LdN 384 - Umverteilung: Geht die Schere wirklich auseinander?

Ein Beispiel:
Ein Gastronom kommt zu dem Schluss, das er aus wirtschaftlichen Gründen Servicekräfte nur noch für maximal Mindestlohn einstellen kann.
Aufgrund der hohen Lebenshaltungskosten suchen sich gelernte Servicekräfte nun aber Jobs in besser bezahlten Tätigkeiten, qualifizieren sich weiter, etc.
Die gering bezahlten Stellen für Servicekräfte und Küchenpersonal beim Gastronomen bleiben unbesetzt.
Folge: Es wird nur noch ein Büffet mit Selbstbedienung angeboten, auf Papptellern. Der Gastronom und sein Koch packen nur noch das essen aufs Buffet. Kosten pro Gericht bleiben hoch, um die Kosten des Gastronoms zu decken und ausreichend Gewinn zu erzielen.
Wie wären die Marktchancen eines solchen Betriebes?
Extrem, aber mal als Gedankenspiel

Das geht aber auch nur, weil die ausführenden Kräfte über 12 Subunternehmer offiziell in Polen, Rumänien oder so angestellt sind. Sonst würden die ja auch Mindestlohn bekommen und das Reinigungsunternehmen will ja auch noch was verdienen. Die Tatsache, dass es oft so läuft kann man dann wieder aus verschiedenen Blickwinkeln bewerten …

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Es würden nur die Arbeitsplätze bestehen bleiben die so nötig sind, dass sie nicht entfallen, automatisiert oder ins Ausland verlagert werden können.

Ist man nicht bereit mehr als 12 Euro für die Reinigungskraft zu zahlen, dann muss man halt nach einer Mindestlohnerhöhung ohne auskommen.

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Bei einigen Berufen mag das so sein. Aber viele kann man sicher wegrationalisieren.

Ich habe Erfahrung mit IT-Unternehmen, die sich auf die Optimierung von Callcentern spezialisieren. In diesen Projekten werden Prozesse so gestaltet, dass Callcenter-Mitarbeiter deutlich weniger Routineaufträge bearbeiten müssen. Das Ziel ist es, ihnen mehr Zeit für komplexere Anfragen zu geben, um den Kundenservice zu verbessern. Diese Form der Digitalisierung erfolgt jedoch nur in geringem Umfang, da umfassendere Lösungen, die Mitarbeiter dauerhaft ersetzen, teurere IT-Investitionen erfordern würden.

Würden nun ausreichend Mitarbeiter die Branche wechseln und dadurch der zur Gewinnung von Kräften nötige Lohn steigen (analog einer zu starken Mindestlohnanhebung), käme es bald zum Erreichen des Break-Even-Punktes. Der Schwerpunkt würde sich von der Serviceverbesserung hin zur Substitution von Arbeitskräften verschieben. In einigen asiatischen Ländern ist dies bereits seit Jahren zu beobachten. Dort ist es mittlerweile nicht unüblich, in Restaurants von Robotern bedient zu werden, nachdem die Bestellung über ein Tablet aufgegeben wurde, oder als Bediener in weitgehend automatisierten Produktionsanlagen zu arbeiten, in denen nur noch wenige Tätigkeiten von Menschen ausgeführt werden – oft aus demografischen Gründen.

Oder lass uns auf den medizinisch-pflegenden Bereich schauen. Die Mitarbeiter dort verbringen leider signifikante Teile ihres Arbeitstages mit der Dokumentation von Handlungen (Waschen, Pillen sortieren, Essen ausgeben), Behandlungen (Bewegungstherapie, Umbetten, Medikamentenwechsel usw.) und Diagnosen (für jeden selbsterklärend, der mal beim Arzt war). Verwandte und Bekannte aus dem Bereich berichten je nach Berufsgruppe und Einsatzort (Arzt, Altenpfleger, Krankenpfleger vs. Krankenhaus, Altenheim, eigene Praxis) berichten von 10-40 % der Arbeitszeit, von denen das meiste relativ einfach digitalisierbar wäre (Diktiergerät anschmeißen und das LLM Berichtsteile vorgenerieren lassen und dann korrekturlesen). Auch hier würde ein gravierender Arbeitskräftemangel durch Abgang wohl eher einen Digitalisierungsschub anschmeißen, der letztlich zu einem Wegfall unheimlich vieler Arbeitsplätze führen kann.

