LdN266 - „Lkw sinnvoller auf Wasserstoff umrüsten als mit E-Fuels zu betreiben“

Anschließend an die beiden Threads zu E-Fuels möchte ich hier nochmal auf die sehr knappe Aussage eingehen, dass vieles dafür spräche, dass LkW besser auf Wasserstoff umgerüstet werden sollten.

Dazu sollte man sich mal die Statistiken ansehen, wie viele Kilometer Lkw in der EU im Schnitt zurücklegen, bzw. die Strecken in verschiedene Gruppen einzuteilen.
Die European Federation for Transport and Environment hat das einmal sehr gut aufgearbeitet:

Die Studie dazu:

Deutlich erkennbar ist hier, dass 90% aller EU Lkw-Fahrten unter 300km lang sind und tatsächlich nur 2-3% der Lkw über 700km Strecke zurücklegen.
Das in der Debatte (generell, nicht in dieser Folge) sehr oft angeführte Argument, dass Lkw lange Strecken zurücklegen müssen und Batterien deshalb ungeeignet seien, ist schlichtweg falsch.
Schaut man sich die aktuellsten Fahrzeuge an, so stellt man schnell fest, dass 300km für keinen Hersteller eine besondere Herausforderung ist. Diese Distanzen fahren die batterieelektrischen Trucks schon heute.

Kürzlich hat Futuricum mit ihrem 19-Tonner eine Strecke von 1099km am Stück zurückgelegt. Ja, nur bei 50km/h Durchschnitt, das entspricht nicht genau den Realbedingungen, wir können uns aber ganz sicher sein, dass 300km damit locker drin sind (tippe eher auf 600-700km, weitere Tests sind abzuwarten).

Dazu kommen vielversprechende Startups mit spanenden Fahrzeugen, die sich bewusst auf Kurzstreckentrucks spezialisieren und so Fahrzeuge entwickeln, die z.B. dem Anspruch eines innerstädtischen Lkw zur Belieferung vom Einzelhandel oder Kunden gerecht werden. Die Antriebsplattform ermöglicht gleichzeitig eine völlig neue Bauweise mit niedriger Fahrerkabine, die innerstädtische Lkw deutlich sicherer machen kann (Stichwort Totwinkel-Unfälle & Abbiegeassistent).
Diese Bauform wäre mit Wasserstoff-Plattform so gar nicht möglich oder sehr schwer umzusetzen.

In der Logistikbranche zählt jeder Zehntel Cent, den ein Truck pro Kilometer kostet. Darin enthalten sind Anschaffung, Betriebskosten, Wartungen und Standzeiten.
Wasserstoff ist hier in jeder Hinsicht unterlegen. Höhere Anschaffungskosten, Höhere Betriebskosten, häufigere und kostenintensivere Wartungen, mehr Standzeiten durch diese.
Nicht zu vergessen ist, dass Wasserstoff zwar deutlich energiesparsamer als E-Fuel ist, allerdings immer noch im Faktor 3-4 ineffizienter als direkte Elektrifizierung mit Batterien.

Natürlich ist nicht auszuschließen, dass es z.B. für die paar Prozent Langstrecken-Trucks auch Anwendungsfälle für Wasserstoff gibt. Das ist vollkommen klar.
Ich möchte hier nur mal die Relation zeigen und damit deutlich machen, dass Wasserstoff, auch wenn oft anders suggeriert wird, auch in diesem Segment eine Randerscheinung bleiben wird.

2 „Gefällt mir“

Tesla entwickelt ja auch gerade einen LKW mit 1000km Reichweite. Der wird sich ebenfalls wegen der Betriebskosten durchsetzen

1 „Gefällt mir“

Ich habe Tesla hier bewusst raus gelassen, weil hierzulande schnell der Beißreflex einsetzt, wenn man einen erfolgreichen Automobilkonzern positiv benennt, der nicht aus Deutschland kommt. Oft bekommt man dann im gleichen Satz vorgeworfen „Fanboy“ zu sein und „nicht rational denken zu können“.

Ich bin vollkommen bei dir, der Semi wird sehr spannend, wenn er denn mal irgendwann kommt. Wollte aber hiermit zeigen, dass das auch jenseits von polarisierenden Marken und ihren CEOs auch spannende Entwicklung stattfindet.

Derweil hat sich Nikola mit dem Wasserstoff-Truck ja komplett als Vaporware herausgestellt. Ein riesiger, milliardenschwerer Scam. Für alle die es interessiert:

Es wäre dann aber noch interessant zu wissen, wieviele Trips pro Tag die LKW absolvieren. Wenn es 300km vormittags und 300km nachmittags sind, bräuchte man schone eine enorme Ladeleistung um quasi in der Mittagspause einmal voll aufzuladen. Aber sicher nicht unmöglich.

