LdN319 Gesetzentwurf für Wahlrechtsreform

Ich finde, der von @Matder gepostete Tagesschau-Link zum neuesten Unions-Vorschlag ist hier ein wenig untergegangen, daher hole ich ihn noch einmal hervor.

Es zeigt gut, was das Kernproblem bei der ganzen Debatte ist. Es geht weder um einen „aufgeblähten Bundestag“, noch um „verwaiste Wahlkreise“. Es geht nur darum, dass die Union das deutsche Äquivalent von Gerrymandering betreiben will.

Das Thema ist ja schon etwas älter. Wir hatten und haben einen Reformbedarf im Wahlrecht und die Union hat diesen zum Anlass genommen, sich ein Wahlrecht so zuschneiden lassen zu wollen, dass sie durch unausgeglichene Überhangmandate davon profitieren kann. Forderungen der CDU nach unausgeglichenen Überhangmandaten haben schon in der letzten Legislaturperiode eine Lösung verunmöglicht. Nun haben wir tatsächlich auch einen Kompromiss, der der CSU 0,4 Prozentpunkte mehr Einfluss im Bundestag beschert, als ihrem Zweitstimmenergebnis entspräche.

Der neue, völlig bizarre Unions-Kompromiss sieht nun bis zu 15 nicht ausgeglichene Direktmandate (2,5% der Wahlmasse des Bundestags) vor. Hier ist ein hypothetisches, nicht ganz unrealistisches Rechenbeispiel, was das 2025 bedeuten könnte. Angenommen, es erhielten:

  • die Union 33% bei Zweitstimmen,
  • die SPD 28% bei Zweitstimmen,
  • die Grünen 12% bei Zweitstimmen,
  • die FDP 7% bei Zweitstimmen,
  • die AfD 9% bei Zweitstimmen,
  • die Linke 4% (fliegt aber nicht aus dem Bundestag)
  • Sonstige Parteien 7% bei Zweitstimmen.
  • Die Union gewinne zudem bundesweit genau 15 Überhangmandate, anderen Parteien keines.

Nach Zweitstimmen würde die Ampelkoalition 48/93*598=302 Abgeordnete im Bundestag stellen und hätte damit eine Mehrheit von 8 Abgeordneten. Das ist knapp, aber Schröder regierte z.B. 2002-2005 mit einer Mehrheit von 9 Abgeordneten, Kohl von 1994-1998 mit einer Mehrheit von 10 Abgeordneten. Nach dem Unionsvorschlag würde der Bundestag allerdings mit 15 zusätzlichen, unausgeglichenen Unions-Abgeordneten aufgefüllt und an einem Kanzler März käme quasi kein Weg mehr vorbei. Das ist nur ein Rechenbeispiel und man kann sich viele andere ausdenken, bei denen (wegen der bayerischen Besonderheit) die Union in besonderem Maße von Zweitstimmen profitiert.

Klar hat der „Kompromiss“ der Union keine Change, und am Ende wird hoffentlich der Ampel-Vorschlag umgesetzt werden, aber es zeigt noch einmal, dass CSU und CDU hier mit einer Chuzpe vorgehen, die den Republikanern in den USA in nichts nachsteht.

(edit: kleiner Rechenfehler korrigiert)

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Ich finde es wichtig, dass jeder Wahlkreis durch einen Abgeordneten im Bundestag vertreten ist und würde mich daher eher für eine Verringerung der Wahlkreise aussprechen.

Ohne lokale Repräsentanten haben sonst diese Wahlkreise keine Chance bei zB Standortentscheidungen, Trassenplanungen, etc., die auf Bundesebene getroffen werden.

Würde wetten, dass zB ein zukünftiges Atommüllendlager dann in einem Wahlkreis ohne Direktkandidaten im Bundestag entsteht…

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Das Argument halte ich, wie viele andere auch schon gesagt haben, nicht für schlüssig.

