LdN 297: Offener Brief, Frieden

Moin, ich würde mir mal sehr wünschen, dass die LdN vielleicht mal jemanden der Unterzeichner der Briefe einlädt zu einem Interview. In dieser Sendung war auch ein Thema, dass die LdN sich zu sehr in ihrer eigenen Bubble bewegt und ich muss dem als langjähriger Zuhörer zustimmen. Interviews werden eigentlich immer nur mit Personen geführt, die die gleichen Ansichten vertreten wie unsere beiden Autoren. Im Bezug auf den offenen Brief möchte ich hier auch noch sagen, dass ich den Vergleich mit den 1930-40 Jahren ziemlich blödsinnig finde. Machen wir uns nichts vor, hätte Deutschland es geschafft vor Kriegsende Atomwaffen zu entwickeln, währen die Alliierten niemals nach Europa gekommen und hätten Deutschland Frieden angeboten und dafür andere europäische Länder geopfert. Man muss auch einfach mal zur Kenntnis nehmen, dass die Mehrheit der Weltbevölkerung auf der Seite Russlands steht oder zumindest nicht auf der Seite des Westens. Vielleicht war das auch ein Grund für den Brief, weil man einfach sehen muss, dass wir den internationalen Kampf gegen Russland verloren haben und z.B. die afrikanischen Staaten, asiatischen Staaten, den Westen für die Hungersnöte, Energieknappheit verantwortlich machen. Eine vielleicht bisschen provokante These ist, dass wir die Teile der Ukraine opfern müssen, um nicht den Rest der Welt zu verlieren, denn je länger der Krieg dauert und je mehr globale Folgen er hat, desto mehr werden wir dafür verantwortlich gemacht. Wir als Westen sind nämlich ziemlich in der Minderheit auf der Welt.

1 „Gefällt mir“

Die Crux: Der Westen/die Ukraine auf der einen Seite und Russland auf der anderen haben sich gegenseitig momentan nichts realistisches anzubieten. Es fehlt auf beiden Seiten die Glaubwürdigkeit. Weder wird man auf unserer Seite sich darauf verlassen können, dass Russland nach territorialem Zugeständnis X den Rest der Ukraine dann in Frieden gewähren lässt. Noch kann Russland davon ausgehen, dass der Rest der Ukraine seine (extrem weit gefassten) Sicherheitsinteressen zukünftig nicht gefährden würde.

Russland hat in diesen Krieg viel zu viel investiert, um mit ein paar Quadratkilometern Land abgefunden werden zu können, während der Rest der Ukraine die Westbindung fortsetzt (auch und gerade als Konsequenz der letzte Monate). Und der Westen kann nicht die ganze Ukraine an Russland ausliefern, ohne mit zahlreichen Verbündeten östlich von Berlin einen riesigen Eklat zu provozieren.

Das ist wie eine Vase, die auf dem Boden zerschellt ist. Man kommt nicht zum Zustand quo ante zurück.

Es muss erst eine Entwicklung eintreten, die für eine neue Faktengrundlage schafft, die von beiden Seiten anerkannt wird. In Kriegen ist das entweder ein eindeutiger militärischer Erfolg einer Seite oder die Ermattung, nachdem beide Seiten einen Großteil ihrer Ressourcen erschöpft haben (ein Beispiel dafür aus jüngerer Vergangenheit wäre der Iran-Irak-Krieg - da war dann nach 8 Jahren die Luft raus).

Deswegen fehlt der Forderung, der Westen solle nun möglichst schnell eine Verständigung mit Russland anstreben, aktuell die Verhandlungsgrundlage.

4 „Gefällt mir“

Solche Hypothesen bringen uns nicht wirklich weiter. Ich für meinen Teil glaube das nicht, denn Churchill und Roosevelt waren 2. Weltkrieg entschlossen, Nazi-Deutschland und das imperiale Japan zu besiegen, gerade weil man wusste, was diese „Reiche des Bösen“ in ihrem Machtbereich anrichten. Der Weg dahin wäre nur schwieriger geworden.

Nur weil zB. die chinesische Diktatur Russland unterstützt, heißt das noch lange nicht, dass alle oder nur die meisten seiner Bewohner diesen Krieg gutheißen.

Nee der Brief ist vor allem Ausdruck von Bequemlichkeit und Ignoranz gegenüber einem angegriffenen Land.