1 „Gefällt mir“

LKWs bieten sich dafür ja theretisch extrem an. Zum einen sind sie sehr schwer beladen, da macht die Battarie auch keinen großen Unterschied mehr. Andererseits haben sie im Verhältnis zum Luftwiederstand auch eine große Masse, sodass Rekuperieren wohl auch einiges an Energie wiedergibt. Nicht zu vergessen ist, dass sie theoretisch „lange“ Standzeiten haben. Wenn es genug Ladestationen gäbe, könnte man die LKWs problemlos in der Zeit aufladen. (Allerdings gibt es ja noch nicht einmal genug Parkplätze :wink: ). Man muss die LKWs ja auch nicht immer komplett aufladen, nur soviel, dass sie bis zum Ziel kommen.

2 „Gefällt mir“

Wir reden bei den Distanzen von 200-300kWh Akkus. Die kann man ohne Probleme in einer Stunde (während Ent- und Beladung) wieder aufladen. 300kW können die meisten Schnelllader schon heute.
Gerade letztens bin ich bei Sortimo in Zumarshausen am Schnelladepark vorbeigekommen (da stehen auch die Supercharger von Tesla), da hatten die Lader Maximalleistungen von 475kW. 20 Stück hatte der Ladepark (plus ca. 100 weitere mit weniger Power). Sollte damit in so 45 Minuten machbar sein einen solchen LKW aufzuladen.
Technisch also alles überhaupt kein Problem.

Das sind dann Laderaten von 1,5 - 2C, das ist auch für die Akkus kein Problem, aktuelle Fahrzeuge laden mit ca. 3C.

1 „Gefällt mir“

Ja, rein technisch geht vieles, aber ich bin ob der Umsetzung trotzdem skeptisch.

Erstmal würde ich den Verbrauch ein wenig höher schätzen, wir reden hier ja schon von 40-Tonnern oder? Also würde ich mal eher von 150-200 kWh pro 100 km [siehe EDIT] ausgehen, was dann bei 300 km Reichweite eher zu einer minimal netto Kapazität von 450 kWh führt. Mit ein bisschen Puffer und unter Berücksichtigung der Ladegrenzen sind wir dann eher bei 600 kWh, wovon 480 kWh netto Kapazität wären (also ziemlich knapp bemessen, wenn man mindestens 450 kWh für den Trip braucht).
Dazu kommt, dass man auch bei einer 300 kW Ladestation ja nicht durchgängig mit 300 kW lädt, sondern es sich hier um die Peak-Leistung handelt und man je nach Batterietechnologie und thermomanagement im Schnitt deutlich langsamer lädt. Aber egal, sagen wir, wir laden an einem 500 kW Lader und brauchen dann ca. 90 min für einen Ladevorgang. Das wäre ja ungefähr machbar. Ich geben ihnen also recht, technisch geht das alles. Aber ich kann mir noch nicht so ganz vorstellen, dass wir für jeden dieser LKW, die man so oft auf den überfüllten Rastplätzen stehen sieht, einen 500 kW Lader bereitstellen können, auch von der Kostenseite.
Ich denke, batterieelektrische LKW machen dort Sinn, wo man die Kontrolle über die Infrastruktur am Start- und Zielort hat, also typische hub-to-hub Anwendungsfälle. Aber überall dort, wo man am Tag (mit einem 40-tonner) mehr als ca. 500 km zurücklegt, und sei es verteilt auf zwei Trips (hin und zurück bei ungewisser Infrastruktur am Zielort), machen Wasserstoff-LKW schon sehr viel Sinn. Ich lasse mich aber auch gerne vom Gegenteil überzeugen, mein eigentlich Punkt ist folgender:

Die Frage nach dem Antriebsstrang ist in einem so kostengetriebenen Markt wie dem Güterverkehr eher eine ökonomische, als eine technische. Darüber hinaus glaube ich auch das es einfacher zu vermitteln sein wird, dass man die LKW an einigen wenigen Wasserstoff Tankstellen auftanken kann, als das für jeden LKW irgendwo ein Megacharger bereit steht.

EDIT: Nachdem ich den Kommentar geschrieben habe, habe ich nochmal in meine Unterlagen geschaut: bei dem Stromverbrauch habe ich mich etwas verschätzt, er liegt für 40-tonner eher so zwischen 130 und 160 kWh pro 100km. Ich denke aber die darauf basierenden Gedankengänge bleiben valide, da ich mit 150 kWh/100km weitergerechnet habe. Hatte da irgendwie vorher einen Wert von 180 kWh/100km im Kopf, keine Ahnung wo der herkommt.

