LdN314 / Ein Teil Deutschlands will KEIN Einwanderungsland sein

Na ja, ehrlich gesagt finde ich das als Wendekind (JG 89) schon etwas überzeichnet.

Klar, ich kenne auch solche Fälle und habe auch das eine oder andere selbst erlebt, wie z. B. dass mir bei einem Bewerbungsgespräch bei der BASF der Hiring Manager nahe gelegt hat, im Osten zu bleiben („Kennen sie denn nicht Wacker in Dresden oder Total in Leuna? Was wollen sie bei uns? Bleiben Sie doch im Osten“). Von einem früheren Kollegen aus Promotionstagen, der bei der Bundespolizei in Bayern einstieg und von seinem Dienstherren ab Tag 1 rausgemobbt wurde, ganz zu schweigen (er blieb einen Monat bis ihm ein Formfehler unterstellt wurde (eingescannte Unterschrift statt eigenhändiger), den sein Vorgesetzter zur Einleitung eines Dienstverfahren nutzte - dann ging er „freiwillig“).

Aber am Ende sind es halt doch überwiegend bedauerliche Einzelfälle von Menschen, die auch 30 Jahre nach der Wende noch nicht im gemeinsamen Deutschland angekommen sind.

Zu erleben wie nun Menschen aus dem Ausland der rote Teppich ausgerollt wird (und so empfindet der eine oder andere sicher) ist dann sicher ein Schlag ins Gesicht.

Vielleicht ist das ja auch ein Grund, warum ein Teil Deutschlands kein Einwanderungsland sein möchte. Viele Menschen aus den neuen Bundesländern wurden nicht gerade mit offenen Armen empfangen und haben bis heute wenig Möglichkeiten mit Westdeutschen gleichgestellt zu partizipieren. Gut möglich, dass die keine Lust haben ihren ohnehin bereits schlechten Stand (verglichen mit EINIGEN Bio-Westdeutschen) noch gegen Migranten verteidigen zu müssen.

Ich fände es zwar nicht gut, nachvollziehen könnte ich es aber.

Wirklich?

Länger arbeiten für weniger Geld ist doch genau die Aussage: du bist weniger effizient.

Auch bei der Stellenbesetzung „weiter oben“ haben in Westdeutschland geborene immernoch die Nase vorne, auch im Osten der Republik.

1 „Gefällt mir“

Ich finde, Ethik ist bei der Diskussion dieses Themas, wie sie z.B. in der Lage geführt wurde, zweitrangig. Es ist ja nicht so, dass alle dafür sind, dass wir mehr Fachkräfte aus dem Ausland holen, weil wir uns endlich unserer Schuld bewusst geworden sind und jetzt wenigstens ein paar armen Schluckern aus ärmeren Ländern eine Chance geben wollen.
Nein, wir machen das primär aus purem Eigennutz. Wir brauchen die Leute, um unsere Sozialsysteme funktionsfähig halten zu können und damit unsere Wirtschaft nicht stagniert oder in sich zusammenfällt, weil nicht genug Arbeitskräfte für Erhalt und Innovation gleichzeitig da sind. Aber genau das wäre auch im Sinne Rawls’, weil seine Idee ja ist, dass man maximal egoistisch sein soll bei der Konzeption einer Gesellschaft, aber eben unter der Annahme, dass man nicht weiß, wer man in der Gesellschaft sein wird. Und da wären Wini-Win Situationen wie hier ja die denkbar einfachsten Entscheidungen (wir profitieren durch Solzialleistungseinzahler und Arbeitskraft und die, die kommen, bleiben nur dann hier, wenn es auch für sie besser ist).

Dass Wohnraum gerade in Städten viel zu teuer ist, bestreitet auch niemand ernsthaft. Dass das negativ zur Einkommensschere beiträgt und diese stark demokratiegefährdend ist, würden auch die meisten Leute bejahen. Aber die Lösung ist doch nicht, dass wir nichts dagegen tun, dass wir in wenigen Jahren bis Jahrzehnten noch viel weniger Geld pro z.B. Rentner zur Verfügung haben, die sich dann den Wohnraum noch viel schlechter leisten können, oder? Ich glaube nicht, dass der Spielraum, etwas dagegen zu tun, dass „die einfachen Leute“ sich ihr Leben nicht mehr leisten können, auch nur im Ansatz größer wird, wenn Grundpfeiler unseres gesellschaftlichen Systems zusammenbrechen. Entweder muss man das ganze System wieder stabilisieren, indem viel mehr Leute kommen oder man müsste sich eine radikal neue Struktur überlegen.
Wirkt auf mich, als würde von z.B. der Union die Perspektive des fiktiven „kleinen Mannes“ beschworen und damit die arme Bevölkerung dazu gebracht, für eine Politik zu sein, die den meisten Menschen fundamental schadet.

