LdN370 - Neoliberale Finanzpolitik, Franziska Brantner

Hallo Zusammen,

In der LdN370 musste ich feststellen, dass die Grünen-Abgeordnete Franziska Brantner neoliberale Mythen über Finanzpolitik verbreitet.

Wer Volkswirten wie Flassbeck oder Höfgen lauscht, dem stellen sich die Nackenhaare dabei auf:

„Jede Steuersenkung bedeutet, dass was anderes woanders gekürzt werden muss“ 1:10:50
„Geld fällt ja nicht vom Himmel […] das ist am Ende auch Steuerzahlergeld“ 1:06:05

Das klingt ziemlich nach der neoliberalen Ikone Magaret Thatcher, die 1983 sagte:

„There is no such thing as public money; there is only taxpayers’ money“

Dabei ist es doch genau andersrum: Der Staat braucht unsere Steuern nicht, um Ausgaben zu tätigen. Der Staat hat sein eigenes Geld. Wir limitieren uns lediglich methodisch durch die Schuldenbremse.

Steuern sind nicht zur Generierung von Einnahmen, sondern um Lenkungswirkungen zu erzeugen und die Währungsakzeptanz zu schaffen.

Warum propagiert eine Grüne FDP-Ideologie?
Hat Christian Lindner damit die Debatte nicht eigentlich gewonnen?
Was treibt die Frau an?

Gruß
Heffenem

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Ich musste bei dem Satz auch schmunzeln, wie kommt ausgerechnet eine Grüne darauf so einen Satz zu formulieren? Hat Habeck nicht Mazzucato zur Pflichtlektüre gemacht, so oft wie er sie betont hat?

Das Problem ist aber meiner Meinung nach: Wenn man hier einhakt, derailed man die gesamte Diskussion, in der es eigentlich nicht vordergründig um „Wie funktioniert Staatsfinanzierung?“ ging. Das ist dann eine grundsätzliche Meinungsverschiedenheit und entweder man lässt es dann nach 3 Minuten als Dissens stehen oder man verabredet sich zur Nachfolgesendung. Aber produktiv ist das in so einem Format nicht auszuräumen, befürchte ich.

Das Problem wird außerdem sein, dass Frau Brantner auf dem Gebiet vermutlich einfach internalisierte Glaubenssätze verbreitet, die sie übernommen hat und Mainstream in der deutschen Finanzpolitik sind. Da sie keine Fachexpertin für den Komplex aus Staatsfinanzierung und Geldschöpfung ist (jedenfalls finden sich weder in ihren Äußerungen noch in ihrer Vita Ansatzpunkte hierfür), ist sie einfach die falsche Ansprechpartnerin für diesen Widerspruch.

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Sie beschreibt einfach die Realität. Es ist in dieser Regierung Fakt (und mit der Schuldenbremse praktisch Verfassungsgrundsatz), dass der Staat sich nicht unbegrenzt verschulden darf und wird. Daher stimmt ihre Aussage schlicht in diesem Kontext.

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Das tut sie meiner Meinung nach nicht.

Es ist ein Unterschied zu sagen: „Geld fällt nicht vom Himmel“ (was bei der Geldschöpfung tatsächlich der Fall ist… :smiley:) oder klarzustellen, dass gesetzeskonforme Maßnahmen gesucht werden, um 1. die Schuldenbremse einzuhalten und 2. trotzdem Projekte zu finanzieren. Sie lässt sich meiner Meinung nach gedanklich von der FDP Ideologie einsperren.

Beispiele:

  1. Finanzielle Transaktion: Der Bund kann die Deutsche Bahn oder eine Bundesanstalt für Immobilienaufgaben mit Eigenkapital ausstatten, um das Schienennetz zu erweitern oder mehr Wohnungen zu bauen. Das sind faktisch keine Schulden, sondern ein Tausch von Vermögenswerten.
  2. Änderung der Konjunkturkomponente, um mehr Geld ausgeben zu können. Dafür reicht eine einfache Mehrheit.
  3. Oder einfach: Steuereinnahmen erhöhen. Auch wenn mir bewusst ist, dass sich die FDP dagegen sperrt.
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Die Konsequenz stimmt, die Aussage „Geld fällt ja nicht vom Himmel“ zeigt nur, dass sie nicht versteht wie Geld geschöpft wird, und hat auch mit der Konsequenz nichts zu tun. Dass die Schuldenbremse nicht zur Debatte steht ist allein auf die politischen Kräfteverhältnisse zurückzuführen, nicht auf den Mechanismus der Geldschöpfung.

