäre diese Rüstungsanstrengungen mit ~30% GDP bis 2030 durchzuhalten, mal ganz abgesehen).

tl;dr:
Die Vorraussage, dass Russland bis 2030 bereit für einen Angriff auf NATO / Deutschland wäre, ist nicht selbsterklärend und braucht konkrete Erläuterungen, wie das in Anbetracht großer Herausforderung eigentlich geschen könnte. Das bloße Expertenwort reicht hier nicht, insbesondere wenn die in diesem Zusammenhang genannten Experten alle auf die ein oder andere Weise als interessierte Akteure zu gelten haben. Deren potentielle Interessenskonflikte wären bei der Betrachtung des Sachverhalts ebenfalls hervorzuheben.

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Nun, erstmal sind die genannten Experten tatsächlich Fachleute auf ihrem Gebiet.
Sicherlich kann man noch andere Experten dazu nehmen, Politikwissenschaftler oder so, die aber eine grundsätzliche Bedrohung nicht abstreiten würden, denke ich.

Die Folgefrage wäre doch, wenn wir Russland nicht in der Lage sehen, ab 2030 militärisch aktiv zu werden, was bedeutet das für uns in Europa? Keine Bedrohung, Militärische Ausgaben wieder minimieren, Bundeswehr wieder kleiner halten, da es ja keine Bedrohung seitens Russland gibt?

Falls wir uns irren, was dann?

Natürlich weiß niemand genau, was Putin in den nächsten 20 Jahren vorhat.
Aber die Tatsache, das er massiv aufrüstet zusammen mit seinem geäußerten Weltbild machen mir in Europa schon Sorgen.
Ist wie mit einer Versicherung: es muss nicht dazu kommen, aber wenn möchte ich uns vorbereitet wissen.

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Ich sehe solche Aussagen auch eher kritisch. Besonders ist hervorzuheben,dass das Gleichgewicht der Militärischen Kräfte im Bezug auf die Militärausgaben ganz klar auf Seiten der EU liegt.
Um das mal deutlich zu machen:
Die europäischen Länder haben 2023 : 552 milliarden Euro für Rüstung ausgegeben.
https://de.euronews.com/2024/04/22/sipri-militaer-ausgaben-ruestung

Russland plant hingegen 2025 ingesamt 130 milliarden Euro in das Militär zu stecken https://www.spiegel.de/ausland/ukraine-krieg-russland-erhoeht-militaerausgaben-deutlich-a-a6579fd1-d681-46f9-bcfa-9c7df9dc8c34

wir reden hier um einen Faktor 4 mehr für militärausgaben in Europa und das betrachtet unter dem Fakt, dass wir noch in Friedenszeiten leben.
Selbst wenn der Sold für Soldaten in Europa höher sein mag sind die unterschiede immens.

Mir wird also nicht ganz klar, wie Russland bis 2030 mit der EU mindestens Gleichziehen soll, damit ein Angriff auf die gesamte EU überhaupt Lohnenswert erscheint.

Ich habe die USA hier absichtlich raus gelassen, da zu vermuten ist, dass aufgrund der politischen Umstände in der USA, diese nicht als zuverlässiger Partner einzustufen sind.

Ich schlussfolgere daraus folgendes:

  1. Ein Angriff auf Europa im Gesamten ist für Russland nicht möglich. Dafür reichen die militärischen Mittel keineswegs aus.
  2. Russland kann nur darauf hoffen und aktiv daraufhinarbeiten, dass Europa gespalten wird und somit nicht die gesamte EU bei einem Angriff beisteht. Das wird bereits versucht.

Punkt 2 ist aber ein politische Problem und kein militärisches.

Fazit:
Die weitere Erhöhung der Militärausgaben innerhalb der EU führt zu einem noch stärkeren Vorteil der EU, aber wie gezeigt liegt zumindest im Bezug auf Budget bereits klar der Vorteil auf einer Seite.

GGF habe ich etwas übersehen oder es gibt Punkte wo ihr widersprechen würdet.

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Finde es immer etwas reduziert nur die reinen Militärausgaben gegenüber zu stellen.

