LdN 367 - Krankenhausreform

Liebes Lage Team,

an den vielen Erstbeiträgen im Forum erkenne ich, wie ähnlich es vielen meiner Kolleg:innen aus dem Gesundheitswesen geht- ENDLICH! Die Situation in der Krankenversorgung wird immer schwieriger. Die systematischen Fehlanreize, welche letztlich die Versorgung der Patient:innen verschlechtern, sind groß diesem System. Vielen Dank, dass Ihr Euch dem Thema nähert.

Ich finde es sehr gut, wie Ihr versucht, dass Systemproblem in den Grundlagen zu erläutern. Es ist hochkomplex. Um die entstehenden Zwänge und Fehlanreize nachvollziehen zu können, braucht es diese Tiefe. Die Kleinteiligkeit mit der Lerneinheit „Was sind DRGs?“ fand ich prinzipiell gut erklärt, und die Schlüsse waren richtig. Mir fehlt aktuell noch der Block: „Was hat es mit der Verweildauer auf sich?“

Als Berufsanfängerin musste ich kodieren und habe mich aus dem Anlass damals in die Thematik eingearbeitet. Leider begleitet sie mich über die Jahre und muss ins Denken mit einbezogen werden.

DRGs haben eine obere und untere Grenzverweildauer. Innerhalb dieser wird eine Pauschale gezahlt. Wird unterschritten, gibt es Tagesabzüge entsprechend der von Euch vorgestellten Tabelle. Wird überschritten, gibt es pro Tag mehr-theoretisch.


https://www.researchgate.net/figure/Abb-2-Kosten-und-Erloese-entlang-der-Verweildauer-blau-Erloeskurve-rot-gestrichelt_fig1_312583733
Die obere Grenzverweildauer generiert in meinen Augen deutliche systematische Fehlanreize. Ich selbst bin Ärztin in einem Haus der Maximalversorgung. Deshalb behandeln wir viele komplexe Fälle, welche diese Überschreiten. Damit wird die Grenzverweildauer jeden Tag mehr und die Rechnung höher. Der MDK (Medizinischer Dienst der Krankenkassen) prüft dann häufig. Das ist für diesen attraktiv. Denn es können einzelne Tage gekürzt werden- die Rechnung wird also praktisch günstiger bei entstandene Kosten die jeder einzelne Behandlungstag verursacht.

Sobald jemand deutlich über die Grenzverweildauer kommt, wird dies ein Thema. Der Druck zu entlassen wächst und die medizinisch notwendige Behandlungsgüte kann dadurch bedroht werden.
Nicht umgehend durchgeführte Untersuchungen/Behandlungen können zu Kürzungen führen. Auch im Haus der Maximalversorgung gibt es die bereits erwähnten „soziale Indikationen“ mit schlicht nicht entlassfähigen Patient:innen. Die Sozialdienste z.B. müssen an dieser Stelle einen unheimlich Druck aushalten. Sie sollen Pflegeplätze herbeizaubern in den bereits überfüllten Pfegeheimen.

Der MDK kürzt die Tage, die Krankenkassen sparen und die entstandenen Kosten für solche Überbrückungen landen bei dem behandelnden Krankenhaus. Genau das Krankenhaus, welches die von Euch so schön dargestellte notwendige Finanzierung der Länder für die Infrastruktur des Hauses nicht erhält.

Im Hinblick auf diesen Aspekt begrüße ich die Reformidee der Vorhaltepauschalen. Bin gespannt, wie Eure Beiträge in der Lage weiter gehen.

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Hallo!

Vielen Dank für die Einleitung in das Thema für alle, und vielen Dank auch an die Community für die vielen sehr informativen Kommentare. Ich möchte aus der Innenperspektive ein, zwei Dinge ergänzen:

  • mit den Fallpauschalen könnte man noch umgehen, es sind die flankierenden Kostenkontrollmaßnahmen, die das Leben wirklich anstrengend machen. Begriffe wie untere/mittlere/obere Grenzverweildauer, Wiederholungsaufnahme, Case-Mix-Index, MDK-Prüfung illustrieren nur, wie sehr diese Maßzahlen das Fallmanagement beeinflussen.

  • Es gibt eine strikte Grenze zwischen dem ambulanten und dem stationären System, aus der Sorge heraus, dass die Kliniken mit ihrem größeren Personalpool und der 24-h-Verfügbarkeit von Diagnostik und einem erheblichen wirtschaftlichen Druck den niedergelassenen Ärzt:innen das Wasser abgraben könnten. Bei komplexen und seltenen Erkrankungen und in der Notfallversorgung funktioniert das niedergelassene System aber nicht gut, diese Fälle werden von den Klinik-Spezialambulanzen im Zweifel pro bono mitgezogen.

  • Es ist nicht unbedingt so, dass tatsächlich unnötig operiert wird (also streng genommen strafrechtlich relevanter Unfug getrieben wird). Es wird allerdings durchaus erlösoptimiert behandelt, also jene der Behandlungsmöglichkeiten herausgesucht, die den besten Kosten-Nutzen-Aspekt hat. Das geht bis in die Feinheiten der Durchführung (Embolisation eines Lebertumors kann man z.B. mit verschiedenen Mitteln machen, man kann auch auf Laborwerte verzichten, die eigentlich von den Leitlinien gefordert werden, zB CRP an Tag 3 einer Lungenentzündungsbehandlung). Das ist gelegentlich nicht mehr mit nachweisbasierter Medizin zu vereinbaren.