1 „Gefällt mir“

Nein. Die Idee dass eine Atombombe das erreicht hätte bei einem anderweitig „gesunden“ Staat ist sehr unwahrscheinlich wenn man sich die Moral der Bevölkerung der alliierten Staaten anschaut. Das ist eher ein Wolfenstein Szenario.
Außerdem ist der Glaube, dass man Atommächte nicht besiegen könnte falsch:
USA, UdSSR, Frankreich und UK müssen dem leider widersprechen :slight_smile:

Dass Staaten wie rivalisierende China mit 1.4 Mrd Menschen eher im Team Russland sind, muss niemanden überraschen.
Hier geht es um weitaus mehr: gerade die Chinesen schauen ganz genau und interressiert hin, wie weit wir bereit sind zu gehen (HUST Taiwan HUST), um unsere unmittelbaren geopolitischen Interessen durchzusetzen. Wenn wir jetzt nach nur drei Monaten aufgeben ist die message an die Welt klar:

Jeder der eine bestimmte Größe (militärisch v.a.) überschritten hat, kann alles tun und lassen was er will. Ja, es wird am Anfang wütende diplomatische Reaktionen aus dem Westen kommen, paar Sanktionen hier und da (in einer multi polaren Weltordnung zunehmend überlebbar, zumindest am Anfang) und die dekandente Bevölkerung (genauso sieht uns Putin) bekündet auf Instagram groß ihre Trauer und Wut, hat aber nach 3 Monaten keinen Bock mehr und ist nicht resilient genug, Opfer zu bringen (hier reicht schon eine teure Gasrechnung).

Genau hier spielt Appeasement und die Lehren aus den 1930er mit herein: wer ab einem gewissen Punkt keine Stärke und Willen zum Handeln zeigt, macht sich nur zum Opfer von künftigen Aggressionen. Das hat die Geschichte immer und immer wieder gezeigt. Daher werden wird durch das „opfern“ eines uns freundlich gesinnten demokratischen Staates, der sich zunehmend verwestlicht, an unserer eigenen (!) Ostflanke nicht nur kurzfristig zum Verlierer, sondern auch mittel- und langfristig zum geopolitischen Push Over.

7 „Gefällt mir“

Der Vergleich, dass man Russland (im Besitz der Hälfte aller Atomwaffen) mit Gewalt Einhalt gebieten muss, weil es ja auch bei Nazi-Deutschland notwendig und erfolgreich war (dafür musste das Land praktisch in Schutt und Asche gelegt werden) hinkt an so vielen Stellen, dass er nach meiner Ansicht nicht zielführend ist. Entsprechend halte ich es auch nicht für sinnvoll, dass die Lage ihn immer wieder bemüht. Es gibt viel sinnvollere Argumentationen, dass man Russland hier durch eine militärische Unterstützung der Ukraine entgegen treten muss.

Die grundsätzliche Einschätzung des Briefes in der Lage fand ich diesmal in Summe deutlich gelungener. Hier ging es diesmal weniger darum, die Verfasser zu diskreditieren, sondern deren Argumente zu entschärfen. Und das fand ich auch gelungen – gerade mit Verweis auf den Stand der Wissenschaft zum Thema gewaltfreie Konfliktlösung.

Hier liegt allerdings auch gleich mein größter Kritikpunkt: so sinnvoll ich es finde, dass die Lage hier den Stand der Wissenschaft / der Experten bemüht und explizit darauf hinweist, dass es begrenzt sinnvoll ist, in diesen Themen zu viel Gewicht auf Meinung und Spekulation zu legen – so seltsam mutet es an, dass genau diese These einen Satz vorher vollkommen in den Wind geschlagen wird.

Hier wird die Aussage des Briefs behandelt, dass Experten die Rückeroberung von Krim und Donbass als extrem unrealistisch einschätzen. Diese Experteneinschätzung (die ich zumindest aus Beobachtung unzähliger Interviews, Berichterstattungen und politischen Talkshows bestätigen kann) wird dann direkt mit der steilen These gekontert, dass man diese Ziele durchaus erreichen könnte, wenn man die Ukraine nur ausreichend unterstützt. Puh. Dass man deutlich mehr Kriegsziele der Ukraine erreichen könnte, wenn man schneller Waffen liefert – das ist ja kaum umstritten. Dass die Ukraine so auch eine realistische Chance auf die Befreiung der Krim hätte, ist m.E. eine Spekulation der jede Substanz fehlt. Dass solche Ziele unrealistisch sind ist auch eine Realität, der man sich stellen muss.