Geld selbst kämpft nicht.

Zudem Rüstungsgüter, Arbeitskosten und sonstige Abgaben bei uns in Europa sicher höher sind als in Russland.

Ich plädiere nun auch nicht für eine unbegrenzte Rüstungsspirale nach oben, aber zumindest die Bundeswehr einmal solide in den Zustand versetzen (samt Reserven), dass sie glaubhaft Deutschland und die NATO verteidigen kann und somit bei potentiellen Angreifern die Hemmschwelle für Aggressionen sehr hoch setzt.

Man sagt aktuell ja auch nicht, VW hat zuletzt x Milliarden Gewinn gemacht und ist daher ein gesundes solides Unterbehmen ohne Probleme.

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  1. Als erstes ist das was Russland jetzt in der Ukraine kann/zeigt nicht zwingend ein Maß für das was es 2030 können wird. In fünf Jahren kann man eine Menge Waffen herstellen.
  2. Wir als EU oder als Deutschland setzen Geld nicht sehr effizient ein bei der Ausrüstung der Armee. Von daher ist das Ungleichgewicht vermutlich gar nicht so groß.
  3. Der Krieg hat sich verändert. Die Panzer sind nichts mehr wert. Eine 300$ Drohne reicht aus, um einen Panzer zu zerstören. Wir sind auf diese neue Kriegsführung nicht vorbereitet. Wir können ja nicht Mal die Drohnen hier anschließen. Mit angepassten Waffensystemen hat Russland da aus meiner Sicht durchaus Chancen die EU erfolgreich anzugreifen.
  4. Im Cyberkrieg ist Russland und bereits voraus.
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Bevor sich die Diskussion hier vor allem darauf beschränkt auszufechten, ob Russland nun angriffsfähig werden kann oder nicht, wollte ich nur nochmal herausstellen, dass es mir ja nicht nur um diese Frage ging. Es ging mir vor allem darum, dass in der medialen Aufbereitung diese Frage so übernommen wird, ohne zu erläutern, wie diese Einschätzung zu Stande kommt. Der bloße Verweis auf „Experten sagen das (ohne es genauer zu erläutern)“ erscheint halt unzureichend, wenn man all diesen Experten auch alternierende Motive unterstellen kann. (Und da nützt mir btw. auch kein uninteressierter Politikwissenschaftler was, der dann doch bloß wieder auf die gleichen Expertenmeinungen verweist.) Deshalb wäre es einfach schon mal wichtig zu wissen, woran genau sie diese Einschätzung festmachen und nicht alles auf der mystery box eines Expertencirclejerks beruht.
Vor allem stellt sich mir die Frage wann die Experten, die das 2030 Szenario vertreten, eigentlich für ihre Kalkulation das Ende des Ukrainekonflikts angenommen haben. Jede Annahme über Russland zukünftige Kapazitäten hängt doch ganz massiv davon ab, wie lange ich den Krieg in der Ukraine noch für wahrscheinlich halte.

Gleiches gilt aber für den Westen. Und der Westen schrottet seine Produktion nicht in einem laufenden Konflikt. Also das allein erklärt halt keine konventionelle Überlegenheit die einen Angriffskrieg auf einmal wahrscheinlicher macht.

Das ist halt einfach nicht richtig. Panzer sind nicht wertlos geworden. Panzer sind nach jeder technologischen Entwicklung totgesagt worden: Aber weder RPGs, noch lasergelenkte Flugzeugbomben haben Panzer wertlos gemacht, da der Bedarf nach schneller, gepanzerter Fortbewegung auf dem Schlachtfeld nach wie vor existiert (und wohl auch immer existieren wird). Die Kriegsführung mit und die Ausrüstung von Panzern (Drohnenabwehr) wird sich verändern, aber die Aussage, dass Panzer jetzt wertlos sind weil es Drohnen gibt, teilen informierte Beobachter nicht. Ralf Raths, der Direktor des Panzermuseums hat dazu finde ich ein ganz gutes Video gemacht, wie der Drohnenkrieg die Panzerkriegführung verändern wird, aber warum die Panzer dadurch nicht verschwinden werden. (https://www.youtube.com/watch?v=lZ9WLnVFxLI)
Klar ist, dass für die neue Drohnenkriegsdimension an den Panzern um- und ausgerüstet werden muss - aber das ist selbstverständlich eine Herausforderung für alle Länder (also NATO-Länder und Russland).

