LdN 380 Zertifikatshandel

Gibt es bei dem System nicht einen Fehler/Fehlanreiz? Von Deutschland gelöschte Zertifikate sollten nicht im nächsten Jahr nur für Deutschland weg sein, sondern für alle. So dass jedes Land etwas weniger Zertifikate zur Versteigerung erhält. Deutschland hätte dann mehr als es „braucht“ und könnte so Gewinne erzielen, der Klimaschutz würde sich also lohnen.

Das würde den Anreiz für alle schaffen, mehr als durchschnittlich Zertifikate zu sparen.

Und naja, es scheint auch grundsätzlich zu viele Zertifikate zu geben, aber 2045 ist nicht mehr labge hin, das kann schnell kippen.

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Ich würde gerne noch ein paar Fragen hinzufügen:

  1. Wenn ich in der Vergangenheit auf Flüge verzichtet habe, wurde mir häufiger das Argument entgegengebracht, dass die durch mich gesparten Emissionen durch den Zertifikatshandel einfach nur an anderer Stelle verbraucht werden. Ist dieses Argument in Jahren, in denen es zur Löschung von Zertifikaten kommt, nun invalide?

  2. Ist sicher, dass die Klimazertifikate tatsächlich der entscheidende Faktor für die Klimatransformation sind? Denn nur dann würde eine Spende bei compensators.org auch halten, was sie verspricht, oder?

  3. Bei welchen Akteuren landet mein Geld, wenn ich Zertifikate bei compensators.org kaufe? Oder ist die Frage irrelevant, da es sich beim Emissionshandel ohnehin größtenteils um einen freien Markt handelt?

Ob der Zertifikatehandel funktioniert oder nicht ist fraglich. Aus meiner Sicht braucht es noch vorausschauenden Politik, die durch weitere Lenkungen darauf hinarbeitet, dass Emissionsziel eingehalten oder Bürger und Industrie dabei unterstützt werden. In 1-2 Jahren lässt sich der Markt z.B. ja nicht auf e-Autos umbauen. Das braucht Zeit und der Emissionshandel ist dafür keine verlässliche Grundlage.

So wie ich es verstanden habe kauft compensators mit deinem Geld Zertifikate auf. Das bekommt dann also ein Akteur, der noch Zertifikate übrig hat. Theoretisch belohnst du damit seine Einsparbemühungen und verhindert, dass diese Emissionen im nachfolgenden Jahr wieder freigesetzt werden dürfen. Anders als Industrie wird durch deinen Kauf ja Emissionsrecht gelöscht, ohne dass tatsächlich Emissionen entstanden sind.

Es ist jedenfalls recht wahrscheinlich. Der Zertifikatehandel ist das Instrument, auf das sich die EU weitgehend und für viele Bereiche der Wirtschaft geeinigt hat um ihre Klimaziele zu erreichen. Natürlich ist es theoretisch möglich, dass eine überraschende technische Entwicklung (z.B. ein Quantensprung bei der Batterie-, Solar- oder Fusionstechnologie) oder eine zukünftige politische Entscheidung den Zertifikatehandel rückblickend unnötig macht. Aber dafür gibt es keine Anzeichen.

Natürlich gibt es auch andere valide Strategien: Ich habe beispielsweise ein ziemlich großes Grundstück, dass mir auch mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit auf Dauer gehören wird und auf dem ich konsequent aufforste. Für meine persönliche CO2-Kompensation (und meiner Familie) ist also gesorgt (vor allem da wir unterm Strich ein relativ sparsames Leben führen).

Auch manch ein anderer ist vielleicht in der persönlichen Situation, einen messbaren Unterschied zu machen: Landwirte können auf regenerative Landwirtschaft umstellen, Betriebsinhaber ihre Produktion auf erneuerbare Energien umbauen. Aber für die Mehrzahl der Menschen sind Zertifikate vielleicht der beste, einfach durch Geld bedienbare Hebel.

