LdN366 Politische Stimmung in Deutschland

An was genau ist die Politik schuld? Sicher nicht daran, dass das Umlageverfahren nicht mehr so funktioniert wie bisher.

Wenn wir etwas ändern wollen, dann muss man weg vom Umlageverfahren wie es bisher ist oder müssen uns damit zufrieden geben, dass man entweder länger arbeiten muss, oder weniger bekommt oder höhere Beiträge zahlen muss oder eben eine Mischung daraus. Das ist einfache Mathematik. Die kann man nicht überlisten.

Alles was das grundlegend ändern könnte würde eine Abkehr vom Umlageprinzip bedeuten und das sollten wir auch klar so kommunizieren.

Dass dies nötig wäre ist natürlich ein Punkt.

Wer denn sonst? Die Politik ist doch nun mal für die Reformen zuständig? Bitte erkläre mir wer das sonst sein soll.

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Es gibt aber keine mathematisch mögliche Reform die das Umlageverfahren retten könnte ohne späteren Renteneintritt, höhere Beiträge oder niedrigere Renten!

Mathematik lässt sich durch Politik nicht überlisten.

Kritik gegen ausbleibende Reformen kann man gerne äußern, dann aber korrekterweise mit einer Forderung nach Abkehr vom Umlageprinzip.

Ich habe @Tris nicht so verstanden, dass er die Versäumnisse der Politik innerhalb des Umlagesystems sieht, sondern eher allgemein das Ergebnis bemängelt. Es wäre ja auch eine Ergänzung des Umlagesystems durch eine (betriebliche oder öffentliche) kapitalgedeckte Rente eine mögliche Antwort gewesen, die die Politik ebenfalls nicht geliefert hat.
Ebenso könnte man vielleicht sagen, dass die Politik vorausschauend die Kosten des Alters durch Umstrukturierung der Wohnverhältnisse oder Förderung medizinischer Innovation und Versorgung abmildern könnte. Oder Finanzbildung verbessern könnte, um so den Menschen private Vorsorge leichter zu machen.

Die Politik ist sicher nicht für alles verantwortlich, gerade so Dinge wie die Demographie kann und soll sie ja nicht steuern. Aber sie muss schon darauf reagieren und ich sehe eine Aufgabe der Politik auch darin, soziale und technische Innovationen, zB aus der Wissenschaft, zu ermöglichen und dazu beizutragen, ihren Nutzen gerecht zu verteilen.

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Ich sag’s mal so: ein faires Umlageprinzip hätte von den vorherigen Generationen höhere Belastungen gefordert, um am Ende genau solche demographischen Schwankungen auszugleichen, aber das ist halt nicht passiert, weshalb „wir“ jetzt sehr viel stärker zur Kasse gebeten werden. Mathematisch war das abzusehen, aber dummerweise hat die Politik halt gepennt (oder es einfach nicht gewollt). Umlageverfahren heisst aus meiner Sicht nicht zwingend, sehenden Auges ins Messer zu rennen, es sollte heissen: oh, hier werden wir in x Jahren ein Problem haben, wir sorgen mal vor.

Und ja, wenn man der Meinung ist, dass immer die aktuell beschäftigten Arbeitnehmer für die PensionärInnen aufkommen müssen, ist das natürlich streng genommen kein Umlageverfahren mehr. Trotzdem verstehe ich nicht, wie man nicht schon in den 90ern einen Topf für solche Schwankungen eingerichtet hat (es war ja bereits vorher bekannt).

Siehe oben, genau daran ist die Politik schuld, weil man vor 30 Jahren schon etwas hätte tun müssen, das aber lieber den anderen überlassen hat.

Ja, ist es. Natürlich spielen im BIP andere Faktoren als rein inländische Arbeitszeit eine Rolle und wir leben in einer komplexeren Welt. Das ändert aber halt nichts daran, dass wir an den steigenden Gewinnmargen, Dividenden usw als Bevölkerung nicht im angemessenen Rahmen partizipieren. Im Gegenteil: die Gelder fliessen ab an (auch ausländische) Investoren. Zudem ist ja sowohl BIP als auch Produktivität eine fixe Kennzahl, was es wiederum vergleichbar macht.