Wie eben gesagt: Russland ist auf diese Art der Kriegsführung ja auch nicht vorbereitet. Klar sammeln die da gerade Erfahrungen mit, aber westliche Militärbeobachter verfolgen diese Entwicklung ja genau mit und versuchen die Erkenntnisse der Ukraine auch in ihre Doktrinen zu integrieren. Ich meine der österreichische Oberst Markus Reisner referiert ja sogar auf youtube über die Erkenntnisse aus dem Drohnenkrieg. Also hier sollte man nicht denken, dass das westliche Militär auf dem Baum schläft und sich bis 2030 keine Gedanken zum Thema Drohnenkrieg gemacht hat.

Es ließen sich sicherlich noch einige weitere Hürden finden, die man hinsichtlich dieser Aufrüstungsfrage beantworten müsste, wenn man das schlüssig begründen wollte. Wie gesagt, wie lange man so eine Kriegswirtschaft am Laufen halten kann (kann ich nicht einschätzen); ob das innenpolitisch für Putin so lange durchzuhalten ist; ob es nur mit chinesischer Technologie möglich ist, die ganzen modernen russischen Wunderwaffensysteme herzustellen, die es für einen Angriff auf den Westen braucht etc.

Ich stelle gar nicht in Abrede, dass die Defizite auf deutscher Seite turmhoch sind und da viel getan werden muss. Aber die Selbstverständlichkeit mit der die Aussage über Russlands Möglichkeiten eines konventionellen Angriffskriegs ab ~2030 übernommen wird, irritiert mich immer mehr, je länger ich über all die Herausforderungen nachdenke, die sich für Russland derzeit stellen.

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Nun ja, wenn wir ehrlich sind: die einzigen Experten, die genau sagen können wann Russland sich bereit fühlt sich mit der NATO anzulegen, sind die Russen. Nur werden die es uns nicht so genau sagen.
Man kann eine Frau Wagenknecht fragen, die wird uns versichern das Russland gar keine Absicht hat die NATO anzugreifen, genau wie sie einen Tag vor dem russischen Einmarsch in der Ukraine noch versichert hat, das Russland nicht vorhat die Ukraine anzugreifen.
Also wer wäre, neben militärischen und geheimdienstlichen Fachleuten, ein adäquater Experte? Und auf welche Fakten bezogen auf Russland kann man sich stützen?

Russland hat zumindest jetzt aus erster Hand Erfahrungen in einem größeren konventionellen Krieg, und lernt schnell daraus.
Wir im Westen haben weitgehend unsere Erkenntnisse vom Zugucken und aus zweiter Hand.

Die Ukraine ist nominell auch deutlich schwächer eingestuft worden als Russland, hält sich aber nun seit fast drei Jahren.

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Aus meiner Sicht gibt es bei diesem Thema eine recht verengte Sichtweise, was ein Angriff Russlands bedeuten könnte und welches Ziel er verfolgen würde. Putin wird sicherlich nicht „die NATO“ angreifen, sondern er wird sich einen besonders schwachen Punkt suchen, und auch nur dann, wenn er zumindest darauf spekulieren kann, dass auf diesen eben nicht eine kollektive Antwort der gesamten NATO erfolgt. Und das ist bei einem der baltischen Staaten oder bei Moldau kein ganz abwegiges Szenario, erst Recht nicht mit einem US-Präsidenten Trump. Zweitens muss es bei einem solchen Angriff überhaupt nicht darum gehen, ein Land komplett besiegen oder gar besetzen zu können. Die Angriffspolitik Russlands bestand ja bis 2022 vor allem darin, durch militärische Aktionen in recht kleinen Gebiet (Transnistrien, Südossetien, Abchasien, Donbas) ein anderes Land zu destabilisieren und so die eigene Machtposition zu stärken. Es gibt also gar keinen Grund anzunehmen, dass Russland für den Angriff auf ein NATO-Land die militärische Stärke der NATO erreichen muss (ob nun mit oder ohne die USA). Entscheidend ist, ob ein solcher Angriff als Hebel benutzt werden kann, um etwa Streit zwischen NATO-Länder zu sähen, die NATO ingesamt zu schwächen oder auf anderem Wege die eigene Position zu stärken.