Meine Empfehlung / Bitte: wenn ihr den Stand der Wissenschaft / die Einschätzung von Experten heranzieht, dann bitte konsequent. Eine ähnliche Situation habe ich bei der Einschätzung zur Übergewinnsteuer beobachtet. Während sonst zu solchen wirtschaftlichen Fragen sehr häufig die Einordnungen von Marcel Fratzscher und / oder Claudia Kemfert* zitiert werden, passierte das in der entsprechenden Lage-Folge nicht. Bemerkenswert: beide äußern sich tendenziell für eine solche Übergewinnsteuer. Ist ja völlig OK, dass die Lage hier anderer Meinung ist, aber diesen offensichtlichen Gegenpol selektiv auszublenden, hinterlässt einen seltsamen Eindruck. Alles keine schwerwiegenden journalistischen Fehler, aber eine für mich irritierende Tendenz mit dem gut gemeinten Hinweis darauf zu achten.

*Claudia Kemfert wurde in der anschließenden Folge sehr sehr sehr kurz und ohne wesentliche Bezugnahme dazu zitiert.

2 „Gefällt mir“

Ich würde so ein Streitgespräch auf der Entertaiment-Ebene auch sehr interessant finden. Aber dabei kämen wohl kaum neue Erkenntnisse rum.
Und wer weiß, ob die überhaupt kommen wollen würden. Sie müssten ja damit rechnen, ziemlich hart angegangen zu werden, ist ja nicht wie bei „Hart aber fair“ hier, sondern LdN.

War bei Andrij Melnyk und Thilo Jung neulich ja auch so. Der Jung hat Melnyk einen Fakt nach dem anderen serviert und der Melnyk konnte irgendwann nur noch sagen: „Davon weiß ich nichts“ oder „Da habe ich eine andere Meinung als die Historiker“.

Ansonsten, ist zumindest mein Eindruck, laden Phillip und Ulf ja auch eher Fachpersonal ein, wie z.B. den Chef der Bundesnetzagentur, die dann auch wirklich sinnvolle Einblicke beisteuern können.

Aber mit Ruprecht Polenz war ja auch schon mal jemand aus der CDU da, der diese zwar punktuell ein bisschen kritisiert hat, aber im Großen und Ganzen eher verteidigt hat.

Mal davon ab, dass ich dir da nicht zustimme, aber sollten die Verfasser dieses Briefes diesen Standpunkt nicht selber anführen? Mit solchen späten Relativierungen bzw. Nachdeutungen schwächt man, meiner Meinung nach, doch nur das Ursprungsdokument.

Überleg doch mal, was du da geschrieben hast. „Wir“ sind nicht die, die das für die Ukraine zu bestimmen haben. Wir können nur über unsere Unterstützung für die Ukraine entscheiden.

Und wenn „wir“ diese Unterstützung einstellen, aber die Ukraine dann noch monatelang vergeblich gegen die Russen kämpft, dann haben „wir“ auf der humanitären Seite für die Ukraine genau gar nichs gewonnen. Achso ja, außer natürlich, dass Russland uns! wieder mit billigen Gas und Öl beliefert.

1 „Gefällt mir“

die kritik, dass die lage bubbelig sei, hat mit der abstimmung der lagelive eine ganz neue dimension angenommen. nicht ein zuschauer stimmte für den Melzer brief. bemerkenswert!

Das, mit genügend militärischer Ausstattung die Ukraine die Krim zurückerobern könnte steht jawohl ausser Frage. Was selbst eine kleine Armee, sollte sie besser ausgestattet sein, in der Lage ist zu erreichen sieht man doch sehr gut an Israel. Von einem solchen Punkt ist die Ukraine nur weit entfernt, auch Aufgrund mangelnder Unterstützung. Frieden beruht in unserer heutigen Zeit leider wieder auf einem Gleichgewicht der Kräfte. Der Bully hört nicht auf, nur weil man ihn darum bittet.

