LdN 367: NYT - Ist Israel in eine Falle der Hamas getappt?

Nochmal dazu, auch aus Transparenzgründen:

Ich bin gerade mal den Moderationsverlauf durchgegangen, um zu schauen, was nicht freigegeben wurde. Deinen Beitrag hätte ich durchaus freigegeben, kann aber verstehen, warum er nicht freigegeben wurde. Was mir aber bei der Durchsicht der nicht freigegebenen Beiträge vor allem aufgefallen ist, ist, wie viele (eher unreflektierte) extrem pro-palästinensische Beiträge nicht freigegeben wurden.

Das mal transparent zu machen ist denke ich wichtig, denn leider geht jeder, dessen Beitrag nicht freigegeben wird, gerne davon aus, dass das ein Bias gegen dessen jeweilige Position wäre, weil er nicht sieht, wie viele (oft unreflektierte oder einfach sehr polemische) Beiträge der Gegenseite ebenfalls angelehnt werden. Also es ist wirklich nicht so, dass wir hier eine Seite des Arguments schlechter behandeln würden als die andere, ich würde sagen, dass mehr pro-palästinensische als pro-israelische Beiträge abgelehnt wurden (was vermutlich daran liegt, dass die pro-palästinensische Seite noch stärker emotionalisiert ist). Am liebsten sind uns aber natürlich reflektierte Beiträge, in denen zu erkennen ist, dass versucht wird, beide Seiten des Konfliktes zu verstehen und nicht zu polemisch oder gar propagandistisch gegen eine Seite zu argumentieren (was weit von „Bothsidism“ entfernt ist!).

Dazu muss glaube ich wirklich jedem klar werden, dass die Moderation in einem Forum wie diesem eine verdammt harte Arbeit ist und nie alle zufrieden sein werden, das wäre einfach eine unrealistische Erwartung.

Nun, ich habe diesen Vergleich ja nicht ins Spiel gebracht - aber wenn man ihn zieht, ist das natürlich eine entscheidende Frage. Anders formuliert: Wenn man gar nicht sagen kann, ab wann die Hamas keine Bedrohung mehr darstellt - für Israel, aber auch für die Bevölkerung des Gazastreifens - wie kann man dann schon den nächsten Schritt fordern (also das Pendant zum Marshallplan)?
Es wäre mir auch lieb, wenn wir das nicht als reines Wünsch-Dir-Was behandeln („am besten wäre eine wohlmeinende Besatzung von X, Y und Z“), sondern realistische Optionen betrachten: Und dazu gehört, dass (zumindest nach meinem Kenntnisstand) keinen einzigen europäischen oder arabischen Staat gibt, der auch nur annähernd bereit wäre, sich in oder wegen Gaza die Hände schmutzig zu machen. Und die UN fallen dafür nach den Erfahrungen mit UNDOF, UNFIL und UNRWA wohl auch aus. Was bleibt also?

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Aber das lässt sich doch ausrechnen. Und da der Vergleich hier irgendwo schon aufgetaucht ist:
Deutschland hatte vor WKII etwa 66 Mio Einwohner. Davon sind 6 Mio durch den Krieg zu Tode gekommen. Das waren 9% der Bevölkerung.
Der Gaza-Streifen hatte vor dem aktuellen Krieg 2.375.259 Einwohner, davon sind bis jetzt 28.340 durch Kriegseinwirkung gestorben - einschließlich ca. 10.000 Kämpfer. Das sind 1,2% der Bevölkerung.
Zu Opferquote, bei der Deutschland kapituliert hat, fehlen nur noch 180.000 tote Palästinenser. Das dürfte spätestens im Sommer 2025 erreicht sein.
Zur Zuverlässigkeit der palästinensischen Angaben möchte ich gern auf die beiden nachfolgenden Artikel verweisen. Israel gibt an, bis 1. Februar über 10.000 Hamas-Kämpfer getötet zu haben. Am 5. Dezember letzten Jahres hat ein Sprecher der IDF verlautet, dass zwei getötete Zivilisten pro getötetem Terroristen aus Sicht der IDF eine ausgesprochen positive Quote seien (bei der Operation Protective Edge 2014 lag die Quote bei 1,8). Mit der Annahme landet man sehr nah an der von den Palästinensern angegebenen Opferzahl.

Wenn die Palästinenser ebenso fanatisch wie die Deutschen bis zum Ende kämpfen, um ihr mörderisches Regime an der Macht zu halten, statt zu kapitulieren und ihre Zivilbevölkerung zu schützen, dann wird es möglicherweise und schrecklicherweise zu solchen Zahlen kommen.