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Aktuell:

Aus Protest gegen die Einweihung des maritimen NATO-Hauptquartiers in Rostock hat die russische Regierung den deutschen Botschafter in Moskau einbestellt. „Der Botschafter Deutschlands in Moskau ist ins russische Außenministerium einbestellt worden, wo ihm entschiedener Protest übermittelt wurde“, erklärte das Ministerium am Dienstag. Die „Ausweitung militärischer NATO–Infrastruktur im ehemaligen Ostdeutschland wird die negativsten Folgen haben“, hieß es in der Mitteilung.

Aus: Tagesschau 22.10.2024

Ich sage ja nicht, dass die als Experten disqualifiziert sind. Man sollte auf den Interessenskonflikt hinweisen und sie mit bspw. mit den hier im threat angerissenen Herausforderungen Russland konfrontieren, damit sie erläutern, warum sie der Meinung sind, dass Russland das bis 2030 dennoch schafft. Dann hört man zumindest mal Argumente die man abwägen kann, im Moment hört man ja bloß „Experten sagen Russland bis 2030 angriffsfähig“ und muss das Expertenwort aus der mysterybox dann ungeprüft glauben.
Bei mir führt es sonst halt dazu, dass ich diese geäußerte einschätzung nicht mit dem, was ich sonst über das russische Militär im Ukrainekrieg mitkriege, zu Deckung bringen kann. Wie gesagt bei den Artikeln die ich gelesen habe, hat niemand mal naiv die Frage gestellt, wieso Russland Ukraine nicht schlagen kann, aber für die NATO 2030 ne Angriffsbedrohung ist. Das wäre ja mal ein guter Ausgangspunkt für ein Interview, selbst mit einem „interssierten“ Experten

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Moldau ist kein NATO-Mitglied. Sollte Russland hier einfallen, wären sie technisch erst einmal auf sich allein gestellt. Damit kann Putin aber keinen Beweis erbringen, den er in der Ukraine nicht schon forciert hätte.

Im Baltikum sieht das anders aus. Einerseits wegen der NATO Mitgliedschaft, aber auch wegen des EU Artikels 51, der alle Mitgliedstaaten zum Beistand verpflichtet und - so sehen es zumindest Experten - noch weniger Auslegungspielraum als Artikel 5 zulässt. Wenn also bei einem Überfall Russlands auf einen baltischen Staat nicht quasi alle europäischen Staaten Russland den Krieg erklären würden, wäre vermutlich die EU Geschichte. Die Aussicht wäre für Putin vielleicht reizvoll, andererseits wird er sich auch des Risikos bewusst sein, wenn er sich anschließend im Krieg mit 27 Staaten befinden könnte - und da sind noch nicht die NATO-Staaten wie UK und USA mitgezählt.

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Das Problem bei der Sache ist, dass sich die Experten auf geheimdienstliche und militärische Informationen berufen, die sie selbstverständlich nicht mit der Öffentlichkeit teilen. Diesen Experten alternierenden Motive zu unterstellen, finde ich etwas weit hergeholt. Das sind keine Wissenschaftler die auf Drittmittel angewiesen sind noch Industrienahe. Sie sind vermutlich verbeamtet und haben es sich zum beruflichen Ziel gemacht Deutschland zu verteidigen. Sie sind darauf getrimmt Gefahren zu sehen und können dadurch dazu neigen etwas zu übertreiben, aber einen Interessenkonflikt sehe ich nicht. Beim Chef von Rheimmetall wäre das z. B. der Fall.
Mehr Infos nehme ich immer gerne, aber für mich war die Darstellung ausreichend.

