Medienkritik ARD-Meinungsumfrage

Die Meinungsumfrage der ARD zum Thema Nationalmannschaft erfordert weitere Medienkritik.

Julian Nagelsmann hat völlig recht: Die Umfrage bzw. zumindest die Fragestellung ist bereits deutlich rassistisch.
https://www.sport1.de/tv-video/video/ein-wahnsinn-rassismus-umfrage-entsetzt-bundestrainer-julian-nagelsmann__3786499C-12AB-45C2-BE61-CFE5E0A47C95

Meinungsumfragen sollten nicht so erstellt werden, um Meinungen sichtbar zu machen, denn sie formen diese Meinungen selbst mit.
Wenn man sich mit Haltungen und Meinungen in der Bevölkerung beschäftigen möchte, dann bitte mit fundierten Studien wie der von Steffen Mau („Triggerpunkte“).

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Wie wäre das denn in der konkreten Fragestellung besser?

Es ging ja wenn ich es richtig sehe darum festzustellen, ob diese oft zu hörende Forderung (in Kommentaren auf Facebook, auf Twitter, am Stammtisch, auf der Tribüne in der Kreisliga, etc.) ein seltener Einzelfall ist, oder im Falle des Internets vielleicht sogar durch Bots verstärkt wird, oder ob diese These eine nennenswerte Zustimmung findet.

Und um die Zustimmung zu dieser Konkreten Aussage abzufragen muss man doch auch die konkrete Frage stellen. Es ging ja nicht darum allgemein rassistische Tendenzen auszuloten.

Natürlich haben solche Fragestellungen immer auch gewisse Probleme. Aber dennoch finde ich sollte uns doch eher die 21% Zustimmung erschrecken als die Frage in einer Doku über Rassismus im Kontext Nationalmannschaft.

Als jemand der zwischenzeitlich am Land in einer zweiten Mannschaft eines Dorfvereins ein paar Jahre in den untersten Klassen ausgeholfen hat, kann ich zudem sagen, dass die Realität beim Fußball mancherorts sogar noch viel härter ist. In diesen Ligen gab es kaum Spieler mit Migrationshintergrund, die wenigen die es gab wurden aber von Zuschauern, Gegenspielern und selbst Schiedsrichtern teils verbal inakzeptabel grenzwertig angegangen. Selbst Türken die tiefsten lokalen Dialekt gesprochen haben, weil sie hier schon aufgewachsen sind, wurden schon bei kleinen Fouls schnell aufgefordert doch zurück in die Türkei zu gehen etc.

Ich weiß nicht wie sich das die letzten 10 Jahre entwickelt hat, aber Rassismus im Kontext Fußball ist in meinen Augen ein Problem, welches viel größer ist als es medial dargestellt wird. Bei Fans, wie auch bei Aktiven, im Breitensport bis hin zu den Profis.

Wie gesagt: Meinungsumfrage formen Meinung. Ich würde das einfach nicht machen und finde es wirklich bedenklich, dass es durch eine öffentlich-rechtliche Anstalt in Auftrag gegeben wurde.

Warum macht man keine Studie zu dem Thema, wenn man die Realität abbilden möchte? Eine Meinungsumfrage - und dann auch noch mit einer solch rassistischen Fragestellung - ist einfach ungeeignet.

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Weil das im Kontext Nationalmannschaft eben eine sehr häufig zu findende Aussage ist. Und wenn man überprüfen will ob diese Aussage eben wirklich eine nennenswerte Zustimmung findet oder ob das Bild welches man sich eben auf Social Media in den Kommentaren machen kann durch Trolle und Bots völlig verzerrt ist, dann ist das doch ein praktikabler Weg.

Es ging ja nicht darum allgemein Rassismus zu quantifizieren, sondern ganz explizit um diese ganz konkrete Aussage.

Wie konkret soll eine Studie an deren Ende dann ein Ergebnis steht welches zeigt ob diese Aussage tatsächlich relevante Zustimmung erfährt oder nicht denn aussehen, wenn diese Frage selbst nicht gestellt wird?

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Man könnte ja mal damit anfangen, die Fragen nicht so rassistisch zu stellen. Sie suggerieren ja schon Intoleranz und Rassismus und eine Verkennung der Realität. Viele Deutsche haben weder eine weiße Haut noch einen Migrationshintergrund. Mich gruselt’s schon, wenn ich diesen Satz schreibe. Merkt ihr gar nicht, wie heftig rassistisch allein schon die Fragen sind? https://www.infratest-dimap.de/umfragen-analysen/bundesweit/umfragen/aktuell/deutsche-fussballmannschaft-2024-mehrheit-findet-multikulturelles-team-gut/
Dazu kommt noch, dass es auch nicht besonders viele Teilnehmer waren. 1300 etwa
Sorry, wir kommen da nicht zusammen. Ich bleibe dabei: Es ist richtig schlimm. Armes Deutschland. Es sind nicht nur unsägliche Dinge sagbar geworden, sondern auch fragbar.

