Liebes Lage Team,
es wird allerorten immer behauptet, dass Schule ein großer Infektionstreiber ist und dieses zum Anlass genommen, Home Schooling und Wechselunterricht etc. zu begründen.
Ich beobachte das schon eine Weile und gerade in den letzten Wochen scheint mir diese Kausalität nicht mehr ganz zielführend. Masken, Abstand, Wechselunterricht wird sehr diszipliniert durchgesetzt und von den Kindern auch gelebt, sowohl im Unterricht als auch in den Pausen – Mit 2 Kindern in der weiterführenden Schule (Kl 8 und 10) kann ich das entsprechend beobachten.
Ich meine, dass der eigentliche „Schulbetrieb“ und „Lehrbetrieb“ gar kein großes Problem darstellt für mögliche steigende Infektionszahlen. Das Problem liegt ganz woanders und wird der Schule zugerechnet, weil es für Politiker der einfachste und am besten zu regelnde Weg ist:
Haupttreiber sind für mich die Schüler und Jugendlichen selbst bzw. deren Verhalten einerseits vor/nach der Schule oder in Mittagspausen außerhalb des Schulgeländes aber auch das Verhalten im Privaten, weil einige sich ja doch wieder (mit ihren Freunden und Klassenkameraden) in der Freizeit treffen und sehr eng und ungeschützt beieinanderstehen, ggf. sogar „feiern“. Das kann ich zumindest mittags vor dem Supermarkt an der Schule und auf meiner abendlichen „podcast Runde“ durch den Ort tagtäglich beobachten.
Insofern kann - wenn das jemand möchte – dieses Infektionsgeschehen der Schule zurechnen, weil es ja Schüler sind, obgleich die Wahrscheinlichkeit recht hoch ist, dass die Infektion nicht im Schulbetrieb sondern durch das Freizeitverhalten der Schüler passiert ist.
Ich habe volles Verständnis dafür, dass die Kinder im Frühling wieder rauswollen und sich treffen wollen, nur sollte man nicht unbedingt die Ursachen für Infektionen ausschließlich in der Schule selbst suchen. Die Maßnahmen dort sollten eher dazu dienen, die importierte Infektion nicht auf andere Kinder zu übertragen. Hier wäre v.a. das Testen eine Möglichkeit, infizierte Kinder gar nicht erst reinzulassen – wobei auch nicht gesagt ist, dass fahrlässiges Freizeitverhalten deren Schulfreunde nicht doch ansteckt.
Ich denke auch es ist zu kurz gegriffen Schulen pauschal zu schließen ohne diese Folgen ernst zu nehmen. Ich persönlich glaube ein wirklicher Treiber der Pandemie sind nicht die Schulen sondern der überfüllte ÖPNV. Und solange dort nichts verbessert wurde unterstütze ich keinerlei Schulschließungen.
Schon diese These halte ich für extrem fragwürdig. Die Schulen sind für Politiker aktuell der am schwierigsten zu regelnde Weg. Sie werden unter harter Kritik als letztes geschlossen und als erstes geöffnet, mit dem Argument, dass diese Einrichtungen besonders wichtig seien.
Die Beharrlichkeit, mit der man Untersuchungen zu Ansteckungen in Schulen vermieden hat (z.B. Hamburg) passt weiterhin nicht in deine These.
Ziemlich zuverlässig nahm der Infektionsanstieg im Dezember 2 Wochen nach Schulschließung ab, und die sinkende Inzidenz hat sich auch 2 Wochen nach der Schulöffnungen im Februar wieder „stabilisiert“, um dann in die jetzt laufende dritte Welle überzugehen.
Wie funktioniert Abstand (bei ggf. Wechselunterricht) in einem Klassenraum? Insbesondere, da wir inzwischen wissen, dass Aerosole sich zügig im ganzen Raum (fast unabhängig von der Größe) verteilen. Das sind weiterhin 15 SchülerInnen auf … ca. 45qm (?).
Das wäre in keinem Geschäft erlaubt.
