Es gibt offensichtlich einen wissenschaftlich gesicherten Stand zur Klima- und Umweltsituation. Der Kern dessen sind verbleibendes Budgets von Treibhausgasausstoss und Schadstoffeintrag in die Atmosphäre für zunehmend schlimmere Szenarien je erreichter Verschmutzungsstufe.
In demokratischen Prozessen ist es ja Bedingung, alle Argumente für und gegen Gesetzesänderungen zu berücksichtigen. Es ist aber oft so, dass von Fachleuten, Berufspolitikern, Juristen Gesetzesänderungen für notwendig gehalten werden, die in der weniger informierten Wählerschaft zunächst keine Mehrheit finden. Umgekehrt würden gewisse gemeinschädliche Gesetzesänderungen gleich eine Mehrheit finden (zB. Steuersenkung für die einkommensstärksten 70%).
Die Politik muss schon klüger und weitsichtiger sein als das Wahlvolk im Durchschnitt. Die (spontane) Mehrheitsmeinung liegt nicht selten falsch relativ zur mehrheitlichen Expertenmeinung. Weil wir eine parlamentarische Demokratie haben und keine plebiszitäre Demokratie, muss die Politik eigentlich unabhängig von der herrschenden Mehrheitsmeinung ihre Entscheidung treffen, mit Weitsicht und Fachkompetenz. Wenn die Zeit drängt, bleibt halt auch nicht viel Zeit für die öffentliche Diskussion. Die Corona-Massnahmen waren umstritten, aber doch mehrheitlich befürwortet. Wären sie mehrheitlich abgelehnt worden, hätte sich trotzdem die besser informierte politische Führung durchsetzen müssen, und hätte damit die Demokratie nicht beschädigt.
Im Unterschied zu Corona ist die Klimakrise für die meisten Menschen scheinbar nicht konkret genug. Die Veränderungen gehen langsam vor sich, so dass viele Menschen sie erst allmählich bemerken. Wenn persönliche Verhaltensänderungen, freiwillig oder per Gesetz anstehen, werden Ausreden und Scheinargumente hervorgezogen. Mit Hilfe von wissenschaftlichen Erkenntnissen sind sie zu entkräften, hilft aber nur bedingt, je nach Radikalisierung.
Selbstverständlich soll man immer versuchen, Gegner von sinnvollen oder eben dringend notwendigen Massnahmen zu überzeugen, sie „abzuholen“ so gut es nur geht. Gleichzeitig muss man aber schon handeln, auch gegen den Willen von Leuten. Wie lange soll man andernfalls auf die Einsicht der angeblichen 86% warten? Und welche Kompromisse sollen da herauskommen, wenn jeder Kompromiss völlig vorhersehbar schlechter ist als die zum jeweiligen Zeitpunkt sinnvollste, effektivste Massnahme (aus wissenschaftlicher Sicht)?
Freundlich umgehen mit Gegenmeinungen und gleichzeitig tun, was dringend nötig ist, schliesst sich ja nicht aus. Und eigentlich für Klimaschutz sein und gleichzeitig alle Privilegien behalten wollen, geht halt auch nicht. Ich denke an die hier schon erwähnten Salon-Linken, die ihre Ferienwohnungen und interkontinentalen „Bildungs“-reisen gefährdet sehen.
Wenn die Politik aus Angst vor der momentanen Mehrheitsmeinung und den populistischen Gegnern nicht das tut, wozu sie dem Gesetz nach verpflichtet ist, ist ziviler Widerstand geboten, um die Politik so lange vor sich herzutreiben, bis sie handelt. Mehr ist es ja nicht, was die LGen tut. Das erforderliche Gegengewicht zum nicht rechtmässigen Regierungshandeln ist der Widerstand, der formal auch nicht rechtmässig ist, aber im Positiven wie Negativen nur dem Regierungshandeln folgt.
Die Demokratie muss nicht reformiert werden, die Regierung muss nur ihrem verfassungsmässigen Auftrag folgen. Das heisst, unpopuläre aber notwendige Massnahmen durchsetzen, und nicht wegen der populistischen Konkurrenz Angst haben um die nächste Wahl. Klar, auch die muss gewonnen werden, aber nicht durch Anbiederung, sondern durch kluge Entscheidungen, zu denen die Fakten seit Jahren auf dem Tisch liegen.
Ausserdem zeigt doch die Vergangenheit, wie anfänglicher, z.T. heftiger Widerstand schnell aufweicht und das entsetzliche Neue zur neuen Gewohnheit wird (wurde schon vielfach erwähnt, aber halt noch mal zum Einprägen: beinahe Gleichberechtigung, Gurtpflicht, Rauchverbot, sogar allgemeines Tempolimit auf Landstrassen, Katalysatorenpflicht, Ehe für Alle, so Kleinzeug wie 5-stellige PLZ, Rechtschreibreform usw. usw.), immer dasselbe Muster. Davor muss man keine Angst haben.