LdN341 Ost/West

Was soll das heißen? Dass die Leute in Sachsen und Thüringen die AfD wählen, weil sie nicht gut mit anderen Menschen können? Und falls ja, kannst du das irgendwie belegen?

Da kann ich, als jmd. aus den neuen Bundesländern beruhigen: Dieser Punkt stimmt schlicht überhaupt nicht. Alle Menschen aus den neuen Bundesländern, verfügen über ausreichend Bildung und Wissen über Demokratie und Wahlen, sogar schon aus DDR-Zeiten.

Es ist überhaupt ein faszinierendes Phänomen bei Menschen die (größtenteils) in liberalen Demokratien leben, dass sie glauben, dass jene, anderen Menschen (egal wo auf der Welt) die in weniger liberalen oder demokratischen Ländern oder gar Diktaturen leben, nur deswegen die diktatorischen Umstände „ertragen“ weil sie es quasi nicht besser wissen.

Ein ganz aktuelles Beispiel ist China. Viele Menschen im Westen scheinen zu glauben, dass der Großteil der Chinesen gar nicht verstünde, das sie in einem eher repressiven und undemokratischen Land leben. Aber das stimmt einfach nicht.

Nur damit ich das richtig verstehe:
Du unterstellst den Menschen (in den neuen Bundesländern), die wahrscheinlich größtenteils 2 komplett gegensätzliche politische Systeme und wirtschaftliche Systeme am eigenen Leib erlebt haben und sich gegen eines davon in einer friedlichen Revolution erhoben haben, mangelndes politisches Verständnis?

Ich würde als Gegenthese ja behaupten, dass diese Leute die AfD nicht wählen, weil sie zu wenig von der Demokratie verstehen, sondern im Gegenteil, weil sie schon viel zu viel von der westdeutschen Demokratie erlebt haben.

Fortsetzung folgt…

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…direkt hier:

Die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt dazu (Quelle):

Im Thüringen-Monitor 2019, einer Regionalbefragung zur politischen Kultur im Freistaat Thüringen, stimmten 90 Prozent der Befragten der Aussage zu: „Die Demokratie ist die beste aller Staatsideen“ (vgl. Reiser et al. 2019: 39ff.).

Zu kontrastieren ist dieser Befund mit den Selbstauskünften der Befragten zu ihrer Zufriedenheit „mit der Demokratie, so wie sie in Deutschland in der Praxis funktioniert.“ Hier zeigten sich zuletzt 63 Prozent „sehr zufrieden“ oder „ziemlich zufrieden“.

Kombiniert man diese beiden Aussagen, dann kommt man sehr schnell zu dem Schluss, dass die AfD-Wähler im Osten keineswegs größtenteils die Demokratie nicht verstehen, wie du hier andeutest und auch nicht für die Demokratie „verloren sind“ wie Ulf das beim Lemke-Interview gesagt hat.

Die meisten der AfD-Wähler haben einfach begriffen und das schon ziemlich schnell nach der Wiedervereinigung, dass die westdeutsche Politik sich für sie nicht interessiert. Und das deckt sich ja auch mit dem, was Frau Lemke über die westdeutschen Politiker in Bonn nach der Wende geschrieben hat.

Und dafür revanchieren sich die ostdeutschen mit Protestwahlen. Früher eher die Linke, heute die AfD, weil letztere von den etablierten Parteien als größte Bedrohung empfunden wird.

Und nur damit das klar ist: Das ist keine Rechtfertigung, sondern nur eine Erklärung. Die AfD wird kaum eines der Probleme lösen, wegen denen sie gewählt wurde. Genauso wenig wie die Rechtspopulisten in anderen Ländern.

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So kann man das verstehen. Aber ich halte es für durchaus denkbar, dass es jemand so versteht, dass es gut wäre, wenn es mindestens eine Partei gäbe, die die Interessen der Allgemeinheit im Blick hätte, nicht nur die einer bestimmte Gruppe.

Ich behaupte nicht, dass ein solches Verständnis genauso tiefgehend wie Deine Analyse ist, aber trotzdem halte ich es für möglich, dass viele Befragte das so oder so ähnlich verstanden haben können.

