Wurde ja schon mal gefragt, welcher Unmut ist das, wo kommt der her?
Bisher habe ich mitbekommen:
- wenige Arbeitsplätze (stimmt das?)
- zu wenig Lob, wie toll die DDR war
- zu wenig Mitleid, dass so vieles platt gemacht wurde
Was fehlt noch?
Wurde ja schon mal gefragt, welcher Unmut ist das, wo kommt der her?
Bisher habe ich mitbekommen:
Der erste Satz unterstellt, dass es vielen Menschen egal ist, ob eine Partei, die sie aus Protest wählen, rechtsextreme und verfassungsfeindliche Positionen vertritt.
Der zweite Satz behauptet sogar, dass die Menschen quasi gegen ihren eigentlich politischen Willen gezwungen sind, eine rechtsextreme und verfassungsfeindliche Partei zu wählen, weil… ja warum eigentlich? Wenn die Rollen der Linkspartei und der AfD so austauschbar sind, warum wählen die Protestwähler:innen dann nicht einfach z. B. weiter die Linkspartei?
Ich würde dagegen halten, dass es alles andere als Zufall ist und durchaus mit den politischen Haltungen von Menschen zusammenhängt, wenn sie es normal finden, eine rechtsextreme und verfassungsfeindliche Partei zu wählen. Auch ohne das Schlagwort „Nazi“ (und die ganze Frage, wie rechtsextreme Haltungen durch die AfD normalisiert werden) kann man einfach mal beschreiben, wogegen sich denn der „Unmut“ richtet, den die AfD gezielt schürt: Klimawandel? - alles grüne Panikmache, eigentlich kann & soll bleiben wie es ist; Migration - die kommen nur, um uns was wegzunehmen, also „Deutschland den Deutschen“!; Geschlechtergerechtigkeit und sexuelle Selbstbestimmung - alles nur „Gendergaga“, früher war wenigstens noch Ordnung! Und die gefühlt größte Bedrohung für die Gesellschaft sind „wokeness“ und dass alle zu links sind. Das ist eine bestimmte Art der Realitätsverweigerung, die so tut, als könne man einfach wieder zurück in die konservativen 1980er Jahre der BRD.
Ich kann sehr gut verstehen, wenn Menschen angesichts der multiplen Krisen absolut kein Vertrauen in den Staat und seine Institutionen haben, diese zu lösen. Aber wer in einer solchen Haltung eine „Alternative“ sieht, muss sich dafür auch in die Verantwortung nehmen lassen.
Da stimme ich dir aus vollem Herzen zu. Was kritische Menschen in den neuen Bundesländern am meisten ärgert, ist dass sie sich als Deutsche zweiter Klasse behandelt werden.
Strukturell wurde bis heute viel zu wenig an der Gleichstellung der Lebensverhältnisse gearbeitet.
Zugegeben, es ist für die Politik auch verdammt schwer, man hat ja schließlich auch ein Wahlvolk in den alten Bundesländern zu bedienen, die denken es wurde schon genug gezahlt und die Ossis (oder zumindest viele davon) seien ja eh nur meckernde Demokratiefeinde.
Aber wie kommt man da wieder raus? Ganz sicher nicht durch ignorieren dieser Umstände.
Die sozialen und ökonomischen Unterschiede zwischen Ost und West, ebenso wie das Gefühl der mangelnden Anerkennung der Transformationserfahrungen vieler Ostdeutscher sind sicherlich ein wichtiger Faktor für das Wahlverhalten. Ich selbst habe darüber ja u. a. in diesem Thread einiges geschrieben. Aber all das taugt eben nicht als alleinige Erklärung für den Wahlerfolg der AfD. Denn schließlich gab es all das ja auch schon vorher 20 Jahre, ohne dass eine offen rechtsextreme Gruppierung zur stärksten politischen Kraft gewählt wurde.
Die Frage ist: woraus? Aus dem Umfragehoch der AfD? Aus den sozial-öknomischen Schieflagen? Aus der politisch-kulturellen Mentalität, die die AfD gerade im Osten seit Jahren mit prägt?
Ganz sicher ist es für keines der drei genannten Probleme eine Lösung, so zu tun, als würden Menschen die AfD nur aus Zufall wählen oder weil sie nicht anders könnten.
Stimmt.
Ich meine vergangene Woche stand bei uns in der Presse, dass 2.000 Milliarden in den Osten gepumpt wurden. Während dort aus Verlegenheit Waldwege asphaltiert wurden, benötigt man im Westen einen SUV um unbeschadet über Land fahren zu können. Von der Kinderbetreuung brauchen wir auch nicht zu reden. Da wäre ein struktureller Angleich an den Osten sicher wünschenswert. Nicht zu vergessen die Rente, die am Anfang bezogen wurde ohne einen ct eingezahlt zu haben. Und wo werden mit Milliarden Subventionen die Chipfabriken gebaut? In Gelsenkirchen oder in Dresden?