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Die Annahme „Kosten bleiben hoch“ verstehe ich noch nicht ganz. Im Vergleich zu dem anderen Gastronom, der ceteris paribus die Servicekraft für 16€ anstellt habe ich ja geringere Kosten, zu lasten des Services. Dann kostet in dem einen Lokal das Essen 10€ und um anderen 10€ + die Umlage für die Servicekraft. Der Gast muss dann entscheiden, ob die Umlage den Service rechtfertigt. Im Extremfall setzt sich ein Modell durch. Meist ist am Markt aber Platz für beide Modelle. Ein Praxisbeispiel sind Berghütten in Skigebieten. Da kannste die Kasspatzen bei SB für 11€ kaufen, oder mit Service für 13€, vereinfacht gesagt.

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Grundsätzlich ja, wenn man die Ersparnis an die Kunden weitergibt. Ich stelle eher fest, das man sich im Umfeld auf einen ähnlichen Preis unter Gastronomen einpendelt, trotz unterschiedlichem Service. Da kostet das Schnitzel halt solidarisch 13 Euro.
Mag aber ein Einzelfall sein.
Aber Kern des Beispiels warcschon, wie auch schon erwähnt, die Substituiering von einfacheren Tätigkeiten durch Automation, KI oder schlicht wegfall von Serviceleistungen.
Muss man als Kunde nur auf dem Schirm haben

In dem Bereich wäre das eigentlich gewollt und es würden auch keine Arbeitsplätze wegfallen, sondern Arbeit neu verteilt.
Die Dokumentation ist Verschwendung von Arbeitsleistung, die an anderer Stelle eingespart werden muss.
Auch in anderen Bereichen haben wir das, wenn Künstler oder Sportler zu viel verdienen als dass es noch als Hobby durchgeht, aber zu wenig, als dass sie sich einen Steuerberater leisten könnten und sich mit Dingen beschäftigen müssen, die ihren Horizont und ihr Interesse übersteigen. Da wäre doch toll, wenn eine KI ihnen das abnehmen könnte und sie sich auf das konzentrieren könnten, was sie wirklich können.
Ich sehe aber momentan, dass nur wenig zufriedenstellend an Maschinen delegiert werden kann, darum haben wir die Arbeitskräfte ja, nicht deswegen weil Unternehmer Menschenfreunde sind.

Das Problem löst dich, sobald die Lohnstandards in der EU auf ein hohes Maß angepasst werden. Dann lohnt es dich eben nicht mehr alles nach Rumänien zu verschieben. Zeitgleich muss es Zölle geben auf Waren aus nicht EU Ländern, um diese auf ein passenden Preis zu heben. Zusätzlich muss diese Konstruktion aus Subunternehmern verboten oder hart reguliert werden. Es ist nie in Ordnung selbst Putzkräfte zu entlassen, weil man keine anständigen Löhne zahlen will und dann aber über zig fragwürdige Subunternehmen Putzkräfte für Hungerlöhne anzustellen.

Man kann ja überlegen wie man Unternehmen bei Exporten in billigere Länder unterstützen kann, darf es aber nicht übertreiben.

Und mal so, Deutschland ist immer noch zu Wirtschaftsnah in der Politik. Die Wirtschaft ist der größte Sozialhilfeempfänger hier und kann trotzdem am meisten jammern. Und wer wirklich Gas aus Russland des Mammons Willen möchte, obwohl dieses Land Krieg mit Vergewaltigungen (such an Kindern!), Terror usw. Führt, der sollte seinen Charakter mal hinterfragen.