Jede Partei hat in jedem Wahlkreis ein Wahlkreisbüro, unabhängig davon, ob die Partei den Abgeordneten für diesen Wahlkreis stellt. Wenn ich nun ein Anliegen hätte würde ich mich an das Wahlkreisbüro der Partei wenden, von der ich mir Abhilfe erhoffe - nicht an das Büro der Partei, die gerade den Abgeordneten stellt.

Die Erwartung, dass sich z.B. ein Linker sich mit seinem linken lokalen Anliegen an ein CDU-Wahlkreisbüro wendet, weil die CDU diesen Wahlkreis gewonnen hat und deshalb den Abgeordneten stellt, ist einfach weltfremd.

Alle diese „lokalen Anliegen“ werden auch auf der lokalen Ebene anhand der Parteilinien entschieden und von den Ortsvereinen im Zweifel auch an die Bundesparteien getragen, wenn es ein relevantes Anliegen ist.

Da würde ich locker gegen halten, auch um sehr große Geldsummen. Alleine schon, weil das Verfahren, nach dem das Endlager ausgewählt wird, dies nicht wirklich zulässt, zum anderen, weil du die Bedeutung eines einzelnen Abgeordneten maßgeblich überschätzt.

Wenn der Bundestag sich mit einer Mehrheit darauf einigt, dass das Endlager nach Abwägung aller wissenschaftlichen und politischen Argumente in Landkreis X kommen soll, ändert daran absolut gar nichts, ob dieser Landkreis einen Abgeordneten stellt oder nicht. Der Abgeordnete muss sich auch hier der Mehrheit seiner Partei fügen, eine „Not in my Backyard“-Politik gegen die eigene Partei zu führen führt höchstens dazu, dass der Abgeordnete seine politische Karriere begräbt. Mit Recht - denn so funktioniert unser demokratisches System einfach nicht.

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Das wäre dann ja ziemliches Glück, wenn ein geeigneter Platz zufällig genau in einem Wahlkreis liegt, wo es keinen örtlichen NIMBY-Abgeordneten gibt um das zu verhindern.^^

Ich bin bestimmt kein Polit-Profi, somit ist diese Frage vielleicht leicht zu beantworten:

Ich verstehe, dass der Ausgleich zwischen Erst- und Zweitstimme zu Überhangs- und Ausgleichsmandaten führen kann / muss. Dies vor allem, weil dieser Ausgleich auf Länderebene geschieht.
Gibt es einen Grund, warum dieser Ausgleich nicht auf Bundesebene vollzogen wird? Ich stelle mir vor, dass dann regionale Unterschiede / politische Präferenzen zwischen den einzelnen Bundesländern sich eher ausgleichen und die Erststimme somit eher zu einem regulären Mandat führen kann OHNE die Notwendigkeit, ein Überhangsmandat zu schaffen. Vielleicht nicht in jedem Fall … trotzdem …

Grundsätzlich finde ich es nämlich schon einen charmanten Aspekt unseres Wahlsystems, dass lokales Engagement und ein guter Wahlkampf auf Wahlkreisebene belohnt werden und solche Politikerinnen in den Bundestag einziehen können, anstatt dass diese Plätze über Listenplätze an wie auch immer präferierte Parteimitgliederinnen vergeben werden.

Bin gespannt, mit Hilfe der Community zu verstehen, wo da der Haken in meinem Denken ist.

Mich wundert hier, wieso bei den Direktmandaten keine Stichwahl der beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen stattfindet, solange kein Kandidat die absolute Mehrheit der Stimmen im ersten Wahlgang erhält. So würden doch auch in den Städten zumindest Ergebnisse knapp über 50% erreicht und auch Szenarien wie bei der letzten Wahl mit Maaßen wären nicht so realistisch, wo sich die anderen Parteien zunächst die Stimmen gegenseitig geklaut haben und es fast einen lachenden Dritten gegeben hätte.
Gibt es Gründe, die Stichwahlen auf Bundesebene nicht ermöglichen?

