Seit ich die Folge 419 gehört habe, denke ich viel über Krieg und Frieden nach. Dass Europa und Deutschland sich nun aufrüsten sollen um kriegs- und verteidigungsbereit zu sein hat mir eine Riesenangst gemacht. Ich habe zwei Kinder und mal davon abgesehen, dass auch wir Erwachsenen von einer Wehrpflicht betroffen sein könnten gruselt mich der Gedanke am meisten, dass meine Kinder in den Krieg ziehen könnten.
Neben der Angst steht aber auch eine gewisse Fassungslosigkeit. Die europäische Union würde gegründet, um Frieden zu sichern, wir leben in einer Demokratie in der Konflikte mit Konsens nicht mit Gewalt gelöst werden. Das ist etwas was wir von unseren Mitmenschen erwarten, von der Politik und der Exekutive, das versuchen wir unseren Kindern beizubringen. Und nun soll die Lösung dieses Konflikts mit mehr Aufrüstung begegnet werden, wo mehr Aufrüstung doch auch immer das Potential zu mehr Eskalation hat?
Seit meine Kinder da sind beschäftigte ich mich mit Gewaltfreier Kommunikation (GFK). Das ist eine Methode, in der bedürfnisorientiert geschaut wird, dass jeder bekommt was er braucht (das ist nicht immer das was er sagt zu wollen). Es ist auch gleichzeitig eine Haltung in der das Wohl aller an erster Stelle steht, das gegenseitige Verstehen, die Verbindung zueinander. Da ich weiß, dass Marshall Rosenberg, Begründer dieses Konzepts, auch in Kriegsgebieten mediiert hat, wollte ich wissen welche Ansätze es gibt, die GFK mit Krieg zusammen zu bringen. Dieses Interview mit Marco Ronzani (Berater, Coach für kooperative Kommunikation, Mediator) fand ich besonders aufschlussreich.
Treffend fand ich die Analyse, dass in Kriegszeiten der Sicherheitsbegriff hochgehalten wird. Dabei schafft ein Krieg niemals Sicherheit, er zerstört sie durch den Verlust von Infrastruktur, Wirtschaft und menschliche Leben. Von den Traumata mal ganz zu schweigen. Gleichzeitig fallen wir häufig wieder in eher patriarchale Muster zurück: Stärke zeigen um Macht zu demonstrieren, Einschränkung der Bewegungs- und Meinungsfreiheit, entschlossen Entscheidungen treffen (was zumeist heißt schnell und ohne Zeit für Diskussionen) - alles Züge die eher antidemokratisch sind.
Die GFK schließt Gewalt als Lösung nicht grundsätzlich aus, sie soll nur dort eingesetzt werden, wo es keine andere Möglichkeit gibt. Und gleichzeitig ist immer wieder zu schauen, dass der „kommunikative Möglichkeitsraum“, sprich auch Verhandlungsspielraum, so groß wie möglich ist. Sanktionen führen hierbei übrigens eher dazu diesen Raum zu verkleinern, da sie zum einen das Feindbild vertiefen (Fördert das Bild von zwei Seiten, Gewinner-Verlierer) und zum anderen Vertrauen und Verlässlichkeit abbauen.
Was mich interessiert ist die Frage: haben wir als Deutschland, Europa, Nato und Westen alles in unserer Möglichkeit stehende getan, um mit Russland und der Ukraine über diesen Konflikt zu verhandeln? In den Medien ist präsenter die Frage nach Waffenlieferungen zu hören, aber was ist mit unserer demokratischen Kernkompetenz: dem Konsens?
Ich würde mir sehr wünschen, dass auch diese Perspektive in die öffentliche Debatte und auch eure Betrachtungen mit einfließen. Gerade anlässlich des 80. Jahrestags des Kriegsendes sollten wir uns genau überlegen, mit welcher Haltung und Ausrüstung wir uns positionieren.