Wir können das gerne auch noch auf die Ebenen Dividende und Bruttogewinnmarge ausbreiten - dann sind wir wieder bei der Musik.

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Genau genommen haben wir aber ja nicht heute eine Kurze Delle, sondern wir werden es anhaltend mit längeren Rentenbezugsdauern und weniger Arbeitenden „Einzahlern“ zu tun haben. Selbst Rücklagen hätten das nicht behoben sondern das Problem nur ein paar Jahre verschoben, außer diese Rücklagen hätten im großen Stil „gearbeitet“ und die Erträge daraus würden einen nennenswerten Zuschuss zum Umlageprinzip darstellen.

Wie gesagt. Wenn man die aller einfachste Rechnung macht und den Gewinn einiger Firmen auf die Mitarbeiterzahl umrechnet, wären wir noch immer nicht da, wo viele meinen, dass wir hinmüssen.

Der Vorteil von einem Gewinn gegenüber Dividende ist halt auch der, dass man als Firma ohne Probleme ein Jahr mit niedrigeren Gewinnen überstehen kann. Wären diese jetzt größtenteils Teil der Personalkosten, dann würde man schnell ins Minus geraten. Kalkulatorisch ist es also völlig naheliegend, dass wir uns nicht in eine solche Richtung bewegen können in der es keine Gewinne mehr gibt sondern weit höhere Fixkosten. Vor allem weil die Produkte ja nicht nur hier sondern auch im Ausland (Exportland!) konkurrenzfähig angeboten werden müssen.

Hier könnte höchstens eine Gewinnausschüttung an die Mitarbeiter einen weg bedeuten ohne großes Risiko auch die Mitarbeiter mehr an den Zahlen zu beteiligen, ohne die Fixkosten überproportional zu erhöhen.

Das ist schon richtig, aber dann muss ja in Zukunft weniger umgelegt werden. Es geht mir ja nicht darum, einen fixen %-satz für alle Zeiten zu definieren, sondern diesen anhand der Demografie anzupassen. Das sollte m. E. möglich sein.

Hätte man es frühzeitig entsprechend umgesetzt hätte es das Problem gar nicht gegeben. selbst ohne Wertanlagen. Es geht ja darum, der Demografie frühzeitig Rechenschaft zu tragen - ein solcher Topf hätte dann halt einen Teil durch Mittel der Vorgeneration gedeckt.

Nebst der Tatsache, dass meine Hauptargumentation nicht die Betriebs-, sondern die Volkswirtschaft betrifft, sehe ich trotzdem das Argument nicht. Meine Quellen sprechen von einem Zusammenhang beider Werte, der aktuell statistisch nicht mehr gegeben ist.

BWL-mässig spreche ich von einer steigenden durchschnittlichen Bruttogewinnmarge. In Anbetracht immer steigender Dividendenausschüttungen (siehe weiter oben in diesem Thread) müsste eine Reduktion der Preise (Senkung der BGM) oder eine signifikante Erhöhung der Löhne (wir sprechen hier um +/- 20/25%) absolut im Bereich des Möglichen liegen - und zwar ohne, dass die Firmen deswegen einen negativen Unternehmenserfolg aufweisen.

Witzigerweise wäre das ja ein tolles Argument für weniger Gewinn (oder jedenfalls die Verwendung des Gewinns in grösserem Massstab für Innovation), weil DE akutell aufgrund der Preise tatsächlich nicht konkurrenzfähig ist (nebst mangelnder Innovationstätigkeit und ewiggestrigem Verhalten).

Ich verstehe die Risiken, aber für mich klingt es halt wieder nach Umwälzung auf den AN, genau wie mit Umweltfolgen etc. Es darf gerne die Allgemeinheit in die Tasche greifen, sei es jetzt über strukt. zu tiefe Löhne, Rekordgewinne bei KA während C19 oder über höhere Abgaben, um die Umweltfolgekosten der Industrie zu entschädigen.