3 „Gefällt mir“

Puh, ja.

Bundestagswahl 2021:
Frankfurt am Main: AFD 4,7%
Frankfurt an der Oder: AFD 20,2%

Da sieht man ja, wo wir die ersten Landesregierungen mit AFD-Beteiligung/-Mehrheit haben werden.

1 „Gefällt mir“

Darum ging es allerdings auch nicht, sondern um die Frage ob der Zugriff auf Ressourcen eines Landes der Kontrolle der Bürger unterliegen sollte.
Wenn diese Frage mit mit Ja beantwortet werden soll und wir nicht mit zweierlei Maß messen wollen, dürften wir Ressourcen nur noch aus Ländern beziehen, in denen die Zustimmung der Bürger festgestellt wurde. Das setzt Demokratie voraus und in deren Ermangelung fallen viele ressourcenreiche Staaten schon mal aus unserer Lieferkette. Ups.

Wenn man bei der Analyse dieses Aspekts die maßgeblichen Ursachen wie Singularisierung, Urbanisierung außen vor lässt und nur auf die Zuwanderung schielt, macht man sich in meinen Augen schon irgendwie einer moralisch fragwürdigen Agenda verdächtig.

https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2020/heft/6/beitrag/mietwohnungsknappheit-in-deutschland-ursachen-instrumente-implikationen.html

1 „Gefällt mir“

Antisemiten werden vor allem gestärkt, wenn sie zahlenmäßig stärker vertreten sind. Soweit ich weiß sind die Zahlen in Deutschland zuletzt stark durch importierten Antisemitismus geprägt.

Im übrigen bin ich überzeugt nicht den 10-15% Rechten in Deutschland anzugehören, wenn man die aktuelle Migrationspolitik grundverkehrt findet.

Der Mehrheit der Deutschen ist mMn die Migrationspolitik schon ein Dorn im Auge, aber dass sich das nicht in den Wahlentscheidungen widerspiegelt, liegt an den massiven Opportunitätskosten einer „Rechts-Wahl“. Das Bedauern unserer Migrationsblamage ist noch nicht groß genug, um ein Kreuzchen für die AFD zu abzuringen.

5 „Gefällt mir“

Finde ich ehrlich gesagt nicht verwunderlich, dass jemand, der hier kaum eine Gelegenheit auslässt, um rassistische Ressentiments oder Kreml-PR zu verbreiten, mit der aktuellen deutschen Migrationspolitik nicht einverstanden ist :wink:

2 „Gefällt mir“

Das müsste man differenzierter betrachten.
Die Vorgänge 2015 waren in der Tat problematisch. Die Flüchtlinge standen letztlich nicht „plötzlich“ vor der Grenze, sondern waren sehr lange angekündigt. Die Regierung hat es nur ignoriert und dann aus humanitären Gründen doch die Grenzen geöffnet.

Die Öffnung der Grenzen aus humanitären Gründen war gut und richtig - aber die Situation hätte von Anfang an sauberer durchgeführt werden können, wenn man nicht über Wochen und Monate die Augen verschlossen hätte. Das Resultat war, dass keine Vorbereitungen für die Grenzöffnung getroffen wurden - mit dem großen Problem, dass die Flüchtlinge nicht hinreichend registriert oder gar angemessen untergebracht werden konnten, was zu zahlreichen Folgeproblemen geführt hat. Wie gesagt, das wäre vermeidbar gewesen und hätte vermieden werden müssen, indem man sich schon während die Menschen unterwegs waren darauf vorbereitet.

Die Frage ist nun: Warum hat die Regierung Merkel das nicht getan?
Hat man gehofft, dass die Menschen nach ein paar Monaten einfach wieder abziehen? Ich denke nicht. Wahrscheinlicher ist tatsächlich, dass das Thema dieses Threads hier der maßgebliche Grund für die Problematik ist: Denn bevor sich an der Grenze eine humanitäre Krise abgezeichnet hat, war es Merkel einfach nicht möglich, gegen den Widerstand der konservativen Hardliner etwas zu unternehmen. Frühere Vorbereitungen wären vermutlich auf großen Widerstand beim rechten Rand der Union (heute: AfD) gestoßen.

Und so sind gerade die Leute, die die Zustände von 2015 am härtesten kritisieren, auch diejenigen, die daran Schuld sind, dass es dazu kommen musste. Und das ist der generell Ansatz bei Migrationsdiskussionen: Migration wird passieren - wir können uns nicht einmauern. Die Frage ist nur, ob wir diese Realität einer mobilen, globalen Welt akzeptieren und versuchen, das Beste daraus zu machen, oder ob wir uns so lange mit Händen und Füßen dagegen wehren, bis wir vor der Entscheidung stehen, entweder die Grenzen mit Waffengewalt zu verteidigen oder die Migration zuzulassen. Quasi der Trump-Ansatz nach dem Motto: Eine Mauer wird es schon richten. Nein, das wird sie nicht. Wenn der Leidensdruck auf der anderen Seite der Mauer zu groß wird, wird keine Mauer die Menschen abhalten.

