LdN 367: NYT - Ist Israel in eine Falle der Hamas getappt?

Im Podcast ist ein Interview der New York Times erwähnt worden (ca.15:20 min in der Werbeversion), in dem eine Konflikt-Forscherin die Theorie aufgestellt hat, dass die Hamas Israel mit dem Terrorangriff vom 7.10. in eine Falle locken wollte.

@vieuxrenard In den shownotes konnte ich keinen entsprechenden Link finden und im Internet habe ich auf die schnelle nur diesen alten Artikel gefunden:

Aber den dürftet ihr wohl nicht gemeint haben. Habt ihr vielleicht noch den Link zu dem Interview-Artikel den ihr im Podcast erwähnt habt?

Ich würde gerne in eine Diskussion dazu einsteigen, weil ich die Frage der Motivation bei diesem Konflikt sehr wichtig finde, aber möchte natürlich erstmal die Originalquelle lesen.

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Ich weiß es ehrlich gesagt auch nicht, das war ja eine Quelle von Philip, aber die These scheint mir sehr plausibel, wenn ich mir diese Zahlen hier anschaue:

Okay, danke schonmal für die schnelle Antwort. :slightly_smiling_face:

Die Zahlen oder besser den Trend dahinter, also dass Israel in der westlichen Welt die Zustimmung zu seinem Krieg im Gazastreifen verliert, dürfte wohl erstmal unstrittig sein.

Ich habe allerdings große Zweifel, dass die Hamas tatsächlich beabsichtigt hatte, die massive Reaktion der israelischen Regierung zu provozieren, die wir dieser Tage sehen.

Aktuell sieht es ja mindestens nach einer Besetzung des Gazastreifen aus. Das kann ja eigentlich niemand im Gazastreifen wirklich wollen, oder?
Und wenn die Hamas tatsächlich eine militärische Reaktion provozieren wollte, warum haben sie dann Geiseln genommen? Die dürften sie doch eher genommen haben, um Israel von einer militärischen Antwort abzubringen.
Und was was würde sich die Hamas von geringer Zustimmung „des Westens“ versprechen? Die einzige Nation, die für Israel wichtig ist, sind die USA. Und deren Solidarität mit Israel dürfte ziemlich unerschütterlich sein.

Einzig das Verhindern der langsamen Annäherung von Saudi Arabien und Israel könnte ich mir als ein „PR-Ziel“ vorstellen.

Aber selbst wenn, nutzt Israel ja scheinbar „die Gunst der Stunde“ um den Gazastreifen zu besetzen, wenn nicht sogar, um die Palästinenser so gut es geht von dort zu vertreiben.
Und schaut man sich die innenpolitischen Probleme von Netanjahu an und die Berichte über ägyptische Warnungen kurz vor dem 7.10., dann entsteht ja sogar eher der Verdacht, dass die Hamas den Israelis in die Falle getappt ist.

Daher halte ich auch das abgeleitete Argument, wonach „wir“ uns mit Kritik an Israel zurückhalten sollten, weil das ja das Ziel der Hamas gewesen sei, für sehr überzogen, zumindestens ohne konkrete Beweise für eine entsprechende Intention der Hamas.

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Also wenn wir hier schon diskutieren, welche Variante 3D-Schach die Hamas spielt, dann werfe ich mal die These in die Runde, dass die Hamas mit dem Angriff den unter Druck stehenden Netanyahu innenpolitisch stärken wollte, weil beide von der ewigen Fortführung des Konflikts profitieren. Ein Regierungswechsel hin zu einer Koalition, die wieder mehr auf Verhandlungen gesetzt, und vielleicht auch im Westjordanland die Siedler im Zaum gehalten hätte, hätte evtl. auch auf Palästinenserseite das Verlangen nach einem friedlichen Ende des Konflikts erneuert, und jedem wäre klar gewesen, dass die Hamas dafür nicht die geeignete politische Führung ist.

Unabhängig davon, ob das die Intention der Hamas war, gilt das aber trotzdem. Biden hat dieses Jahr Wahlen, und die anglo-amerikanische Linke ist leider sehr unkritisch, was Antisemitismus in den eigenen Reihen angeht, um es mal salopp zu formulieren. Auf deren Stimmen ist er aber absolut angewiesen, ebenso auf die arabisch-stämmiger oder muslimischer Communities. Das erklärt seinen Schlingerkurs, weswegen er einerseits Israel schon unterstützt aber andererseits öffentlich kritisiert.