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Mal eine subjektive Feststellung zum Thema Reichtum und Vermögen:

Mein Eindruck ist, das Reichtum, wenn man ihn mal mit höheren finanziellen Mitteln für Einzelpersonen definiert, speziell in Deutschland eher negativ interpretiert wird.
Einerseits gibt es, unabhängig davon wie der Reichtum entstanden ist, den unterschwelligen Vorwurf, soviel Geld häuft man nur mit unlauteten oder illegalen Methoden an. Andererseits schwingt immer oberflächlicher Neid mit, also warum hat der soviel mehr Geld, obwohl ich doch auch ganz viel arbeite.

Warum ist das so, oder trügt mich mein Eindruck?

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Sehr absurd, dass solche Subventionen nicht dazu führen, Einschränkungen im Patentrecht wahrnehmen zu müssen.
Der Steuerzahler zahlt Geld dafür, dass ein Unternehmen forschen kann. Hat das Unternehmen Erfolg, werden die großen Gewinne eingeheimst und einzig und allein das Unternehmen zehrt finanziell von den Gewinnen.
Wären an die Steuergelder Bedingungen geknüpft wie „muss weltweit zur Verfügung gestellt“ werden und „Patentgebühr ist XY“, wären die Steuergelder sinnvoller eingesetzt, und trotzdem wird Kohle gescheffelt.

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Ich glaube es ist eher die Frage, wo Reichtum anfängt bzw. wie man die Vergleichsgruppe spannt. Ich muss immer „lachen“, wenn ich hier was von Privilegien für Wenige lese und frag mich, ob den Schreibern eigentlich klar ist, wie unfassbar viele Privilegien sie selber gegenüber einer großen Mehrheit anderer Menschen auf der Welkt haben. Ich will da auch gar kein Beispiel nennen, dass dann als Einzelfall diskutiert wird. Wir sind in der moslowschen Bedürfnispyramide schon sehr, sehr weit oben.

Alles was man selber hat, ggf. schon seit Geburt gewöhnt ist, wird ja als >normal< wahrgenommen und während man vielleicht früher mal noch für bestimmte Güter wie z.B. nächst besseres Handy, Walkman, Fahrrad etc. verzichten und sparen musste, ist es doch für sehr viele normal sich heute alle 2-3 Jahre ein neues Smartphone zu kaufen. Und selbst das 0€-Modell im Billigtarif ist nicht wirklich schlecht.

Das spielt oft rein, mehr nehme ich aber wahr, dass unterstellt wird, dass man selber kaum Einfluss auf seine Weiterentwicklung hat, sondern es primär Frage der Geburt und der Rahmenbedingungen ist. Die bestimmen die Basis, quasi das Feld im Monopoly mit „Los“ und sind natürlich bei jedem anders. Aber wie es dann weitergeht, kann man schon gehörig selber beeinflussen.

Ich würde aber schon auch der Meinung sein, dass hohe Positionen in Wirtschaft, Politik und auch in jedem Fußballverein, oftmals mit Beziehungen, Geld und auch stückweit Ellebogen einhergehen. Falsch ist es mMn aber das Geld, die Macht, die Privilegien etc. der obersten 1% als Maßstab für sein eigenes Glück zu nehmen.

Da kommt für mich wieder Kollege Moslow ins Spiel und das in unserer Gesellschaft maximal viele Menschen auf Stufe 3 oder höher angekommen sind. Und ab da geht es immer mehr um das Individuum und „meine“ eigene Selbstverwirklichung. Und wir haben inzwischen in weiten Teilen einen so hohen Wohlstandslevel, dass wir zu viel Zeit haben, uns um den Scheiß anderer Leute zu kümmern, da wir nicht mehr an der Erfüllung von Stufe 1, 2 und auch weiten Teilen 3 arbeiten müssen. Kurzum: Weil es uns so gut geht.

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Das ist dann doch erst recht Grund genug, die eigenen Privilegien zu hinterfragen.

Glaubst Du, dass einer größeren Mehrheit bei uns im Land ihre heute vorhandenen Privilegien bewusst sind und er/sie diese auch als ihm/ihr zuteil werdende Privilegien wertet?

