LdN378 - Recht auf Abtreibung

Ich finde „Recht auf Abtreibung“ hat keine eindeutig negative Konnotation - je nach dem, wie schlimm man Abtreibungen findet, kann das aber natürlich von Person zu Person verschieden sein.

2 „Gefällt mir“

Ich kann den Einwand nachvollziehen, ich würde mir das Argument auch nicht zueigen machen (genauso wenig wie beim Thema Sterbehilfe), aber es ist eben ein Argument, das in Deutschland eher Gewicht hat, als in anderen Ländern und mMn nicht geschlechtsspezifisch oder auf die Abtreibungs-Debatte beschränkt ist.

Das sehe ich anders. Mir ist auch etwas unklar, wie man darauf kommt.

Ich verbitte mir die Unterstellung, dass ich eine solche Konnotation „bewusst“ hergestellt haben soll.

Du vertauschst die Bedeutung von „Recht“. „Person A hat ein Recht auf b“, kann man auf mindestens zwei verschiedene Weisen verstehen:

  1. Person A hat Position b, die in einer Abwägung berücksichtigt werden muss. (So verwenden Juristen den Begriff oft im Verfassungsrecht). Das könnte man jetzt ad-hoc „prima facie Recht“ taufen. Ein solches Recht muss sich im Ergebnis nicht durchsetzen.

  2. „A hat ein Recht auf b“ kann aber auch heißen, dass das Ergebnis der Abwägung ergeben hat, dass tatsächlich A`s Position überwiegt. Das taufe ich jetzt mal „all things considered Recht“ (Juristen reden so öfter im Zivil- und Strafrecht).

Ich habe von letzterem gesprochen. Du von ersterem. In der Sache kann man alles, was man in der ersten Redeweise ausdrücken kann auch in der zweiten ausdrücken und umgekehrt. Man sollte aber bei einer Bedeutung bleiben, sonst redet man sinnlos aneinander vorbei.

2 „Gefällt mir“

Ich bin bewusste und überglückliche dreifache Mutter und möchte mit aller Deutlichkeit sagen, dass meiner Meinung nach kein Mann über dieses Thema abstimmen oder entscheiden oder sich äußern darf bzw. sollte. Kein Politiker, kein Journalist, kein Verfassungsrichter.
Eine Frau lebt gute 30 Jahre lang 365 Tage im Jahr mit dem Gedanken, ungewollt schwanger zu werden und sich mit dem Thema Abtreibung dann auseinanderzusetzen zu müssen. Es ist ihr Körper und ihr Leben/ihre Zukunft.
Männer dürften maximal Bereitschaft und Unterstützung signalisieren, ihr in solch einer Situation und bei so einer schweren Entscheidung jede mögliche Unterstützung anzubieten. Dass Herr Lauterbach, Herr Buschmann, Frau Paus aus strategischen Gründen 50 Prozent unserer Gesellschaft alleine lassen, ist entsetzlich und ein erneuter Beweis, wie wenig gleichberechtigt unsere Gesellschaft heute ist

5 „Gefällt mir“

In der moralphilosophischen Literatur zu dem Thema werden verschiedene Zeitpunkte diskutiert, zu denen einem Fötus ein (aufwiegbares oder nicht aufwiegbares - umstritten) Lebensrecht zukommt: Nidation, Verlust der Totipotenz, Ausbildung des Primitivstreifens, Entwicklung des Neuralrohrs, Bildung des Gehirns und Entstehung der Empfindungsfähigkeit. Ich persönlich finde, der erste Zeitpunkt, zu dem etwas moralisch Relevantes mit dem Zellklumpen im Bauch einer Frau passiert, ist die 22. bzw. 24. Woche. Etwa dann ist davon auszugehen, dass das erste mal „das Licht angeknipst“ wird, wenn man so will: Der Embryo entwickelt Bewusstsein (nicht zu verwechseln mit Selbstbewusstsein, bis dahin dauerts dann doch noch ne Weile). Vor diesem Zeitpunkt unterscheidet sich der Embryo in meinen Augen in keiner moralisch relevanten Hinsicht von der bloßen unvereinigten Menge von Spermium und Eizelle (Sperma noch in Mann oder Gefrierschrank, Eizelle unbefruchtet). Es gibt einige Argumente in der Literatur, die versuchen, bereits früheren Stadien des Embryos ein Lebensrecht zuzuschreiben: Identitäts-, Potentialitäts-, Kontinuitäts- und Speziesargument. Die stehen aber alle auf ziemlich wackligen Prämissen, und mich zumindest überzeugen sie nicht. Aber da bildet sich am besten jeder selbst ne Meinung. Eine gute Einführung zur Debatte um den moralischen Status des Fötus findet sich zB hier: Damschen, G. / Schönecker, D. (2003) (Hg.): Der moralische Status menschlicher Embryonen: Pro und contra Spezies-, Kontinuums-, Identitäts- und Potentialitätsargument.: Berlin [u.a.]: De Gruyter.)