Letztendlich führt die externe Kritik auch aus westlichen Staaten allerdings nur dazu, dass die israelischen Streitkräfte rücksichtsloser vorgehen müssen, weil sie evtl. nur ein begrenztes Zeitfenster haben um zumindest die militärische Struktur der Hamas vollständig auszulöschen. Und sollten sie das am Ende nicht schaffen, weil irgendeine Antisemitische Internationale doch noch Wege findet sie zu stoppen, wäre das genau so eine Niederlage für die westlich geprägten Demokratien als würde Russland am Ende die Ukraine besiegen.

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Das Argument kannst du eins zu eins umdrehen und statt Hamas die Regierung von Netanjahu nehmen. Netanjahu zieht sich aus dem Krieg genauso innenpolitisches Kapital wie die Hamas.

Ich frage mich dabei auch, ob diejenigen, die Israel in diesen Tagen immer noch kritiklos unterstützen, tatsächlich dieses Israel sehen wollen. Also einen rechtsextrem regierten Militärstaat, der seinen kleinen „Nachbar“ nach einen Terroranschlag in Grund und Boden bombt und dessen Bevölkerung augenscheinlich vertreiben will.

Glaubst du nicht, dass diese plumpe Argumentation ala „Kritik an Israel = Antisemitismus“ nicht zu einer gefährlichen Verwässerung des Antisemitismus-Begriffes führt und Israel damit nicht sogar seiner außenpolitischen Isolation am Ende nur weiteren Vorschub leistet?

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Gerade in „Heute“ gehört: Aufgrund der aktuellen Situation in Gaza droht Ägypten Israel mit Aufkündigung des Friedensvertrags. Die Ausweitung des Krieges wird immer wahrscheinlicher.

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Meines Wissens beschießt die Hamas Israel permanent mit Raketen (die glücklicherweise zumeist vor dem Einschlag abgefangen werden können). Da war die Geiselnahme eher das Tüpfelchen auf dem i. Ich glaube, aus der sicheren Distanz kann mensch sich da nur schwer einfühlen. Die hardliner auf beiden Seiten treiben hier das Spiel voran.

Genau das hab ich doch im Satz davor geschrieben. Netanyahu hat aber den Überfall am 7. Oktober nicht geplant und gestartet. Das war die Hamas.

Man muss einfach mal anerkennen, dass das, was die Hamas am 7. Oktober gemacht hat, nicht irgendein kriegerischer Akt war, wo halt die eine Seite eine Überraschungsattacke fährt, und die andere dann eine taktische Antwort liefert, und am Ende kommt man zu einer zynischen Einigung, wenn auf beiden Seiten in etwa gleich viele Menschen gestorben sind, und geht back to normal.

Was an dem Tag veranstaltet wurde, waren schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit, grausame Hinrichtungen von Zivilisten inklusive Kleinkindern und Babys, Massenvergewaltigungen als Kriegswaffe usw., geplant von absoluten Unmenschen. Und mir geht diese Doppelmoral einfach extrem auf den Sack, wenn so getan wird, als seien diese Taten halt irgendeine Art Naturkatastrophe gewesen, für die halt niemand etwas kann, insbesondere kein Palästinenser, und Israel sollte jetzt mal gut sein lassen und darauf warten, wann so etwas das nächste Mal passiert. Auch das Schicksal der Geiseln, die nach Berichten Freigelassener immer noch regelmäßig Opfer von schwerer Misshandlung und sexueller Gewalt werden, ist diesen Leuten mehr oder weniger egal. Haben eben Pech gehabt. Naturkatastrophe. Dass im IGH-Urteil deren sofortige und bedingungslose Freilassung gefordert wird – sofortig und bedingungslos, im Sinne von am besten gestern und ohne Gegenleistung wie Waffenstillstände oder Freilassung von Mördern und Vergewaltigern – interessiert ja anscheinend von diesen angeblichen Beschützern des Völkerrechts auch niemanden.