3 „Gefällt mir“

Ich habe den offenen Brief nicht in Gänze gelesen, kennen vorwiegend nur Zusammenfassungen.
Dem Grundtenor („Krieg ist schlecht“) stimme ich ja auch absolut zu. Auch das Diplomatie immer die bessere Variante vor Waffenlieferungen und militärischen Optionen sein sollte, gehe ich mit.
Was mich allerdings immer etwas irritiert an diesen Briefen Intellektueller, das es nie um konkrete Lösungsvorschläge geht. Die Kernaussage ist im Grunde nur „Hört doch bitte einfach auf mit dem Krieg“. Dazu noch noch so formuliert, ob das eine rein westliche Angelegenheit wäre, also mit dem Unterton, gebt die Ukraine doch einfach auf, dann ist alles schnell vorbei. Wo ist da die Weitsicht Intellektueller? Also di Frage, was kommt nach der Ukraine, wenn Russland seine expansive Ausrichtung beibehält?
Da erwarte ich von derart gebildeten Verfassern mehr.

3 „Gefällt mir“

Das ist mir auf - leider negativ - aufgefallen. Auch wenn ich darüber, ob die Ukraine im Fall von Lieferung dafür geeigneter Waffen nicht doch in der Lage wäre, wenigstens den Donbas zurück zu erobern, keine Meinung bilden kann, wäre ich gerade an der Antwort auf diese Frage sehr interessiert gewesen.

An dieser Antwort hängt m.E. sehr, sehr viel. Denn die Bevölkerung im Westen wird nicht mehr länger bereit sein, große wirtschaftliche Opfer zu bringen, wenn wir letztlich doch nur „ein totes Pferd reiten“.

1 „Gefällt mir“

Der Mitlitärexperte Marsalla ist der Überzeugung, nur die Lieferung von Kampfpanzer könne die Ukraine in die Lage versetzen, Gebiete zurück zu erobern:

4 „Gefällt mir“

Ich fand die Darstellung sehr gut begründet. Insbesondere die (von mir stark verkürzte) Argumentation „man muss nur genug eskalieren, dann gibt es nach dieser Logik nur noch die Kapitulation“ sehr einleuchtend. Ich habe große Sorge dass das Signal, das wir derzeit in die Welt senden ist: „Wir sind auf keinen Fall bereit unseren Wohlstand einzuschränken um irgendwelche Werte zu verteidigen.“

1 „Gefällt mir“

Muss mich dieser Kritik anschließen. Ulf und Phillip wischen das doch sehr tragende Argument einer unrealistischen Rückeroberung des Staatsgebiets der Ukraine einfach mal so eben weg, als sei dies nicht der Dreh- und Angelpunkt der gesamten Argumentation. Sicherlich könnte die Ukraine unter der Lieferung von Atomwaffen ihr Staatsgebiet zurückerobern, sicherlich könnten Streitkräfte der unterstützenden Länder die Situation ändern. Sicherlich könnte die Weltengemeinschaft direkt in den Krieg eingreifen und Russland zur Kapitulation zwingen. Aber realistisch ist dies in keinster Weise und die Konsequenzen sollten jedem klar sein. Tatsächlich gehen der Ukraine nicht nur Waffen sondern MENSCHEN aus.
Also sprecht doch einfach aus, dass hier die Entscheidung nicht zwischen Waffenlieferungen und Kapitulation der Ukraine liegt, sondern zwischen einem aktiven Eingreifen und einer Kriegserklärung an Russland und eben dieses nicht zu tun. Es ist einfach unglaublich feige, einerseits von diesem Krieg faktisch fast nicht betroffen zu sein, andererseits aber eine Eskalation voranzutreiben.

Auch Ulfs Aufhänger an dem Wort „Frieden“. In keinem Wort wird ein sofortiger Waffenstillstand mit Frieden gleichgesetzt. Es geht hier nicht darum, dass eine Beendigung der Aggression Russlands und der möglichen Kapitulation der Ukraine gleich Frieden bedeutet. Ganz im Gegenteil wird gefordert, FriedensVERHANDLUNGEN zu beginnen und diese Verhandlungsergebnisse unter Beiwohnung der Weltengemeinschaft abzusichern. Und es ist durchaus möglich, zukünftige Aggressionen Russlands wirksam zu unterbinden, selbst wenn die Ukraine kapitulieren muss. Aufnahme weiterer Staaten in die Nato, klare (und selbstverständlich auch militärische) Konsequenzen bei geringsten Verstößen durch Russland etc.