Wenn du sagst, die Mehrheit der Deutschen sei gegen die aktuelle Migrationspolitik (die schon relativ restriktiv ist!), stimmt das vielleicht sogar - denn die Mehrheit der Menschen überall auf der Welt würde bei der Wahl zwischen „den eigenen Reichtum sichern“ und „moralisch und ethisch korrekt handeln und fremden Helfen“ leider eher zum eigenen Reichtum tendieren.

Gegen Migration zu sein ist nichts anderes als Egoismus auf einer völkischen Ebene.

5 „Gefällt mir“

Das schließt sich meiner Meinung nach keineswegs aus. AfD-Wähler sind oft Protestwähler. Das ist zwar Unsinn, da die AfD auch nichts besser macht, eher sogar schlechter, aber die sind halt politisch desillusioniert.

Und das sind sie auch, weil es eben 30 Jahre nach der Wende noch immer keine Gleichberechtigung zwischen Ost und West gibt und teils sogar noch offene Diskriminierung (ich schrieb darüber oben), auch wenn das sicher Einzelfälle sind.

Das Problem daran ist, während (zugegeben wesentlich zahlreichere) Einzelfälle in anderen Teilen unserer Bevölkerung zurecht ein großes mediales Thema sind, mussten Ostdeutsche feststellen, dass ihre Anliegen 30 Jahre medial kleingeredet oder in die rechte Ecke gestellt wurden, statt sich damit auseinanderzusetzen. Das hat aus meiner Sicht den idealen Nährboden für populistische Parteien geschaffen.

1 „Gefällt mir“

Von der CDU/CSU und erst recht von der AFD wird dem Prekariat aber immer wieder das Bild des Immigranten gemalt der den Wohnraum und die Arbeitsplätze streitig macht. Dass jemand der eh am unteren Ende der „Nahrungskette“ sitzt, dadurch Verlustängste hat, entsprechend wählt ist doch nicht verwunderlich.
Brandstifter sind also die Parteien die diese „moralisch fragwürdige Agenda“ propagieren.

3 „Gefällt mir“

Willst du jetzt echt mit der Mär der armen, ignorierten Ostdeutschen anfangen, die ja quasi „gezwungen“ werden, die Nazis zu wählen?

2 „Gefällt mir“

Vorab: ich arbeite beim, in der jüngsten Lage erfreulicherweise zu dem Thema erwähnten Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Und was den Bereich Asyl inklusive Sekundärmigration angeht, kann ich kein besonders restriktives System erkennen.

Von den Stand Ende Oktober knapp 160.000 Asylanträgen wurde die Mehrheit von Personen gestellt, die ohne Visum oder Einreiseserlaubnis über Drittstaaten nach Deutschland gekommen sind. Häufig mit der Hilfe von Schleppern unterwegs, müssen sie, anders als in anderen Ländern, selbst wenn sie an der entdeckt werden, keine Zurückweisung befürchten.
Der Ausgang des in Deutschland aufwändigen Asylverfahrens hat zudem, wie in der Lage durchaus richtig erwähnt, nur bei wenigen konkrete Folgen in Richtung Aufenthaltsbeendigung. Die meisten abgelehnten Asylsuchenden bleiben dennoch in Deutschland.
Dasselbe gilt für Menschen, die, obwohl bereits in anderen europäischen Ländern wie Italien oder Griechenland als Flüchtlinge anerkannt, nach Deutschland weiterziehen und hier ein erneutes Asylverfahren durchlaufen.

Dänemark, übrigens unter sozialdemokratischer Regierung, Polen oder Ungarn haben restriktive Aylsysteme. Deutschland nicht.

6 „Gefällt mir“

An welcher Stelle habe ich das behauptet? Wenn dann sage ich, dass manche Stimme für die AfD auch Menschen zu verantworten haben, die die Interessen und Erfahrungen dieses Bevölkerungsteils stets negieren.

1 „Gefällt mir“

Die Grenzen wurden nicht geöffnet, das ist rechte Populismus-Sprache. Sie wurden nicht geschlossen, das ist schon etwas anderes.

3 „Gefällt mir“

Wow. Von Ossigejammer über „ich bin ja kein Rassist, aber…“ bis hin zu „die linken Eliten sind schuld daran, dass Rechte rechtsradikal wählen (müssen)“ ist hier ja mal alles am Start.