Völlig umsonst ist übrigens noch eine andere Strategie: richtig wählen :wink:

Ich hätte noch eine ganz andere Frage: seit wir ein E-Auto haben, bietet uns der ADAC an, unsere CO2 Emissionsrechte zu verkaufen und eine THG Quote zu sichern. Was hat es damit auf sich? Verkaufe ich dann nur mein eingespartes CO2 an jemand anderen, damit der dann lustig weiter CO2 wegblasen kann? Ist es für den Klimaschutz sinnvoll, diese Emissionsrechte nicht zu verkaufen und spart das dann wirklich CO2 ein? Oder ist das alles Augenwischerei? Oder verstehe ich es einfach nicht?

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Ich habe auch eine Frage:
Müsste nicht die Badewanne jedes Jahr kleiner werden?

Wenn ich es richtig verstanden habe werden ja Zertifikate nur gelöscht, wenn die Wanne randvoll ist.
Sprich, was bringt es dem Klimaschutz, wenn jedes Jahr die gleiche Menge zur Verfügung steht.

Das Cap wird immer weiter reduziert (Der Europäische Emissionshandel | Umweltbundesamt). Aktuell sind es jedes Jahr 4,3% weniger Zertifikate und ab 2028 dann 4,4% weniger. Das ist aber nur bezogen auf die Summe, die neu hinzukommt. Das Problem ist, dass es historisch einen Überschuss an Zertifikaten gab, weil in einzelnen Jahren nicht alle abgerufen und auch nicht gelöscht wurden. Letzteres ist in sich auch logisch, da es an sich egal ist, weil es ja um die Menge der Gesamtemissionen. Wann diese Ausgestoßen werden ist zweitrangig.

Problematischer ist der dadurch fehlende akute Preisanreiz. Durch entsprechend ansteigende Zertifikatspreise soll ein Anreiz geschaffen werden Prozesse umzustellen. Hier hat die EU das Instrument der Marktstabilitätsreserve eingeführt. Dadurch soll ein kurzfristig sehr stark steigender Preis vermieden werden (wenn man einfach alle Zertifikate löschen würde). Hier sind das obere Limit besagte 833 Mio. Zertifikate. Wenn das Volumen darüber liegt, dann werden die Zertifikate in die Reserve gestellt und nicht zwangsläufig direkt gelöscht. Wenn die Reserve wiederum zu voll ist, dann erfolgt eine vollständige Löschung. Genauso gibt es aber auch nach unten ein Limit, wenn am Ende des Jahres weniger als 400 Mio. Zertifikate im Markt sind, dann werden Zertifikate aus der Markstabilitätsreserve (sofern in dieser noch vorhanden) in den Markt zurückgeführt

Dieser Mechanismus war übrigens in der Vergangenheit auch der Grund wieso die Bundesregierung gesagt hat, dass sie die ebenfalls vorhandene Möglichkeit der direkten Löschung (weiterer Weg) von Zertifikaten nicht nutzen möchte. Auch jetzt soll das nur dann umgesetzt werden, wenn es wirklich einen Effekt gibt und nicht direkt im kommenden Jahr (weil sonst wie erklärt und durch eben diese Prozesse der Marktstabilitätsreserve das Ziel verpuffen würde.

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Genau so ist es. Es gibt aber auch Zertifikateaufkäufer, die dir nur einen Teil des Geldes auszahlen und den anderen in Klimaschutzorganisationen spenden. Das muss wohl jeder mit sich selbst ausmachen.

Kannst Du mir das mal erklären? Inwiefern hast Du denn Emissionsrechte zu verkaufen? Wenn ich tanken gehe, hat mich noch niemand gefragt, ob ich denn dafür noch Emissionsrechte übrig habe.

Das ist an dieser Stelle etwas anderes als die ETS-Zertifikate. In vereinfacht und kurz: Die Mineralölunternehmen müssen eine Quote erfüllen, um die Treibhausgasemissionen zu senken. Bei E10 z.B. hat das durch Beimischung noch geklappt. Inzwischen kommen sie da an Limits und es gibt im Verkehr noch andere Vermeidungsoptionen. Wer ein E-Auto hat vermeidet Emissionen und bekommt dadurch pauschalisiert eine Menge an vermiedenen Emissionen zugesprochen. Diese kann man als Besitzende nun verkaufen.

