Da ein Bild immer schöner ist habe ich noch eine Grafik herausgesucht. Auf der unten verlinkten Seite findet man einen Graph mit Inzidenzen sortiert nach Altersgruppe. Daran sieht man sehr schön wie in der zweiten Welle die Inzidenz bei den unter 15 jährigen relativ niedrig waren, als die B117 Mutante sich noch nicht ausgebreitet hatte und wie derzeit die Inzidenz in dieser Altersgruppe sich synchron zu allen anderen Altersgruppen verhält.
Titel des Diagramms ist „Neuinfektionen pro 100.000 Menschen in der jeweilgen Altersgruppe (7-Tage-Inzidenz)*“
Dass B117 zu einer erhöhten Infektiosität bei Kindern im Vergleich zur Wildtyp-Variante bei Kindern führt, ist nach meinem Kenntnisstand in der Tat unumstritten. Aber beim Vergleich von Kindern zu Erwachsenen wäre mir ein so klarer Kenntnisstand, dass Kinder und Erwachsene bei B111 gleich infektiös seien, neu. Herr Drosten sagt z.B. in Folge 80:
Es sieht so aus, als wären diese Änderungseffekte, die diese Mutante hat, sowohl die Übertragbarkeit als auch die krankmachende Wirkung, als wären diese Änderungen in gleichem Maße für alle Altersgruppen gültig.
Wenn das so stimmt, sind Kinder immer noch ein bisschen weniger infektiös als Erwachsene. In der von dir verlinkten Studie wird mE die Vorweihnachtszeit betrachtet, in der in England ein Lockdown vorlag und ausschließlich die Schulen geöffnet waren. Aus diesem Grund gab es eine relative Erhöhung der Inzidenz bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen (ebenfall Podcast-Folge 80). Wenn ich das Paper richtig interpretiere, sagen auch die Autoren des Papers, dass deren Datenauswertung eine erhöhte Infektiosität bei Kindern nicht klar identifiziert:
Hypotheses 2 (longer infectious period) and 4 (increased susceptibility in children) also fitted the data well, although hypothesis 4 is not well supported by household secondary attack rate data (fig. S15) or by age-specific patterns of S gene target failure in the community (fig. S16), neither of which identify a sub-stantial increase in susceptibility among children.
Kennst du noch andere Studien oder Artikel, die die altersabhängige Infektiosität bei B117 untersuchen? Ich habe leider nicht allzu viel gefunden.
Bei dieser Statistik muss man aber auch fairerweise die vermehrten Tests in Schulen (stark angestiegen) berücksichtigen. Wenn man die Positivquote betrachtet, ist diese bei Kindern (5-14 Jahre) nicht stark angestiegen: https://ars.rki.de/Docs/SARS_CoV2/Wochenberichte/20210330_wochenbericht.pdf
Andererseits sind Kinder wahrscheinlich immer noch im Vergleich zur Restbevölkerung untertestet, da sie kaum Symptome entwickeln und wir (abgesehen von den neuen Schnelltests + ggf anschließende PCR) symptomgerichtet Testen. Hier müssen also wahrscheinlich viele Effekte berücksichtigt werden.
Damit ich nicht missverstanden werden: Ich will Infektionen bei Kindern überhaupt nicht kleinreden oder verharmlosen. Man muss anerkennen, dass Kinder nicht vernachlässigbar zum Infektionsgeschehen beitragen und Schulen (Stichwort: Infektionsdrehkreuze) zwingend geschützt werden müssen. Der Grund, wieso wir „früher“ kaum Infektionen bei Kindern gesehen haben, ist mE die starke Untertestung. Wir sind gerade dabei das Licht anzumachen und sehen nun Infektionen, die vorher verborgen geblieben sind. Fokus sollte also darauf liegen, wie Schulen sicher gemacht werden können.
OK, stimmt, das geben die Daten nicht her. Ich finde lediglich, dass es dadurch oft verharmlost wird und wir rechtfertigen warum Schulen trotz mangelhafter Schutzkonzepte offen bleiben dürfen. Es sind einfach Kontakte und viele Infektionen finden in Schulen statt.
Die Quelle die ich eigentlich gesucht habe, habe ich nicht mehr gefunden, stammte aber ebenfalls aus dem Coronavirus update. Darin wurde die Hypothese formuliert dass vielleicht jetzt gerade der threshold überschritten sei, bei dem genug Virus ausgeschieden werde um umgebende Personen zu infizieren, was der Grund für die beschleunigte Infektion unter Kindern sei. Aber ja, Vergleiche zwischen Erwachsenen und Kindern gibt es sicherlich keine direkten. Mein Fehler.