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Ich denke die Zweitstimme ist sehr viel wichtiger als die Erststimme und es darf auf keinen Fall zu gunsten der Erststimme geopfert werden, dass die Verteilung im Bundestag nicht mehr den Zweitstimmen entspricht. Von daher lieber die Erststimme komplett rausschmeißen.

Zur Erststimme: Deutschland ist kein Zusammenschluss aus Wahlkreisen. Das heißt bei der Bundestagswahl sollte man nicht für regionale Interessen stimmen, sondern für Interessen, die man als Bundesbürger hat. Wenn man regionale Interessen umgesetzt werden sehen möchte, sollte man zu Kommunalwahlen und Landtagswahlen gehen. Des Weiteren, wenn man den Herrn Loos aus der Lage Folge als Beispiel nimmt, gerade mal 25% haben für ihn gestimmt, das heißt 75% haben nicht für ihn gestimmt, und z.B. die Grünen Wähler, die nicht für ihn gestimmt haben, vertritt er auch nicht. Wenn die zu ihm kommen und sagen, sie hätten gerne ein Tempolimit, würde der sagen „schön für euch“. Das heißt auf ganz Deutschland betrachtet haben sehr wahrscheinlich weniger als 50% der Einwohner einen direkten Abgeordneten, der ihre Interessen vertritt.

Es gibt nur einen Vorteil, den ich bei direkt Abgeordneten sehe, sie können sich etwas mehr gegen ihre Partei stellen und sind etwas mehr ihren Wählern verpflichtet, als Listenkandidaten. @Daniel_K hat ja aber auch schon drauf hingewiesen, dass das nur beschränkt gilt.

Zum Vorschlag der Ampel: Auch wenn ich nicht der größte Fan von direkten Abgeordneten bin, muss ich sagen, kann ich den Kritikpunkt der Union verstehen. Weil, wenn man schon davon ausgeht, dass es einen Vorteil hat einen direkten Abgeordneten zu haben, dann sollte man diesen Vorteil auch allen Bürgern geben. Und um da nochmal auf die Lage Folge einzugehen, ich denke nicht, dass es das Gleiche ist, ob man einfach nur einen Abgeordneten aus München hat oder einen direkt gewählten Vertreter. Der direkt gewählte Vertreter ist viel mehr davon abhängig regionale Interessen zu vertreten, als es der Abgeordnete ist, der nur zufällig aus München kommt. Auch find ich die Argumentation nicht gut, dass es ja die richtigen Wahlkreise treffen würde, sowas find ich einfach undemokratisch. Auch der find ich es falsch zu sagen, dass auf den hinteren Listenplätze sich junge, diverse Leute befinden und deswegen sollte man den Bundestag größer machen. Das geht erstens zu sehr in die Richtung, ich mach mir das Wahlsystem so, dass die Ergebnisse rauskommen die ich haben will und zweitens wäre das ja nur Symptombekämpfung und nicht Ursachenbekämpfung.

An sich hab ich aber auch keine Vernünftige Idee wie man das Wahlrecht reformieren könnte. Ich fand das wie @Olaf.K das aus Schweden beschrieben hatte nicht schlecht als Grundlage, wo die Leute direkt Listenkandidaten wählen können. Also man könnte z.B. in jedem Bundesland die Kandidaten aus den Listen wählen. Das hat mehrere Vorteile:

  1. Der Bundestag hätte eine feste Größe
  2. Leute könnten direkte Vertreter ihrer Interessen finden, die sie anschreiben können und das in jedem Bundestag und nicht nur in den Jahren, wo ihr Wahlkreis zufälligerweise mal genau so abgestimmt hat wie sie.
  3. Wenn ein Abgeordneter zu beschäftigt ist, können sie sich wen neues suchen. Ich glaube das könnte für mehr Volksnähe der Vertreter sorgen.
  4. Abgeordnete könnten zumindest indirekt abgewählt werden
  5. Der Fraktionszwang würde etwas abgeschwächt erden, sodass es vielleicht nicht mehr reichen würde nur Sigmar Gabriel zu lobbyiere, um die Stimmen der ganzen SPD zu bekommen

Einen großen Nachteil würde ich daran sehen und zwar, dass die Wahlzettel zu groß werden würden.