Dieses latente Bestehen auf Gewalt und Eskalation und die Glorifizierung von Krieg und dieser romantischen Vorstellung einer Verteidigung, die hier immer mehr um sich greift, macht mich geradezu wahnsinnig. Und natürlich immer aus den Mündern von Menschen, die in ihrem gesamten Leben wohl noch keine echten Gewalterfahrungen machen mussten…

3 „Gefällt mir“

Wenn das wirklich so ist, dann würde es nichts ändern, wenn wir alles tun um der Ukraine zu helfen. Inclusive der Lieferung schwerer Waffen. Vielleicht ein bisschen polemisch aber vielleicht gehen die der Ukraine die „Menschen“ sogar weniger schnell aus, wenn sie Panzer mit Panzern bekämpfen und vernünftige Flug- und Raketenabwehr besitzen?

Aber wenn es wirklich keinen Unterschied macht was wir tun, warum drücken wir uns dann davor? Insbesondere weil es schon aus egoistischen Gründen unser Ansehen in der Weltgemeinschaft verbessern würde.

Die für mich logischste These: Weil es eben doch einen Unterschied machen würde und dieser aber mit unerwünschten Konsequenzen für uns verknüpft wäre (siehe „gewinnen“ vs. „nicht verlieren“). Wir sind derzeit einfach kein Akteur sondern ein Spielball.

Dabei würde ich dir zustimmen, insbesondere der Spielball Metaphorik. Ich wollte mit meinem Post auch weniger eine Position beziehen, als die Diskussion zu erweitern:
Nämlich um die Frage, ob wir dazu bereit sind für die Ukraine in einen Krieg mit Russland involviert zu werden oder ob dies zu einem späteren Zeitpunkt oder gar nicht geschehen muss. Und dies wird einfach viel zu oft übergangen. Es wird keine Unterstützung der Ukraine mit einem „Gewinnen“ geben, ohne dass wir nahezu direkte Kriegspartei werden müssen. Unterstützen und gleichzeitig hinter der Ukraine verstecken ist feige und einer freiheitlichen Demokratie unwürdig.

Und wenn man diese Diskussion also führen will, muss allen beteiligten Akteuren klar sein, was ein solcher Krieg bedeuten würde. Um ehrlich zu sein ist mein Eindruck auch derzeit, dass diese Haltung und die damit verbundene Unsicherheit vorherrschend ist. Denn einen „echten“ Krieg mehrerer Großmächte zu verhindern, sollte in Zeiten atomarer Bedrohung leider das oberste Ziel sein.

Wenn wir schnell und unbürokratisch die Dinge liefern, die wir der Ukraine schon zugesagt haben werden wir nicht zur Kriegspartei. Dieses Argument wurde glaub ich selbst in der Lage schon einmal debunkt - als es um den letzten offenen Brief ging.

Als es um Flugsverbotzonen ging wurde die rote Linie meiner Meinung nach bereits recht deutlich gezogen: Material und Unterstützung, aber kein direktes Eingreifen von NATO Staaten in den Krieg. Das ist die Entscheidung. Und daher müssen wir meiner Meinung nach Unterstützung für ein völkerrechtswidrig angegriffenes Land und ein eigenes Eingreifen in diesen Krief einfach klar trennen. Das steht hier nicht zur Debatte.

Mir wäre es aber wichtig Dinge, zu denen man sich entschieden hat dann auch umzusetzen. Und ich glaube wir würden selbst auch langfristig davon profitieren, wenn wir das klare Signal senden würden: "Wir unterstützen keine Schurkenstaaten und sind im Zweifel bereit diese Werte auch bei unangenehmen Konsequenzen zu verteidigen… "

Eine Rückeroberung des Donbass scheint in der Tat theoretisch noch möglich (auch wenn die Chancen mit jedem Tag schwinden). Voraussetzung wäre selbstredend eine massive Intensivierung der Waffenlieferungen.

Ich hab an anderer Stelle mal ausgeführt, dass ich im Ukraine Konflikt absolute Aussagen, die auf gesinnungsethischen Grundsätzen basieren oft sehr schwierig finde.