Aber dann muss man sich halt finde ich eben genau nicht wundern, dass die politische Stimmung im Land mies ist.

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Und ich denke wenn ein Politiker und ein paar Zeitungen ehrlich genug wären, die Abgaben mal sauber vorzurechnen, wäre das auch mehrheitsfähig. Aber wie viele wissen heute, dass ab dem ersten Euro bereits über 30% Abgaben fällig werden ungeachtet jeglicher Freibeträge. Wenn die ersten 1000€ abgabenfrei wären, könnte man den Mindestlohn gleich mal kräftig anheben und es würde die Arbeitgeber keinen Cent kosten.

Nein, so habe ich das nicht gemeint. Ich habe mir damals an den Eltern meiner Mitschüler (Peer-Group) abgeguckt wieviel man wohl in welchem Beruf verdienen kann und dementsprechend mein Studienfach gewählt. Ich war ja sowieso schon privilegiert, weil meine Mutter darauf geachtet hat, dass ich Abitur mache.

  • Meine Mutter war alleinerziehend, wir hatten kein Auto, sind nicht in Urlaub gefahren (aber dafür fast jede Ferien die Familie besuchen) und wohnten zur Miete.
  • Unser Nachbar hat bei einer Versicherung gearbeitet, seine Frau war zuhause und die hatten einen 5er BMW und sind jeden Winter Ski-fahren und jeden Sommer auf Malle gewesen.
  • Vater eines Klassenkameraden war Fahrradverkäufer bei Karstadt, Mutter auch zuhause und er hat in einem Reihenhaus gewohnt und sind Volvo gefahren.
    Vielleicht ist Karstadt aber auch deswegen dauernd pleite, weil sich deren Verkäufer Häuser leisten können. Oder deren Eltern haben noch dazugelegt, denn in meiner persönlichen, anekdotischen Statistik sind die schon Ausreißer.
  • Eltern einer Freundin waren beide Berufstätig, Facharbeiter und Pflegekraft, bei denen hat es auch für ein Haus gereicht aber sie mussten schon sparsam leben.
  • Andere Freundin war Pfarrerstochter. Die hatten ein wunderschönes, mittelalterliches Anwesen mit mehreren Gebäuden, aber das hat natürlich der Kirche gehört, nicht denen.

Um das ganze abzukürzen, für ein freistehendes Haus musste man damals Architekt, Jurist, Arzt oder Steuerberater sein. Das funktioniert vielleicht auch heute noch, nicht meine Bubbel.
Eine Liga darunter, in den Reihenhäusern und Doppelhaushälften waren dann Ingenieure oder Beamte. Da wollte ich ursprünglich hin, hat aber nicht geklappt.

Zum Abschluss noch ein Vergleich, den ich mir zusammengegoogelt habe:

Jahr VW Golf Listenpreis Jahresdurchschnittsgehalt Anzahl Monatsgehälter für einen VW Golf
1980 14’800.00 DM 29’485.00 DM 6.02
2023 29’275.00 € 39’996.00 € 8.78

Die Zahlen sind Bruttogehälter, Netto braucht man 2023 vermutlich deutlich mehr Monatsgehälter als 1980.

Klar kann man sagen ein Golf 1980 war eine rostige Todesschüssel und der Golf heute ist ein fantastisches Auto, aber so ist das nun mal mit dem Fortschritt. Wenn ein Airbag ein mal entwickelt wurde, dann ist er in der Welt.