Und du meinst ob die Forschung aus der TU Dresden oder Aachen kommt ist ein Unterschied? Den Unterschied machen die Menschen aus. Und die Reputation eines Prof Neugebauer ist hervorragend weil er unheimlich aktiv ist und z.b. mit VW viele Projekte und Mittel akquiriert.
Es sind mMn 2 Dinge:
Dadurch entsteht eben eine Gefühl der ungerecht behandelt zu werden. Und das ist ein Phänomen, dass auch nicht exklusiv in den neuen Bundesländern auftritt, sondern auch in Teilen des Ruhrgebiets:
Aber dort ist die Durchmischung der Gesellschaft stärker, es gibt mehr junge Menschen und Menschen mit Berufsabschluss, die eben andere Parteien wählen.
Das ist genau der Punkt, den ich machen wollte. Es sind in erster Linie Protestwähler, die für ihren Protest die rechtsextremen, verfassungsfeindlichen Positionen der AfD billigend in Kauf nehmen.
Das ist eine sehr gute Frage. Meine kurze Antwort wäre: Weil die AfD, stand heute, die viel wirkungsvolle Protestpartei ist.
Das stärkste Indiz das dafür habe ist: In den 2000ern waren NPD und Linke parallel in den neuen Bundesländern aktiv, aber die Linke lag immer 10 - 20 Prozentpunkte vor der NPD.
Ich würde sagen, dass das gar nicht geht. Dafür haben wir die falsche Wirtschaftsform. Der Kapitalismus kümmert sich nicht um Verlieren. Und es gibt keine ansatzweise aussichtsreichen Parteien, die an unserer Wirtschaftsform etwas ändern wollen.
Da stimme ich dir auch zu. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es eine gewisse Verschiebung in rechts-nationalistische Richtung geben hat. Aber meiner Meinung nach ist das eben eher ein Symptom als die Ursache.
Und es gab in den vergangenen Jahren auch eine Verschiebung z.B. der CDU in Richtung national-konservativer Positionen, würde ich sagen.
Wir haben, und hatten schon damals, ein Umlagerenten-System. Bei dem System werden die Rentenzahlungen eines Jahres direkt aus den Renteneinzahlungen des selben Jahres bezahlt.
Doch das ist mir sehr wohl klar.
Die eingezahlten Beiträge haben aber einen Wert. Die Ostmark lag vielleicht bei einem Achtel der Westmark. Faktisch wäre da also nichts mit Rentenpunkten gewesen.
Trotzdem lagen zumindest anfangs die Renten deutlich über vielen im Westen. Gleichzeitig war eine Vollzeitstelle in der DDR bestenfalls eine realistische Halbtags Stelle, bei Frauen. Das habe ich mir nicht zusammenfantasiert sondern von Menschen die in dem System gelebt haben.
Für mich waren diese Renten ein Beitrag um die Lebensleistung der Menschen zu würdigen.
Grundsätzlich möchte ich das gar nicht vertiefen, sondern wollte nur deutlich machen, dass es vielleicht nicht soo viel Grund gibt sich zurückgesetzt zu fühlen. Wohl wissend, dass das „Fühlen“ jedem seine Sache ist.
Wenn ich inhaltlich komplett daneben liege, dann lerne ich gerne dazu.
Das funktioniert schon lange nicht mehr.
Ja, aber von der Umlage profitiert normalerweise nur der, der eingezahlt hat. Einwanderer, die irgendwann hierher ziehen und anfangen ins bundesdeutsche Rentensystem einzuzahlen, bekommen keine Rentenpunkte geschenkt für die Zeit davor, im Gegensatz zu den Ostdeutschen.
Ich will jetzt nicht sagen, dass man das hätte anders regeln und die Ostdeutschen ohne Rente im Regen stehen lassen sollen. Aber das sind eben so die Dinge, die Ostdeutsche als völlig selbstverständlich hinnehmen – schließlich sind sie ja echte Volksdeutsche – und in ihre Aufrechnung angeblicher Benachteiligungen nie mit einbeziehen.
Zugegeben, es ist für die Politik auch verdammt schwer, man hat ja schließlich auch ein Wahlvolk in den alten Bundesländern zu bedienen, die denken es wurde schon genug gezahlt und die Ossis (oder zumindest viele davon) seien ja eh nur meckernde Demokratiefeinde.
