Klar grundsätzlich gibt es die. Aber die Frage ist, ob die in diesem Fall eine unabhängige faktische Basis für ihre Einschätzung haben können. Und die Antwort darauf lautet leider nein. Die Haaretz mag grundsätzlich der israelischen Regierung gegenüber kritisch eingestellt sein. Aber natürlich haben sie in diesem Fall keine unabhägigen, eigenen Quellen über den Standort der Geisel-Leichen. Schlussendlich können auch diese “kritischen” Stimmen in diesem Fall nur die Pressemitteilungen der israelischen Regierung zitieren.
Solche Berichte gab es immer wieder mal (ich werde jetzt aber nicht jeden einzelnen rauskramen sorry) z.B. siehe auch:
klar, das waren das noch lebende Geiseln, aber wenn sie lebende Geiseln “verlieren” können, dann ja erst recht Tote.
Schlussendlich raten wir hier nur basierend auf unseren persönlichen Präferenzen, wie so oft bei diesem Thema.
Danke für den Link. Klar, du hast recht, Haaretz ist eher links. Aber auch sie beziehen ihre Informationen aus Meldungen einer Kriegspartei. Würde Al Jazeera die Hamas zitieren würden bei uns die Alarmglocken laut schrillen, aber bei einer Kriegspartei mit Militärzensur, bei der jeder Bericht über militärische Themen abgesegnet werden muss, wird blind vertraut. Ich finde das verrückt, zumal in Israel ein pathologischer Lügner an der Macht sitzt.
Es war Krieg. Im Krieg sind Panzerabwehrwaffen keineswegs schwer zu besorgen. Es gibt sogar Aufnahmen von Israelis, die damit Wohngebäude beschießen. Ich bin sicher, dass davon auch einige möglicherweise durch Palästinenser erbeutet worden sein könnten. Und natürlich hatte auch die Hamas solche Waffen, die sie möglicherweise verloren haben können. Merke, alles Konjunktiv.
Ein gängiges Denkmuster, aber gerade nach einem Krieg völlig realitätsfern. Es war auch nicht nur das Problem des Iraks, dass weiter Terrorzellen Amerikaner aus dem Hinterhalt angriffen oder ähnliches in Afghanistan. Wenn ich ein Machtvakuum erzeuge und die Menschen dort gewollt oder ungewollt mit Waffen ausstatte, brauche ich mich nicht über Chaos wundern.
Aus genau dem gleichen Grund setzen wir doch in der Ukraine seit bald drei Jahren darauf die Ukraine nicht zu stark werden zu lassen, denn das kann ohne gleichzeitige Stabilisierungsmission, die unmöglich zu leisten ist, Putin ins Wanken bringen und ein instabiles Land mit Atomwaffen hinterlassen. Wobei die Einschätzung anscheinend ist, dass dieses Szenario schon durch ein zurückdrängen der Russen auf die Grenzen von vor 2014 eintreten kann. Zweifellos ist das unbefriedigend für die Ukrainer und unser Gerechtigkeitsempfinden, aber doch relevant.
Wer Krieg führt sollte auch über die Tage danach nachdenken. Das hat man in Israel aber nie getan. Mehr noch, man (bspw. in Persona Prosor, der hart rechte israelische Botschafter in Deutschland*) hat sogar Menschen diffamiert, die am Anfang des Einmarschs in Gaza forderten auch gleich den Exit mitzudenken.
Da man auf die Stabilisierung nun auch zum Waffenstillstand verzichtete empfinde ich das Problem als hausgemacht.
* Warum Israel uns wohl einen rechtsextremen Botschafter schickt wäre eine andere spannende Diskussion. Ich vermute es hat mit unseren Triggerknöpfen zu tun, analog der wenig diplomatischen Taktik des ehemaligen ukrainischen Botschafters Melnyk.
Und was macht man jetzt, wenn die Hamas die Waffen nicht abgibt und weiter die Bevölkerung terrorisiert?
Die Hoffnung vieler ist, dass Gaza wie Deutschland 1945 dem Hass abschwört. Im Moment sieht es aber eher nach Deutschland 1918 aus. Ein paar Jahre Frieden, dann geht das Pulverfass wieder von neuem hoch.
Ich verwende den Konjunktiv nicht aus Unsicherheit, sondern aus Prinzip. Die Aussagen, die ich getroffen habe, halte ich für möglich, teils sogar für wahrscheinlich – aber ich kann sie nicht belegen. Und genau deshalb formuliere ich sie entsprechend.