Ein ganz schönes Gedankenexperiment schiebe ich noch hinterher, das unsere moralischen Intuitionen testet: (hab grad die Quelle nicht parat): Man stelle sich vor, man befindet sich in einem Labor, in dem 1000 befruchtete Eizellen in einem Kühlfach lagern. Außerdem befindet sich in diesem Labor ein Baby und sonst niemand (nicht hinterfragen, ist einfach so). Jetzt bricht ein Brand aus. Du hast nicht genug Zeit, die befruchteten Eizellen und das Baby zu retten. Was solltest du tun? Die meisten würden wohl sagen: rette das Baby! Befruchtete Eizellen scheinen doch relativ egal zu sein…

4 „Gefällt mir“

Auch das „bewusst“ kann man unterschiedlich auslegen. Wir sehen hier im Thread ja sehr schön, wie sehr unterschiedlich Dinge aufgefasst werden können - z.B. war das „bewusst“ nicht als Unterstellung an dich gemeint, wie könnte es das auch sein, dazu kenne dich definitiv nicht genug und kann sicherlich nicht deine Intention in der Verwendung bestimmter Worte einschätzen.

Ich persönlich bleibe dabei, dass das Reden von einem „Recht, einen Fötus zu töten“ immer eine negative Konnotation haben wird im Vergleich zum „Recht der Frau am eigenen Körper“, was eine mMn eindeutig positive Konnotation hat. Aber man sieht daran wie gesagt, wie unterschiedlich diese Dinge aufgefasst werden können.

Man kann es noch auf viele andere Weisen verstehen. Das hat aber nichts mit „vertauschen“ gemeint, „vertauschen“ wäre nur korrekt, wenn es eine korrekte Bedeutung gäbe und der Diskussionspartner fälschlicherweise die andere Bedeutung wählt. In dieser Diskussion gibt es aber eine Menge gleichermaßen taugliche Bedeutungen und wir sollten uns in der Tat darauf festlegen, über welche wir diskutieren.

Ein „Recht auf Abtreibung“ in deiner letztgenannten Bedeutung wäre entweder ein unbeschränktes, quasi abwägungsfestes Recht, also ein Recht, das so stark ist, dass nichts dieses Rechts aufwiegen kann - oder das Ergebnis einer konkreten Einzelfall-Abwägung, aber diese Bedeutung macht in der Diskussion, in der es ja gerade darum geht, wie diese Abwägung generell aussehen sollte, wenig Sinn.

Ich vertrete hingegen die Ansicht, dass die widerstreitenden Rechte das „Recht auf Leben“ des Fötus und das „Recht am eigenen Körper“ (juristisch auch: Recht auf körperliche Unversehrtheit) der Frau sind. Ein „Recht auf Abtreibung“ ergibt sich folglich gerade erst als Konsequenz einer Abwägung im Einzelfall, eben als Konsequenz in jenen Fällen, in denen das „Recht am eigenen Körper“ das „Recht auf Leben“ überwiegt. Daher werde ich persönlich nicht von einem generellen „Recht auf Abtreibung“ sprechen (auch wenn das in den absolut überwiegenden Fällen aller Abwägungen das Ergebnis sein wird!).

Insgesamt gehen wir hier wirklich etwas zu stark in die Semantik, wobei ich dir Recht gebe, dass diese Fragen für eine sinnvolle Diskussion sinnvollerweise beantwortet werden sollten, damit man nicht aneinander vorbei redet.

Das ist mir persönlich zu hart. Es geht um wichtige gesellschaftliche Fragen, die zweifelsohne auch Männer massiv emotional betreffen können. Ich gebe dir absolut Recht, dass im Einzelfall sowieso die betroffene Frau das letzte Wort hat und dass bei allen politischen Entscheidungen die Position der Frauen besondere Beachtung verdient. Aber in einer Demokratie den Männern generell das Recht abzusprechen, mit entscheiden zu dürfen, geht zu weit gegen das Wesen der Demokratie.