Das führt wieder zur Frage: Wer sind „die Palästinenser“?
Der Großteil der Palästinenser lebt aktuell in Zeltstädten, der Großteil der Wohnräume und zivilen Infrastruktur wurde zerstört, Hilfeleistungen können das Leid kaum auffangen, Krankheiten werden sich dort massiv ausbreiten und die Opferzahlen steigen. Von der aktuellen Militäroperation ist jeder Palästinenser betroffen.

„Die Palästinenser“ kämpfen schon lange nicht mehr - und haben mehrheitlich auch nie gekämpft. Und wie gesagt, die Führungsriege der Hamas sitzt in Katar und im Libanon, schön weit weg vom Gaza-Streifen. Die wird nie kapitulieren, die leben in relativem Luxus und schicken die Kinder aus dem Gaza-Streifen für ihre Sache in den Tod, so lange sie die Chance dazu haben. Der Großteil der Hamas-Kämpfer im Gaza-Streifen wurde getötet, die restlichen jetzt in ihren Tunneln und Erdlöchern zu finden und zu töten wird so lange dauern, bis die nächste Generation, die nun in den Flüchtlingslagern heranreift, sie ersetzt - und dass die aktuelle Lage eine ideale Brutstätte für die nächste Generation von Terroristen ist, sollte wirklich jedem klar sein.

Israel will den Militäreinsatz vor allem wegen der Geiseln nicht beenden - das ist auch verständlich. Das Problem ist nur: Niemand weiß, ob die verbleibenden Geiseln überhaupt noch leben und falls ja, ob sie überhaupt noch im Gaza-Streifen sind. Das macht die Sache aktuell so schwierig, weil ein Ende des Militäreinsatzes letztlich bedeutet, die Geiseln aufzugeben. Daher kann ich Israel da auch verstehen, aber es ändert nichts an der Problematik, dass jeder Tag, den die Gaza-Bevölkerung weiter in Zeltstädten leben muss, zu mehr zukünftigen Terroristen führen wird.

Es ist extrem schwierig und gleichzeitig auch ganz schön viel verlangt. Selbst wenn die israelische Regierung ein Interesse hätte, wüsste ich nicht, wie das vonstatten gehen sollte. Die Hamas bekämpft Israel und ich habe noch nicht gelesen, dass palästinensische Zivilisten Mitglieder der Hamas „verraten“ würden.

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Ummm… also Israel ist klug genug, zu wissen, dass jeder, der die Hamas verrät, eine dicke Zielscheibe auf der Stirn hat.

Die Befreiung der beiden älteren Geiseln vor zwei Tagen war laut Israel möglich durch „Geheimdienstinformationen“, auch eine hohe ausgelobte Belohnung für Hinweise zum Aufenthaltsort der Geiseln wurde erwähnt, samt Flugblättern, die unter den Palästinensern verteilt wurden. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Information, die zur Befreiung der Geiseln führte, von Palästinensern kam, ist ziemlich hoch. Aber wie gesagt: Israel wird nie so dumm sein, das Publik zu machen oder gar die Identität der Informanten zu verraten, sonst hat das eben gerade zur Folge, dass es keine weiteren Informanten geben wird.

Das Argument „ich habe noch nicht gelesen, dass palästinensische Zivilisten Mitglieder der Hamas „verraten“ würden“ ist daher wirklich ein denkbar schlechtes, weil es ein riesiger Fail Israels wäre, wenn du jemals so etwas sehen könntest…

Wir sind uns einig, dass es eine schwierige, fast unmögliche Aufgabe ist. Und deshalb würde ich der israelischen Regierung, gerade weil ich ihr zugestehe, im Rahmen ihres Selbstverteidigungsrechts hart gegen die Hamas vorzugehen, viel zugestehen, wenn dabei etwas schief geht. Aber eben nur unter der Bedingung, dass ernsthafte Bemühungen zum Schutz der Zivilisten und zur Versorgung der Geflüchteten zu erkennen sind.

Aber wie gesagt: In der israelischen Regierung sind Rechtsextremisten, die sich über jeden toten Palästinenser freuen - das muss man auch ganz klar so benennen. Und Netanjahu ist der Koalitionsfrieden mit diesen Rechtsextremen in jedem Fall wichtiger, als das Schicksal der Palästinenser. Deshalb passiert so wenig zum Schutz der Palästinenser, deshalb sind nicht mal ernsthafte Bemühungen zu erkennen, diese zugegebenermaßen extrem schwierige Aufgabe zu bewältigen. Und deshalb muss das kritisiert werden.

