Auch wenn ich selbst hier nicht gemeint bin: Es würde den Diskurs konstruktiver machen, wenn man auf solche harte Formulierungen verzichtet. Wir passiert das allerdings auch immer wieder (wie ich meine: immer seltener). Aber angesichts des zunehmend schwierig werdenden Diskurs in unserer Gesellschafter - nicht nur in Social Media, sondern inzwischen schon im Freundes- und Bekanntenkreis - fände ich es toll, wenn sich jeder explizit die Mühe geben würde, auf solche „Diskus-Blocker“ einfach zu verzichten.Es geht ja nicht darum, den anderen vorzuführen, sondern einzig und allein ihn für sein eigenes Argument zu öffnen.
Das Ziel von Arbeitskämpfen ist letztlich ein Kompromiss der Positionen.
Zumindest für einen nicht unbeträchtlichen Teil der Teilnehmer an Diskussionen zu diesem Thema geht es ja gerade nicht um einen Kompromiss. Das ist auch die offizielle Linie der ukrainischen Regierung und auch der Bundesregierung. Es geht ihnen um die Durchsetzung internationalen Rechts: Also darum, dass Russland keinerlei Erfolg bekommen darf. Damit für Russland, aber auch z.B. für China und andere imperialistischen Mächte kein Anreiz entsteht, sowas nochmal zu zu versuchen. Und damit in Waffenstillstandsvereinbarungen Russland gar nicht auf die Idee kommt, einem Waffenstillstand zuzustimmen und im Stillen bereits fest zu planen, das gewonnene Territorium in einigen Jahren noch zu erweitern.
Das aber macht nur Sinn, wenn überhaupt eine realistische Chance existiert, dass die Ukraine mit westlichen Waffenlieferungen das Territorium in den Grenzen vom 23.2. zurückgewinnt. Sollte man das ausschließen.
Wenn eine solche Chance nach der Überzeugung der meisten Militärexperten nicht existiert, dann muss sich die Ukrainische Regierung fragen, ob alle die Toten den Kampf noch wert sind. Ich habe jedoch nicht den Eindruck, dass es eine solche „Mehrheitsmeinung der Experten“ gäbe. Vielmehr rätseln alle wild durcheinander. Krieg scheint eben mit (Natur)wissenschaftlichen Methoden nicht zu analysieren zu sein.
Wenn aber eine solche Chance besteht und es den unterstützenden Staaten es um die Durchsetzung von internationalem Recht geht, dann gebietet es die Moral, die Ukraine schnellstmöglich und umfänglich mit allen Waffen zu beliefern, die notwendig sind, damit es mit geringstmögliche Verlusten auf der eigenen Seite die Territorium in den Grenzen vom 23.2. zurückgewinnt.
Jede Zwischenposition, jedes Herumlavieren leistet der Perpetuierung des Krieges Vorschub. Er wird unnötig in die Länge bezogen, ohne dass man in dem Ziel, internationales Recht durchzusetzen, näher kommt und sehr viele Menschen sterben - auf beiden Seiten. Und dabei nimmt das Risiko, dass Russland den Krieg immer weiter eskaliert, eher zu als ab. Gleichzeitig steigt in den unterstützenden Ländern der Unmut in der Bevölkerung über die wirtschaftlichen und v.a. sozialen Opfern, die sie erleiden müssen.
Denjenigen, die auf das Risiko verweisen, in den Krieg hineingezogen werden, sage ich: Ihr müsst Euch entscheiden. Wenn Ihr dieses Risiko nicht eingehen wollt, müsste ihr auf die Durchsetzung des internationalen Rechts verzichtet. Denn: Wer internationales Recht durchsetzen will, will den Misserfolg für Putin. Und wie Putin auf einen solchen Misserfolg reagiert, kann niemand vorher sagen. Es bleibt das Risiko, dass er A-, B- oder C-Waffen einsetzt. Wenn wir dieses Risiko nicht eingehen wollen, müssen wir auf die Durchsetzung internationalen Rechts verzichten und und in einer Welt leben, in der Imperialisten vor Augen geführt bekommen, dass die Bevölkerung der westlichen Welt nicht bereit ist, für ihre Werte Risiken einzugehen.