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Ich wunderte mich bei der Diskussion in der Lage, darüber, dass gar nicht auf eine, wenn nicht sogar die einzige Ursache des aktuellen Problems eingegangen wurde. Nämlich, dass die Vergabe der Direktmandate durch relative Mehrheitswahl in einer Parteienlandschaft mit mittlerweile 6+ Parteien nicht mehr angemessen ist. Es gäbe ja recht einfache Verfahren der Präferenzwahl, durch die dann vermutlich auch andere Parteien Direktmandate erreichen könnten und das Problem mit Überhangsmandaten deutlich geringer ausfallen dürfte.

Ich habe aber nie irgendwelche Diskussionen darüber gelesen. Gibt es da einen Grund dafür?

Ich möchte hier mal eine ketzerische Frage stellen:

Brauchen wir im Bundestag wirklich direkt gewählte Abgeordnete?

Auf Bundesebene werden ja Entscheidungen getroffen, die für ganz Deutschland Bedeutung haben. Ist es da nicht sogar undemokratisch, wenn einzelne Landkreise bzw. deren Wähler einen überproportionalen Einfluss geltend machen, weil sie sich so im Zweifel gegen eine legitime Mehrheitsentscheidung aller anderen Wähler stellen?

Hinzu kommt, dass in Deutschland ja das Subsidiaritätsprinzip gilt und wir über eine föderale Struktur verfügen, so dass man ja argumentieren kann, dass Entscheidungen mit regionaler Bedeutung auch regional getroffen werden.

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Ich persönlich finde den aktuellen Entwurf nicht gut. Meiner Auffassung nach steht in 38GG „unmittelbar“ - eine Verlagerung zur Zweitstimme würde dem nicht ausreichend gerecht werden. Ich bin auch der Meinung, dass spätestens seit dem Grünen-Slogan „2. Stimme - Joschka Stimme“ in vielen Köpfen ist: Zuerst kommt die Erststimme und erst dann die Zweitstimme - die füllt dann auf. Ich glaube auch, dass deshalb so viele kleinere Parteien so viele Mandate bekommen haben.
Eine Verlagerung führt zu noch mehr Hinterzimmerpolitik. Ich möchte direkte Demokratie.

Das „unmittelbar“ bedeutet, dass zwischen der Stimmabgabe und der Stimmverwertung (also ihrer Zählung für das Endergebnis) keine Zwischeninstanz sein darf, die diese Stimme womöglich verändern könnte. Ein Beispiel für sowas sind die Präsidentschaftswahlen in den USA, wo die Wählys zwar einen Namen auf dem Stimmzettel markieren, damit aber tatsächlich nur eine Empfehlung an ein anderes Gremium abgeben (die „Wahlmänner“ oder Wahlleute), welches dann die eigentliche Wahl durchführt und in den meisten Staaten rechtlich nicht einmal an diese Empfehlung gebunden ist. Eine solche Zwischeninstanz gibt es in Deutschland nicht.

Und das ist genau falschrum. Die Zweitstimme „reserviert“ für die Parteien jeweils Stühle im Parlament, auf die sich die per Erststimme Gewählten setzen. Bleiben dann noch Plätze frei, werden sie über die Liste besetzt. Sind zuwenig Stühle reserviert, haben wir es mit Überhangmandaten zu tun und es müssen zusätzliche Stühle dazugestellt werden, damit alle Gewählten Platz nehmen können. Und dann halt nochmal weitere zusätzliche Stühle, um diesen Überhang auszugleichen, diesmal wieder mit Leuten von der Liste.

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Darüber nachzudenken, was für Möglichkeiten es gibt und welche davon in die engere Auswahl kämen, fande ich gut.