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Diese Fragen wurden gestellt, weil sie ein wirklich sehr häufiger Kommentar sind.

Die Kommentare die man auf Social Media immer und immer wieder lesen kann sind aber nunmal krass rassistisch, worum es hier ja auch gehen sollte.

Wenn ich aber Fragen will, ob diese Kommentare Einzelfälle sind oder eben durchaus eine Zustimmung finden, dann bringt es doch nichts nach etwas komplett anderen zu fragen.

Es ging ja ausdrücklich nicht darum ein differenziertes Meinungsbild abzufragen, sondern darum ganz konkrete real existierende und immer wiederkehrende Kommentare auf ihre Zustimmung hin zu untersuchen.

Wenn jetzt jemand wissen will wie viele Leute dem „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ als Songtext inhaltlich zustimmen, müsste man die Frage z.B. auch konkret stellen und nicht irgendwie drumherum fragen. So schlimm der Text als solcher auch ist.

Dass sich jetzt mehr darüber aufgeregt wird, dass die Frage gestellt wurde, als über die 21% der Antworten, ist auch bezeichnend…

Shooting the messenger.

Ist das nicht genau der Sinn und Zweck von Meinungsumfragen?

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Meinungsumfragen formen keine Meinungen, sie bilden sie ab. Wenn dir jemand eine Frage stellt, auf die es eine rassistische und eine nicht rasisstische Antwort gibt, wirst du nicht plötzlich durch Gedankenkontrolle oder schwarze Magie zum Rassisten.

Beim Thema Sylt hast du z.B. bezüglich Enthemmung und Gruppendynamik folgendes geschrieben:

Das Problem ist nicht du Umfrage sondern das Ergebnis, denn Meinungsumfragen formen keine Meinungen, sie bilden sie ab. Wenn wir uns jetzt nicht mehr trauen unangenehme Fragen zu stellen, können wir auch nicht auf Fehlentwicklungen reagieren.

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Nein, das Problem ist Rassismus.
Rassismus in den Fragen und Rassismus in den Antworten.
Und natürlich hat die mediale Bearbeitung von Themen Einfluss auf Meinungen und Haltungen.
Wir kommen nicht zusammen.

Die seltsamen Rechtfertigungen für die Ausländer-Raus-Gesänge auf Sylt haben 0 mit dieser Umfrage zu tun.

Das kommt natürlich auch auf die Fragestellung an. In diesem Fall ist die Fragestellung aber eindeutig. Es gibt eine häufig im Netz getätigte Aussage und es wird gefragt ob man dieser zustimmt oder nicht.
Da ist erstmal keine Beeinflussung durch Fragestellung oder Einleitung zu sehen.

Edit:
Um Kontext zu bieten muss man aber sagen, dass 1300 Befragte eine Menge ist, die in dem Bereich liegt, was Institute bei der Sonntagsfrage abfragen. Und die ist ja trotz deiner komplexeren Fragestellung schon relativ genau.

Es kommt aber bei Umfragen weniger auf die Größe der Befragung an als auf die Zusammensetzung.

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Das ist doch kein Entweder-Oder. Allein schon durch die Publikation eines so hohen Zustimmungswerts können sich Menschen mit entsprechenden rassistischen Positionen legitimiert oder bestätigt fühlen. Und wie gesagt: auch die Art der Fragestellung bzw. der Formulierung von Items kann rassistische Denkweisen reproduzieren. Und nicht zuletzt können suggestive Formulierungen solche Denkweisen sogar befördern. Dass alles ist in der Umfrageforschung seit Jahrzehnten bekannt, wird halt nur mal mehr und mal weniger reflektiert.
Der Unterschied zwischen dem Satz „Finden Sie es nachvollziehbar, dass ein Deutscher für bestimmte Menschen automatisch eine besimmte Hautfarbe hat“ und dem Satz „Hätten Sie nicht auch lieber eine rein weiße deutsche Nationalmannschaft“ ist jetzt etwas überspitzt, macht das aber hoffentlich deutlich.

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Es gibt sehr wohl Methoden in der empirischen Sozialforschung, um die Verbreitung rassistischer und anderer menschenverachtender Sichtweisen abzufragen, ohne diese dabei durch eine derart suggestive Formulierung von Items (also den vorgegebenen Sätzen die es zu bewerten gilt) zu reproduzieren.