So ist es ja auch, bis auf dass wir Westdeutschen eben nicht „bedient“ werden. Es geht immer nur um die „Ängste und Nöte“ der Ostdeutschen, die sie leider zwingen Faschisten zu wählen. Wäre mal eine Marktlücke: Populistische Protestpartei für Westdeutsche. Je nachdem, wie die sonst so drauf sind – bspw. nicht rechtsradikal – würde ich sofort in Betracht ziehen die zu wählen.
Ja, aber von der Umlage profitiert normalerweise nur der, der eingezahlt hat.
Stimmt, da hast du natürlich recht. Nur das die Ostdeutschen nicht in die BRD eingewandert sind, sondern dass die BRD ihr Rentensystem, wie auch alles andere auf die ehemalige DDR ausgeweitet hat. Das ist eben ein Unterschied.
Daher konnte man halt nicht, wie du ja auch sagst, den Ostdeutschen ihre zuvor in der DDR gesammelten Rentenpunkte einfach streichen. Und ich würde auch sagen, dass das wiedervereinigte Deutschland zu einem Teil auch Rechtsnachfolger der DDR ist und damit auch verpflichtet, die Rentenansprüche umzusetzen, die gegenüber der DDR erworben wurden.
Stimmt, da hast du natürlich recht. Nur das die Ostdeutschen nicht in die BRD eingewandert sind, sondern dass die BRD ihr Rentensystem, wie auch alles andere auf die ehemalige DDR ausgeweitet hat. Das ist eben ein Unterschied.
Müsste man nicht eher sagen, die DDR hat das Rentensystem der BRD auf sich ausgeweitet? Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass die DDR irgendwie gewaltsam annektiert worden wäre. Das ist der nächste Punkt, den viele Ostdeutsche gerne verdrängen. Sie waren es, die bei der ersten und letzten freien Volkskammerwahl deutlich für die Parteien gestimmt haben, die einen schnellen Anschluss an die BRD haben wollten, allen voran ihre Blockpartei-CDU.
…und damit auch verpflichtet, die Rentenansprüche umzusetzen, die gegenüber der DDR erworben wurden.
Die Ansprüche waren aber in DDR-Mark. Hätte man ja zum damaligen echten Devisenkurs umrechnen können. Wie gesagt, ich meine nicht, man hätte das machen sollen, aber mir geht das Gejammer der Ostdeutschen über die Jahrzehnte einfach auf den Keks, die all das gerne vergessen, was sie damals praktisch aus dem Westen geschenkt bekamen – übrigens im Gegensatz zu ihren osteuropäischen Nachbarn in den anderen ehemaligen Wahrschauer-Pakt-Staaten – und 30 Jahre später ihre evtl. persönlichen Misserfolge immer noch auf die Treuhand schieben.
Vielleicht ist das ja der eigentliche Grund für die verbreitete Selbstbemitleidung der Ostdeutschen. Die Polen, Tschechen, Ungarn, Rumänen usw. haben sich ihren wirtschaftlichen Aufstieg selber erarbeitet und sind darauf stolz. Die Ostdeutschen haben es sich dagegen in der westdeutschen Hängematte bequem gemacht und sind in ihrer Unmündigkeit verblieben.
Die Ostdeutschen haben es sich dagegen in der westdeutschen Hängematte bequem gemacht und sind in ihrer Unmündigkeit verblieben.
Wenn du das glaubst, brauchen wir hier nicht weiter zu sprechen.
Vielleicht ist das ja der eigentliche Grund für die verbreitete Selbstbemitleidung der Ostdeutschen. Die Polen, Tschechen, Ungarn, Rumänen usw. haben sich ihren wirtschaftlichen Aufstieg selber erarbeitet und sind darauf stolz. Die Ostdeutschen haben es sich dagegen in der westdeutschen Hängematte bequem gemacht und sind in ihrer Unmündigkeit verblieben.
Das hat man auch nicht alle Tage: einen „punk“, der über andere schimpft, die es sich angeblich in der Hängematte bequem machen Das ist schon eine beeindruckende Kombination aus neoliberalem Credo und Wessi-Paternalismus…
Der Vergleich mit Polen oder Tschechien hinkt enorm (der mit den anderen Staaten erst recht), weil nicht nur die Ausgangslage eine ganz andere war, sondern auch die neoliberale „Schocktherapie“ dort zu noch viel größeren sozialen Verwerfungen geführt hat als in der Ex-DDR. In Deutschland wäre der nationalistische Wunsch nach einer schnellen staatlichen Einheit (den es ja auch im Westen gab! Die einzige Partei, die sich 1990 dagegen ausgesprochen hatte, flog dafür aus dem Bundestag.) einfach nicht vereinbar gewesen mit einer Massenarmut, wie es sie in den frühen 1990er Jahren etwa in Polen gab. Hätte das jemand versucht - ich bin mir sicher, wir würden wir heute über 20 Jahre AfD-Regierungen im Osten reden.