Bei allem Verständnis, das ich im Angesicht von Diskriminierungserfahrungen und wirtschaftlicher Benachteiligung für Ostdeutschland und für Protestwahlen aufzubringen versuche, möchte ich nochmal betonen, dass es nicht um irgendeine Partei oder irgendeine Protestwahl geht.

Offensichtlich wird ja nicht aus Protest (oder welchem Grund auch immer) irgendeine andere Partei gewählt, sondern bundeslandübergreifend die AfD. Es gibt einen Haufen anderer Parteien, die überwiegend nicht rechtsextrem sind und größtenteils auch nicht zu den etablierten „da oben“ gehören. Trotzdem ist es die AfD, die davon profitiert.

Die WählerInnen haben also zumindest kein Problem mit den zum Teil undemokratischen, menschenverachtenden, fremdenfeindlichen, rassistischen, sexistischen (…) Positionen der AfD und teilen sie oftmals einfach auch. Das sollte in der Diskussion nicht vergessen werden.

Diese Position wird übrigens auch von politikwissenschaftlichen Untersuchungen gestützt, aufgrund der begrenzten Beitragslänge ergänze ich die in einem separaten Beitrag

(Edit: Nur um Missverständnisse zu vermeiden, die von mir erwähnten Probleme finden sich selbstverständlich auch bei westdeutschen AfD-WählerInnen. Die Wahlentscheidung für die AfD sollte aber imho in keinem Fall mit Verweis auf Protest und Enttäuschung verklärt und mMn verharmlost werden. Unterschiede in den Wahlgründen zwischen Ost und West kann es im Zweifelsfall natürlich trotzdem geben)

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Marcel Lewandowsy, 2023 (das paper konnte ich auf die schnelle nicht finden)

Wer AfD wählt, tut dies im Einklang mit deren Positionen. Es ist keine ungerichtete Protestwahl. AfD-Wähler sind durch autoritäre und/oder populistische Einstellungen sowie ein gesellschaftspolitisch rechtes Profil gekennzeichnet. [Quelle]

Schwarzbözl & Fatke, 2016

Moreover, these positions have a significant impact on the vote choice for the AfD, even when we control for voters’ disenchantment with party politics. This supports the idea of the party’s success being rooted in the mobilization of a neglected political potential rather than just being a protest phenomenon [Quelle]

Hansen & Olsen, 2022

[…] above all that attitudinal variables – including anti-immigrant ideology – are much stronger predictors of the AfD vote than socio-demographic variables. [Quelle]

Significantly, we find that eastern AfD voters are both older and more economically secure than western German voters for the AfD. [Quelle]

Schmitt-Beck et al, 2019

Es gibt überdies Anzeichen, dass die AfD auch von Personen gewählt wird, welche die Demokratie nicht bedingungslos unterstützen. Erkennbar wird zudem eine ausgeprägte Resonanz zwischen nativistischen, insbesondere ethnozentrischen Einstellungen und der entsprechenden Rhetorik der Partei. Prozesspräferenzen, welche die liberalen Komponenten der Demokratie gering schätzen, hängen ebenfalls mit der Neigung zur AfD zusammen. Die in der öffentlichen Diskussion oft formulierte sozioökonomische Prekaritäts-These sowie eng gefasste Vorwürfe unzureichender Eliten-Responsivität greifen hingegen zu kurz. [Quelle]

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In meinem ersten Beitrag steht das hier:

Das sollte deine Frage beantworten.

Mit politischer Bildung meine ich nicht ein Grundwissen über die Funktionsweise von Parlamenten und über Wahlsysteme. Die 30%, die das nicht interessiert, machen sich keine weiteren Gedanken darüber. Wie ich sagte, soziale Intelligenz ist die Grundlage für politische Bildung in der Anwendung im täglichen Leben. Wie komme ich zu einem Ausgleich von gegenläufigen Interessen? Was ist gerecht? Wie argumentiere ich? Welche rhetorischen Winkelzüge gibt es, wie erkenne ich sie, wie gehe ich damit um? Welche Psychotricks gibt es? Worin ist ein Machtgefälle begründet? und tausend weitere Fragen. Dem kann man sich in Rollenspielen annähern und die Lernschritte im eigenen Umfeld schon mal ausprobieren und die Erfahrung in der Schule wieder einspeisen usw. Das müsste ein für Alter und Entwicklung angepasstes Hauptfach in allen Schulen sein. Dafür braucht es aber auch eine reformierte LehrerInnen-Ausbildung. Wir hatten das einmal in einem Schullandheimaufenthalt eine Woche lang, 2 Sozialarbeiter machten das grossartig, unvergesslich für mich, und unglaublich, auch die Rüpel machten mit. Klar, andere Umgebung und quasi Isolation, aber das kann man sehr viel weiter entwickeln. Das ist meine Hoffnung!