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Diese Kritik verstehe ich. Gleichzeitig glaube ich aber auch den Trend zu erkennen, dass sich manche (nicht alle!) dann lieber hauptsächlich mit der Kritik an der Frage auseinandersetzen als mit dem dahinterliegenden Problem.

Das Problem ist Rassismus. Die Diskussion, ob die Fragestellung sozialwissenschaftlich zu 100% sauber war, überlasse ich dann lieber den SozialwissenschaftlerInnen.

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Es geht aber ja nicht um die allgemeine Sichtweise sondern um eine konkrete Aussage und die Zustimmung zu genau dieser Aussage.

Edit:
Man muss das ganze natürlich auch um Rahmen der Verhältnismäßigkeit sehen. Eine Studie zu diesem Thema müsste natürlich anders gestaltet werden, als eine einfache Umfrage die eine Doku begleitet.

Dann nimm meine Meinungsäußerung gerne als die eines Sozialwissenschafters :wink: Allerdings bezieht sie sich ja auch auf das Handeln von Sozialwissenschaftlern (ich hoffe jedenfalls, dass die Umfrage von Profis geplant wurde - durchführen tun es ja meist mehr oder weniger motivierte Call-Center-Agents).

Der Punkt ist doch, ob es wirklich erforderlich ist, diese konkrete Formulierung zu benutzen, um damit transportierte Einstellungen oder Denkweisen zu ermitteln. Die Frage stellt sich erst recht, wenn diese Formulierungen selbst rassistische Bilder und Denkweisen evozieren, verfestigen oder bestätigen.

Warum sollten die methodischen und ethischen Standards für Umfragen verschieden sein, je nachdem ob sie sich an ein breites Publikum oder nur an eine Fachöffentlichkeit wenden?

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Ich finde, man könnte die Frage im einen Kontext setzen, z.B.
„Fänden sie es besser, wenn wieder mehr weiße Spieler in der deutschen Nationalmannschaft spielen, auch wenn das die Nationalmannschaft spielerisch schwächt?“
Auf der anderen Seite ist es schon irritierend, wenn die Leute ja den Kontext der Frage wissen und trotzdem so antworten.
Daraus zu schließen, dass 21% der Befragten zu Ausländerfeindlichkeit neigen wie es nun vielerorts hausgelesen wird, schießt aber wohl auch über das Ziel hinaus.

Weil im einen Fall eine Studie erstellt wird die einem Wissenschaftlichen Standard genügen muss um daraus wissenschaftliche Erkenntnis ableiten zu können, während im anderen Fall eine Sendung im Fernsehen mit einer Zahl unterfüttert werden soll. In solchen Formaten werden sonst gerne einfach Umfragen aus Social Media, also nichtmal mit sinnvoller Stichprobe genannt. Da ist die Stichprobe ja schon ein Fortschritt.

Jetzt kann man natürlich kritisieren, dass diese Frage so gewisse Mindeststandards nicht einhält und so vielleicht nicht mal in einer 45 Minütigen Sendung hätte Thema sein sollen. Man hätte stattdessen Leute kontaktieren können die das ins Internet geschrieben haben und eher die Menschen die sowas ins Netz schreiben in den Mittelpunkt stellen können (falls nicht geschehen, habe die Sendung noch nicht gesehen).

Aber diese Kritik ändert nichts daran, dass der Skandal nicht die Umfrage ist sondern das Ergebnis. Und da ist mein Eindruck, dass die Kritik eben weniger dagegen geht, dass man diese Umfrage nicht haben will, weil man der Meinung ist die Umfrage hätte professioneller gemacht werden müssen, sondern dass man nicht mit dem Ergebnis konfrontiert werden will.

Immerhin müssen wir uns auch bewusst sein, dass die Zustimmung wohl größer wäre, wenn man nur die Antworten der Leute ohne Migrationshintergrund als Gruppe auswerten würde.

Das Verhältnis hat sich häufig umgedreht, sodass kaum mehr Jugendliche und junge Erwachsene ohne Migrationshintergrund in entsprechenden Jugendmannschaften zu finden sind. Der raue Ton ist aber häufig geblieben - nur richtet er sich nun teilweise gegen „Bio-deutsche“.

Ich hoffe schwer, dass diese Eindrücke nicht bundesweit so gültig sind. Ein rauer Umgangston ist ja grundsätzlich OK, wenn man „sportlich“ in alle Richtungen austeilt und man wenn es drauf ankommt zusammen steht.