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Ich gehe hier voll mit. Neben dem Clickbaiting-Effekt und der bewussten Manipulation in den sozialen Medien durch Unternehmen, die davon profititeren, würde ich aber auch Wert legen auf Differenzierung, die im Öffentlich-Rechtlichen oft ausbleibt.
Als Beispiel die Berichterstattung der Tagesschau über die Haushaltsdebatte: Die Parteien äußern sich nach ihrer Farbe pro oder contra zum Haushalt. Zuletzt äußert sich die AFD, die einfach mal raushaut, dass sie den KTF ersatzlos streichen würden. Das bleibt dann einfach so als „alternativer Ansatz“ stehen. Der nicht so interessierte Bürger findet das vielleicht gar nicht so schlecht - Schuldenvermeidung.
Es gehört doch aber dazu, solche Aussagen in den Zusammenhang zu setzen. Was bedeutet das denn rechtlich, wirtschaftlich, umweltechnisch usw.
Ich sehe da viel Potential. Ich glaube vielen Menschen (weil sie nicht so Politik-interessiert sind) ist nicht unbedingt klar, warum Höckes „Alles für Deutschland“ eine problematische Aussage ist. Vielen ist nicht klar, dass eine „Abschaffung des Parteienstaats“ verfassungsfeindlich ist. Ich finde hier könnte die Lage auch noch mehr tun. Solche Aussagen in einen Kontext setzen, Konsequenzen und die zugrundeliegenden Haltungen herausarbeiten.
Auch das Thema Dog Whistling finde ich sehr ergiebig: Was kommt eigentlich bei den Menschen an, wenn Alice Weidel sagt „Diese Regierung hasst Deutschland“.

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Ich wüsste nicht das hier jemand schrieb das er eas Umlagensystem in der aktuellen Form behalten möchte.

Man könnte zum Beispiel Maschinen (Arbeitskraft) besteuern. Wenn die Produktivität so sehr steigt das ein einzelner Mensch mit Hilfe von Maschinen soviel leistet wie vorher 10 Menschen kann dies halt über Sozialabgaben auf die Produktivität/Gewinn ausgeglichen werden. Es würde halt nicht mehr der Arbeitskraftgeber als Person besteuert.

Und eine solche Reform muss durch die Politik kommen, weil ich kann das als Privatperson nicht für die Gesellschaft entscheiden. Um ehrlich zu sein. Mein aktueller Plan mit unserer Rente ist später ab in Ausland (es gibt ein Liste mit Ländern wo die deutsche Rente voll ausgezahlt wird). Wenn ich dann krank werde komme ich zurück nach Deutschland und auf Sozialkosten ins Altersheim mit 0 Euro in der Tasche.

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Wenn ich die Beiträge zu richtig verstehe, dreht es sich doch um folgende Punkte:

  1. viele bemängeln die Kommunikation der Regierung, einerseits das Entscheidungen nicht ausreichend erklärt werden, andererseits das auch positive Ergebnisse kaum publik gemacht werden

  2. eine Unzufriedenheit mit der ungleichen Verteilung von Vermögen im weitesten Sinne. Also bezogen auf Einkommen und Besitz.

  3. eine gefühlt unsichere Zukunft, bezogen auf Rente, Wirtschaftsentwicklung und innere und vor allem äußere Sicherheit.

  4. eine Diskrepanz zwischen individuellen Erwartungen zu Wohlstand und persönlicher Freiheit gegenüber zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Möglichkeiten sowie den begrenzenden Rahmenbedingungen wie Gesetze oder sozialer Druck.

Also nur die wesentlichen aber schon komplexen Punkte.

Einiges kann man der Politik anlasten, vieles unserem Wirtschafts- und Sozialsystem bzw unserer Gesellschaft in der heutigen Entwicklungsform.
Aber bei einigen Punkten müssen wir wohl unsere eigene Lebenswirklichkeit mit unseren Erwartungen kritisch in Beziehung setzen.

Beispiel: wenn ein Auslandsurlaub mit Familie pro Jahr als grundlegend zustehendes Recht gesehen wird, ist das emotional absolut nachvollziehbar. Aber halt nicht realistisch oder einklagbar.

Sind unsere Ansprüche ggf auch recht hoch aktuell?

Vielleicht könnte man die Punkte 1-3 auch zusammenfassen. Es geht nicht voran in keinem Politikfeld.

Gestern (04.02.24) war Robert Habeck bei Carin Miosga (ehemals Anne Will) zu Gast und er gehört ja zu denen, die klar und auf Augenhöhe kommunizieren.

