In Zwei-Parteien-Systemen geht das auch halbwegs. Ob das, was dabei rauskommt, den Ansprüchen genügt, „Demokratie“ genannt zu werden, muss jeder für sich entscheiden und hängt mit der Frage zusammen, ob man der Meinung ist, dass es genug innerparteiliche Demokratie gibt, sodass alle relevanten Strömungen innerhalb der zwei dominanten Parteien um die Vorherrschaft kämpfen können. Dass eine Partei zu wenig ist (siehe Sowjetunion / China) sollte einleuchten, ob zwei ausreichen würde ich bezweifeln, aber wie gesagt, das ist eine ganz andere Diskussion, die wir hier ja auch schon öfter geführt haben…
In Deutschland haben wir jedoch - zum Glück - ein Mehrparteiensystem und über das Verhältniswahlrecht können sich weitere Parteien etablieren. Das wiederum führt zu dem Problem, dass bei der Erststimme nach dem Prinzip des Mehrheitswahlrechts - vor allem ohne Stichwahlen - letztlich der Block sich durchsetzt, der geschlossener ist. Wenn die FDP zu Gunsten der CDU keinen Kandidaten aufstellt und zum Wählen des CDU-Kandidaten aufruft, während SPD, Linke und Grüne jeweils mit eigenen Kandidaten antreten, kann eben der CDU-Kandidat einen Wahlkreis gewinnen, der eigentlich in der Mehrheit RRG gewählt hat.
Die Konsequenz ist, dass es eigentlich klüger wäre, wenn die „kleinen“ Parteien zu Gunsten von SPD und CDU konsequent darauf verzichten würden, Kandidaten für die Erststimme aufzustellen - das wiederum würde die Macht von SPD und CDU - auch über die Wahlkampfkostenerstattung - noch weiter zementieren, sodass sie vermutlich langfristig auch die kleinen Parteien bei den Zweitstimmen verdrängen würden.
Die Kombination von Mehrheits- und Verhältniswahlrecht führt daher ganz schnell zu massiven Gerechtigkeitsproblemen im Wahlrecht, es setzt einfach falsche Anreize, daher: Wenn die Linke will, dass möglichst wenig CDU-Kandidaten gewinnen, darf sie selbst nicht zur Wahl antreten. Dieses Problem kann nur auf zwei Wegen behoben werden: Entweder Stichwahlen für die Wahlkreismandate (dann können alle Parteien ihre Kandidaten in’s Rennen schicken und es wird hinterher in nahezu allen Wahlkreisen ohnehin eine Stichwahl geben). Der andere Weg, die oben genannten negativen Konsequenzen zu verhindern, ist es, dass das Wahlergebnis nur von den Zweitstimmen abhängt, sodass es kaum relevant ist, welcher Kandidat die Erststimmenmandate gewinnt. Und das wird durch das neue Wahlrecht verstärkt (da auch die letzten 3 Überhangmandate wegfallen!), während gleichzeitig das Problem der Bundestagsgröße gelöst wird. Stichwahlen wären eine deutlich teurere Lösung, die nur eines der beiden Probleme lösen würde.