Fortsetzung:
Dass viele Ostdeutsche die Anerkennung ihrer Lebensleistungen vermissen hat einen Grund: Sie wollen sich nicht eingestehen, dass die meisten von ihr Leben lang für völlig ineffiziente, marode Betriebe gearbeitet haben, die in ihrer Produktivität um ein sehr hohes Vielfaches niedriger war als sie hätte sein können. Natürlich können sie nichts dafür und, ich glaube, niemand würde ihnen einen Vorwurf daraus machen.
Aber es ist halt bequemer, das Framing aufrecht zu erhalten, die Treuhand hätte im Interesse westlicher Wettbewerber in großen Stil überlebensfähige Unternehmen platt gemacht.
Das mag im Einzelfall passiert sein. So wie im Einzelfall Ostdeutsche Wessi-Manager erlebt haben mit so abgründigen Sprüchen, wie Du sie beschreibst.
Auch der oft gehörte Vorwurf, man hätte einfach mit der Währungsunion und der Wiedervereinigung warten müssen, bis die ostdeutsche Wirtschaft an Stärke gewonnen hätte, ignoriert den historischen Fakt, dass wenn Helmut Kohl (den ich jenseits von der Wiedervereinigung und Europa sehr kritisch sehe) nicht in einem Handstreich die DMark eingeführt und dann auch den Beitritt durchgezogen hätte, die DDR sich selbst sehr viel schneller entvölkert hätte, als das ohnehin schon passiert ist. Das hätte zu noch mehr De-Industrialisierung geführt und mehr geschadet als geholfen.
Auch ist die ebenso oft gehörte Vorstellung, Westdeutschland hätte doch mit Industriepolitik schneller für vergleichbare Lebensverhältnisse sorgen können (die Kohl den DDR-Bürgern doch - nativer Weise oder wissentlich gelogen - versprochen hatte), ist naiv. Um so etwas zu finanzieren, hätte man den Solidaritätsbeitrag vervielfältigen müssen. Und selbst wenn, bezweifle ich, dass es gelungen wäre: Dazu verstehen unsere Fachpolitiker und selbst die (Volks)Wissenschaft zu wenig von ihrem Fach, um so etwas effektiv und effizient umzusetzen. Sehr wahrscheinlich hätte man sehr viel Geld aus dem Fenster geschmissen und nur sehr wenig erreicht, vermutlich sogar mehr Schaden als Nutzen angerichtet.
Ja, für sehr viele Bürger der DDR sind die Folgen von Entvölkerung und Deindustrialisierung eine sehr, sehr bittere Erfahrung und die Angst vor einem erneuten sozialen Abstieg, die Du beschreibst, ist sehr verständlich. Aber am Ende des es darum, sich einzugehen, dass man über 40 Jahren nicht nur in einem politisch, sondern auch wirtschaftlich völlig dysfunktionalen System gelebt und gearbeitet hat, das in den letzten 10 Jahren nur dank der Kredite von Westdeutschland überlebt hat. D.h., den sozialen Abstieg haben die Bürger in den neuen Bundesländern nicht der „Verarsche“ der etablierten Parteien zu verdanken, sondern der SED (deren Rechtsnachfolger noch viele Jahre sehr erfolgreich dort war).
Sich dies nicht einzugehen und statt dessen Rechtsradikale zu wählen … sorry, aber dafür kann ich kein Verständnis aufbringen.
@pitus: Wenn Du magst, solltest Du Deine Antwort darauf auch hier posten