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Hat die Lage nicht neulich festgestellt, dass auf Grund der Kameralistik dieses Vorgehen derzeit nicht Haushaltsneutral ist?

Ein Vorgehen, für das es keine einfache Mehrheit im Bundestag gibt.

Du sagst selbst, dass es keine Option ist. Und es wäre, neben Kürzungen anderswo, das zweite Textbuch-Beispiel für „Geld fällt ja nicht vom Himmel“

Nein, das zeigt es in keiner Weise. Es zeigt, dass sie sich bei der Frage „Was können wir erreichen“ nicht von den Luftschlössern der MMT leiten lässt. Denn so würde sie einfach überhaupt nichts erreichen können. Geld wird derzeit übrigens gerade nicht so geschöpft, wie es die MMT vorsieht. Wenn überhaupt könntest du sagen: „Es zeigt, dass sie nicht versteht, wie man Geld künftig schöpfen könnte, wenn man sich an der MMT orientiert und dieses kleine Problem mit dem Euro und der EZB löst.“

Wieso bringst du die MMT ins Spiel? Ich habe diesbezüglich nichts geschrieben. Man braucht auch keine MMT, um darzulegen, dass ihr Verständnis von der Art wie Geld in den Kreislauf kommt („alles Geld ist Steuerzahlergeld“) falsch ist.

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Ja, das habe ich euch in den Mund gelegt. Sorry, nehme ich zurück. Kam, da es meist darauf hinausläuft, wenn es in die Richtung geht…

Trotzdem halte ich diesen Schluss

für falsch. Aus dem Interview würde ich gar nicht darauf schließen wollen, was sie glaubt, wie Geldschöpfung erfolgt. Sie redet nicht von Geldschöpfung, sondern davon, wie die Ampel tatsächliche Ausgaben finanzieren kann/muss.

Diese Aussagen ergeben nur Sinn, solange man an der Schuldenbremse festhält. Diese ist jedoch politisch verhandelbar und darauf sollte auch hingewiesen werden, wenn man solche Aussagen tätigt. Ansonsten wird die Schuldenbremse auch zu einer Bremse in den Köpfen der Menschen.

Eine Vielzahl der Herausforderungen, vor denen wir stehen, könnte ohne Schuldenbremse (oder mit Steuererhöhungen) entspannter angegangen werden. Natürlich ist beides mit der 4%-FDP zur Zeit nicht zu machen, aber es nicht einmal zu hinterfragen festigt nur das neoliberale Denken, nachdem wir lieber bei den ärmsten und schwächsten der Gesellschaft (und damit meine ich letztlich die unteren 50%) kürzen, als die aktuelle Austeritätspolitik in Frage zu stellen.

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Aber jedem Geld, das per Schulden geschaffen wird, steht eine entsprechende Rückzahlungspflicht entgegen. Solches Geld hat daher erstmal keinen Wert. Werthaltig kann Geld nur sein, wenn dem eine wirtschaftliche Leistung entspricht. Das aber kann dann nur Steuerzahlergeld sein, das der „Staat“ nichts erwirtschaftet. Von Kapitalerträgen einmal abgesehen.

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Selbstverständlich ist Maurice Höfgen Ökonom, ebenso wie andere Vertreter:innen der MMT. Mariana Mazzucato, (Adam Tooze), Stephanie Kelton…

Geld war nicht schon immer da. Der Staat schöpft Geld in seiner eigenen Währung. Es ist falsch, dass er nur Geld hat, das er erst als Steuern einnehmen muss.

Inwieweit ein Staat Schulden machen kann, dass diese immer in Relation zur Produktivität bleiben muss etc. - darüber kann man diskutieren. Aber die Theorie ist absolut vertretbar.

Deutschland hat eine unglaublich niedrige Verschuldung. Es ist überhaupt nicht zu verstehen, warum unser Staat kaputt gespart wird. Wie Ulf und Philip in den „Baustellen der Nation“ sehr gut darstellen, ist die verkommende Infrastruktur und die viel zu zögerliche Investition in die große Transformation dagegen enorm bedenklich. Auch das sind Schulden, Infrastrukturschulden, unter denen die zukünftige Generation bereits jetzt leidet und noch viel mehr leiden wird.

Nein, der Staat ist eben keine „schwäbische …“ (Lass ich mal weg, weil es außerdem purer Sexismus ist.)

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Das muss ich überhört haben. Weißt du noch in welcher Lage-Folge das war? Wenn dem so ist, muss ich mein Argument korrigieren.