Wir sind uns darüber einig, dass sich die Kriegsführung durch den massiven Einsatz von Drohnen der Ukraine verändert hat. Russland war darauf nicht vorbereitet und hat das teuer bezahlt. Auch wenn die Russen hohe Verluste haben und diese sie anscheinden nicht stören, sind sie meiner Vermutung nach dabei sich anzupassen. D. h. eine Industrie aufzubauen, die Drohen und Drohnenabwehr in großen Massen produzieren kann.
In Doktrinen zu integrieren ist eine Sache. Aber Produktionskapazitäten eine ganz andere. Glaubst Du, dass wir hier in Deutschland/Europa bis 2030 eine Drohnenfabrik haben, die im Monat 100.000 Drohnen aufwärts produzieren kann? Mit der Chipfabrik sieht es schon mal nicht gut aus.

Wertlos ist übertrieben, das ist richtig. Aber wie sieht es Deiner Meinung nach aus, wenn 2030 aus Russland Drohnen in großem Maßstab geflogen kommen? Sind dann alle Panzer mit Drohnenabwehr ausgerüstet?

Meiner Meinung stehen wir momentan in einem potentiellen Krieg mit Russlang im Jahr 2030 ziemlich schlecht da, wenn wir nicht zumindest in den Bereichen

  1. Drohnenabwehr
  2. Cybersicherheit
  3. Drohnenherstellung
    Kapazitäten aufbauen.

Beim Thema Internet sind wir auch abhängig von den USA, da wäre die Frage, ob bzw. in wie weit wir EU Kapazitäten haben wollen:

  • Server (die Server von Google können nicht überlastet werden)
  • Speicher (Amazon)
  • Drahtlose Kommunikation (SpaceX)

Das sehe ich auch, nur sind die Dinge, die getan werden müssen aus meiner Sicht alle zeitkritisch. Denn 5 Jahre um Fabriken aufzubauen ist nicht so viel Zeit.

Genau deshalb wird Putin einen solchen Angriff auch nur wagen, wenn er zumindest darauf spekulieren kann, dass NATO und EU nicht „mit voller Wucht“ darauf antworten. Und er hat genügend Zeit, nach Kräften alles zur Herstellung dieser Bedingung beizutragen (Stichwort hybride Kriegsführung). Ob ein solcher Angriff erfolgt und falls ja, wann, weiß niemand. Aber so zu tun, als wäre er völlig absurd, solange Russland der NATO nicht mindestens ebenbürtig ist, halte ich für naiv.

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Ja, wann hat man das jemals erlebt, dass ein Geheimdienstchef aus persönlichen Befindlichkeiten (Eitelkeit, eigene politische Ambitionen, etc) aktiv in die falsche Richtung geschaut hat. Es gibt mehr Gründe als nur sofortigen finanziellen Vorteil.

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Ein Argument ist, dass Russland aktuell vor allem seine Landstreitkräfte einsetzt. Die Luft- und Weltraumkräfte sowie die Seestreitkräfte sind kaum betroffen.
Zudem will Russland sein Personal bis auf 1.5 Mio aufstocken.
Ob es bei den aktuellen Ausgaben bleibt oder diese weiter erhöht ist auch offen.
Wie schon in anderen Threads diskutiert, ist eine Vermutung, dass die Unterstützer der Ukraine genau damit kalkulieren, dass sie Russland hinhalten wollen, um Zeit zu gewinnen (daher keine all in Unterstützung). Denn wenn der Krieg jetzt vorbei wäre Platzt in Russland eine Militärblase, oder die Kräfte werden in andere Regionen entsandt.
Am Ende alles Spekulationen. Aber sicher sein, kann man sich hier nicht und besser man ist Vorbereitet als nicht. Die Russischsprachinge Minderheit in den Baltischen Staaten wurden auf jeden Fall auch schon adressiert. Wie in der Ostukraine.