Ich denke, du hast meinen davor liegenden Beitrag nicht gelesen und nur meine Antwort an @Veche - wenn doch, lies den nochmal. Es klärt sich hoffentlich das Missverständnis auf.

Florian Harms, Chefredakteur von t-online hat gestern einen interessanten Kommentar geschrieben, bzw. eigentlich einen Leserbrief zitiert.

Zu Wort kommt da ein Rentner aus Zwickau, der laut eigener Aussage seit der Wende stets links (SPD/Grüne) gewählt hat, mittlerweile aber immer mehr zu AfD tendiert.

Ganz klar, ich teile nicht viel von dem was er schreibt. Dennoch, einen Punkt nehme ich persönlich oft in Diskussionen wahr und kann es ehrlich gesagt auch nicht entkräften, da ich es ähnlich empfinde.

Es muss sich doch endlich mal was ändern in unserem Land! Natürlich sind bei der AfD auch stramme Rechte dabei, mein Eindruck ist aber: Die sind da längst nicht alle rechts. Die AfD ist die einzige Partei, die die offensichtlichen Probleme klar anspricht. Das heißt noch gar nicht, dass sie die Probleme auch lösen könnte, wenn sie selbst an der Regierung wäre. Aber wenigstens sagt sie, was falsch läuft, statt alles schönzureden.

Partiell kann ich ihn sogar verstehen. Um der AfD keinen Nährboden zu bereiten, übt man sich seit Jahren darin viele offensichtliche und von den Rechtspopulisten aufgeworfene Problem kleinzureden, um denen kein Thema zu lassen und sie nicht zu normalisieren. Fair enough! Aber es kann halt schon zum Eindruck führen, dass „die Politik“ oder „die Medien“ sich für bestimmte Probleme nicht interessieren und die Augen verschließen.

Wichtig wäre daher berechtigte(!) Kritik der AfD aufzunehmen und Lösungen zu entwickeln, ohne mit ihr zusammenzuarbeiten oder zu erwähnen von wem man den Ball aufgenommen hat. Und klar dort dagegen zu halten, wo sie einfach Unfug erzählen.

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Was sind denn diese „offensichtlichen Probleme“, die die AfD „klar anspricht“? Gar nichts sprechen die klar an, außer „die Ausländer sind schuld“. (Und vielleicht noch „unsere Regierung will uns alle mit Impfungen und Chemtrails umbringen und durch Ausländer ersetzen“.) Wirtschaftlich dagegen sprechen die bspw. überhaupt nicht die wachsende Spaltung zwischen arm und reich an, sondern sind im Zweifelsfall pro Marktradikalismus. (Mit der Ergänzung, dass der potentielle Wähler im Zweifelsfall natürlich nur deswegen zu den Verlierern im System gehört, weil der Staat permanent Minderheiten bevorzugt. Ohne Ausländer, Transpersonen und Grüne wären wir nämlich laut AfD alle reich!)

Genau solche Leute, die da zitiert werden, wählen eben die AfD aufgrund ihres eigenen eingebildeten Herrenmenschentums und nicht bloß aus „Protest“. Die meinen, weil sie deutsche Vorfahren haben, haben sie grundsätzlich immer etwas besseres verdient als das, was sie haben. Oder zumindest soll es allen anderen schlechter gehen, das würde auch schon reichen. Wirklich abstoßende Einstellungen.

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Mir persönlich sind wir zu verständnisvoll mit AfD WählerInnen. Hörempfehlung https://open.spotify.com/episode/6Y4gX3Xq1VQglSxouvPe4m?si=X2-pzqqPR1aZhjDcOpce3w

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Dass wir ein Problem mit illegaler Migration (gemeint sind ausschließlich Flüchtlinge, die keinen Fluchtgrund haben) haben, ist offensichtlich. Und dennoch wurden die Probleme in Deutschland lange klein geredet.