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Bei mir ist es halt umgekehrt. Bis zum 7. Oktober war ich auch absolut für die Zweistaatenlösung, und dass beide Seiten einfach mal ihre Falken in die Wüste schicken und zu einer Lösung kommen, die beinhaltet, dass sich Israel auch im Westjordanland zurückzieht. Das ist jetzt aber nicht mehr möglich, zumindest solange es die Hamas gibt. Wie im Fall Russland/Ukraine hat der Angriff gezeigt, dass diejenigen, die auf eine friedliche Lösung gehofft haben, auch ich, falsch lagen. Und deswegen bin ich jetzt für einen möglichst schnellen, absoluten Sieg der israelischen Armee, weil ich der Ansicht bin, dass das am Ende immer noch ein geringeres Leid unter Unbeteiligten anrichten würde, als wenn das ganze durch extern erzwungene temporäre Waffenstillstände, Erneuerung der Kampfkraft von Hamas, weitere Kämpfe, usw. noch endlos weiter in die Länge gezogen wird.

Und Israel hier Völkermord zu unterstellen ist eine komplette Täter-Opfer-Umkehr. Die Gegenseite ist es, deren Kernidentität darin besteht, Völkermord an den israelischen Juden begehen zu wollen, und all die Verbrechen, die am 7. Oktober geplant und orchestriert begangen wurden, sind Blaupausen für das, was Ulf und Philip im Podcast als Definition von Völkermord zitiert haben. Aber war halt eine Naturkatastrophe. Kann man doch niemanden für verantwortlich machen.

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Da bin ich bei dir: die Regierung Netanyahu ist furchtbar, allerdings dürfen die Israelis gegen diese demonstrieren, was sie auch zuhauf tun, und sogar abwählen, was dann hoffentlich passiert. Eventuelle Verbrechen der israelischen Streitkräfte werden angeklagt und meines Wissens nach auch verfolgt. Israel ist eben eine Demokratie.

Die Hamas, Hisbollah und Konsorten dagegen wollen Israel dem Erdboden gleich machen und beschießen das Staatsgebiet permanent mit Raketen. Viele Hilfsgelder werden in den Aufbau von Kommandostrukturen und für Waffen unter zivilen Einrichtungen verwendet, statt endlich mal was aus Gaza zu machen, damit dieser gar keine Unterstützung mehr braucht.

Wo sind denn die Proteste der Palästinenser gegen Hamas und Hisbollah? Wie solidarisch sind denn die anderen arabischen Staaten? Wo helfen die steinreichen Ölstaaten beim Aufbau eines demokratischen palästinensischen Gemeinwesens?

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Das war die Gefahr der ersten Stunde - vor allem im Hinblick auf die Hisbollah und den Iran. Hier ist aber das Kalkül der Hamas überhaupt nicht aufgegangen. Die Länder haben alle ihre eigenen Probleme und nach Monaten des Füße still haltens und Israel gewähren lassens ist ein externes Eingreifen heute deutlich unwahrscheinlicher als zu Beginn der Bodenoffensive. Die Zustimmungswerte im Westen sind für Israel in der Hinsicht absolut nachrangig.

Das ist ja komisch. Wie kann das denn sein? Das ist ja komisch.

Liebes LdN-Team,

herzlichen Dank für die tolle Sendung!

Hier nur eine kleine Anmerkung zur Aussprache: die Huthi, in Umschrift des Arabischen al-Ḥūṯiyyūn (الحوثيون), werden mit dem arabischen Buchstaben ث geschrieben, der wie das englische „th“ ausgesprochen wird. Es wird demnach nicht wie der Diminutiv der Kopfbedeckung ausgesprochen.

Herzliche Grüße

Elena

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Die Motivation Ägyptens ist aber eine andere. Hisbollah und Iran sind mit der Hamas verbündet, Ägypten nicht. Die wollen weder die Hamas noch die Palästinenser im eigenen Land, befürchten aber, dass die Intensität der Kampfhandlungen die Palästinenser über die Grenze treibt. Diesen Grenzdurchbruch will Ägypten mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern. Dazu gehören jetzt auch militärische Drohungen gegen den Staat, von dessen Gebiet diese (neumodisch gesprochen) illegale Migration ausgehen würde.

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Lieber Philip, Lieber Ulf,
Eure jüngste Berichterstattung zeigt eine alarmierende Vernachlässigung wichtiger Fakten:

  1. Seit dem 7. Oktober hat die Hamas nicht aufgehört, Raketen auf zivile Gebiete Israels zu schießen.
  2. Ihr Anführer hat öffentlich geschworen, den 7. Oktober so oft wie möglich zu wiederholen.
  3. Ihre Gründungsdokumente predigen Judenmord.
  4. Mehr als 80% der palästinensischen Bevölkerung unterstützen den 7. Oktober.