Auf seinen Vorstoß bezüglich des Sondervermögens für Steuersenkungen für Unternehmen gefragt, hat er im Kern geantwortet, dass der Bundestag in einer Sackgasse steckt. Es gibt keine Mehrheit für Steuererhöhungen, keine für mehr Schulden und keine für Kürzungen.

Die Aktion mit dem Sondervermögen klang für mich wie der letzte Strohhalm, an den er sich klammert.
Es ist schon beunruhigend, vom Wirtschaftsminister zu hören, dass wir unsere Probleme auch dieses Jahr nicht anpacken werden. Egal wie emphatisch er diese Hiobsbotschaft kommuniziert.

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Für viele nicht. Wenn Miete bereits ein Großteil des Einkommens ausmacht und man für Essen zu den Tafeln gehen muss weil es sonst nicht reicht…und das mit Anstellung ist das kein zu hoher Anspruch wenn man das nicht möchte.

Wenn ich in der Tiefgarage meines Unternehmens zu 80% an Autos vorbei gehe die ich mir niemals leisten kann und im Fernsehen suggeriert bekomme was „normaler“ Lebensstandard sein soll mit Förderung von Solaranlagen und Wärmepumpen für die Bürger…dann kann ich verstehen wieso Leute langsam keine Lust mehr haben. Es wundert mich eher das nicht mehr Unruhe im Land ist.

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„Normaler Lebensstandard“ - wer legt das fest?

Die Medien in Form von TV-Serien?

Politiker die postulieren das sich doch bitte jeder jetzt ein E-Auto kaufen soll?

Das Marketing von Unternehmen, das uns suggeriert, das nur stetiger Konsum glücklich macht ?

Oder unser soziales Umfeld, in dem man dich irgendwie mithalten möchte und zeigen will, das man es dich auch „geschafft“ hat?

Mit hohen Ansprüchen meine ich jetzt keine Grundbedürfnisse oder „normale“ Wünsche wie Urlaub oder ein gefüllter Kühlschrank oder mal Ausgehen.

Aber versuchen wir nicht oft auch zu vielen äußeren Einflussfaktoren gerecht zu werden oder machen uns solche vermeintlichen „Wünsche“ zu eigen?

Also erzeugen einen gewissen Teil der Unzufriedenheit und der schlechten Stimmung selbst? Weil der Porsche halt unerreichbar bleibt…

Das halte ich immer für ein problematisches Argument.
Wir müssen uns eingestehen, dass die Welt bis zu den 90ern eine andere war. Es war vor der Zeit des Internets, vor der Zeit des grenzenlosen Wissensaustauschs, zu einer Zeit, als Deutschland noch massiv davon profitieren konnte, eine massive Industrienation zu sein, daher günstige Rohstoffe aus dem Ausland zu produzieren und das Humankapital vor Ort zu haben, um daraus hochwertige Güter für den Export machen zu können. Das können wir auch heute noch - aber was sich geändert hat ist schlicht, dass der Rest der Welt aufgeholt hat, eben weil „Betriebsgeheimnisse“ heute kaum noch zu hüten sind und Länder wie China und Indien langsam einen vergleichbaren Bildungsstandard erreicht haben wie wir.

Der massive Wohlstand bis in die 90er kam daher schlicht aus Gründen, die heute nicht mehr vorhanden sind und die - völlig egal, welche Parteien wie regieren werden - auch nicht wieder kommen werden. Ist es unfair, dass dein Traum daher nicht in Erfüllung gegangen ist? Klar. Aber so ist die Welt nun einmal.

Der nächste Punkt ist, dass wir eben auch mehr Umverteilung und mehr Bildungsgerechtigkeit wollen. Die Akademikerquote ist von 1975 bis 2016 von 7% auf 21% gestiegen. Drei Mal so viele Akademiker bedeuten eben auch, dass der einzelne Akademiker nicht mehr den Wert hat, den er früher hatte. Früher war er die Elite (top7%), heute ist er oberes Mittelfeld… Und mehr Umverteilung bedeutet zwangsläufig - und das ist auch gut so - dass das obere Quartil etwas an Wohlstand verliert, zu Gunsten der unteren beiden Quartile.