Wenn es um ein so großes Gremium wie den Bundestag geht, halte ich es für unrealistisch, zu erwarten, dass sich ein großer Teil der Wähler mit den einzelnen Positionen von hunderten von Kandidaten befassen. Deshalb sollte das über Parteien gehen (auch wenn es gut wäre, wenn die, die sich mit den einzelnen Personen beschäftigen, einen gewissen Einfluss darauf haben könnten, nach welcher Reihenfolge die auf den Parteilisten zum Zuge kommen, z. B. Kumulieren und Panaschieren).

Bei Verfahren wie übertragbare Einzelstimmgebung (STV, Übertragbare Einzelstimmgebung – Wikipedia), bei denen die Wähler die Alternativen in eine Reihenfolge bringen müssen, kann es sehr viele verschiedene Möglichkeiten geben, abzustimmen, und der Einfluß der Stimmen auf das Endergebnis ist schwer überschaubar und nur aufwändig nachvollziehbar. Verfahren wie Score Voting ( Bereichsabstimmung, Range Voting, Score voting - Wikipedia ) oder Wahl durch Zustimmung (Approval Voting, Approval Voting | The Center for Election Science ) halte ich für klarer und robuster.

Volle Zustimmung. Natürlich funktioniert es nicht mit Landeslisten. Übertragbare Einzelstimmgebung ist ein System auf Ebene der Stimmkreise. So ist es ja auch in Irland. Der entscheidende Unterschied ist, dass pro Stimmkreis zwei Abgeordnete gewählt werden. Gut ist aus meiner Sicht, dass die Wähler:innen sich nicht auf eine:n einzige:n Kandidat:in festlegen muss, sondern eine Reihenfolge entsprechend ihrer Präferenz bilden. Ein echtes Problem ist allerdings die Auszählung. Sie ist kompliziert und dauert deutlich länger. Das heißt, man braucht mehr Wahlhelfer:innen über mehrere Tage. Ebenfalls notwendig sind mehr Kapazitäten für Prüfung von und Entscheidung von Wahlanfechtungen.

Eine Reform ist nötig und ich möchte das mit ein paar Zahlen belegen.
Hier nun die prozentualen Anteile der Erststimmen der Wahlkreisgewinner:innen:
AfD: beste:r 35,78 %, schlechteste:r 24,22 %,
CDU/CSU: beste:r 49,11 %, schlechteste:r 18,65 %,
Die Linke: beste:r 35,44 %, schlechteste:r 22,81 %,
Grüne: beste:r 39,95 %, schlechteste:r 25,24 %,
SPD: beste:r 52,82 %, schlechteste:r 20,15 %.
Zusammenfassend ist Herr Saathoff (SPD) mit 52,82 % im Wahlkreis Aurich – Emden der einzige Kandidat der mehr als die Hälfte der Wähler:innen seines Wahlkreises vertritt. In den anderen Wahlkreisen werden 50,89 % bis sogar 81,35 % der Wähler:innen nicht durch ihre Direktkandidatin / ihren Direktkandidaten vertreten.
Man kann sich überlegen, ob in Zukunft nur noch Kandidat:innen mit 50 % + x % direkt in den Bundestag einziehen, dann hätten auch parteilose eine Chance. Wie ist das denn bei denen gelöst?
Und mit dem nicht vertretenen Wahlkreisen das wird man sehen. Für meinen Wahlkreis sitzt der Direktkandidat, der nur 27 % der Wähler:innen vertritt, und drei weitere Kandidat:innen (zwei davon in der Ampel) im Bundestag. In Zukunft müssten dann die Parteien ihre Plätze mit Kandidat:innen aus nicht vertretenen Wahlkreisen auffüllen.

Ich finde den Entwurf ziemlich daneben…

Das System was wir jetzt haben ist nicht optimal. Aber den einzigen wirklich Nachteil den ich identifizieren kann ist, dass es Geld kostet… So what? Demokratie darf Geld kosten.

Und so wenig ich von der CDU halte: Vom Tenor bin ich da bei ihnen… Es kann nicht sein, dass eine Person einen Wahlkreis gewinnt und dann nicht in den Bundestag einzieht.