Du magst das weit hergeholt finden, ich hingegen finde es naiv diesen Menschen erstmal keine alternierenden Motive zu unterstellen. Der Verteidigungsminister und seine Generäle rühren natürlich die Trommel, um Geld für die Aufrüstung der Bundeswehr einzusammeln. Und nur weil Geheimdienstchefs Beamte sind, heißt das ja nicht, dass sie nicht andere Handlungsmotive haben können. Ich rede hier nicht von einem privaten Nutzen, aber Geheimdienste wollen selbstverständlich auch eine bessere finanziellere Ausstattung und eine Erweiterung von Kompetenzen (wie das Sicherheitsbehörden ganz grundsätzlich anstreben). Ich will nur mal daran erinnern, dass die Bundeswehr und die Schlapphüte vom Geheimdienst vor dem Ukrainekrieg gesellschaftlich fast schon geächtet waren, ihnen aber zumindest Mal mit ner gehörigen Portion Skepsis begegnet wurde und jahrelang an ihnen herumgespart wurde. Jetzt werden sie regelmäßig vom Bundestag angehört und von den Medien ganz anders hofierrt. Selbstverständlich nutzen diese Behörden die Gelegenheit, das auch in Handlungmöglichkeiten fürs eigene Haus umzumünzen. Das meine ich gar nicht böse, sondern das ist einfach völlig normal, dass Menschen die täglich die Limitierungen ihrer Behördensturktur erfahren, danach streben, diese aufzuheben. Nur weil das Beamte sind heißt das ja nicht, dass diese Menschen Roboter sind. Wir haben doch bspw. rund um den NSU gesehen, wie sehr beim (thüringischen?) Verfassungsschutz ein Corpsgeist herrschte, der versucht hat, alle Kritik und Fehler zu begraben. Die haben das nicht widerstandslos und willentlich aufgeklärt, weil sie für Deutschland/Thüringen das Beste wollen, sondern haben selbstverständlich in ihrem Sinne / im Sinn ihres Hauses gehandelt.
Also ich bleibe dabei: Es muss da mehr Fleisch an die Knochen und man darf sich nicht nur hinter dem Wall der „geheimdienstlichen Schweigepflicht“ verschanzen. Ich will ja von diesen Menschen auch gar nicht wissen, ob deren Informanten nun sagen, ob Russland 10 oder 15 T-19 im Jahr produziert. Es geht hier ja um große wirtschaftliche, gesellschaftspolitische und militärische Zusammenhänge, die man auch skizzieren kann, ohne Geheimnispflichten zu verletzen. Wie gesagt, wenn man sich anguckt, was Oberst Reisner detailliert auf youtube quasi tagesaktuell an Erkenntnissen über den Ukrainekrieg frei in die Welt erzählen darf, dann kann man mir nicht erzählen, dass alles, was erhellen könnte, wie die deutsche Analyse-Elite zu ihren Prognosen kommt, gleich Geheimnisverrat wäre. Wenn man sich einfach ohne kritische Prüfung blind auf vermeintliche Geheimdiensterkenntnisse verlässt, dann wird man schneller in nen (Irak)krieg verwickelt, als man Rumsfeld sagen kann. ^^

Wie gesagt, dass sind Spekulationen, die ich wirklich lieber den Experten überlassen würde. Auch die Einschätzung ob wir 100.000 Drohnen im Monat produzieren müssen, oder lieber 10.000 Störgeräte sollen andere entscheiden. Aber das ist doch eine Frage, die ziemlich weit weg von dem führt, was wir hier diskutieren. Die Frage ist doch: Gibt es anzeichen dafür, dass Russland 2030 mit einen derartigen Drohnenschwarm herzustellen und einzusetzen in der Lage ist. Im Zentrum aller Fragen steht doch zunächst einmal, was Russland leisten kann / realistischerweise leisten wird können. Erst danach ist doch wichtig, ob Deutschland/NATO das spiegeln kann. Jetzt irgendwie Russland stark zu reden, weil wir diese Kapazitäten nicht bereitstellen können (ohne dass wir beide wüssten, ob Russland es überhaupt kann) erscheint mir fruchtlos.