Zudem gibt es diverse Studien, z.B. die „England-Studie“, die auch Prof. Drosten und weitere Wissenschaftler als Aufhänger für ihre Forderung nach Schulschließungen verwendet haben.
Das ist falsch, siehe etwa die Entwicklungen der Positionen der KMK seit Beginn der Pademie. Darüber hinaus ist mir unklar, was genau „allerorten“ heißen soll. Der Diskurs ist (inzwischen) viel differenzierter. SPIEGEL: RKI – Schüler „nicht als Motor“.
Das Gerede von einem „Treiber“ oder „Motor“ der Pandemie ist m. E. völlig fehl am Platz und bringt niemanden weiter. Jegliche Art von Mobiltität und Kontakten, insb. in Innenräumen, trägt zum Infektionsgeschehen bei. Das gilt auch für Schulen, für die sich die Studienlage in den letzten Monaten erheblich verbessert hat. Mit der Zunahme der Variante B.1.1.7 werden viel mehr Infektionen bei Kindern und Jugendliche nachgewiesen, was dazu führt, dass stärkere Schutzmaßnahmen getroffen werden sollten bzw. müssen.
In Österreich wurden innerhalb von drei Wochen im Februar 1500 positive Ergebnisse mittels ‚Nasenbohrer-Tests‘ (als Selbsttest) festgestellt, die wahrscheinlich auch familiär weitergetragen worden wären, wären sie unerkannt geblieben. In Wien gibt es das Projekt „Alles gurgelt“, das inzwischen PCR-Gurgeltests ermöglicht. An diesem können auch Schulen partizipieren.
Besonders ein Fall in Hamburg im letzten Jahr war aufschlussreich, weil sich im Nachhinein per Sequenzierung herausstellte, dass viele Ansteckungen auf eine Person zurückzuführen waren. Die Kultursverwaltung war eher ‚zurückhaltend‘ mit der Kommunikation dieses Falls, weil er für die KMK-Position nicht gerade unterstützend wirkt.
Das verdrängt völlig, dass Maßnahmen im Berufsleben überhaupt nicht ergriffen werden. Als letztes geschlossen würde ja heißen, dass Volkswagen und Tönnies schon zu wären, aber es reicht ja nichtmal für eine Homeofficepflicht.
ich muss nochmal suchen wo das her kam, aber wenn wir schon fast 1 im privaten Umfeld haben und Arbeit und Schule mit je 0,2 auf den R-Wert einzahlen sind das die Punkte die den Unterschied machen zwischen exponentiellem Wachstum und langsamen Rückgang.
Sehr ich genauso. Sobald Schulen wirklich als letzte geschlossen werden unterstütze ich die Maßnahme. Ansonsten ist es politischer Betrug an den Kinder zu Gunsten von großen durch Lobbyisten vertretene Branchen.
Dazu gab es mal ein ganz nettes Coronavirus update zu. Drosten meinte (ganz grob vereinfacht) der Begriff „Treiber“ wäre vielleicht nicht angemessen aber Kinder infizieren sich genau so wie Erwachsene mit dem Unterschied dass wir viele von ihnen ohne adequate Schutzkonzepte über längere Zeiträume zusammen sperren. Bei hohen Inzidenzen wie jetzt kommt es dann rein rechnerisch in vielen Klassen zu Ausbrüchen die dann zu größeren Clustern werden und die Kinder verteilen es zurück in die Familien. Das ist einfach derzeit ein ziemliches Problem bei Fallzahlen wie den jetzigen.
Deshalb hat man irgendwann gar keine andere Wahl mehr als die Schulen zu schließen, einfach durch die normale Dynamik der dritten Welle. Dass politisch ganz wo anders an Kontakten hätte gespart werden sollen, dass wir gar keine dritte Welle hätten haben müssen und Schulen / Bildung das Letzte sein sollte bei dem wir uns einschränken - das sehe ich auch so. Am Ende sind es eben aber Kontakte zwischen vielen Menschen, um das sicher zu gestalten hätten wir einfach mehr tun müssen.