Wenn Schnelltests der Grund für mehr Infektionen bei Kindern wäre, würden die Positivraten stark ansteigen. Die Tests in Schulen sind Antigentests, die nicht in der Statistik auftauchen, während nur im Fall eines positiven Tests eine Abklärung durch PCR stattfindet. Da wir keinen solchen Anstieg in der Positivrate sehen, kann man den stark exponentiellen Anstieg von Infektionen in den Schulen, nicht dadurch erklären, dass mehr getestet wird.
Und ich möchte da auch nicht missverstanden werden - Schulen sind mir deutlich wichtiger als andere Teile des öffentlichen Lebens. Zu diskutieren ist derzeit aber die Frage, ob jeden Tag den wir Schulen in solch einer komplizierten Lage offen halten nach hinten raus deutlich längere Schulschließungen bedeutet, weil die Zahlen irgendwann einfach runter müssen. Spätestens in ein paar Wochen, wenn die Intensivmedizin an der Belastungsgrenze ist, wird sich diese Frage stellen genau wie in allen anderen Bereichen. Und dann wird die Reaktion heftig und undifferenziert ausfallen. Da wäre für mich ein harter und kurzer Lockdown, der die Schulen einschließt eine angemessenere Lösung. Wenn man diesen bereits in den Osterferien begonnen hätte, wäre man nach den Ferien sogar fast durch gewesen…
Da hast du Recht. Ich dachte an die durch PCR bestätigten Tests, aber das hätte tatsächlich die Positivquote nach oben treiben müssen. Der starke Anstieg bei der Anzahl der Tests bei Kindern im Vergleich zu den anderen Altersgruppen wundert mich aber schon (Quelle):
Interessante Grafik, vielen Dank! Könnte es sein dass mit der PCR in Cluster hineingetestet wird nach einem positiven Fall? Vor etwa einem Monat lag die Auslastung der PCR-Testung noch bei ca. 50% während Antigentests recht knapp waren.
Wenn Sie neuere Studienergebnisse über die Infektiösizät von Kindern vorlegen, die etwas anderes besagen, akzeptiere ich das gerne. Aber die erste Studie, die Sie anführen, stellt lediglich die Hypothese auf, dass dies bei B117 anders sein könnte. Das mag zwar plausibel klingen, weil die Dauer der Infektösisät bei B117 auch unter Erwachsenen größer ist, aber eine Behauptung ändert noch lange nicht den Forschungsstand. Für den tatsächlichen Forschungsstand führt die von Ihnen erwähnte Studie im Übrigen teilweise dieselben Quellen an wie der von mir zitierte CDC-Bericht. Bei den ebenfalls von Ihnen angeführten RKI-Zahlen geht es lediglich um die Meldeinzidenz in bestimmten Altersgruppen. Daraus lässt sich aber nicht unmittelbar eine höhre Infektiösität ableiten. Natürlich kann beides miteinander zusammenhängen, aber es ist eben unzulässig und erst recht nicht wissenschaftlich, alleine aus einer höheren Meldeinzidenz bei Kindern auf eine höhere Infektiösität von Kindern zu schließen. Dazu gibt es einfach noch zu viele andere Faktoren, die zu dieser höheren Inzidenz beigetragen haben könnten.
Die gestiegene Meldeinzidenz bei Kindern und Jugendlichen ist ja auch das Hauptargument in dem erwähnten Spiegel-Artikel (siehe LdN234 - Ist Schule tatsächlich Infektionstreiber? - #12 von kaigallup), der aus meiner Sicht denselben unzulässigen Schluss zieht wie Sie.
Hinzu kommt, dass die Meldeinzidenz ja zumindest zur Zahl der Tests ins Verhältnis gesetzt werden muss (wie Sie ja mit @Lukas3 schon diskutiert haben). Die Grafik des RKI zeigt ja sehr deutlich einen Anstieg der Tests in diesen Altersgruppen, der natürlich auch auf die stark angestiegenen Schnelltests in Schulen, Kinderbetreuungseinrichtungen und Familien zurückzuführen ist: Viele positive Schnelltests (egal ob falsch oder richtig positiv) werden ja per PCR nachgetestet und wenn auch die PCR positiv ist, werden dementsprechend weitere Kontaktpersonen per PCR getestet. Und jeder dieser PCR-Tests - die es vor März überhaupt nicht gegeben hätte - fließt in die Statistik mit ein). Das ist de facto eine Änderung der Teststrategie, die sich natürlich auch auf die Fallzahlen auswirkt. (Das auch als Antwort an die Frage von @Lukas3).
[Edit: Während der Beitrag auf Freischaltung wartete, haben DGKJ und BVKJ ein Presseinfo veröffentlicht, das im Wesentlichen dasselbe sagt: Presseinfo zum Infektionsgeschehen bei Kindern - Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V.]