Extremes Beispiel, nicht falsch interpretieren: Im Vergleich zu wahrscheinlich Milliarden anderer Menschen haben bei uns selbst die finanziell Schwächeren das Privileg durch den Staat ein existenzsicherndes Bürgergeld zu beziehen.

Edit: Und das ist auf der Welt einfach keine Selbstverständlichkeit, auch wenn wir es hier als solche sehen.

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Das eine tun, ohne dass andere zu unterlassen.
Abgesehen davon wird die Situation eines Geringverdieners, der mit steigenden Lebensmittel-, Strom- und Mietpreinsen zu kämpfen hat, nicht dadurch besser, dass Menschen in anderen Ländern hungern.
Oder eines Bürgergeldempfängers, der dafür kämpft, seinen Kindern trotz Armut einen guten Start ins Leben zu ermöglichen.
Oder eines Rentners, dessen Rente vorn und hinten nicht reicht.
Du kannst Armut im eigenen reichen Land nicht ausblenden, indem du auf andere Länder verweist. Da machst du es dir zu leicht.

Naja, ich würde sagen, es ist so, weil es der Wahrheit entspricht. In den allermeisten Fällen fußt Reichtum auf Ausbeutung.

Und ob man jetzt Neid sagt oder Gerechtigkeitsempfinden, sagt viel über die eigene Ideologie aus. Ich jedenfalls habe genug Geld und finde trotzdem, reiche Menschen sollten mehr abgeben.

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Das tue ich nicht. Es gibt Menschen, die in Relation zum allgemeinen Wohlstand arm sind. Aber deren Armut ist weit weniger existenzbedrohend als in vielen anderen Regionen der Welt. Und das blendest Du gerade aus. Alle 3,6 Sekunden verhungert ein Mensch, wie viele davon leben in Deutschland?

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Ich blende gar nichts aus.
Aber das ist der Versuch von Problemen in Deutschland und den enormen Vermögensunterschieden hier abzulenken.
Es ist einfach kein Argument in dieser Debatte.

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Ich finde das tolle am Bürgergeld ist folgendes:

  • Wir sichern jedem das Existenzminimum über eine politisch unabhängige Kommission zu
  • Wir sichern jedem eine warme Wohnung zu
  • Wir geben jedem Zugang zu einem der besten Gesundheitssysteme der Welt
  • Wir geben jedem Zugang zu einem der besten Ausbildungssysteme der Welt

Indem wir eine würdige Untergrenze einziehen, kann man ganz anders über Ungleichheit diskutieren. Sie ist zwar dann nicht erstrebenswert, aber auch nicht schlimm, wenn niemand in Armut leben muss.

Daher ist das sägen von FDP/Union am Bürgergeld so unsäglich, weil sie den Wagenknechts der Welt wieder die Möglichkeit gibt, über den klaren Staat zu schimpfen.

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Es ist nicht absurd, der Staat möchte gerade dass ein Transfer der Grundlagenforschung in die Wirtschaft stattfindet, es wird sogar daran gearbeitet, dass er IP Transfer auf potentielle Gründer leichter wird. Es wird bereits seit Jahren an dem Thema gearbeitet, wie man eine volkswirtschaftlich sinnvolle Lösung finden kann. Unklare Patentrechte sind ein extremer Bremsklotz für Transfer.

Beim ideologischen „Alles muss 100% gerecht sein“ verliert man oft den volkswirtschaftlichen Gesamtnutzen aus den Augen. Wir wollen dass hier die Innovationen und Arbeitsplätze der Zukunft entstehen, nicht das ein superbürokratisches, aber total gerechtes Patentrecht alles noch komplizierter macht.

https://www.exist.de/EXIST/Navigation/DE/Gruendungsfoerderung/IP-Transfer/ip-transfer.html

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Dafür gibt es ja nächste Woche das Freihandelsabkommen mit Mercosur. Dann kann man das mit den Zöllen aus Südamerika schonmal vergessen.