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Ernst gemeint: Was könnte aus Deiner Sicht noch getan werden? Die Hamas gar nicht zu verfolgen, ist m.E. keine Option.

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Was hältst du hiervon? Der eigentliche Adressat hat darauf leider nicht reagiert.

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Ich könnte mir vorstellen, dass die Israelis die (aus meiner Sicht nicht unberechtigte) Angst haben, dass sich dort wieder Hamas-Kämpfer verstecken und sie von dort hinterrücks angegriffen werden. Soldaten sind auch Menschen und wollen nicht sterben.

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Ich denke, dass es für eine Rückgabe des Gaza-Streifens an die Palästinensiche Autonomiebehörde notwendig ist, alle Tunnel inkl. Munition, Sprengstoff, Waffen… der Hamas zu zerstören.
Meines Wissens nach gab es nach dem ersten Rückzug aus Gaza 2005 einen Putsch der Hamas gegen die Fatah. Dabei wurden auch Fatah-Mitglieder auf Hochhäuser in Gaza getrieben und von den Dächern gestützt, um sie zu ermorden.

Die Fatah-Regierung der Autonomiebehörde befindet sich in einem Verhältnis abgrundtiefen Hasses mit der Hamas. Würden in Gaza Terrorinfrastruktur verbleiben ist zu befürchten, dass eine stabile Nachkriegsstruktur auch dieses mal scheitert. Insbesondere, weil die Autonomiebehörde ohnehin als durchsetzungsschwach und korrupt gilt und kaum Vertrauen in der Zivilbevölkerung genießt und wegen oben genannter Feindschaft zu Milizen, die ihre Macht auch in der Westbank übrigens sukzessive unterlaufen.

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Zweiten iron dome bauen, dafür sorgen dass der Grenzschutz nicht wieder fahrlässig off-duty ist.

Dass die Tötung zehntausender Zivilisten kein konstrukiver Weg ist, muss doch jedem klar sein.

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Ich finde das zynisch. Ich muss also auf eigene Kosten eine Panzertür in mein Haus bauen, weil mein Nachbar ein Dieb ist und mich bestiehlt. Wenn ich dann mal vergesse abzuschließen, dann ist es meine eigene Schuld, dass ich bestohlen wurde? Seltsame Logik.

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Dass Israel über längere Zeit von verschiedenen Seiten vorgewarnt war, wurde auch hier im Forum besprochen. Die Netanjahu-Regierung wird sicherlich viele Vorwände finden, weshalb diese nicht ernst zunehmen waren. Meine Bewertung der Fahrlässigkeit ändert das nicht. Zynisch finde ich die massenhafte Tötung Unbeteiligter als besten Weg zu sehen.

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Einspruch. Es geht hier doch nicht um Schuld (natürlich trägt die Hamas die volle Schuld an den Ereignissen vom 7. Oktober), sondern um ein Vorgehen, das einerseits so zielführend wie möglich ist und andererseits dem humanitären Völkerrecht genügt - an das Israel gebunden ist.
Was erreicht die israelische Regierung denn mit ihrem Vorgehen? Sie tötet einen Teil der Terroristen und zerstört mit viel Glück den Großteil der Tunnel und Nachschublinien der Hamas - aber um welchen Preis? Es gibt sehr hohe Opferzahlen unter der Zivilbevölkerung (darunter sehr viele Kinder), der Hass auf Israel in den Palestinensergebieten und in einem großen Teil der arabischen Welt wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten eher noch wachsen, und Gaza liegt in Schutt und Asche. Es ist nicht davon auszugehen, dass Israel den Gazastreifen anschließend wieder aufbaut und einer Zwei-Staaten-Lösung zustimmt. Dass sich angesichts dessen auch in den Ländern, die Israel grundsätzlich unterstützen, zunehmend Zweifel und Kritik artikulieren, finde ich nicht verwunderlich.

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Wer sieht die massenhafte Tötung als besten Weg? Ich bestimmt nicht, darum habe ich ja nachgefragt.

Zynisch ist auch, dass die anderen Nachbarn des Hauses, die mit dem Dieb verwandt sind, sich leider alle außerstande sehen, diesen von seinem Tun abzubringen. Oder dass sie ihn sogar mit Geld unterstützen. Aufnehmen will ihn natürlich aber keiner.

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Das ist doch quasi in jedem Guerillakrieg ebenfalls so. Auch Al-Qaida oder der IS haben nicht immer Uniformen getragen. Und trotzdem haben die Kriegsparteien zivile Hilfe für Flüchtende geleistet. Ob das immer ausreichend war (der Krieg gegen den IS war auch sehr hart), darüber kann man diskutieren. Sie haben es aber trotzdem getan.

