Wahlverhalten im Osten
Bezugnehmend auf die LdN388
Die Wende als Trauma?
Wir wäre es denn, wenn sich die ostdeutschen Bürger folgendes sagen: “Wir haben es geschafft, einen menschenverachtenden Unrechtsstaat friedlich abzuschaffen und demokratische Wahlen zu erzwingen. Unsere gewählte Volkskammer hat dann den Wählerwillen umgesetzt und den Beitritt zu dem demokratischen Teil unseres vormals geteilten Landes vollzogen. Unser Wirtschaftssystem war gescheitert, dennoch ging unserer Land nicht in Anarchie und Chaos auf, sondern wir wurden unterstützt von unseren westlichen Schwestern und Brüdern. Wir konnten unsere nahezu wertlose Währung zu guten Kursen umtauschen, haben das Sozialversicherungssystem nutzen können, obwohl wir bisher nicht eingezahlt haben. Auch Rentenansprüche sind übernommen worden. Es war eine Zeit, die von großer Existenzangst geprägt war, aber wir hatten immer ein Dach über dem Kopf, mussten nicht Hunger leiden, hatten eine existenzielle Absicherung und Chancen, uns in dieser Gesellschaft zu entwickeln. Klar, es geht nicht alles von heute auf morgen, und es muss sich erst finden. Aber immerhin waren es auch etwa 40 Jahre, die unser Land heruntergewirtschaftet haben. Es war nicht alles gerecht nach der Wende, große Unternehmen haben den Osten nahezu übernommen, aber in diesem System haben wir die Möglichkeit uns zu wehren, Ungerechtigkeiten anzusprechen, mitzuwirken an einem gerechteren Land.“
Es geht mir um menschliche Psychologie. Wie bewerten Menschen ihre Situation. Und natürlich sind Menschen suggestibel. Die Negativ-Fokussierung, der Blick mit dem in Deutschland geschaut wird, prägt die Wahrnehmung der Menschen. Dabei geht es nicht um konstruktive Kritik oder das klare Benennen von Problemen. Es geht um das Weglassen dessen, was positiv läuft und gelaufen ist. In einem späteren Beitrag der LdN388 wird das anhand der Berichterstattung zur Wärmepumpe klar. Deshalb frage ich mich, ob das Thema wirklich Desinformation so nachrangig zu beurteilen ist. Es wird im Internet schon seit Jahren beleidigt, gehetzt, gefaked gegen Politiker und Wissenschaftler von unterschiedlichen Agenten (Rechte, fossile Industrie, missgünstige Staaten), um Unzufriedenheit zu schüren und unsere Demokratie zu destabilisieren. Ich bin deshalb sehr überrascht von den Expertenaussagen dazu, dass so etwas keinen Einfluss auf Wahlen haben soll. Vielleicht sollte man das mal langfristig betrachten und einen Psychologen befragen.
Ich habe ohne das Thema gezielte Desinformation / Diskreditierung / Diskriminierung keine schlüssige Erklärung, warum Menschen, die Angst vor Statusverlust haben, eine Partei wählen, die nach Experten ein Programm haben, das der Wirtschaft schaden wird. Ebenso fehlt mir die Erklärung dafür, dass Menschen, die es geschafft haben, einen Unrechtstaat abzuschaffen, sich dafür entscheiden, AFD zu wählen und die erlangte Freiheit und die Grundrechte in Frage zu stellen.
Ich finde die benannten Strategien wenig zielführend. Auch wenn ich Bürgerräte super finde und für eine soziale Absicherung bin, glaube ich nicht, dass das jemanden vom rechts wählen abhalten wird. Hartz IV wurde als Beispiel genannt, ist ja inhaltlicher rechter Politikideale geschuldet, auch wenn es ein Schröder-Projekt war.
Das Bekämpfen von Desinformation, Beleidigungen, Diskreditierung ist dringend notwendig. Durch KI werden hier alle Täuschungen möglich. Wer so etwas kreiert und/oder verbreitet sollte strafrechtlich verfolgt werden. Es sollte dieses Thema auch immer wieder klar und nachdrücklich benannt werden. Meinungen entstehen aus der Einschätzung von Fakten. Über diese Einschätzung lässt sich (politisch) streiten, nicht aber über die Fakten. Das ist aus meiner Sicht Grundlage demokratischer Auseinandersetzung. Ich schlage vor, dass Presse und Politik zu mehr Objektivität finden. Und ich finde es wichtig, nicht einseitig die negativen Folgen der deutschen Einheit hervorzuheben und damit einen Opfermythos zu stärken, der zu Unzufriedenheit führt. Dazu ist es wichtig, dass die Aufrechten des Landes zu Demokratie stehen und sich gerade machen. Dazu gehört klar zu sagen und gerichtlich festzuschreiben, was in diesem Land nicht geht. Deshalb sollte ein Verbotsantragsverfahren gegen die AFD verfolgt werden.
Abschließend möchte ich anmerken, dass ich als Mitarbeiter in einem Krankenhaus im ehemaligen Zonenrandgebiet mit vielen aus Ostdeutschland kommenden Kollegen und Kolleginnen zu habe. Es sind einige davon auch in Führungspositionen. Die Zusammenführung so vieler Menschen, die verschiedene Lebensarten entwickelt haben, braucht halt Zeit und wir in dieser Hinsicht Geduld.