Dass die Transformation der Wirtschaft mächtig Reibung verursachen wird, wurde ebenfalls lange als Unsinn dargestellt. Stattdessen werde das ein enormer Job-Motor werden und uns ganz neue Möglichkeiten schaffen. Und außerdem sei die Transformation auch für den Einzelnen viel günstiger. Wir sehen aktuell sehr deutlich, dass es so einfach nicht wird.

Oder, weniger bekannt, was ist mit den enormen Mengen Impfstoffe, die unter dem Gesundheitsminister ziemlich teuer bestellt und dann ungenutzt weggeschmissen wurden.

Es ist halt einfach kritikwürdige Punkte zu treffen, wenn man einfach alles kritisiert. Und ganz klar, ernstzunehmende Lösungen bietet die AfD nicht an.

Woran genau machst du das in dem Leserbrief fest? Ich kann jetzt nicht genau erkennen an welcher Stelle er solche Einstellungen offenbart hat.

Und mehr noch, meinst du man kann mit solch scharfer Sprache Menschen davon überzeugen, dass sie bei SPD/Grüne bleiben sollte? Mit emotionalisierten Beiträgen wie deinem macht man die gegnerische Seite aus meiner Sicht nur stärker.

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Da würde ich, genau wie @otzenpunk die Frage stellen, welche Probleme denn das sein sollen, die nur(!) die AfD anspricht. Schauen wir und also an, was da so genannt wird:

Das Thema ist ein medialer Dauerbrenner, war es in den 1990ern, war es nach 2015. Dass die AfD dies Thema besonders gerne ausnutzt, um Ängste und Ressentiments zu schüren, heißt ja weder, dass sie als einzige drüber reden, noch dass es das wichtigste Problem unserer Gesellschaft wäre

Das würde ich zumindest in dieser Formulierung nicht unterstreichen. Aber auch hier ist die Frage, was eigentlich als Problem angesehen wird. Die AfD findet ja, dass die ganze Transformation komplett überflüssig ist. Das ermöglicht es ihr einerseits, deren negative Folgen so auszukosten und befreit sie andererseits davon, irgendwelche konkreten Vorschläge machen zu müssen, wie denn eine Transformation mit weniger negativen Folgen zu bewerkstelligen wäre.

Hier fehlt mir der Überblick, ob es wirklich keine andere Partei gibt, die (inzwischen) diese Bestellpolitik kritisiert. Aber als isolierter Punkt wohl auch kaum eines der drängendsten Probleme. Fasst man das Thema weiter als Aufarbeitung der Coronapolitik, so fragt sich erneut, was dazu gerade eine Partei beitragen soll, die immer eine 100-prozentige Anti-Haltung eingenommen hat (erst im Frühjahr 2020 für noch schärfere Maßnahmen, seit dem strikt gegen alles, egal ob Impfungen, Masken oder wasauchimmer)

Kurzum: Mir fehlt weiterhin der Hinweis, welche Probleme denn die AfD als einzige anspricht, und zwar in einer Art und Weise, die zumindest das Verständnis des Problems vergrößert (und so eine Lösung zumindest denkbar macht) und nicht vor allem durch die Anrufung von Affekten und Ressentiment, was eher dazu führt, dass Menschen Probleme als inexistent wahrnehmen (Klimawandel) oder dafür ausschließlich exogene Faktoren verantwortlich machen - mit der Folge, dass man selbst ja nichts machen oder gar ändern muss.

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Da hast du natürlich erst einmal recht.

Aber finde man sollte sich dazu ein paar Dinge überlegen:

  1. Ist Protest nicht immer dann am wirkungsvollsten, wenn er viel mediale Aufmerksamkeit erfährt? Denn von Anfang an bekam die damalige Euro-Aussteiger Partei von Bernd Lucke viel mehr mediale Aufmerksamkeit als andere Kleinparteien wie z.B. die grauen Panther, als es die noch gab.
  2. Was war den im Osten, bevor die AfD so groß wurde?
    a. Es wurde viel mehr die Linke gewählt. Und Wähler, die erst die Linke wählen und dann zur AfD wechseln würde ich erst mal nicht als Rechtsextreme einordnen, sondern eher als Protestwähler.
    b. Es gab mehr Nichtwähler im Osten. Die Nichtwähler, die die AfD mobilisiert hat, dürften aber auch keine typischen Rechtsextremen oder rechte Wähler sein, den die hätten ja damals die NPD wählen können.
    c. Und ja, auch die NPD hat seit damals verloren und ist in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Aber die haben z.B. bei der Bundestagswahl 2009 auch in keinem ostdeutschen Bundesland die 5%-Hürde gerissen.
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Zitat aus dem Leserbrief:

