Ich finde, der von @Matder gepostete Tagesschau-Link zum neuesten Unions-Vorschlag ist hier ein wenig untergegangen, daher hole ich ihn noch einmal hervor.
Es zeigt gut, was das Kernproblem bei der ganzen Debatte ist. Es geht weder um einen „aufgeblähten Bundestag“, noch um „verwaiste Wahlkreise“. Es geht nur darum, dass die Union das deutsche Äquivalent von Gerrymandering betreiben will.
Das Thema ist ja schon etwas älter. Wir hatten und haben einen Reformbedarf im Wahlrecht und die Union hat diesen zum Anlass genommen, sich ein Wahlrecht so zuschneiden lassen zu wollen, dass sie durch unausgeglichene Überhangmandate davon profitieren kann. Forderungen der CDU nach unausgeglichenen Überhangmandaten haben schon in der letzten Legislaturperiode eine Lösung verunmöglicht. Nun haben wir tatsächlich auch einen Kompromiss, der der CSU 0,4 Prozentpunkte mehr Einfluss im Bundestag beschert, als ihrem Zweitstimmenergebnis entspräche.
Der neue, völlig bizarre Unions-Kompromiss sieht nun bis zu 15 nicht ausgeglichene Direktmandate (2,5% der Wahlmasse des Bundestags) vor. Hier ist ein hypothetisches, nicht ganz unrealistisches Rechenbeispiel, was das 2025 bedeuten könnte. Angenommen, es erhielten:
- die Union 33% bei Zweitstimmen,
- die SPD 28% bei Zweitstimmen,
- die Grünen 12% bei Zweitstimmen,
- die FDP 7% bei Zweitstimmen,
- die AfD 9% bei Zweitstimmen,
- die Linke 4% (fliegt aber nicht aus dem Bundestag)
- Sonstige Parteien 7% bei Zweitstimmen.
- Die Union gewinne zudem bundesweit genau 15 Überhangmandate, anderen Parteien keines.
Nach Zweitstimmen würde die Ampelkoalition 48/93*598=302 Abgeordnete im Bundestag stellen und hätte damit eine Mehrheit von 8 Abgeordneten. Das ist knapp, aber Schröder regierte z.B. 2002-2005 mit einer Mehrheit von 9 Abgeordneten, Kohl von 1994-1998 mit einer Mehrheit von 10 Abgeordneten. Nach dem Unionsvorschlag würde der Bundestag allerdings mit 15 zusätzlichen, unausgeglichenen Unions-Abgeordneten aufgefüllt und an einem Kanzler März käme quasi kein Weg mehr vorbei. Das ist nur ein Rechenbeispiel und man kann sich viele andere ausdenken, bei denen (wegen der bayerischen Besonderheit) die Union in besonderem Maße von Zweitstimmen profitiert.
Klar hat der „Kompromiss“ der Union keine Change, und am Ende wird hoffentlich der Ampel-Vorschlag umgesetzt werden, aber es zeigt noch einmal, dass CSU und CDU hier mit einer Chuzpe vorgehen, die den Republikanern in den USA in nichts nachsteht.
(edit: kleiner Rechenfehler korrigiert)