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Nein das glaube ich nicht. MIt moderner Drohnenabwehr werden mit Sicherheit nicht alle ausgerüstet sein. Behelfsmäßig lassen sich aber recht unkompliziert Störgeräte montieren oder die Panzerverbände müssen halt durch andere Systeme (Skyranger etc) geschützt werden. Also auch bei den Panzern, die nicht hochgerüstet sind, fällt die Kampfkraft nicht auf 0. Gleiches gilt im Übrigen auch für Russland: Die werden ihre Panzer ebensowenig flächendeckend mit derartigen Sondersystemen bestücken wird können. Aber wie gesagt, dass sind jetzt wieder so Rüstungsdetailsfragen, die sich hier aus dem Gespräch heraus ergeben haben, die vielleicht etwas zu weit vom eigentlichen Thema wegführen.

Fraglos hängt man bei diesen Fragen nach wie vor am Tropf der USA. Das sagt aber mMn eher etwas darüber aus, wie katastrophal ein Verlust der USA/NATO wäre. Das ist denke ich unbestritten. Sagt aber auch erstmal nichts über die Möglichkeiten und Probleme der konventionellen russischen Aufrüstung aus. Bruno Kahl (BND) hat ja explizit davon gesprochen, dass Russland mit konventioneller Rüstung 2030 NATO Gebiet angreifen könnte. (BND-Chef Kahl: Russland 2030 zu Nato-Angriff in der Lage - ZDFheute) Ich habe nirgends gelesen, dass die Prognose nur gültig wäre, wenn die USA nicht mehr Teil der NATO wäre / Deutschland allein dasteht.

In jedem Fall: Diese Kapazitäten der USA zu erhalten ist aber eine Sache der Diplomatie und weniger der deutschen oder russischen Rüstungskapazitäten.

Also zumindest Thema Internet muss man sagen das von der Infrastruktur her wir hier nicht von den USA abhängig sind. Natürlich müsste man vieles anpassen aber die reine Kommunikation wäre weiterhin möglich. Auch gibt es, wenn auch kleinere, europäische Alternativen zu Google usw. die entsprechend schnell wachsen würden. Im Kriegsfall könnten auch zunächst gewisse unnötige Dienste abgeschaltet werden um die Notwendigen zu sichern und dann den Rest nach und nach wieder reinholen.

Drahtlose Kommunikation in Form von Starlink soll in Form von IRIS2 bis 2027 einsatzbereit sein. Vermutlich etwas teurer und etwas später aber im Falle eines Konfliktes kann sowas auch schnell gehen mit weniger Bürokratie.

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Ich kenne die Menschen nicht und ich sage auch nicht, dass sie keine anderen Interessenskonflikte haben. Aber es ist qualitativ etwas ganz anderes, ob jemand direkt finanziell profitiert oder indirekt danach sein Arbeitsplatz etwas mehr Gewicht hat. Klar will der Verteidigungsminister und seine Generäle mehr Geld, das ist ja logisch. Diesen Menschen dieselbe Motivation zu unterstellen wie profitgierige Unternehmen, halte ich jedoch für übertrieben.
Glaubt Ihr wirklich, dass das alles rein erfunden ist, nur damit die Bundeswehr besser ausgestattet wird? Glaubt Ihr, dass wir mit dieser Bundeswehr so gut geschützt sind, dass Putin sich nicht traut uns 2030 anzugreifen?

Was ich viel interessanter fände wäre, was genau für Gegenmaßnahmen geplant sind und was das kosten soll.

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Mir ist tatsächlich der Kern der Ausgangsfrage nicht ganz klar.
Was ist jetzt die Erwartung bei der obigen Aussage gewesen? Zusätzliche Experten außerhalb der Militärs? Konkretere Fakten?

Interessanter sind doch eher die mittelfristigen bis langfristigen Ziele Russlands.
Ob die nun dazu Panzer und Drohnen nutzen oder Wahlfälschung oder Sabotage oder Attentate, ist ja erstmal nur eine Frage der Mittel.

:wink:

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