Zudem: wenn B117 der Grund sein sollte, warum bei Schulöffnungen die Inzidenz bei Kindern und Jugendlichen so stark ansteigt, müsste das überall so sein. Ich habe jetzt nur mal für Dänemark geschaut. Dort hat sich B117 weitgehend durchgesetzt und trotz offener Schulen und weiterer Öffnungen gibt es keinen so starken Anstieg wie in Deutschland. Es gibt zwar einen moderaten Anstieg in den Altersgruppen 7-12 sowie 13-19, aber dieser liegt immer noch weit unter dem Peak vom Ende des Jahres (also bevor sich B117 ausgebreitet hatte) und auch nicht bedeutend höher als etwa im November 2020.
Ich bin mir nicht sicher, ob Sie mit „dort“ Schulen meinen. Sicherlich gibt es Familien, in denen sich Schüler:innen zuerst infizieren und dann Angehörige anstecken. Aber wie häufig das ist, wie häufig es andersherum ist (Erwachsene stecken Kinder an), wie häufig Infektionsketten in der Schule beginnen und wie häufig sie dort enden - all das sind einfach Fragen - ich wiederhole mich - zu denen in Deutschland kaum Daten vorliegen. (Dänemark beispielsweise veröffentlicht jede Woche aktuelle Zahlen zu möglichen Ausbrüchen in Schulen). Dass Sie meine diesbezügliche Frage ignoriert haben, ist Ihr gutes Recht, aber dass Sie trotz dieser fehlenden Daten von einem „Fakt“ reden, über den sich die Wissenschaft „ziemlich einig“ sei, ist aus meiner Sicht nicht gerechtfertigt.
„Die COVID-19-Fallzahlen steigen in allen Altersgruppen wieder an, besonders stark jedoch bei Kindern und Jugendlichen, von denen auch zunehmend Übertragungen und Ausbruchsgeschehen ausgehen.“
Ihre Grafiken für Dänemark zeigen mit die stärksten Anstiege in Altersgruppe 7-12, das passt sehr gut zu dem was wir in Deutschland sehen.
Ich habe nicht geschrieben dass Kinder überproportional betroffen sind, lediglich dass sie ebenso und damit nicht mehr unterproportional betroffen sind. Das war in den vorherigen Wellen anders, in denen wir keine B117 Mutanten hatten. Aber vielleicht hat sich auch etwas anderes geändert. Bitte verdrehen Sie meine Argumente aber nicht zu einer Extremposition, neben der alle anderen Argumente vernünftig scheinen.
Über die genauen Gründe für höhere Fallzahlen kann man gern streiten aber diese Argumentation geht an der Problematik vorbei. Wir sind mitten in einer Welle, das Ende der der intensivmedizinischen Kapazitäten ist absehbar und bis Maßnahmen dort Effekt zeigen dauert es immer mehrere Wochen. Wir können uns gerade kein exponentielles Wachstum leisten.
Und das Scheinargument die höheren Fallzahlen lägen am Testen werden in jeder einzelnen Pressekonferenz des RKI angesprochen und Lothar Wieler macht es jedes mal sehr klar. Es ist ein realer Effekt, kein Artefakt des Testens. Das Testen trägt mit den konservativsten Schätzungen 30% zu den Fallzahlen bei.
Man kann Schulen trotzdem offen halten - aber nur wenn man offen und ehrlich ihren großen Einfluss auf die derzeitige Infektionslage abschätzt und auf Basis dieser Ergebnisse effektivere Maßnahmen in anderen Bereichen ergreift, die trotz offener Schulen den R-Wert unter 1 drücken. Vielleicht ist es noch möglich, da bin ich kein Experte. Das wird aber unangenehm und ich sehe noch keinen politischen Willen dazu.
Das ist ein guter Punkt, der sowohl die Anzahl der Tests als auch die Positivrate erklären würde! Hinzu kommt wohl noch, dass wir uns Anfang des Jahres in einem absoluten Minimum bei den Testanzahl bei Kindern befanden (s. Zeitachse meiner oben geposteten Grafik). Das ist natürlich wenig überraschend bei geschlossenen Schulen, da es gar keine potentiellen Kindercluster gab, die man testen konnte. Im November/Dezember hingegen war das Testniveau deutlich höher als in den darauf folgenden Wochen, siehe https://ars.rki.de/Docs/SARS_CoV2/Wochenberichte/20201223_wochenbericht.pdf.