Der Vergleich mit Polen oder Tschechien hinkt enorm (der mit den anderen Staaten erst recht), weil nicht nur die Ausgangslage eine ganz andere war, sondern auch die neoliberale „Schocktherapie“ dort zu noch viel größeren sozialen Verwerfungen geführt hat als in der Ex-DDR.
Genau das meine ich. Die Bürger der DDR hatten halt „Verwandschaft“ im Westen, die sie aufgepäppelt hat, und die anderen nicht.
Wessi-Paternalismus
Naja, die meisten Ostdeutschen und ihre Versteher lehnen die Theorie ja ab, dass Ostdeutsche mehrheitlich viel menschen- und demokratiefeindlicher eingestellt sind als Westdeutsche, und deswegen vollkommen konform zu den Inhalten in solcher Zahl die AfD wählen. Stattdessen wären sie alle bloß seit der Wiedervereinigung unterdrückt worden und wählen deswegen jetzt aus Protest AfD, weil ihnen nichts anderes einfällt. Das klingt nunmal wirklich, als wären Ostdeutsche alles quengelnde Kleinkinder, die mit der Tür knallen, weil sie kein drittes Eis bekommen.
Naja, die meisten Ostdeutschen und ihre Versteher…
Gibt es neuerdings ein sonntägliches Differenzierungsverbot? Oder ist es einfach zu komplex, anzuerkennen, dass es zwar jenseits allen „Gejammers“ im Osten massenweise Transformationserfahrungen gegeben hat, die individuell wie gesellschaftlich äußerst destruktiv waren und dass es im SInne gesellschaftlicher Kohärenz und demokratischer Kultur geboten wäre, dies anzuerkennen, dass aber gleichzeitig solche Erfahrungen keine Rechtfertigung und erst Recht keine „Nötigung“ darstellen, rechtsextreme Parteien zu wählen? Genau darum geht es ja in diesem Thread.
Genau das meine ich. Die Bürger der DDR hatten halt „Verwandschaft“ im Westen, die sie aufgepäppelt hat, und die anderen nicht.
Und in Polen und der Tschecholslowakei gab es nicht jeweils ein anderes Land, dessen Bewohner:innen sich derselben Nation zugehörig fühlten, das bestimmten Ausländern bei der Einreise sofort einen Pass in die Hand drückte. Vergleiche die hinken, hinken meist in beide Richtungen.
So ist es ja auch, bis auf dass wir Westdeutschen eben nicht „bedient“ werden. Es geht immer nur um die „Ängste und Nöte“ der Ostdeutschen, die sie leider zwingen Faschisten zu wählen. Wäre mal eine Marktlücke: Populistische Protestpartei für Westdeutsche. Je nachdem, wie die sonst so drauf sind – bspw. nicht rechtsradikal – würde ich sofort in Betracht ziehen die zu wählen.
Wow, so fällt die Maske. Geht es dir tatsächlich nur um eine Neiddebatte? Der rassistische Osten bekäme alles in den Hintern geschoben und die Westdeutschen bekämen nichts?
Wenn das der zugrundeliegende Grund für deine offen zur Schau getragene Ablehnung von Erfahrungen und Erlebnissen von Menschen aus den neuen Bundesländern ist, dann erübrigen sich alle Diskussionen mit dir zum Thema.
Soviel Ignoranz der Fakten kennt man sonst nur von der AfD, Gratulation.
Die eingezahlten Beiträge haben aber einen Wert. Die Ostmark lag vielleicht bei einem Achtel der Westmark.
Da die Beiträge gleich wieder ausgezahlt werden, ist das irrelevant. Da wird nix angespart.
Faktisch wäre da also nichts mit Rentenpunkten gewesen.
Und Asylbewerber sollten kein Geld sondern nur Gutscheine bekommen. Selbes Niveau.
Trotzdem lagen zumindest anfangs die Renten deutlich über vielen im Westen.
Bei vergleichbarer Qualifikation und Erwerbsbiografie? Kannst Du das belegen? Ich kenne kein Beispiel dafür.
Gleichzeitig war eine Vollzeitstelle in der DDR bestenfalls eine realistische Halbtags Stelle, bei Frauen.
Das nenne ich mal eine qualifizierte Performance Review. Dein Augenmerk auf den Beitrag des weiblichen Teils der Bevölkerung ist bewundernswert.
Das habe ich mir nicht zusammenfantasiert sondern von Menschen die in dem System gelebt haben.
Ich habe meine ersten Rentenpunkte in der DDR gesammelt. Aber ich freue mich immer wenn mir jemand erklärt, wie wir damals gelebt haben. Ich kenne mich da leider nicht so aus.