Wer mal einen nüchternen Gegenpol zur Debatte hier im Thread benötigt, dem sei das Interview mit der empirischen (!) Migrations- und Integrationsforscherin Naika Foroutan empfohlen [1] (ist schon 3 Jahre alt) in dem sie unaufgeregt und präzise viele hier diskutierte Themen bespricht. Vielleicht wäre das auch eine gute Interviewpartnerin für die Lage, falls das Thema nochmal professionell aufgebohrt werden soll.
Zwei Aspekte aus dem Interview will ich noch kurz in die Diskussion einbringen:
Das Narrativ, dass AfD und Pegida durch das Scheitern der deutschen Flüchtlingspolitik stark geworden sind, kann Fr. Foroutan empirisch widerlegen. Die relevante Phase des „Aufstiegs“ dieser Bewegungen hat schon vorher stattgefunden.
Hier schließt sich ein anderer interessanter Aspekt aus dem Interview an. Nämlich die Frage: Nehmen Konflikte zwischen Einheimischen und Migranten ab, wenn sie besser in die Gesellschaft integriert sind? Die auf den ersten Blick überraschende Antwort von Fr. Foroutan lautet: Nein. Grund: Die besser integrierten Migranten werden von den „Einheimischen“ als eine noch stärkere Bedrohung wahrgenommen (z.B. in der Konkurrenz um besser bezahlte Jobs und Wohnraum). Das ist für mich leider ein Hinweis darauf, dass nicht die fehlende Integration der Migranten, sondern die teils rassistische, teils „nur“ egoistische Einstellung vieler Einheimischer das Grundproblem darstellt. Das heißt natürlich im Umkehrschluss nicht, dass Integration schlecht ist – nur, dass sie alleine nicht ausreicht.
Nur um das gerade zu ziehen, Rassismus und Antisemitismus kann auch dadurch gestärkt werden, dass eine Bevölkerung sich von einer eher migrationsfreundlich-linken Position hin zu eher bürgerlich-konservativen Denkweisen mit Festung-Europa-Denke bewegt und sich nicht mehr so stark für Antirassismus einsetzt.
Ich finde wir fokussieren hier viel zu sehr auf die AfD. Das ist doch nur das parlamentarische Gesicht viel tiefgreifender Probleme. Warum tun wir das?
Höre ich zum ersten Mal…Mal abgesehen davon, dass ich die Flüchtlingspolitik nicht als gescheitert ansehe. Höchstens derart, dass die Politiker sich von den AfD-Schreihälsen in die Ecke haben treiben lassen, wir aber eigentlich noch mehr Flüchtlinge hätten aufnehmen, ohne dass es irgendwem wehgetan hätte.
Habe ich nicht behauptet und finde ich auch weder überraschend noch relevant.
Einwanderer die straffällig werden gehören vor ein Gericht. aber nicht ausgewiesen. Integration heißt nicht, dass man keine Konflikte haben.
Erhöhte vorkommen von Straftaten sind kein Herkunftsproblem sondern Problem der sozialen Schichten. Wer möchte, dass Flüchtlinge weniger Straftaten begehen, der sollte ihnen einen Job geben.
An der Seite der Baustelle kann man aber nix - oder nur mit weit höherem Aufwand. Leuten die Einbürgerung zu erleichtern ist dagegen einfach, bringt uns eine Menge, hat keine Nachteile und kostet nix (spart vermutlich noch Geld)
Habe auch nicht behauptet, dass du das behauptet hättest . Überrascht hat es jedenfalls die meisten Integrationsforscher. Und natürlich halte ich es auch für relevant.
Verstehe ich in dem Zusammenhang nicht. Das „Job geben“ ist doch gerade Integration. Die empirische Integrationsforschung sagt doch gerade: die Abneigung der Einheimischen gegenüber den Migranten nimmt zu wenn diese dieselben gut bezahlten Jobs bekommen.
Das wäre dann eine Katastrophe für unsere Migrationspolitik, denn es würde bedeuten, dass sich die Lage zwangsläufig verschärft.
Sprachlich ganz korrekt wäre: es wurden damals keine Maßnahmen unternommen, um Menschen ohne Einreiseberechtigung die Einreise zu verweigern. Da man über die 4000 km lange deutsche Landgrenze nahezu überall einfach drüber spazieren kann, ist die Einreiseverweigerung - abgesehen von der Sondersituation an Flughäfen - eine rein theoretische Möglichkeit. Praktisch kann jeder, der sich bereits in einem Nachbarland Deutschlands aufhält, an einer beliebigen Stelle einfach über die Grenze spazieren. Es gibt an der Grenze weder die Infrastruktur (Zäune, Kameras, etc.) noch das Personal, um unberechtigte Einreisen zu unterbinden.