Als Wissenschaftler bin ich einem Ethos verpflichtet, das mir untersagt, unbelegte Behauptungen als Tatsachen auszugeben – auch wenn viele meiner Mitmenschen damit weniger Skrupel haben.
Natürlich wirkt es in einer Debatte oft durchsetzungsstärker, wenn man sagt:
Die Hamas hat Israel angegriffen und damit den Waffenstillstand gebrochen.
oder
Das israelische Militär erfindet einen Angriff.
Aber solche Aussagen wären in diesem Fall schlicht unredlich – weil sie auf keiner überprüfbaren Grundlage beruhen.
Wer sprachliche Präzision und intellektuelle Redlichkeit in komplexen Fragen als Schwäche deutet, verkennt das Wesentliche: Es ist ein Zeichen von verantwortlichem Handeln/Sprechen, nicht von Unsicherheit. Vielleicht magst du es auch mal versuchen?
Da stimme ich absolut zu. Der Webfehler ist meiner Meinung, dass die angekündigte Friedenstruppe nicht eingesetzt wurde. So ist zweifelhaft, ob der Waffenstillstand irgendetwas verbessern wird.
Warum man hier nun nicht aktiv wird ist mir unbegreiflich.
Nur mal als Kontext, weil scheinbar immer noch viele Menschen davon ausgehen, dass eine Mitarbeit bei einem palästinensischen Medienunternehmen im Gazastreifen und eine Aktivität bei den Kassam-Brigaden, der militärischen Organisation der Hamas, sich gegenseitig ausschließen:
Aus dem Artikel: ‘Als Beleg wurde ein entsprechendes Dokument vorgelegt. Aufgrund der Unterlagen geht das ZDF davon aus, dass der Ingenieur Mitglied der Qassam-Brigaden war. Die Unterlagen geben keinen Aufschluss darüber, wann und wie der Ingenieur für Hamas tätig war und welche Aufgaben er übernommen hat.”
Wow offenbar haben die Qassam Brigaden Mitgliederausweise.
Der beim Angriff getötet achtjährige Junge hatte aber sicher keinen.
Es ist vielleicht ein typisch deutsches Verständnis, dass auch Terroristen eine saubere Stundenabrechnung mit Tätigkeitsnachweisen und Pausenzeiten führen. Welche Nachweise erwarten wir?
Zeigt nicht die eigene Vergangenheit, dass allein die Mitgliedschaft in einer verbrecherischen Organisation Hinweis genug ist.
Ich finde das Argument mit dem Mitgliedsausweis schwierig. Gerade wir in Deutschland haben doch beste Erfahrungen damit wie leicht man Menschen in einem Unrechtsregime zu einem solchen bringen kann.
In der NS Zeit wurde ausgegrenzt wer nicht zu HJ bzw. BdM gegangen ist. Und auch bestimme Ausbildungen und Jobs waren viel leichter oder auch ausschließlich zu erreichen wenn man der NSDAP oder ihren „paramilitärischen“ Einheiten angehörte. In der DDR galt ähnliches. Fürs Wunschstudium musste man sich unter Umständen der Stasi oder mindestens der NVA anschließen. Als mein Onkel sich mit dem Motorrad das Bein halb abgetrennt hat wurde es nur gerettet weil seine Mutter gute Beziehung zu einem ranghohen lokalen Stasi-Funktionär hatte, der sich im Krankenhaus für meinen Onkel einsetzte. Ansonsten hätte man amputiert.
In beiden historischen Fällen haben etliche Menschen sich den Organisationen angeschlossen, nur um die entsprechenden Chancen zu ergreifen, nicht weil sie Vernichtungs- oder Diskriminierungswünsche ausleben wollten. Und sie blieben daher auch passiv und wurden keine Täter. Das wird auch in Gaza nicht anders sein.
Der Ausweis ist daher nicht zwangsläufig ein Beleg für Täterschaft und Überzeugung. Aber, und da hast du sicher einen Punkt @Flixbus, es ist doch ein Indiz kritisch zu prüfen. An die Frage, ob ein solches Indiz eine gezielte Tötung samt massiver Kollateralschäden rechtfertigt, würde ich doch einige Fragezeichen setzen. Aber im Grunde heißt es bei der IDF bekanntlich Israel First, Bedenken Second.
Ein “Dokument” kann genau so gut ein Bewegungsprofil, dokumentierte Geldflüsse oder ein Foto sein, das den Mann bei seiner Ausbildung zeigt. Dass es Mitgliedslisten gibt würde ich auch nicht ausschließen.
Stimmt schon. Ich habe aber den Begriff unabhängig davon als Bild dafür aufgreifen wollen, in einer Organisation Mitglied zu sein. Das ist vielleicht nicht deutlich genug klar geworden.