Das mag aktuell so sein, aber wenn nicht mal die Köpfe unserer politischen Parteien diese Geisteshaltung kritisieren, wie soll dann jemals eine Veränderung eintreten?

FDP und Union lassen ja auch keine Gelegenheit aus, um z.B. gegen Mindestlohn oder Bürgergeld zu schießen; auch ohne Ausblick darauf, dass sich Grüne/SPD diesbezüglich politisch bewegen.

Wenn wir anfangen über Staatsfinanzierung öffentlich zu diskutieren und Leitmedien wie Spiegel, Springer, FAZ, Süddeutsche und Rundfunk diesem Thema Raum geben, kann genügend Druck auf FDP und Union entstehen, sodass diese sich hier bewegen (müssen).

Den Punkt verstehe ich nicht. Auf EU Ebene haben wir ein ähnliches Konstrukt wie die dt. Schuldenbremse; Maastricht-Kriterien geben vor, nicht mehr als 3% Neuverschuldung gemessen am BIP.
Das ist aus meiner Sicht genau der Punkt: Wie Geldschöpfung heute funktioniert, ist eigentlich ziemlich transparent. Bloß scheinen die meisten Politiker*innen - von die Linke bis zur AFD - den Prozess nicht wirklich zu kennen und geben lieber immer wieder das neoliberale Märchen vom Steuerzahlergeld wieder.

In der Sache gebe ich dir Recht, wobei man nicht A ohne B sagen kann in dem Fall. Wie will Frau Brantner über Finanzierung diskutieren, wenn sie nicht genau weiß, wie der Geldtopf unseres Staates eigentlich befüllt wird? :smiley:

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Das war wenn ich mich recht erinnere, die erste Infrastruktur Folge.

Wenn Geld so vom Himmel fällt, sollte man sich schon mal fragen, warum das herrschende Paradigma in der Volkswirtschaftstheorie durchaus Grenzen sieht und Staaten überhaupt Steuern einnehmen. Man kann die Position der FDP als politische Taktik entlarven. Das bedeutet aber nicht, dass Staaten einfach hemmungslos Schulden machen können oder sollten.

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Das behauptet auch niemand, sondern vielmehr folgendes:

Zu dem Thema empfehle ich folgenden Thread:

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Frau Brantner wurde als parlamentarische Staatssekretärin interviewt. Nicht als Grüne Wahlkämpferin. Klar kann man alles das machen, was hier vonnihr gefordert wird.
Ich würde es aber für völlig falsch halten und freue mich, dass die Grünen weiterhin konstruktiv und verlässlich Politik machen, statt gegen ihre Partner zu pöbeln.

Traurig finde ich, dass ihr hier im Forum deswegen Ahnungslosigkeit angedichtet wird.

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Die Schuldenbremse ist in ihrer Form schon ziemlich radikal und hat massive Folgen auf alle Politikfelder. Genau so radikal, wie die allgemeine Forderung, keine neuen Steuern zu erheben oder keine neuen Sozialausgaben zu machen. Für mich geht das in die Richtung von: Wir wollen regieren, aber neue Gesetze wird es mit uns nicht geben. Solche Forderungen sollten immer kritisch hinterfragt werden und das sehe ich keineswegs als Pöbelei.

[Edit: Typo]

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Meines Wissens sind es nicht die Grünen, die die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form zu jedem Preis erhalten wollen.

Sehe ich auch so.
Mein Punkt war nur, dass Frau Brantner durchaus die

in dem Kontext kritisieren könnte, ohne dass es gleich als Pöbeln wahrgenommen wird.

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Jeder Euro muss von den Steuerzahlern erwirtschaftet werden. Wenn der Staat sich verschuldet dann eben im Nachhinein. Alles andere ist Voodoo-Ökonomie. Hier in Deutschland wurde nichts kaputt gespart, dass viele Geld (Staatsquote ca. 50%) wurde für unsinnigen Konsum statt für Investitionen ausgegeben.Wer behauptet Deutschland hätte eine niedrige Verschuldung vernachlässigt die impliziten Schulden, die bei den Maastricht-Kriterien (60%) nich auftauchen. Das sind Zusagen für Renten, Pensionen, Pflege etc. Wenn man die miteinbezieht, liegt Deutschland bei über 500% des BIP und ist damit bis über beide Ohren verschuldet. Insbesondere wenn man berücksichtigt, dass diese Schulden von einer schrumpfenden Leistungsschicht bedient werden müssen. Zum Glück steht die Schuldenbremse und Grüne und SPD können sie nicht abschaffen.

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