Ich mache mal noch einen weiteren Thread zur sogenannten Rente mit 63, das hier könnte etwas länger werden und würden den anderen Thread über durchschnittliche Rentenhöhen sprengen.
Danke, dass ihr euch mit der abschlagsfreien Rente für besonders langjährig Versicherte beschäftigt habt! Ich stimme der Analyse im Kern zu, würde aber sagen, dass die Regelungen für früheren Renteneintritt noch problematischer sind, als ihr das schon darstellt.
Ab dem Jahrgang 1958 bedeutet die Rente mit „63“, dass man genau 2 Jahre früher in Rente gehen kann, ohne dafür Abschläge in Kauf nehmen zu müssen. Mit der Abschlagsregel würde die Rente sonst um 24*0,3%=7,2% reduziert werden. Folglich kann man die Rente mit „63“ äquivalent beschreiben, als einen Bonus von einem Faktor 1/0,928 ≈ 1,0776, also ca. 7,76%, den man nur bekommt, wenn man entsprechend früher in Rente geht. Aus dieser äquivalenten Beschreibung ergeben sich sofort zwei Fragen:
- Warum gibt es den Zuschuss nur, wenn man früher in Rente geht?
- Warum ist der Zuschuss proportional?
Die erste Frage betrifft das Anreizproblem, die zweite stellt die Frage, warum eine Person, die durchschnittlich 0,5 Entgeltpunkte eingezahlt hat, dreimal so wenig Zuschuss bekommt, wie eine Person, die durchschnittlich 1,5 Entgeltpunkte eingezahlt hat. Wenn man 45 Versicherungsjahre unterstützen möchte, wäre meines Erachtens eine Maßnahme wie „Wer 45 Versicherungsjahre hat, bekommt 3 Entgeltpunkte geschenkt“ zu bevorzugen. Das Anreizproblem würde nicht existieren und Menschen mit geringem Einkommen (um die es ja eher geht) werden zielgerichteter bezuschusst.
Ein weiterer relevanter Punkt ist, dass die Abschläge mit 0,3% zu gering sind. Man kann das fast „beweisen“, indem man sich das Verhältnis von den Kosten eines Entgeltpunktes (8.437€ (West) bzw. 8.320€ (Ost)) mit dem aktuellen Rentenwert (37,60€ (2023) bzw. vsl. 39,32€ (2024)) vergleicht. Das kleinste Verhältnis ist 37,60€/8.437€ ≈ 0,45%. Da 0,3% < 0,45% bedeutet das, dass man früher in Rente gehen kann und die früheren Rentenauszahlungen nutzen kann, um zusätzliche Rentenansprüche zu erwerben und am Ende eine höhere Rente hat, als wenn man nicht früher in Rente gegangen wäre. Es gibt hier also so etwas, wie eine Arbitrage. Der Punkt, dass die Abschläge zu gering sind, wird nicht nur durch dieses Argument, sondern beispielsweise durch das Jahresgutachten des Sachverständigenrates, Ziffer 419 gestützt.
(Fortsetzung folgt)