Und immer dabei bedenken: Die Fallzahlen die wir heute sehen sind Menschen die sich vor 2 Wochen infiziert haben. Selbst wenn wir jetzt schließen sehen wir den Bremseffekt erst in zwei Wochen. Die dritte Welle ist schon deutlich weiter als wir das aus den Statistiken sehen. Eigentlich müsste bereits alles geschlossen werden um noch das Schlimmste zu verhindern.
Sehe ich sehr ähnlich. Für mich ist der Punkt, dass für viele Schüler die Tatsache, dass die Schule geöffnet ist, auch als Begründung dient, dass sie dann auch private Treffen machen könnten - weil sie sich in der Schule ja eh treffen. Jugendliche verhalten sich wie Jugendliche, und Kinder wie Kinder, das muss man dabei berücksichtigen. Und wenn man die Schulen öffnet mus man auch einbeechnen, welche Signale darüber hinaus dies sendet.
Meine Beobachtung ist, dass viele Schüler Abstand und Maskentragen als ein in der Schule gefordertes Verhalten ansehen. Bis zum Schulbeginn kommen sie zusammen, stehen eng beieinander, dann beim Betreten des Schulgeländes wird die Maske aufgesetzt. Das Verhalten muss man eben mit berücksichtigen, wenn man über Schulöffnungen nachdenkt.
Das ist da vielleicht falsch interpretiert. Tatsache ist dass es früher die Idee gab besonders junge Kinder wären weniger betroffen und würden weniger Menschen anstecken. Das stimmte aber wirklich auch nur für sehr junge Kinder und nicht für Jugendliche.
Eine Vermutung war dass sie ein geringeres Atemvolumen haben und daher die Viren die durch jüngere Kinder verteilt werden in vielen Fällen nicht zu einer Ansteckung ausgereicht haben. Durch B117 scheint allerdings genau dieser Threshold überschritten worden zu sein, weil diese Mutante einfach ansteckender ist. Kinder stecken sich genau so häufig an wie Erwachsene, deshalb steigt die Inzidenz in diesen Altersgruppen derzeit stark von einem vorher recht niedrigen Level. Und würden Erwachsene derzeit in Gruppen von mehreren Dutzend zusammen sitzen wäre das derzeit auch ein Problem.
Daher sind ja nicht nur Schulen sondern auch Büros derzeit problematisch. Viele Kontake = viele Ansteckungen. Tatsache ist, der R-Wert muss unter 1, bis dahin haben wir ein exponentielles Wachstum. Derzeit müssen zusätzlich auch die Zahlen runter aber später ist wieder einmal die Frage was uns am Wichtigsten ist. Büros zu, damit Schulen offen bleiben können? Oder sparen wir wieder bei den Kindern?
Mir ist leider vollkommen unklar, auf wessen Interpretation von was sich dieser Satz bezieht, aber die Frage, wie infektiös Kinder generell gegenüber Jugendlichen oder Erwachsenen sind, ist ja noch einmal eine andere als die empirische Frage, wie viel Schulen (mit den derzeit praktizierten Schutzmaßnahmen) tatsächlich zum Infektionsgeschehen beitragen und ob die dortigen Infektionszahlen über denen in der Gesamtbevölkerung bzw. innerhalb der entsprechenden Altersgruppen liegen oder nicht. Denn darum geht es ja bei der Behauptung, Schulen seien ein „Treiber“ der Infektion.
Auch die von @Martino verlinkte Studie besagt ja im Umkehrschluss lediglich, dass an Schulen Infektionen stattfinden. Aber auch das ist eine andere Frage - die aus meiner Sicht in der Tat nicht mehr wirklich kontrovers diskutiert wird.