Naja, wenn deine Stadt jahrelang den NSU versteckt hat, dort Identitäre Bewegung, III. Weg, Junge Revolution, Pegida-Gruppen und sonstige rechtsextreme Bürgerinitiativen ein gemütliches zu Hause gefunden haben, dann wirkt so ein ehemaliger Frauke Petry-Intimus wie Matthias Moosdorf, der für Zwickau direkt in den Bundestag gewählt wurde, auf den ersten Blick sicher nicht wie ein „strammer Rechter“. Das Problem, das dahinter steckt, ist dann aber ein gänzlich anderes und das Ganze vor allem eine Frage der Perspektive.

Ansonsten erfährt man aus dem Leserbrief, dass AfD-Wähler oder solche, die es werden wollen, glauben, dass „der Journalismus in Deutschland“ zu „systemnah“ sei, dass der ukrainische Präsident sein „Volk“ im Kriegszustand hält, weil er von „Macht und Geld“ getrieben ist, und dass Politiker:innen der Grünen noch niemals richtig gearbeitet haben, dafür aber die Bevölkerung mit Heizungsgesetzen und außenpolitischer Kriegsbegeisterung drangsalieren. Gut, dass wir mal zugehört haben, das konnte man ja sonst noch nirgendwo lesen!

Das Traurigste ist, dass Chefredakteur Florian Harms offensichtlich alle seit den 90er Jahren geführten Debatten, wie man journalistisch mit Wähler:innen rechtsextremer Parteien umgeht, nicht zur Kenntnis genommen hat. Die Einstellung, dass man doch endlich nur mal mit denen reden müsste, bedient die strategische Selbstverharmlosung der Rechtsextremen - und geht ihr fast schon bemitleidenswert auf den Leim.

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Das ist doch der entscheidene Punkt, wobei ich tatsächlich glaube, dass die nicht Wähler*innen der afd mit (noch) nicht geschlossen rechtsradikalem Weltbild tatsächlich erst nach einer Regierungsbeteiligung begreifen werden, dass auch damit die Zeit nicht stehen beibt oder gar zurückgedreht werden kann.

Die Zitate aus dem Leserbrief dieses sächsischen Rentners schmerzen beim Lesen und gleichzeitig ist es traurig, weil er sicher für einen nicht ganz kleinen Teil von Menschen steht, die noch DDR Sozialisierung erfahren haben: die USA/der Westen haben den Ukraine Konflikt mit „eskaliert“, Russland sollte einen Teil der Ukraine erhalten, damit wieder „Frieden“ herrscht, die Medien gehören zum „System“ und Kapitalismus ist sowieso schlecht, weil es geht ja nur ums Geld.
Wahrscheinlich würde er auch gerne das Recht auf Asyl abschaffen, damit weniger Ausländer ins sein schönes Zwickau kommen (als ob die meisten sich freuen würden, wenn sie dorthin kommen, ich würde da und in den meisten anderen Teilen Ostdeutschlands nicht für doppeltes Gehalt wohnen wollen).

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Hast Du eine Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Debatten? Was wird empfohlen zu tun, statt mit ihnen zu reden?

Das gleiche, was man mit anderen Kleinstparteien auch macht: ignorieren.
Das war der Fehler von Anfang an. Dass man denen eine Bühne geboten hat, die die dann dankbar angenommen haben.
Jetzt kriegt man den Geist nicht mehr in die Flasche.
Etablierte Parteien werden die nicht mehr wählen.
Man kann nur abwarten, dass die die Lust an der AFD verlieren und wieder enttäuschte Nichtwähler werden.
Oder man gibt anderen Kleinstparteien auch eine Bühne, damit unverbrauchte Alternativen zur AFD sichtbar werden.
Am besten verbunden mit einem absenken auf 2%Sperrklausel oder dem einführen einer Ersatzstimme.