Wenn aber ohnehin hunderttausende Menschen die Grenze überqueren werden, dann ist es für alle Beteiligten besser, wenn sie dies an ausgebauten Grenzübergängen tun, anstatt irgendwo durch Wald und Feld zu spazieren. Daher hat man an den Grenzübergängen auf Umsetzung der Rechtslage verzichtet: weil es nichts gebracht hätte.
Wichtiger ist hier immer die Frage, ob das „Nichtaufhalten der formell illegalen Flüchtlinge“ seitens der Bundesregierung „illegal“ war. Das ist tatsächlich der talking point von AfD und co. Daher: Sie werfen der Bundesregierung vor, hier illegal Recht gebrochen zu haben. Und das kann man tatsächlich so nicht stehen lassen.
Denn wichtig ist hier, zu verstehen, dass die Dublin-Abkommen den Staaten zwar das Recht geben, Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten (im konkreten Fall Österreich, Ungarn) abzuwehren, aber keine Pflicht dazu besteht, dieses Recht in Anspruch zu nehmen. Daher: Jeder Staat darf sagen: „Obwohl wir laut Dublin dazu nicht verpflichtet sind, nehmen wir X Flüchtlinge auf“. Diese Art von Deals gibt es ja auch ständig mit Italien und Griechenland, gerade wenn mal wieder einem Rettungsschiff das Einlaufen in den Hafen verwehrt wird. Deutschland hat 2015 daher lediglich in einem verhältnismäßig großen Umfang - wie du korrekt sagst auch wegen technischer Nichtmachbarkeit - die Einreise entgegen der Dublin-Abkommen zugelassen. Nebenbei: Eben weil sowohl Deutschland als auch Österreich klar war, dass man wegen dem Fehlen der Grenz-Infrastruktur nur mit Waffengewalt hätte agieren können, um die Menschen zu stoppen - und das wollte - außer Hardlinern wie Alice Weidel, die zum Glück außerhalb von Interviews nix zu sagen haben - zum Glück niemand.
Aus dem Nicht-Nutzen des Abwehrrechts aus den Dublin-Abkommen lässt sich daher kein „Rechtsbruch“ der Bundesregierung ableiten, wie es die politische Rechte gerne darstellt.
Dennoch kann man natürlich weiterhin feststellen, dass eine bessere Vorbereitung auf die Flüchtlingsströme 2015 geholfen hätte, zumindest eine korrekte Registrierung und Versorgung der Flüchtlinge auf die Beine zu stellen. Denn auch für die Integration ist es nicht gut, wenn die Leute nicht registriert werden und in Turnhallen untergebracht werden…
Zu dem Punkt möchte ich meine Erfahrung aus der Zeit Teilen. Ich habe im Rahmen meiner Tätigkeit in einer Hilfsorganisation mehrere Einsätze mitgemacht, sowohl zur Versorgung als auch zur Einrichtung von Unterkünften und der Aufnahme von Geflüchteten. Erst einmal, eine Registrierung hat stattgefunden, nur nicht bei der Einreise, sondern erst bei der Aufnahme in die Unterkunft. Wäre anders besser gewesen, so konnten einige sich der Registrierung entziehen. Bei der Ankunft der Busse war teilweise die Polizei zugegen und forderte uns auf, doch auch Fingerabdrücke zu nehmen, wozu wir weder ausgebildet sind, noch das Equipment haben. Dolmetscher hatten wir auch keine, das haben die Ankommenden übernommen, die englisch oder französisch sprachen. Damit fehlte ein Stück weit die Kontrolle, ob die Botchaften ankamen. Es herrschte Chaos und alle hatten unterschiedliche Interessen, die nie koordiniert wurden. Auch gab es Alarmierungen, weil Busse ankommen sollten, die dann aber unterwegs „verschwunden“ sind. Kann ich bis heute nicht nachvollziehen.
M. E. wurde das auch nie richtig aufgearbeitet, was Wasser auf die Mühlen derer ist, die dagegen hetzen wollen.
Zur Situation in den Unterkünften, wir haben morgens Brötchen geschmiert und Platten mit belegten Brötchen dorthin gefahren, weil die Turnhallen nicht den Hygienevorschriften entsprechen, Nahrung zum Ausschank zuzubereiten. Die Menschen in den Unterkünften konnten wir nicht einbinden, da diese keine Belehrung im Gesundheitsamt über sich haben ergehen lassen, die in DEU Voraussetzung ist, um Essen für andere zuzubereiten. Dabei wäre das ein einfacher erster Schritt zur Integration gewesen.