Diese Fakten sind entscheidend für ein umfassendes Verständnis der Lage.

Hier nun meine Kommentare:

  1. Israels Reaktion:
    Wie kann von Israel erwartet werden, nicht gewaltsam zu reagieren und die Hamas zu zerstören, wenn diese mehr als 1500 Zivilisten ermordet hat und schwört dies wieder zu tun? Pazifismus funktioniert nur gegen einen moralisch vernünftigen Gegner - wie die Briten in Indien. Andersrum aber konnte Pazifismus gegen Nazideutschalnd nicht funktionieren. Wenn die Briten entschieden hätten, dass Krieg einfach zu schrecklich ist und sie keine deutschen Kinder mehr töten könnten, würden wir alle im Tausendjährigen Reich leben. Würden Israel Pazifismus praktizieren, würden Hamas zusammen mit einem fairen Anteil der Palästinensischen Bevölkerung sie einfach ermorden. Das ist keine Meinung, das ist, was diese Gruppen seit Jahrzehnten offen propagiert.

  2. Israelkritik
    Zu Recht wird diese mit und Antisemitismus vermischt. Von 200 Mitgliedern der UN. Israel wurde öfter angeklagt als alle Länder der Welt zusammen. Liegt das daran, dass sich Israel disproportional schlimmer verhält als andere Länder? Nein, es liegt (auch) an Antisemitismus. Länder wie Nordkorea haben ihre gesamte Gesellschaft in ein Gefangenenlager verwandelt. Sudan verübt tatsächliche Völkermorde. In Somalia werden praktisch alle Mädchen Genitalverstümmelungen unterzogen. Syrien im eigenen Land und Saudi Arabien in Jemen haben in letzten Jahren bei weitem mehr Muslimische Zivilisten getötet als Israel. Und doch urteilt die UN ständig über die einzige Demokratie im Nahen Osten, die sich in einem existenziellen Kampf für ihr Überleben befindet. Israel steht einem Todeskult gegenüber, der Gräueltaten verherrlicht und „Märtyrertod“ seiner Zivilisten feiert. In Deutschland gab es meines wissens bisher keine Massendemonstrationen gegen China, das die uigurische Kultur zerstört und Millionen von Muslimen in tatsächliche Konzentrationslager eingesperrt hat. Genau diese Disproportion der Empörung gegen Israel ist der Grund, warum viele dies im Kontext von Antisemitismus sehen.

Israel kämpft für sein Recht zu existieren gegen einen mörderischen Todestkult. Ich hoffe wirklich, dass dieser Krieg so bald wie möglich beendet werden kann, aber ich bin überzeugt, dass er erst enden kann, wenn die Hamas ihre Waffen niedergelegt hat. Dann beginnt die eigentliche Aufgabe der Deradikalisierung eines großen Teils der palästinensischen Gesellschaft.

Ich höre euren Podcast seit Jahren und bin begeistert von eurer Arbeit. Hier seid ihr einseitig.

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Niemand bestreitet das Selbstverteidigungsrecht Israels, aber auch bei der legitimen Ausübung eines Selbstverteidigungsrechts sind die Grundregeln der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf „militärischen Zweck“ und „Kollateralschäden“ zu berücksichtigen.

Je größer das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung wird, desto mehr müssen von Israel Kampfpausen, humanitäre Hilfe und generelle Zurückhaltung gefordert werden. Niemand fordert von Israel hier Pazifismus, aber es gibt eine riesige Grauzone zwischen „Pazifismus“ und „den gesamten Gaza-Streifen vollständig dem Erdboden gleich machen“.

Auch muss bei einer fairen Betrachtung Berücksichtigung finden, dass es eben leider in der israelischen Regierung einflussreiche Stimmen gibt, die in der Tat eine großangelegte Vertreibung der Palästinenser und Besiedlung des Gaza-Streifens durch Israel fordern. Das darf man genau so wenig unter den Teppich kehren wie den menschenverachtenden Antisemitismus der Hamas.

