Der Unterschied ist, dass Deutschland damals vollständig besetzt wurde von Alliierten, die den Willen hatten, diese Besetzung wohlwollend durchzuführen und das Land dabei wieder aufzubauen.
Im Gaza-Streifen stellt sich eben das Problem, dass so lange die Hamas weiterkämpft, kein Land dort eine “wohlwollende Besatzung” durchführt, statt dessen die “kriegerische Besatzung” weiter läuft, die über die letzten 2 Jahre immer weiter vorangetrieben wurde und die zu zahlreichen Toten auf beiden Seiten führt. Man kann diese Situationen einfach nicht vergleichen, weil sie in zu vielen zu wesentlichen Punkten voneinander abweichen.
Auch das “kann man das von der Hamas verlangen” ist weniger eine moralische Frage, als eine taktische im Sinne von “Kann die Hamas dem zustimmen?”. Alle Geiseln freizulassen, ohne, dass sichergestellt werden kann, dass der Krieg in Gaza dann wirklich endet, ist etwas, dem die Hamas nicht zustimmen könnte. Man muss hier daran denken, dass auch Israel schon in zahlreichen Fällen vorherige Abkommen gebrochen hat. Die Befürchtung, dass Israel nach Freilassung aller Geiseln von dem Rest der Verhandlungen nichts mehr wissen will und zur Zielsetzung der “vollständigen Zerstörung der Hamas” zurückkehrt, ist durchaus berechtigt. Das einzige, was Israel davon abhalten kann, wäre ein klares Machtwort der USA. Dummerweise ist es auch Trump zuzutrauen, dass er nach Freilassung der Geiseln plötzlich sagt: “Okay Israel, macht jetzt, was ihr wollt… wir bauen dann die palästinenserfreie Riviera auf…”. Trump ist sowas aus Trotz wegen der Nichtvergabe des Friedensnobelpreises durchaus zuzutrauen…
Und die nun - scheinbar erfolgreichen - Verhandlungen wurden ja mit der Hamas geführt. Zwar indirekt, aber dennoch. Insofern ist das - hoffnungsvolle - Ergebnis in Verhandlungen mit der Hamas erzielt worden. Und wie gesagt, ich halte das für den einzigen Weg zum Frieden - den Palästinensern muss klar gemacht werden, dass sie eine gute Zukunft haben werden, wenn die Hamas ihre Waffen niederlegt - nur so erzeugt man auch innerhalb der palästinensischen Bevölkerung einen Druck gegen die Hamas, wenn sie sich dem verweigert.
Leider sehe ich das aktuell noch nicht. Israel verfolgt weiter den Plan, eine palästinensische Staatenwerdung mit allen Mitteln zu unterbinden, es setzt seinen illegalen Siedlungsbau weiterhin fort und die Lage der Palästinenser im Westjordanland verschlechtert sich zusehens. Unter diesen Voraussetzungen wird es keinen langfristigen Frieden geben, selbst wenn die Hamas ihre Waffen niederlegt wird es nur eine Frage der Zeit sind, bis eine terroristische Nachfolgeorganisation an ihre Stelle tritt… die einzige Hoffnung, wie das verhindert werden kann, wären vorgezogene Neuwahlen in Israel mit einer krassen Niederlage für Netanyahu und dem Sieg einer Regierungsmehrheit, die bereit ist, Zugeständnisse zu machen und einen palästinensischen Staat zu ermöglichen. Das halte ich leider für sehr unwahrscheinlich. Das Maximum, das also jetzt erreicht werden kann, ist mMn eine Rückkehr zur Situation vor dem 07.10.2023. Und das ist nicht genug. Der Konflikt wird weiter gehen und es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis die nächste Eskalation passiert.