Exakt, und genau deshalb sollten solche Aktionen und Kampagnen verstärkt gefahren werden.
Mag sein, dass das in NRW der Fall ist (ich bin wie gesagt kein Autofahrer, daher fehlt mir selbst hier in NRW der Überblick), aber es ist definitiv nicht überall in Deutschland der Fall.
Aber genau deshalb argumentiere ich eben für mehr Informationskampagnen und medienwirksame Aktionswochen, bevor wir das stumpfe Schwert des Ordnungswidrigkeitenrechts schärfen…
Für die juristisch interessierten:
Der klassische Lehrbuchfall dazu ist oft die Jagdwilderei. Daher: Autofahrer fährt Hase tot und denkt sich nichts böses dabei, sondern eher: „Cool, Abendessen!“. Er weiß nicht, dass das tatsächlich verboten ist („Jagdwilderei“).
Früher ging die Rechtsprechung von einem vermeidbaren Verbotsirrtum aus, die Rechtsprechung war daher ziemlich streng. Vermeidbar ist ein Verbotsirrtum dann, wenn dem Betroffenen zumindest hätten Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Handelns aufkommen hätten müssen.
Daher: Der Autofahrer hätte sich denke müssen: „Darf ich diesen Hasen jetzt wirklich mitnehmen?“.
Die neuere Rechtsprechung sieht das deutlich weniger streng. Während vor 50 Jahren, also vor allem in der Nachkriegszeit, das Thema Wilderei noch sehr präsent war, ist das heute oft nicht mehr der Fall. Es gab daher vermehrt Urteile, die von einem unvermeidbaren Verbotsirrtum ausgegangen sind, eben weil ein Verbotsirrtum nur vermeidbar ist, wenn das Verhalten zumindest Zweifel auslöst.
Zurück zum Rettungsgassenfall:
Jemand, der nicht weiß, dass es eine Pflicht zur Rettungsgassenbildung gibt, kann keinen Zweifel daran haben, dass sein konkretes Verhalten ordnungswidrig ist. Ordnungsrechtlich brauchen wir allerdings auch keinen Vorsatz, sondern alleine die Tatsache, der Verantwortliche für die Entstehung des Problems zu sein, genügt („Störerhaftung“). Aber gerade weil deshalb der Rahmen für eine Bestrafung unheimlich weit ist, ist es eben wichtig, nicht mit dem Vorschlaghammer zu agieren und stets maximale Bußgelder zu verhängen. Und genau deshalb sind mündliche Verwarnungen hier oft sinnvoller.
Bußgelder sollen auf der individuellen Ebene dazu dienen, die Wiederholung eines Verhaltens unwahrscheinlicher zu machen. Dieses Ziel kann auf individueller Ebene aber eben auch mit einer mündlichen Verwarnung (und Aufklärung über die Pflicht zur Bildung der Rettungsgasse) gleich gut oder sogar besser erreicht werden, wenn wir davon ausgehen, dass tatsächlich nahezu niemand „absichtlich“ eine Rettungsgasse blockiert (und davon gehe ich wie gesagt aus… sieht das jemand anders? Also glaube jemand, dass Leute die Rettungsgasse blockieren, weil sie zu faul sind, eine Rettungsgasse zu bilden?). Kurzum: Eine mündliche Verwarnung mit Aufklärung über die Rettungsgassenbildung ist vermutlich effektiver als eine z.B. über Dashcams aufgenommene Ordnungswidrigkeitenanzeige, die dann schriftlich als Bußgeld beim Betroffenen eingeht und bezahlt wird, dabei aber oft Fragezeichen hinterlässt.
Das strikte Verhängen von Bußgeldern ändert auf der kollektiven (also gesellschaftlichen) Ebene ebenfalls nichts. Allenfalls ändert es dann etwas, wenn darüber berichtet wird. Das erreichen wir aber nicht, indem wir bundesweit strikter Bußgelder verhängen, sondern vor allem, wenn wir konzentriert, in Zusammenarbeit mit den Medien, in Schwerpunkten Aktionswochen machen, über die dann z.B. im Radio berichtet wird.
Zur Sicherheit nochmal:
Ich sage nicht, dass bei Rettungsgassenverstößen nie Bußgelder verhängt werden sollten. Gerade wenn es zu einer konkreten Gefährdung kommt oder Leute uneinsichtig sind kann man hier natürlich auch satte Bußgelder verhängen. Ich bin nur gegen einen radikalen Automatismus, der die Gegebenheiten des Einzelfalls außer Acht lässt.