Ich bin mir sicher, dass du als Maschinenbauingenieur nach IGM-Tarif kein finanziell schlechtes Leben führen wirst, wie du selbst sagst verdienst du mehr als 90% der Arbeitnehmer. Nur, weil im Überfluss und der Ungerechtigkeit der 90er-Jahre noch mehr ging, macht es deine gute Lebenssituation doch nicht schlechter.

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Und wo fängt man da an? Ein Bagger muss Sozialabgaben von 20 Personen zahlen, ebenso ein Mähdrescher. Da lässt sich recht leicht das Äquivalent in Arbeitern finden.

Aber wie sieht es mit einer Spritzgussanlage aus. Welche Produktionstechnik von Hand nimmt man da als Vergleich?

Wie besteuern wir einen Computer?

Vieles in der modernen Gesellschaft wäre ohne Maschinen und Automatisierung ja gar nicht möglich.

In diesem Thread geht es ziemlich durcheinander :wink:
Tja, es geht um Stimmung und warum sie nicht besser ist. Da ist es ja klar, dass es durcheinander geht.

Ich selbst freue mich, wenn so etwas wie das neue Staatsbürgerrecht beschlossen wird.
Wenn dann aber gleichzeitig der Euphemismus „Rückführungsverbesserungsgesetz“ beschlossen und Habeck dann gestern bei Miosga über den Inhalt des Koalitionsvertrages (wie vorher auch schon Lindner) betr. Klimageld lügt, einfach lügt, fühle ich mich verar… und einfach nur traurig… und das, obwohl ich Letzteres weder brauche noch bekommen würde.

In dem du einen Teil des Gewinns abschöpfst/ mehr besteuerst. Die Maschine wird ja angeschafft weil sie auf lange Sicht den Arbeitgeber billiger kommt als die Personen zu beschäftigen. Zumindest den Teil der eingesparten Sozialabgaben könnte man prozentual abschöpfen.

Gewinne höher besteuern finde ich jetzt nicht den grundsätzlich falschen Ansatz.

Das ist zu einfach gedacht. Denn nehmen wir an in Rumänien wird das Produkt X mit 10 Arbeitsstunden ohne Automatisierung gefertigt und in Deutschland mit 3 Arbeitsstunden mit Teilautomatisierung. Die Automatisierung kostet aber auch Geld. Jetzt ist die Fertigung so schon in Deutschland teurer als in Rumänien und wenn wir dann noch 7 eingesparte Arbeitsstunden mit Sozialabgaben als zusätzliche Steuer ansetzen, dann wären Deutsche Produkte bald komplett jenseits jeglicher Konkurrenzfähigkeit.
Zudem wird ja auch im Ausland mehr und mehr Automatisiert, auch wenn der Automatisierungsgrad noch viel vom Lohnniveau abhängt.

Ich glaube nicht, dass Automatisierung der Stimmungskiller für die hiesige Wirtschaft ist, vor allem nicht in Zeiten Fach- und Arbeitskräftemangels. Letztlich glaube ich, dass vielmehr Automatisierung ein Weg ist die hiesigen Arbeitsplätze in der Produktion zumindest zum Teil zu erhalten und somit eine Perspektive für viele Branchen zu geben.

Ich glaube ja, dass überhaupt vielmehr Ängste um diverse Branchen das reaktionäre Denken beflügeln und nicht Ängste vor Automatisierung und Maschinen. Überhaupt sehe ich in meinem erweiterten Umfeld (das enge Umfeld ist mittig bis links) ein Rechtsruck vor allem aus Ängsten vor Veränderung stattfindet. Keiner hatte mehr einen Otto-Katalog, aber viele haben gejammert als der Ottokatalog eingestellt wurde (und damit das Ende einer großen Druckerei mit vielen Arbeitsplätzen besiegelt war).
Ich glaube die Stimmung hellt sich erst dann auf, wenn die Politik glaubhaft aufzeigen kann, dass es positive Perspektiven in all dieser Veränderung gibt.