Natürlich hat die Ukraine ein Recht auf die Krim und natürlich ist internationales Recht weniger wert, wenn wir es nicht durchsetzen. Aber wir können das Recht der Ukraine auf die Krim ja nicht vergleichen mit dem Recht z.B. eines deutschen Bürgers auf sein Eigentum. Im letzteren Fall ist das Recht mit überschaubarem Aufwand durchsetzbar im ersteren Fall nicht.

In der Praxis gibt es weltweit unzählige Brüche internationalen Rechts, die wir nicht ahnden. Das mag zum einen daran liegen, dass hier westliche Interessen keine Rolle spielen. Es wird aber zum anderen auch daran liegen, dass die Aussichten auf Erfolg überschaubar wären. Ich erinnere nur mal an das Afghanistan Desaster, an dem sich immerhin eine internationale Gemeinschaft beteiligt hat.

Der richtige Weg kann also nur ein verantwortungsethischer Ansatz sein, bei dem abgewägt wird, was für den Geschädigten und den Intervenierenden (da kann man sich jetzt streiten, wie man das gewichtet) auf dem Spiel steht und welche Erfolgswahrscheinlichkeit das Unternehmen hat.

Die Krim scheint da für mich (auf Basis heutiger Einschätzungen) ein Fall zu sein, bei dem eine militärische Rückeroberung verantwortungsethisch nicht zu rechtfertigen wäre. Die Erfolgswahrscheinlichkeit ist minimal. Man muss also das hohe Risiko in Kauf nehmen, dass die Region komplett zerstört wird und trotzdem in russischer Hand bleibt. Die Frage wäre zudem, wie die Bevölkerung der Krim in ihrer Gesamtheit zu dieser Rückeroberung steht. Die andere Frage wäre, wie viele Menschen dafür ihr Leben lassen müssten. Mal abgesehen davon, dass diese Region nie einen stabilen Frieden erleben würde. Wohlgemerkt: ich spreche nicht davon, was die Ukraine hier entscheidet zu tun, sondern, für was wir uns als internationale Gemeinschaft entscheiden zu unterstützen.

Nun ist es für das aktuelle Handeln relativ unerheblich, ob wir die Rückeroberung der Krim als Kriegsziel ausgeben oder nicht. Schwere Waffen liefern und zwar schnell müssten wir in jedem Fall. Aber für die Diskussion und Akzeptanz in der Bevölkerung macht es schon einen Unterschied, wenn man tendenziell unrealistische Kriegsziele ausgibt.

2 „Gefällt mir“

Was für eine Eskalation wird denn vorangetrieben? Wie sehr kann ein Krieg denn weiter eskalieren, in dem jetzt schon fast alles eingesetzt wird, was international geächtet ist? Ja wir könnten die Ukraine noch mit besseren, stärkeren Waffen versorgen. Drohnen, Artillerie, Flugzeuge und Kampfpanzer und ja, das könnte den Krieg für Russland so teuer machen, dass sie sich zurückziehen müssen. Und die Nato könnte auch in den Krieg aktiv eingreifen. Das sind mögliche Szenarien und die Frage ist nur, ob China, Indien usw. sich dann raushalten. Der Vergleich mit Deutschland hinkt, da die Nato ja nicht in Russland einmaschieren würde. Offiziell ankündigen, dass man Ende der Woche die Ukraine unterstützt und Russland bis dahin Zeit hat, sich auf seine Grenzen zurückzuziehen. Dann liegt der Ball bei Russland. Dies sind alles mögliche Szenarien. Dass Russland friedlich einlenken wird, kann doch niemand wirklich erwarten. Und auch nicht, dass die Ukraine aufgibt. Notfalls wird es ein weiteres Afghanistan mit Guerillataktik und jahrelangen Kämpfen. Ob hiermit international die Kosten nicht sogsr größer wären…keine Ahnung.

Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Wieso sollte die Lage überhaupt jemanden einladen, der oder die keine Expertise hat? Welchen Mehrwert hat ein Gespräch mit Richard David Precht zu diesem Thema?

Stimme dir wieder zu, denke jedoch, dass alles was bisher zugesagt wurde, nicht für einen Sieg der Ukraine ausreichen würde, zumal Russland den Konflikt nach Belieben weiter eskalieren kann. Die Prämisse war ja, welcher Grad der Unterstützung zu einer wirklichen Befreiung der Ukraine führen könnte.

1 „Gefällt mir“