Das kann einen großen Unterschied machen. In der Quelle von @Lukas wird eine Nutzlast von 6,6t angegeben. Ein derzeitiger 19t LKW hat eine Nutzlast von bis zu 8,5t, also ca. 23% mehr.
Bei vielen Warentransporten (z.b. Metalle, Holz, Sand etc.) ist nicht das Volumen des LKW der begrenzende Faktor sondern die 40 Tonnenbeschränkung.
Bei diesen Transporten könnte es für den Spediteur sinnvoll sein auf den deutlich teureren Wasserstoff zu setzen um mehr Ware auf einer Fahrt mitnehmen zu können.

Eine weiter Möglichkeit für beide Systeme (Wasserstoff und Batterieelektrisch) die Reichweite zu erhöhen wäre es Oberleitungen auf Autobahnen zu installieren. Ein Versuch hierzu läuft bei Hamburg.

Selbst wenn das der Fall wäre, wäre Wasserstoff immer nocch deutlich sinnvoller als E-Fuels. Die Entscheidung für Wasserstoff oder Batterie wird dann wohl eine individuelle Entscheidung der Unternehmen sein, in Abhängigkeit der Kosten und der vorhandenen Lade-/Tankinfrastruktur. Alles davon wird besser sein als Verbrenner jeglicher Art.

Das ist sicherlich sinnvoll. Wenn man aber schon über solche tiefgreifenden Veränderungen nachdenkt, möchte ich doch mal einwerfen, dass man mit der Schiene schon eine potenziell klimaneutrale Transportmöglichkeit hat. Diese sollte also mMn deutlich gestärkt werden.

4 „Gefällt mir“

Vollkommen richtig aber nach Güterverkehrsstatistik werden auf der Schiene 320 Mill.t und und auf der Straße 3,2Mrd.t. transportiert. Sollten wir es also schaffen in den nächsten Jahren den Gütertransport auf der Schiene zu verdoppeln, reduzieren wir den Straßengüterverkehr nur um 10%. Das wäre ein wichtiger Beitrag, wir müssten aber immer noch eine Lösung für die restlichen 90% finden.

1 „Gefällt mir“

Wir haben doch diese Modellprojekte mit Oberleitungen über der Autobahn. So ein Stromabnehmer sollte bezogen auf die Anschaffungskosten eines neuen LKW keinen großen Invest darstellen, insbesondere wenn man auf der anderen Seite Batteriekapazität einsparen kann.

Die LKWs könnten dann regelmäßig während der Fahrt auf der Autobahn nachladen. Die Batterie wäre lediglich für den Weg zu und von dem nächsten Autobahnteilstück mit Oberleitung notwendig. Und als Backup, falls technisch etwas klemmt mit dem Laden an der Oberleitung.

Interessante Nachricht dieser Woche: Tesla liefert noch dieses Jahr die ersten Semi Trucks aus!
Man darf gespannt sein.

1 „Gefällt mir“

Ja, Oberleitungs-LKW sind eine spannende Sache, aber der Infrastruktur-invest ist ziemlich hoch und es ist eine ziemlich unflexible Lösung. Technisch ist das interessant, aber soweit ich weiß ist da kein großer Player aus der Industrie wirklich hinterher. Es gibt hier und da mal ein paar Forschungsprojekte und Scania ist da ein bisschen aktiv. Es ist aber vermutlich einfacher, da wo es geht batterieelektrisch zu fahren und die restlichen Anwendungsfälle mit Wasserstoff zu betreiben.

Verglichen zu den Batteriekosten ist das bißchen Stahl, Leitung und Elektrik doch lachhaft. Bei 100 Euro pro kWh Speicherkapazität wird jeder LKW mehrere 10.000 Euro allein an Batteriekosten mit sich rumschleppen. Wenn man die Speicherkapazität etwas knapper auslegen könnte, dürften die Oberleitungen schon ein paar Mrd kosten und es wäre dennoch ein massiver volkswirtschaftlicher Gewinn.

Der Teufel steckt hier wirklich im Detail. Die Infrastrukturkosten sind schon sehr hoch und dazu kommt, dass diese vermutlich von einem Unternehmen (oder dem Staat) alleine getragen werden müssten, während sich die Batteriekosten auf alle LKW verteilen. Aber ja, ich finde diese Technik wie gesagt auch spannend, ich sehe nur momentan nicht, dass sie ernsthaft verfolgt wird und auch nicht, dass wir sie zwingend benötigen. Wenn sich ein Industriekonglomerat findet, welches diese Technologie umsetzen will, sollen sie das gerne tun, ich glaube aber nicht das es sich für den Staat lohnt hier zu investieren.