Ich hatte folgenden Beitrag als direktes feedback an die hosts formuliert, hier wäre aber wohl der richtigere Ort, auch eure Meinungen miteinzubeziehen.
Ich frage mich manchmal, ob unsere kollektive Realität nach Ende des zweiten Weltkriegs einfach so weit von Krieg und Elend weg gerückt ist, dass wir das aktuelle Grauen gar nicht mehr wirklich nachfühlen können. Das wäre zumindest eine Erklärung, warum viele (z.B. auch Wehrdienstverweigerer) so schnell darin waren, ein Anheizen des Kreiges mit Waffenlieferungen zu fordern.
Ich bin ich ehrlich gesagt enttäuscht von der Eindimensionalität der LdN und dem, was meiner Meinung nach schon einem konzertierten medialen bashing gleichkommt, was alle paradigmatisch pazifistischen Meinungen angeht.
Pazifismus hat für mich per se einen Stellenwert in unserer demokratischen Gesellschaft und muss doch Teil einer aufgeklärten, liberalen Berichterstattung wie der der LdN sein - Demokratien führen schließlich keine Kriege gegeneinander und das ist doch eine der größten Errungenschaften, die mit ihnen einhergehen. Von Beginn des Ukraine-Krieges wurde eine solche Anschauung als nicht zeitgemäß und illusionär abgetan. Pazifismus mag in der aktuellen Situation nicht weiterhelfen, auch wenn es manche gibt, die sich einen ‚wehrhaften Pazifismus‘ wünschen - wie auch immer ausgestaltet. Es muss aber doch erlaubt sein, mehr noch, es muss doch das Leitbild sein, Menschenleben auf beider Seiten an erste Stelle zu stellen und Waffen, Zerstörung und Vernichtung als absolutes Übel auch in Kriegszeiten zu verdammen. Dieser Krieg wird letztlich am Verhandlungstisch beendet werden, die Frage ist nur wann und zu welchen Konditionen. Die Maxime muss doch sein, dieses Ende schnellstmöglich mit dem besten Ergebnis für die Ukrainer:innen herbeizuführen.
Ob Waffen dabei helfen ist letztlich gar nicht bewiesen, zumindest muss aber doch jedes diplomatische und ökonomische Mittel ausgeschöpft sein, bevor deutsche Waffen in der Ukraine Menschen töten dürfen. Bevor dies nicht erfüllt ist, können Waffenlieferungen doch moralisch gar nicht vertretbar sein (auch wenn diese zugegebenermaßen an anderer Stelle zuhauf an fragwürdige Regimes stattfinden). Dass diese Perspektive von der LdN zumindest beleuchtet wird, hatte ich mir erhofft.
Es gab ja in der Lage live dann eine erfreuliche Erweiterung des Fokus und eine Position in der Friedens- und Konfliktforschung wurde mal dargestellt. Ich bin selbst alles andere als ‚vom Fach‘, komme aus ganz anderer naturwissenschaftlicher Ecke und bin Mediziner. Es ist aber doch offensichtlich, dass es in dieser Disziplin (Friedens- und Konfliktforschung bzw. internationale Beziehungen) verschiedene Richtungen gibt - Realismus, Liberalismus, Konstruktivismus um nur diese drei zu nennen - und es in den entsprechenden Fachkreisen durchaus sehr unterschiedliche Ansätze und Interpretationen dieses Konflikts und seiner Lösung gibt. Von daher würde ich mir doch eine etwas vertiefte und unvoreingenommenere Betrachtung der wissenschaftlichen Meinungen wünschen. Denn es ist ja mit Nichten so, dass - wie in der Lage live angedeutet - andere Sichtweisen wissenschaftlichen ‚Gesetzmäßigkeiten‘ nicht standhalten würden. Der Realismus, der jetzt wieder stärker in den wissenschaftlichen Fokus der internationalen Beziehungen rückt, stand bspw. ja zu Zeiten des Zusammenbruchs der Sowjetunion auch heftig in der Kritik, weil er diesen nicht erklären oder gar vorhersagen konnte. Abgesehen davon sind grundsätzliche Theorien und Konzepte der Konfliktforschung gar nicht zur Sprache gekommen, können aber sicherlich weiterhelfen, den Konflikt zu verstehen und Herangehensweisen zu entwickeln.
Ich würde mich total freuen, wenn ihr diese Forschung und Expertise nochmal geordnet in der LdN aufgegriffen und sortieren werden würde - im Sinne einer vielfältigen und liberalen Informationskultur.