Ich verteidige doch gar nicht Hamas Terroristen. Ich betrachte bloß nicht jeden Bewohner in Gaza, den eine Kriegspartei(!) als Terroristen deklariert automatisch gleich als Terroristen.
Oft wird behauptet Israel sei ein Rechtsstaat. Ich frage mich, warum die Rechtsstaatlichkeit bei der gezielten Tötung von Menschen in Gaza nicht gelten soll. Klar, wenn der Mann Mitglied der Quassam Brigade ist und gerade einen Angriff vorbereitet darf er natürlich getötet werden. Wenn er aber kein Mitglied ist oder er ist Mitglied, aber mit Medienzensur beschäftigt, dann ist die Tötung für einen Rechtsstaat ein Armutszeugnis.
Allein der Nachweis einer Hamasmitgliedschaft reicht eben nicht eine Person zum Ziel einer Tötung zu machen.
Bezeichnend, dass Du auf die Argumente von @HokusPokus1 nicht eingehst. Oder auf die Tötung des Kindes.
Auf die Beweise eines Staates, der in den letzten beiden Jahren zehntausende Zivilisten getötet hat, in dessen Gefängnissen gefoltert wird und der Landraub und Mord durch fanatische “Siedler” duldet, gebe ich im übrigen nichts.
Und selbst wenn der Mann Mitglied der Qassam Brigade war, weiß man nicht, was er getan hat, um getötet zu werden.
Es ist schon erstaunlich, wie viel argumentative Mühe sich einige geben, um es als zumindest fraglich erscheinen zu lassen, ob ein Mitglied einer Terrororganisation auch tatsächlich ein Terrorist bzw. ob ein Mitglied der militärischen Organisation der Hamas - „einer Kriegspartei(!)“ - auch tatsächlich ein Kämpfer ist.
Nach der Logik weiß man ja auch bei einem Soldaten der russländischen Armee nicht, um er ein legitimes militärisches Ziel ist, wenn er nicht gerade nicht schießt, sondern in „nur“ einem LKW Treibstoff an die Front liefert oder Medien zensiert. Und überhaupt, wo sind eigentlich die Beweise der ukrainischen Armeee?!!!? Und wenn sie welche vorlegt, sind die eh unglaubwürdig, denn die Ukraine ist ja Kriegspartei!11!
Die Waffenruhe hat tatsächlich länger gehalten, als ich gedacht hab. Aber letztendlich war es nur eine Frage der Zeit bis die Israelis ihre Eroberung weiter fortsetzen.
P.S.
Zum Thema Glaubwürdigkeit von Dokumenten würde ich gerne noch mal an den festgenommen, vermeintlichen Terroristen aus dem letzten Herbst erinnern, der nur aufgrund eines gefälschten Chats verhaftet wurde, den ein „befreundeter“ Geheimdienst den deutschen Behörden zugespielt hatte:
die deutschen […] stellten fest, dass die brisanten Teile der Chats, die der ausländische Nachrichtendienst übermittelt hatte, gar nicht existierten.
Die Festnahme fand damals zu einer Zeit statt, als Israel wegen seiner Kriegsführung im Gazastreifen verstärkt in Deutschland in der Kritik stand.
In Israelischen Medien heißt es " Netanyahu orders ‘immediate and powerful strikes’ on Gaza in light of Hamas violations" - die Tagesschau lässt den zweiten Teil einfach weg. Interessantes Framing würde ich mal sagen.
Auch von der auf Video festgehaltenen Hamas-Inszenierung einer angeblichen „Ausgrabung“ einer Leiche, die kurz zuvor erst dort drappiert und mit Erde bedeckt wurde, - ein klarer Bruch der Waffenstillstandsbedingungen - ist in dem Tagesschau-Artikel keine Rede.
Wahrscheinlich weil er bei genauerem Hinsehen von vorne bis hinten nach Schutzbehauptung aussieht.
Netanjahu will diesen Krieg das weiß jeder. Und die Israelis wollen ihn mehrheitlich offenbar auch. Andernfalls können sie ja auf die Straße gehen und Netanjahu davon jagen, so wie es in den letzten Tagen von verschiedenen Stellen von den Palästinenser verlangt wurde.
P.S.
Der Beschuss der IDF-Truppen scheint auch schon etwas zurück zu liegen:
Hinzu kommt, das offenbar der Umgang mit den israelischen Leichen als Grund angegeben wird. Auch wenn ich das nicht gut heiße, ist das wohl kaum ein ausreichender Grund für die Wiederaufnahme von kämpfen und wirkt massiv vorgeschoben.