Zu guter Letzt: Dass gegen Israel mehr UN-Resolutionen wie gegen jedes andere Land erfolgen liegt daran, dass Israel selbst in den Augen seiner engsten Verbündeten (zu denen neben den USA auch Deutschland gehören) seit Jahrzehnten permanent mit seinem Siedlungsbau gegen das Völkerrecht verstößt. Auch das darf man, wenn man die UN-Resolutionen als Beleg für einen Antisemitismus der UN anführt, nicht unter den Tisch fallen lassen.

Ich persönlich empfinde die Berichterstattung der Lage daher als ziemlich gut in der Mitte, also gerade nicht einseitig. Einseitig ist sowohl deine Sichtweise, die gerne alle israelischen Problematiken ausblendet, als auch die Sichtweise von krassen pro-palästinensischen Gruppen, die es nicht schaffen, die Taten der Hamas als das zu verurteilen, was sie sind: Unmenschliche Terrorakte, die durch nichts zu rechtfertigen sind. Das sind die einseitigen Sichtweisen - und die Lage ist eindeutig in keinem dieser beiden Extremlager.

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Lieber Daniel,

Auch die von dir genannten Argumente sind eben ohne die von mir zunächst dargelegten Fakten nicht einzuordnen. Genau das beklage ich an dem Podcast Beitrag.

Da die Hamas gegen das Völkerrecht verstösst, indem sie sich hinter zivilen Einrichtungen versteckt, während sie Raketen auf Israel schiesst, ist eine weitgehende Zerstörung ziviler Einrichtungen im Gaza-Streifen kaum zu verhindern.

Die Anzahl der UN-Resolutionen stehen wie von mir dargelegt in keinem Verhältnis zu den disproportionalen Menschenrechtverletzungen anderer Staaten - daher schwinkt beim diesem extremen Fokus auf Israel eben Antisemitismus mit. Gar zu behaupten, dass Israel in Gaza einen Völkermord begangen hat oder irgendwo einen Völkermord versucht hat, ist schlichtweg falsch. Wie bereits im Podcast dargestellt, hat Völkermord eine klare Bedeutung: „Handlungen, die mit der Absicht begangen werden, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören“. 1948 gab es rund 250.000 Menschen in Gaza, heute sind es mehr als 2 Millionen. Wenn Israel versucht, einen Völkermord zu begehen, ist es der unfähigste Völkermord der Geschichte. Natürlich ist es wahr, dass die israelischen Verteidigungskräfte viele unschuldige Menschen in Gaza getötet haben. Es ist auch wahr, dass, wenn Israel tatsächlich Völkermord begehen wollte, sie dies morgen tun könnten. Aber natürlich wollen sie das nicht, denn im Gegensatz zu Hamas (und leider einem großen Teil der palästinensischen Zivilgesellschaft) sind sie keine mörderischen Fanatiker. Auf der anderen Seite hat die Hamas explizit den Wunsch geäußert, einen tatsächlichen Völkermord zu begehen. Wenn überhaupt, könnte der 7. Oktober selbst nach der Definition der UN als Völkermord angesehen werden.

Ich unterstütze jede Kritik an rechtem Gedankengut in der israelischen Regierung. Diese jedoch mit ihrem Gegner in diesem Konflikt gleichzusetzen, ist unwürdig. Wir müssen uns mit der Tatsache auseinandersetzen, dass sich die beiden Seiten in diesem Konflikt grundsätzlich unterscheiden. Organisationen wie die Hamas und die breitere Gesellschaft, die sie unterstützen, schätzen das menschliche Leben nicht so wie wir in Deutschland. Es gibt einen Unterschied zwischen religiösen Fanatikern, die Frauen mit Schlägen bestrafen, weil sie ihr Haar in der Öffentlichkeit zeigen, oder die Ehrenmorde an ihnen begehen, weil sie vergewaltigt wurden. Es gibt Unterschiede zwischen einer Gesellschaft in Gaza, die Homosexuelle ermordet, indem sie sie kopfüber von Dächern wirft – und einer wie Israel, die sie vollständig akzeptiert. Die Tatsache bleibt, dass Palästinenser und leider viele muslimische Gesellschaften im Allgemeinen Werte vertreten, die weit rechts von allem liegen, was AFD oder sogar NPD zu träumen wagen, wenn es um Juden, Frauen, Homosexuelle und Bürgerrechte im Allgemeinen geht. Israels Regierung (in Teilen) hiermit gleichzusetzen ist unsäglich.