Wer bezahlt nochmal uns das Sondervermögen Bundeswehr, also die Abschreckung gegen Russland? Also üblicherweise ist die Absicherung des eigenen Grund und Bodens Privatsache und die Nato eine Nachbarschaftswache. Wenn der Nachbar nun einen Schweißbrenner kauft, muss ich halt die Selbstschussanlage organisieren. Aber ehrlich gesagt ist das Bild schief, denn es gibt im normalen Leben eine unabhängige Instanz, die gegen Verbrecher vorgeht. Darüber hinaus hat der Beraubte im Allgemeinen kein Anrecht die Frau und Kinder des Räubers zu erschießen um diesen festzunehmen.

D’accord, du nicht. Bei den Israelis gibt es solche Positionen aber durchaus. Selbst der israelische Botschafter in Deutschland ist so ein Hardliner.

Als ich das letzte Mal auf die Karte geschaut habe, grenzten Ägypten und Jordanien an Israel, aber nicht der Iran. Erstere lehnen die HAMAS ab und unterstützen sie auch nicht. Und auch das Verhältnis mit der Hisbollah im Libanon war bisher vergleichsweise ruhig. Klar, man beschießt sich gegenseitig. Aber eben nicht so dass es einen Konfliktausbruch auf der einen oder anderen Seite rechtfertigt.

Es stellt sich aber auch die Frage wie sie helfen sollten. Eine militärische Intervention befreundeter nicht-israelischer Friedenskräfte in Gaza lehnte Israel wohl mehrfach ab.

Die Frage ist ob die Palästinenser das überhaupt wollen. Gerne wird den Israelis vorgeworfen, wenn sie humanitäre Hilfe leisten, sie wollten sich reinwaschen.
Momentan geben sie bekannt, dass in diesem oder jenem Gebiet nun Flüchtlingscamps errichtet werden können, sie diese Gebiete also nicht mehr angreifen. Das ist wohl der kleinste gemeinsame Nenner.
Wo sie mehr tun könnten, wäre, die Grenzen für Hilfslieferungen frei zu machen.
Helfer gibt es ja, sie müssen nur auch in die Lage kommen zu helfen.

Das fordert doch wirklich niemand. Wie schon oft gesagt: Die Hamas darf nie wieder an die Macht im Gaza-Streifen (oder sonst wo in der Welt) kommen. Aber wie schon öfters gesagt, es können nur die großen Strukturen der Hamas militärisch zerstört werden, wenn man den Krieg gegen die Hamas erst dann als beendet ansieht, wenn es keine Hamas-Kämpfer mehr im Gaza-Streifen gibt, ist es faktisch unmöglich, dass dieser Krieg jemals beendet sein wird. Die Frage ist daher: Wie sehr muss die Hamas geschwächt werden und wer sorgt danach im Gaza-Streifen für einen koordinierten Wiederaufbau und dafür, dass die Hamas nicht wieder an die Macht kommt?

Dass das verdammt schwierige Fragen sind, auf die es keine einfachen Antworten gibt, da sind wir uns glaube ich alle einig. Aber das sind nun einmal die Fragen, die gelöst werden müssen - und dazu müsste Israel anfangen, über die Zeit nach der Militäroperation nachzudenken und sich auch bewegen, was die Zulassung von internationalen Truppen im Gaza-Streifen anbelangt - denn das scheiterte bisher auch stets daran, dass Israel dagegen war (und die USA im Sicherheitsrat ein entsprechendes Veto für Israel eingelegt haben). Der erste Schritt zu so einer Lösung ist daher zweifelsohne, dass Israel seine Blockadehaltung aufgibt - dann kann man schauen, ob man die notwendigen Truppen zusammen bekommt, um den Gaza-Streifen zu Ent-Hamasieren und sicher wieder aufzubauen… So lange Israel nicht seine Bereitschaft signalisiert, wird sich in diese Richtung nichts tun.

Oder die Hamas ergibt sich endlich… aus meiner Sicht könnten wohlmeinende Akteure jetzt bereits überlegen, wer diese Aufgaben übernimmt. Wenn Saudis, Jordanien und Ägypten sowas ernsthaft zusammengestellt haben, ist es für Israel vermutlich einfacher die eigenen Truppen abzuziehen. Gehe ich aus meiner Wohnung, solange der Einbrecher noch da ist, obwohl ich viel stärker bin oder halte ich ihn dann solange fest, bis die Polizei endlich eintrifft?