Ich denke, sowas bloß als „Fehler“ zu betrachten, ist ebenfalls ein Fehler. Wenn man sieht, wieviel Geld in die AfD gebuttert wurde und wird, muss man da zu weiten Teilen von bewusstem Vorsatz ausgehen. So Blätter wie BILD machen das ja nicht aus Versehen. Da sind halt rechte, antidemokratische Kräfte am Werk, die man bekämpfen muss, statt zu versuchen ihnen ihre Fehler zu erklären. In Russland würde man die Oligarchen nennen. Hier heißt sowas halt „Familienunternehmen“ o.ä.

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Die AfD war anfangs als „Professorenpartei“ so eine Art „pet project“ der FAZ, hat dort viel Aufmerksamkeit und entsprechend Glaubwürdigkeit bekommen. Christopher Lauer (Ex-Abgeordneter der Piratenpartei) weist an der Stelle gerne darauf hin, dass die Piratenpartei zu ihrem Höhepunkt der medialen Aufmerksamkeit in Umfragen in Österreich bei 6% lag, obwohl es sie dort gar nicht gab.

Was mich an der ganzen Diskussion über die Wahlerfolge im Osten stört, ist das es immer so aussieht, als wenn die Menschen in den neuen Bundesländern pauschal als Nazis hingestellt werden, obwohl das nur für einen Teil der AfD-Wähler zutrifft. Die richtigen Nazis sind in meinen Augen die, die auch schon z.B. die NPD gewählt haben.

Klar gibt es in den neuen Bundesländern Menschen die mit der Flüchtlingspolitik unzufrieden sind. Aber die gibt es z.B. auch in Bayern, oder haben alle schon wieder die unsäglichen Aussagen von Horst Seehofer zu seiner „Obergrenze“ vergessen? Für wen hat er solche Statements den rausgehauen? Für die Menschen in Thüringen oder Sachsen? Eher nicht, oder?

Das Hauptproblem in meinen Augen und das ist seit dem Mauerfall vorhanden, ist die Strukturschwäche der neuen Bundesländer. Die jungen, gut ausgebildeten Menschen aus den neuen Bundesländern, die laut Statistik am wenigsten dazu neigen, die AfD zu wählen, gehen aus dem Osten weg. Und dieses Problem ist einfach nie ausreichend adressiert worden.

Wer MINT-Fächer studiert, der findet in den neuen Bundesländern fast gar keine Arbeit, weil die Firmen, die Mathematiker, Informatiker und Ingenieure einstellen, quasi alle in den alten Bundesländern sitzen.
Noch schlimmer: Bis heute gehen z.B. gut ausgebildete junge Lehrer aus Thüringen etwa nach Bayern, weil sie da mehr verdienen. Also selbst in den Berufsgruppen, die im Osten eingestellt werden würden, zieht der Westen noch Arbeitskräfte ab.

Wäre der Osten strukturell vergleichbar stark aufgestellt, wie der Westen, dann wären die Wahlerfolge der AfD im Osten lange nicht so groß. Vermutlich wäre die AfD immer noch stärker als im Westen, aber nicht so stark, wie sie es heute ist.

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Danke @pitus für diesen Leserbrief, der unterstützt nämlich meine Argumentation, dass die AfD eine klassische Protestpartei ist:

Zitat aus Leserbrief:

Und dazu als Vergleich mal eine Umfrage aus einer Analyse der Konrad-Adenauer-Stiftung zur Bundestagswahl 2009 (als es die AfD ja noch nicht gab) (Link zum Original, s. 53):

Wenn man sich die heutige politische Debatte ansieht, könnte man wirklich 1:1 „die Linkspartei“ aus der Umfrage von damals raus streichen und stattdessen „die AfD“ einsetzen.

Ja die AfD ist eine rechtsextreme, verfassungsfeindliche Partei. Aber sie wird nicht deshalb von so vielen Menschen gewählt, sondern weil diese Leute einfach ihrem Unmut Luft machen wollen.

Und das dieser Unmut inzwischen so groß ist, dass sie eine rechtsextreme, verfassungsfeindliche Partei wählen, das ist hier das eigentliche Problem. Und zwar im Osten wie im Westen.

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