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Da sind wir durchaus einer Meinung, siehe meinen Beitrag hier:

Das macht höhere Kollateralschäden ein Stück weit verständlich, aber trotz allem muss eben eine Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben.

Wo wurde das behauptet?

Nein, das ist nicht unwürdig. Ebenso wie die Zionisten vor der Gründung Israels Terror als Werkzeug für ihre Ziele genutzt haben, tun es nun die Palästinenser. Der Grund, warum die Extremisten auf der Seite Israels keinen offenen Terror anwenden, ist schlicht, Israel militärisch massiv überlegen ist und deshalb nicht auf die Mittel des Terrors zurückgreifen müssen. Es wird immer die militärisch schwächere Seite in einem Konflikt sein, die zu asymmetrischer Kriegsführung oder blatantem Terror greifen. Eine moralische Überlegenheit des dahinter stehenden Gedankengutes daraus abzuleiten halte ich für falsch. Jemand, der jetzt fordert, den Gaza-Streifen zu räumen und zu besiedeln, ist kein Stück besser, als ein Palästinenser-Extremist, der fordert, alle Juden aus Palästina zu vertreiben.

Grundsätzlich lehne ich es ab, diesen Konflikt als religiösen Konflikt („die bösen Moslems gegen die guten Juden“) zu betrachten. Religion ist - wie immer - ein prima Werkzeug, um Menschen zu mobilisieren und Hass gegen Andersgläubige zu schüren - und das klappt umso besser, desto schlechter die Lebensumstände und vor allem die Bildung der Menschen ist.

Das ist ein Whataboutism.
Du schaust nur auf die Resolutionen, warum schaust du nicht mal auf die Sanktionen?
Klar, gegen den Iran oder Nordkorea gibt es weniger Resolutionen als gegen Israel - aber dafür massive, massive Sanktionen. Der Unterschied ist eben: Israel wird mit Recht als Land betrachtet, welches man mit Aufrufen und verbalen Warnungen noch erreichen kann. Deswegen appelliert man immer und immer wieder daran, die völkerrechtswidrigen Praktiken abzulegen. Beim Iran oder Nordkorea hat man diese Hoffnung aufgegeben, dort wird mit Sanktionen reagiert.

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Quellen zu den Fakten:

https://www.terrorism-info.org.il/en/operation-iron-swords-updated-to-1-p-m-january-1-2024/

https://embassies.gov.il/holysee/AboutIsrael/the-middle-east/Pages/The%20Hamas-Covenant.aspx

https://www.reuters.com/world/middle-east/poll-shows-palestinians-back-oct-7-attack-israel-support-hamas-rises-2023-12-14/#:~:text=JERUSALEM%2C%20Dec%2013%20(Reuters),respected%20Palestinian%20polling%20institute%20found.

Grundsätzlich hast du damit natürlich Recht. Aber es gibt einen bedeutenden Unterschied zwischen dem Vorgehen der Alliierten im zweiten Weltkrieg und Israel heute.

Besonders das Vorrücken der westlichen Alliierten zeichnete sich durch eine Strategie der Befreiung aus. Das heißt, man nahm die Nazis gefangen oder vetrieb sie, aber die Bevölkerung konnte kurz nach den Kampfhandlungen in ihre Gebiete wieder zurück. Dort konnten sie dann einigermaßen sicher weiterleben.

In Gaza passiert hingegen etwas anderes. Israel schafft nämlich keine sicheren Korridore in gesäubertem Gebiet, in denen die Menschen zurückkehren können. Es wäre machbar große Zeltlager aufzubauen und dort vertriebene Zivilisten zu versorgen.

Stattdessen schickt Israel Zivilisten von A nach B, um sie dann nach C und später D zu vertreiben usw. usf… Mehr noch, dringend benötigte Hilfslieferungen (Medikamente, Nahrungsmittel) werden sogar blockiert weil man Angst hat, die Hamas könnte sie sonst in die Hände bekommen.

Bitte vergiss nicht, 85% der Bevölkerung im Gazastreifen sind aktuell auf der Flucht, zusammengetrieben in bestimmten Zonen. Da zudem auch Hilfslieferungen und humanitäre Hilfe teils blockiert werden, kann man wohl kaum von der Schonung der Zivilbevölkerung sprechen.

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