Ich verstehe, dass das Thema sehr emotional ist und es auch ein Problem ist, dass gerade Männer in diesen Fragen sowohl im Einzelfall als auch auf der Ebene von Politik und Justiz zu viel Entscheidungsgewalt haben. Dagegen muss sicherlich etwas getan werden - aber nicht in einer Form, in der Männern jedes Mitspracherecht untersagt wird.

1 „Gefällt mir“

Die überlastet Sozialkassen? Ich lese wohl nicht recht!! Die sind ja nicht wg Naturgesetz überlastet, sondern wg politischer Entscheidungen, die seit Jahrzehnten sowohl falsch als auch ungerecht sind z. B. die Versicherungsfreigrenzen sowie die Existenz eines 2-Kassensystems von privaten und gesetzlichen Kassen! Ließe sich alles ändern. Und Sie glauben doch nicht, dass es gerecht wäre, dass Frauen letztlich allein (Väter waren schon immer gut in Drückebergerei) zahlen zu lassen? Ist nicht mal mit der jetzigen Regelung so. Der Schwangerschaftsabbruch wird bezahlt bei geringem Einkomnen.

3 „Gefällt mir“

Ich finde hier einige Einstellungen schon schwierig. Kinder werden hier mit Parasiten verglichen, die sich in einen Körper einnisten und auf Kosten dessen sich da neun Monate gütlich tun. Das zur Basis gelegt, steht der armen Mutter noch einiges bevor. Denn, Überraschung, mit den neun Monaten ist es nicht getan. Der Parasit wird Monate lang faul herumliegen und einfach losbrüllen, wenn er etwas will und an der Brust hängen und einfach weiter die Mutter aussaugen.
Wie lange soll sie das ertragen? Darf sie das zweijährige mit dem Kissen ersticken, wenn es nicht mehr erträglich ist oder an der nächsten Kreuzung aussetzen?
Oder muss sie dann, weil der Parasit ihren Körper verlassen hat, sich quälen lassen, auch wenn es sie ins Irrenhaus bringt?

1 „Gefällt mir“

Können wir bitte die Polemik etwas zurückfahren?

Ja, es gibt viele schreckliche Beispiele von Vätern, die sich nicht kümmern, aber diese Verallgemeinerungen werden bei mir in Zukunft zur Ablehnung von Beiträgen führen.

6 „Gefällt mir“

Ok. Die Verfassung sieht das allerdings anders. Der Gesetzgeber entscheidet - und im Parlament sitzen auch Männer. Andere Ansichten stehen in Deutschland nicht zur Debatte (s. Art. 79 III iVm Art. 20 GG). Grundgesetztreue hieße jetzt wahrscheinlich, diese Meinung zu ändern.

2 „Gefällt mir“

Ich hoffe mal sehr, dass das keine Provokation sein soll, was Sie da schreiben??!! Ein Schwangerschaftsabbruch auf der gleichen Stufe wie eine Schönheits-OP? Es geht um ganz grundsätzliche Fragen des Lebens und der persönlichen Lebensplanung, ob ich/Frau/Mann ein (weiteres) Kind groß ziehen kann oder nicht. Und das hat sehr wohl mit Gesundheit zu tun bzw. Gesundheitsgefährdungen bei einer ungewollten Schwangerschaft. Ob das allerdings nur die gesetzlichen Kassen bezahlen sollten oder die Allgemeinheit wäre eine wichtige Frage angesichts des reduzierten Zahler.innenkreises in die sog. Gesundheitskassen.

2 „Gefällt mir“

Das stimmt eben einfach nicht! Es gibt Leute, bei denen alle Verhütungsmethoden versagen, die einfach sehr fruchtbar sind. Es gibt glaube ich keine Frau, die lieber einen Schwangerschaftsabbruch macht als zu verhüten. Das ist eine ganz absonderliche Phantasie.

2 „Gefällt mir“

Ich höre und lese das immer wieder, war auch in der Lage der Fall, dass die es um die selbstständige Überlebensfähigkeit des Embryos geht. Das ist eines der denkbar schlechtesten Kriterien. Menschen, die auf intensivmedizische Versorgung angewiesen sind, sind auch nicht selbstständig überlebensfähig, trotzdem gestehen wir ihnen ein Lebensrecht zu. Für den Wert des embryonalen Lebens kann es doch nicht auf seine survival skills ankommen - und für sein Personsein erst Recht nicht. Von mir aus kann man ja alles mögliche vertreten in dieser Debatte, auch sehr sehr späte Abtreibungen im 8. Monat oder so, aber dieses Kriterium ist einfach quatsch.