Unterm Strich denke ich, dass hier viele Effekte (Schulöffnung, dritte Welle, B117, Teststrategie) gleichzeitig wirken und daher eine Interpretation der Zahlen mit äußerster Vorsicht geschehen muss. Eine exakte quantitative Analyse ist in meinen Augen nicht möglich (daher wundert mich auch das klare Urteil der DGKJ und BVKJ). Durch die Osterferien wird es wahrscheinlich erneut einen erheblichen Störfaktor in den Zahlen geben. Der einzige Zeitraum, wo wahrscheinlich die geringste Störung vorlag, ist zwischen KW11 und KW12, wo die Testanzahl ungefähr gleichgeblieben ist - bei weitersteigender altersspez. Inzidenz.
Das kann man nur unterstreichen. Ganz egal, ob jetzt Kinder ein bisschen mehr oder weniger ansteckend als Erwachsene sind und ob die Schulausbrüche nun um den Faktor 2, 4 oder 8 (willkürlich gewählt) gestiegen sind, muss man einen steigernden Effekt auf den R-Wert durch Schulöffnungen anerkennen und daher möglichst viele Schutzmaßnahmen ergreifen, um Schulunterricht zu ermöglichen. Stattdessen wurde in den letzten Wochen bei Grundschülern immer noch keine Maskenpflicht praktiziert (s. Lanz 01.04. ab 42:00).
Da sind wir uns einig. Und genau deshalb habe ich auch argumentiert, dass es für eine solche Einschätzung Daten braucht, die es bisher nicht gibt, zumindest nicht allgemein zugänglich. Meiner Meinung nach ist es aber unredlich, aus der reinen Meldeinzidenz (und noch dazu ohne sie zur Anzahl der Tests ins Verhältnis zu setzen) Schlüsse a) auf das InfektionsgescSchlüsse argumentiert. Nicht mehr und nicht weniger.
Da haben wir wohl eine sehr unterschiedliche Auffassung davon, was das Problem ist. Meiner Meinung nach muss ich das Infektionsgeschehen verstehen, um es wirksam unterbinden oder zumindest bremsen zu können. Das heißt ich muss wissen, was die Gründe für höhere Fallzahlen sind. Die Methode, mit dem Hammer überall draufzuhauen, in der Hoffnung, dann würden die Zahlen irgendwann wieder sinken, war meiner Meinung nach schon im Herbst falsch und kommt derzeit immer stärker an ihre Grenzen.
Ein Beispiel:
Warum „Scheinargument“? Die die Grafik desselben RKI zeigt, hat sich die Zahl der Getesteten in der entsprechende Altersgruppe innerhalb weniger Wochen mehr als verdoppelt. Außerdem steht ein starker Anstieg von Tests in 2 Altersgruppen gar nicht im Widerspruch zu Wielers Aussage von den 30% - im Gegenteil. Denn in den anderen Altersgruppen blieb die Zahl der Tests ja nahezu konstant oder fiel sogar leicht.
Was mich ehrlich gesagt ärgert, ist, dass Sie in einem anderen Thread (zu AstraZenica) das hier schreiben:
Aber in diesem Thread, wo es um Schulen geht, tun Sie sinnegmäß genau das, wenn Sie etwa behaupten, dass es zur Schließung von Schulen faktisch keine Alternative gäbe. Auch die Schließung von Schulen ist und bleibt eine politische Entscheidung.
Mehr Infektionen und Cluster = mehr Tests. Genau das sehen wir gerade, das spricht nicht gegen mehr Infektionen un Schulen. Und wenn Sie den Experten aus dem RKI nicht glauben, werde ich Sie wohl kaum überzeugen können und habe auch nicht den Ansppruch es zu versuchen.
…stimme diesen Überlegungen voll und ganz zu. Und es wird meist auch überhaupt nicht in Betracht gezogen, das die SchülerInnen und Schüler einen kompletten Vormittag, wir sprechen da von 5 Zeitstunden, gemeinsam in einem Raum verbringen. Natürlich mit zwei Pausen und Lüften, aber wenn die Zeitdauer, die man miteinander verbring, erwiesenermaßen am Infektionsgeschehen eine nicht unerhebliche Teilhabe hat, dann ist das einfach ein nicht zu unterschätzender Punkt.
Die Unterstellung, ich würde den Expert:innen des RKI nicht glauben, ist recht originell, wenn ich mich für meine Argumente selber auf Veröffentlichungen des RKI beziehe, finden Sie nicht?
Ich habe auch nie bestritten, dass es an Schulen mehr Infektionen gibt - was ja eine recht vage Angabe ist. Ich habe nur gesagt, dass man von einem Anstieg der Meldeininzidenz in bestimmten Altersgruppen nicht automatisch auf eine bestimmte Ausprägung des Infektionsgeschehens schließen kann und dass die Datenlage hierzu in Deutschland einfach unzureichend ist. Wenn Sie derartige Unterscheidungen einfach nicht zur Kenntnis nehmen, macht es wenig Sinn noch weiter zu diskutieren.
Wie dem auch sei, ich wünsche schöne Feiertage!