Entschuldigung für die Unschärfe. Zu Klarstellung: Eine Fehlinterpretation ist, das Schulen jetzt „Treiber“ der Pandemie seien. Der Begriff kommt aus der Influenzaforschung, wo ganz grob gesagt die meisten Erwachsenen teilimmun sind und Kinder die volle Grippe durchmachen und dadurch die Krankheit jedes Jahr wieder in die Gesamtbevölkerung einschleppen. Das ist kein guter Begriff für die Corona-Pandemie, das trifft hier einfach nicht zu. Medien lieben aber den Begriff und benutzen ihn fröhlich weiter.
Aber: Kinder werden jetzt so häufig wie Erwachsene infiziert. Und wir können uns in der derzeitigen Lage einfach nicht mehr erlauben, Massenveranstaltungen (was Schulen ja sind) trotz Schutzkonzepten laufen zu lassen. Und ich verweise auf den Kommentar von @Martino, in dem eine sehr gute Quelle gezeigt wurde die eindeutig zeigt dass dies der Fall ist. Hier nochmal sein Kommentar verlinkt:
Dass die Rolle von Kindern bei der Corona-Pandemie eine ganz andere ist als bei der Influenza, ist schon seit einem Jahr klar. Dennoch wird Schulen in den Debatten ein Raum eingeräumt, als wäre das so. Das führt in der Tat zu einigen Verzerrungen in den Medien, aber leider nicht nur dort. Unter anderem wird m. E. die Studienlage in Deutschland ganz anders wahrgenommen, als international.
Dieser Satz ist m. E. ein gutes Beispiel dafür. Die Frage ist ja nicht, wie viel Kinder infiziert sind (denn das Risiko für eine ernsthafte Erkrankung oder gar Tod ist in dieser Altersgruppe ja denkbar gering) - zumindest wenn es um die Folgen einer Infektion geht und mal die Zahl der Infizierten nicht zum Fetisch erhebt. Entscheidend ist also die Frage, ob Kinder so infektiös sind wie Erwachsene und die kann inzwischen zumindest für bestimmte Altersgruppen ganz klar mit nein beantwortet werden (siehe u. a. diese Übersicht der CDC: https://www.cdc.gov/coronavirus/2019-ncov/more/science-and-research/transmission_k_12_schools.html).
Zudem ist die Frage, wer sich was „erlauben“ kann, ja eine politische, keine medizinische. Du könntest genauso sagen, dass wir es uns in der derzeitigen Lage einfach nicht mehr erlauben können, Schulen länger zu schließen. Die CDC kommt da zu ganz anderen Schlüssen, an denen orientieren sich auch einige MPs in Deutschland. Aber in der deutschen Öffentlichkeit - und dafür war der zitierte Spiegel-Artikel ein Beispiel - wird so getan, als seien das bornierte Idiot:innen, die „die Wissenschaft“ ignorierten.
Nochmal: unbestritten ist, dass sich auch Kinder infizieren und dass es auch an Schulen Infektionen gibt. Die wichtigen und für Deutschland zum großen Teil empirisch noch nicht beantworteten Fragen sind: Wie häufig passiert das? Welche Rollen spielen Schulen dabei? Wer infiziert da wen? Für wen besteht welches Risiko? Welche Schutzmaßnahmen außer Schulschließungen haben welchen Einfluss auf dieses Risiko?
Du hast in einem anderen Thread so stark auf akkurate Forschungsergebnisse sowie auf den Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität gepocht, warum gilt das hier auf einmal nicht mehr?
Sie sind da nicht ganz auf dem neuesten Stand. Das war für den Virus auch so der bis vor kurzem zirkulierte und gilt nicht mehr für B117. In den USA hat sich diese Mutante nicht ausgebreitet, für sie gelten diese älteren Daten also noch. Derzeit ist noch nicht klar warum exakt Kinder jetzt mehr von B117 betroffen sind, aber es ist klar dass es so ist. Da ist nichts widerlegt.
Das heißt dort breiten sich in Clustern die Infektionen aus und werden zurück in die Familien eingeschleppt wo wir viele vulnerable Personen haben. Das ist ein Fakt in dem sich Wissenschaft und die Realität ziemlich einig sind.