Was sendet man denn da für ein Signal an die Wähler? Wir haben doch heute schon ein Problem mit Politikverdrossenheit.

Und hat schonmal jemand darüber nachgedacht, dass sowas dazu führen könnte, dass dann in den Wahlkreisen auch weniger Kandidaten antreten? Viele finanzieren ihren Wahlkampf in Teilen selber. Ich glaube, das werden sich viele gut überlegen, wenn sie bei einem Sieg nichtmals sicher sein können, in den Bundestag einzuziehen.

Spannende Frage ist auch: Wenn jetzt eine Partei mehr Direktmandate als Sitze im Bundestag hat. Wer entscheidet dann, welche Kandidaten einziehen? Die Partei?

Fassen wir die Probleme zusammen:

  • schlechtes Signal an Politikverdrossene
  • geringerer Frauenanteil
  • keine Vertretung in den Wahlkreisen
  • jüngere Kandidaten (noch mehr) benachteiligt
  • weniger Motivation überhaupt lokal in den Wahlkampf zu gehen
  • etc.

Wir bauen da ein System, das ein Problem löst und gleichzeitig zehn neue schafft

Wäre dann imo ehrlicher, wenn man dann auf die Erststimme komplett verzichtet und ein reines Verhältniswahlrecht einführt…

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Musste das erst nachlesen, aber das ist wirklich der Hammer! Das sollte wirklich breiter kommuniziert werden: In Bayern bekommt ein:e Wahlkreissieger:in (offiziell: Stimmkreissieger:in) kein Mandat, wenn die eigene Partei an der 5%-Hürde scheitert.

Stimme allem zu, aber die Begründung halte ich (allgemein, nicht nur hier) für problematisch. Akkumuliert erscheinen sehr viele Zahlen groß, verteilt jedoch klein. Die Ausgaben für z.B. Mülltüten erscheinen akkumuliert pro Leben überraschend groß, pro Tag völlig vernachlässigenswert. So kann man auch die Lebenszeit, die man mit dem manuellen Umstellen der Uhren bei der Zeitumstellung verbringt, je nach gusto hochrechnen („Sie werden nicht glauben, wie viel Zeit alle EU-Bürger:innen seit Bestehen der EU allein fürs Umstellen der Uhren verschwendet haben!“) oder kleinrechnen. 50 MdBs kosten x Mio. €/Jahr – das ist alles, was zählt (und wie gesagt m.E. kein Argument gegen 50 MdBs mehr).

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Ausgleich auf Bundesebene scheitert daran, dass CDU und CSU verschiedene Parteien sind und deshalb zwischen ihnen kein Ausgleich zulässig ist. Deshalb müssen CSU und CDU auch eigenständig die 5%-Hürde überspringen bzw. die Grundmandatsklausel erfüllen.

Ich möchte deinen Post hier zum Anlass nehmen, nochmal ganz klar darauf hinzuweisen, dass man der CDU/CSU hier nicht auf den Leim gehen darf:

Die Formulierung „ein gewonnener Wahlkreis“ oder „ein gewonnenes Mandat“ zieht nicht in den Bundestag ein ist ganz billige Polemik der CDU/CSU. Das Mandat ist nach dem vorgeschlagenen Wahlrecht nicht gewonnen! Und damit gibt’s auch keinen Skandal.
Nur indem in der Argumentation dieser Schritt einfach übergangen wird, kann man sich den Skandal überhaupt zurechtlegen.

Es stört seit Jahrzehnten niemanden, dass die Erststimme in vielen Wahlkreisen für die Tonne ist.

Wurde doch im Vorschlag erklärt: das Erststimmen-Ergebnis. (?)

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Vor allem ist die aktuelle Definition von einen Wahlkreis „gewinnen“ absurd, wenn man mit 1% der Stimmen einen Wahlkreis gewinnen kann. Laut @Herb sind wir ja schon bei 18% angekommen, die ausgereicht haben, um einen Wahlkreis zu „gewinnen“.

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