1 „Gefällt mir“

Die selbständige Überlebensfähigkeit kann ein Kriterium sein, das gegen einen Schwangerschaftsabbruch spricht. Denn bei der Abwägung der Interessen der Frau kann man im Falle der selbständigen Überlebensfähigkeit darauf abstellen, ob die Einleitung der Geburt gefährlicher ist als ein Schwangerschaftsabbruch - und wenn das nicht der Fall ist, kann man leicht zu dem Ergebnis kommen, dass das Leben des - bereits recht weit entwickelten - Fötus das Interesse der Frau, welches dann lediglich ist, „kein Kind zu haben“, überwiegt.

Der Unterschied zu anderen Fällen ist hier, dass es nicht mehr darum geht, dass die Frau gezwungen wäre, gegen ihren Willen ein Kind weiter auszutragen, sondern es lediglich um die Entscheidung geht: „Beenden wir die Schwangerschaft mit dem Tod des Fötus oder mit dem Überleben des Fötus“. Das ist in der moralischen Betrachtung schon ein massiver Unterschied und ich tendiere in derartigen Fällen auch dazu, dass die Schwangere in diesen Fällen nicht das Recht hat, zu verlangen, dass das außerhalb ihres Körpers überlebensfähige „Kind“ getötet werden muss. Das wäre einfach der Punkt, bei dem bei meiner Abwägung das Leben des ungeborenen Kindes überwiegen würde.

1 „Gefällt mir“

Um hier nochmal etwas klar zu stellen: ab der 22./24. Woche kann man schon nicht mehr von einer “Abtreibung” sprechen, geschweige denn im 8. Monat, denn Fakt ist: der Fötus ist da schon soweit entwickelt, dass die Frau das Kind gebären müsste.

Ich könnte mir vorstellen, dass ein AG, der dies aktiv unterstützt, mit einem ordentlichen shitstorm zu kämpfen hätte.

Ich kann das Argument nicht ganz nachvollziehen. Natürlich gibt es das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der BRD, aber die Allgemeinheit zahlt nicht Deinen Umzug?
Die Sozialkasse kann bei Bedürftigkeit einspringen, aber wieso die Krankenkasse unabhängig vom Einkommen?
Krankengeld gibt es erst nach sechs Wochen, so lange fällt man wohl nicht aus. Alles vorher geht auf Kosten des Arbeitgebers.

Also das würde ich jetzt schon in Frage stellen. Spätestens das Kondom ist eine physische Barriere bei der die Frau noch so fruchtbar sein kann, solange es dabei zu keinem Unfall kommt wird sie nicht schwanger. Und regelmäßige Unfälle bei derselben Person sind auch kein übliches Problem.

Und ich werfe ja keineswegs Frauen vor vier im allgemeinen Abbrüche zu bevorzugen sondern sage lediglich, dass es Fälle gibt wo das so gehandhabt wird. Einen Fall kenne ich selbst, von anderen liest man. Ich bin mir sicher, dass das sehr wenige Fälle betrifft und denke, dass eine Möglichkeit (nicht ein Automatismus) hier bei mehrfacher Nutzung in relativ kurzer Zeit die Kostenübernahme zu verweigern als Lenkungswirkung (durchaus auch dem Mann gegenüber) nicht die Rechte der Frauen im allgemeinen beschneiden würde. Habe aber ja auch schon geschrieben, dass das nicht der Hauptpunkt in der Diskussion sein sollte.

Edit: tatsächlich sah die mir bekannte Person den Abbruch sogar als eine Form der Verhütung an. Also vielleicht wäre auch bessere Aufklärung ein gutes Mittel gegen solche missbräuchliche Nutzung.

Warum ist das Kriterium Quatsch.

Du bringst Personen die intensivmedizinische Versorgung brauchen als Beispiel an. Und genau diese benötigen auch Kinder die ab SW22-24 geboren wurden. Die kommen nicht auf die Welt und überleben, sondern die überleben dank intensiver medizinischer Betreuung und wären somit analog zu behandeln zu den Personen die du vergleichst.

Bis SW22 kann die medizinische Versorgung gar nichts tun um ein überleben zu gewährleisten. Dazu fehlt es zu diesem Zeitpunkt an grundlegenden Fähigkeiten. Daher ja Vorschläge meist für Legalisierung bis SW 12-16.

Und im 8. Monat reden wir über ein Baby, welches bei Abtreibung durch eine richtige Geburt mit allem drum und dran tot zur Welt gebracht werden müsste. Also durchaus auch nochmal ein ganz anderes Kaliber.

Welcher Zeitpunkt wäre für dich denn akzeptabel und wie begründet?