3 „Gefällt mir“

Statt abzulenken, könnte man ja auch inhaltlich auf den Post eingehen. Und da ist zumindest nicht falsch, dass viele der seit 2015 nach Deutschland Geflüchteten aus Staaten stammen, in denen antisemitische Ressentiments deutlich akzeptierter sind als hierzulande.

5 „Gefällt mir“

Meine Schwester und ich sind in Deutschland geboren, haben hier Abitur gemacht und studiert. Die deutsche Staatsbürgerschaft wurde uns, da in Deutschland kein Bodenrecht besteht, nicht per Geburt mitgegeben. Wir mussten uns diese leider hart erarbeiten. Ich musste fast 4 Jahre und meine Schwester über 5 Jahre warten. Jede Legislaturperiode war für mich mit absoluter Trauer erfüllt, weil ich nie Teil von Wahlen sein durfte, obwohl ich hier geboren bin. Meine Schwester wollte bei der Bundespolizei ihre Ausbildung machen. Die Ausländerbehörde in München fand das jedoch sehr amüsant und hat gesagt, wir sollen doch mal überhaupt abwarten, wie unsere Noten sind und ob wir die Staatsbürgerschaft überhaupt bekommen. Zusätzlich mussten wir einen Deutschtest, der das Sprachniveau B1 zertifiziert, machen und einen Einbürgerungstest.
Falls es mir noch nicht vorher klar war in meinem Leben, so wusste ich ab diesem Punkt genau, dass ich für den deutschen Staat trotz meiner Geburt in Deutschland, nie Deutsche war.

9 „Gefällt mir“

Na gut, dann machen wir es mal inhaltlich: Wenn jemand schreibt, dass „die Migrationsblamage […] noch nicht groß genug“ sei, „um ein Kreuzchen“ bei der AfD zu machen, dann soll das Antisemitismusproblem offensichtlich einseitig aus der Sicht des „importierten Antisemitismus“ betrachtet werden. Es geht hier ebenso offensichtlich nicht darum, sich redlich mit Antisemitismus zu befassen, sondern um tendenziöse Rhetorik, um damit rechte Ressentiments zu schüren und zu unterstützen. Typischer Sound von Junge Freiheit et al. Der These, dass Antisemitismus in erster Linie ein importiertes Problem ist, hat übrigens prominent der Präsident des Zentrarats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, widersprochen. Sicher niemand, der im Verdacht steht, ein Linker zu sein. Zu behaupten, die „Zahlen in Deutschland“ seien „zuletzt stark durch importierten Antisemitismus geprägt [Herv. v. mir]“ sagt man also, wenn man damit verharmlosen möchte, dass - so jedenfalls Josef Schuster - die politische Rechte der Hauptakteur im Hinblick auf Antisemitismus in Deutschland ist. (Ich beziehe mich hier auf Aussagen Schusters von 2021 in der ARD-Sendung monitor.)

3 „Gefällt mir“

Das ist so auch nicht korrekt, auch wenn es gerne so verbreitet wird.

Die Grenzen wurden geöffnet für Menschen, denen eigentlich nach der geltenden Rechtslage die Einreise konsequent verweigert worden wäre. Dass die Grenzen für Einreiseberechtigte zu jeder Zeit offen waren ist selbstverständlich. Wenn daher gesagt wird, dass die Grenzen 2015 geöffnet wurden, bezieht sich das relativ offensichtlich nur auf diejenigen, die eigentlich keine Einreiseberechtigung haben.

Bevor mich für diesen Abschnitt wieder alle kritisieren: Ich gebe lediglich die geltende Rechtslage nach den Dublin-Abkommen wieder. Ich bin auch gegen die Dublin-Abkommen, weil diese die Last der Migrationsbewegungen völlig auf Italien und Griechenland abladen, aber es ist nun einmal die geltende Rechtslage. Entgegen dieser Rechtslage wurden die Grenzen 2015 aus humanitären Gründen geöffnet, was ich - wie gesagt - auch korrekt finde.

Die Behauptung „Die Grenzen wurden nicht geöffnet, die waren ja schon offen“ ist hier vereinfachend-populistisch, da die Grenzen eben für die Personen, über die wir hier reden, gerade nicht geöffnet waren. Die technische Wahrheit (der Status der Grenzübergänge war: (für Berechtigte!) Geöffnet) wird hier schlicht verwendet, um die tatsächliche Wahrheit (für die Flüchtlinge waren die Grenzen vor der „Öffnung“ geschlossen) zu verschleiern.

Ich verstehe den Sinn dieses „Kampfes um die Sprache“, weil Sprache natürlich ein wesentliches Element der Konstruktion soziales Realitäten ist, aber in Fällen wie diesen ist es einfach unproduktiv, Sprache zu verdrehen.

5 „Gefällt mir“