Genau das gleiche habe ich mich beim hören der Folge auch gefragt! :slight_smile:

Also, wenn ich das Thema richtig verstanden habe, ist es folgendermaßen. Falls ich falsch liege, korrigiert mich bitte, weil ich mir auch nicht ganz sicher bin:
Es gibt zum einen den CO2 Zertifikate Handel. Die Preise der Zertifikate hängen mit dem CO2 Preis zusammen. Wenn zum Beispiel ein Kraftwerk CO2 ausstößt, ohne die dafür erforderlichen Zertifikate zu haben, muss es eine Strafzahlung in Höhe des CO2-Preises bezahlen. Also werden die Zertifikate auch nicht teurer als der CO2-Preis.

Der THG-Quotenhandel wurde zusätzlich und neben dem CO2 Zertifikate Handel für den Verkehrssektor eingeführt. Mineralölunternehmen, die Kraftstoffe in den Markt bringen, müssen eine bestimmte Menge an THG-Quoten vorlegen. Diese Quoten können Sie z.B. Von E-Auto-Besitzern oder Ladesäulen-Betreibern oder Biomethan-Produzenten erwerben. Durch die bloße Existenz eines E-Autos oder das Aufstellen einer Ladesäule werden THG-Quoten generiert.
Auch das einmischen von biogenen Kraftstoffen ist eine Lösung für die Mineralölkonzerne.

Wenn ich mir Ein E-Auto kaufe, um die Umwelt zu schonen und dann meine THG-Quote veräußere, tritt schon ein gewisser Wasserbett-Effekt ein, würde ich sagen

Es gibt eine in den entsprechenden Verordnungen definierte Strafzahlung, wenn ein Unternehmen im Rahmen des ETS seine Emissionen nicht durch Zertifikate decken kann. Aktuell sind aber genug Zertifikate verfügbar, sodass es immer möglich ist seine Emissionen über den Markt zu decken.

Das kann man so bezeichnen. Die Mineralölunternehmen können damit ihren Ausstoß dann decken, was ohne das Zertifikat nicht geklappt hätte. Wichtig ist dabei meines Wissens, dass es nicht ausreichend ist einfach nicht zu verkaufen. Ich habe im Hinterkopf, dass die Bundesregierung oder das UBA die zwar vorhandenen aber nicht verwendeten Zertifikate auch selber auktionieren kann. Da müsste man glaube ich dann als Besitzende eines E-Autos das glaube ich anzeigen, dass man das ungenutzt (bezeichne ich gerade aus dem Kopf mal so) lassen möchte.

Habe mir das mal kurz angeschaut. Wahrscheinlich habe ich es immernoch nicht komplett durchdrungen, aber das hört sich ja hochgradig irre an.
Zum einen hängt das ja im Prinzip davon ab, wieviel man überhaupt fährt. Und zum anderen müsste das ja dann auch gelten, wenn jemand seinen alten Diesel verkauft und ab jetzt zu Fuß geht. Da müsste es ja dann konsequenterweise noch mehr Prämie geben.

Grob gesagt ist es ja so, dass man davon ausgeht, dass gefahrene km mit dem E-Auto weniger CO2 ausstoßen/verursachen als Verbrenner. Für diesen Ausstoß kannst du eben Zertifikate verkaufen.
Treibhausgasminderungsquote – Wikipedia → Geldprämie für Halter von batteriebetriebenen Fahrzeugen.
Ich habe das auch ausprobiert und in den ersten beiden Jahren dreistellige Beträge erhalten, mittlerweile sind es nur noch zweistellige.
Es gibt Kritik an der Methode, steht auch im o. a. Wiki Artikel, aber das muss jeder mit seiner Moral ausmachen.

Mich erinnert das ein wenig an grünen Strom aus norwegischen Wasserkraftwerken. Da werden die Zertifikate verkauft, damit wir unseren Strom grün labeln können. Die Verbraucher dort verbuchen ihren Strom aber auch als grün, weil er ja physikalisch grün ist, obwohl er bilanziell ja nach Verkauf der Zertifikate nicht mehr klimaneutral ist.

Ähnlich ist die Idee, aus ökologischen (Gewissens-)Gründen ein E-Auto zu kaufen und dann Geld dafür zu nehmen, das jemand anders das eingesparte CO2 verballern darf.

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