  • Was etwas zu kurz gekommen ist: viel schlimmer und für die Patient:innen bereits jetzt extrem unangenehm ist die interne Umschichtung der Ressourcen. Fachabteilungen mit hohen Erträgen (invasive Kardiologie, Neurochirurgie, Unfallchirurgie/Orthopädie) haben einen höheren Stellenwert als jene mit sehr geringen Erträgen (Kinderheilkunde, Leberheilkunde, Notfallmedizin/stationäre internistische Akutmedizin, Geriatrie). Die Folge ist, dass in den „unrentablen“ Fächern deutlich ZU WENIG Betten und ambulante Behandlungskapazität vorhanden sind. Das war übrigens einer der größten Kritikpunkte an der Bertelsmann-Studie, die genannten Fachabteilungen sind praktisch immer voll belegt, der Vorwurf des Leerstandes von ca. 1/3 ist definitiv nicht haltbar.

  • Die Belegung als Zielvorgabe hat einen entscheidenden Nachteil: man kann aus ärztlicher Sicht recht problemlos Indikationen für eine Verlängerung eines stationären Aufenthalts um einen oder zwei Tage finden (auch der MDK prüft nicht alles, so lange wir unterhalb der oberen Grenzverweildauer sind). Es kann nicht im Sinn der Patient:innen sein, dass aus controlling-Gründen nicht entlassen wird.

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  • Als Beispiel für ein Fachgebiet, das extrem unter den Auswirkungen des Fallpauschal- und Controllingsystems leidet, sei exemplarisch die Transplantationsmedizin erwähnt. Die wird international nicht mehr ernst genommen, weil die Ergebnisse egal für welches Organ sehr schlecht sind. Es ist eben nicht so, dass „nur“ die Zustimmungsregelung das Problem ist. Die Transplantationsmedizin funktioniert entgegen aller Anreize in unserem System: nicht planbar, sehr komplex erkrankte Patient:innen mit häufigen Wiederaufnahmen mit derselben Diagnose, praktisch nie im System „eine Diagnose, eine Prozedur, ein Fall“ charakterisierbar, in Fachbereichen, die ohnehin grundsätzlich unrentabel sind, häufige ambulante (und damit für Krankenhäuser unrentable) ambulante Kontrollen …
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Zweites Anliegen sind mir die Fallzahlsteigerungen: Dass das DRG-System Fehlanreize birgt, was die Fallzahlen birgt, steht außer Frage. Trotzdem sind diese seit Beginn der Corona-Pandemie deutlich zurückgegangen. Krankenhäuser - Fallzahlen in Deutschland bis 2022 | Statista . Immer weitere Fallzahlsteigerungen erklären deshalb, zumindest aktuell, nur einen Teil des Problems. Ich kann auch nur für die Häuser sprechen in denen ich selbst gearbeitet habe, dort habe ich aber nicht mitbekommen, dass Prozeduren durchgeführt wurden, die unnötig sind. Das würde m. E. n. auch gegen den ärztlichen Berufsethos verstoßen. Auch wenn ich natürlich keinem Kollegen/keiner Kollegin andere Erfahrungen absprechen kann oder möchte, möchte ich die pauschale Darstellung meines Berufstandes, wir wären alle ökonomiegetrieben, daher entschieden ablehnen. Davon ungerührt gibt es bei vielen Krankheitsbildern kein „Hop oder Top“, sondern einen gewissen Spielraum, welche Therapie man einer anderen vorzieht. Diese Entscheidung trifft man als Arzt/Ärztin aber nicht alleine, sondern im besten Fall gemeinsam mit den Patienten. Ein anekdotisches Beispiel zur Veranschaulichung: Ich hatte einmal eine ca. 85-jährige Patientin, bei der kurz vorher eine Bypass-Operation nach Herzinfarkt durchgeführt worden war. In diesem Alter ist das eher ungewöhnlich, eben weil so eine OP kein Zuckerschlecken ist und viele Patienten das dann entweder einfach nicht mehr wollen oder körperlich nicht mehr überstehen würden. Als ich ihren Vorbericht zum ersten Mal gesehen habe, habe ich mich daher etwas „gewundert“. - Stents kamen aber klinisch nicht in Frage, und als ich die Dame dann sah, und sie mir berichtete, dass sie zu Hause bis vor wenigen Wochen noch mit dem Fahrrad unterwegs war und sich in einem zweistöckigen Haus komplett selbst versorgte, wurde mir mal wieder vor Augen geführt, warum man sich eben nicht rein auf ein Geburtsdatum stützen sollte.

Zuletzt - Dass es eine Reform im Gesundheitswesen braucht, steht für die meisten Beteiligten außer Frage und damit waren, vor allem zu Beginn der Legislatur, auch viele Hoffnungen verknüpft. Zu wenig wird aber darauf geachtet, wo die tatsächlichen Bedürfnisse der Leistungserbringer und ihrer Beschäftigten liegen und wie man sie unterstützen könnte, eine möglichst hochwertige Patientenversorgung anzubieten. Das birgt – siehe Transparenzatlas - die Gefahr, dass man die zugrunde liegenden Probleme nur verschleppt oder schlimmsten Fall sogar für eine Verschlimmbesserung sorgt (Stichwort: Bürokratie).

Es wäre schön, wenn ihr diese Aspekte in der Serie auch noch einmal beleuchten könntet. So oder so bin ich gespannt auf die nächsten Folgen und danke euch wie gesagt fürs Aufgreifen und liebe Grüße!

Liebes Lage-Team,

als langjährige Hörerin eures Podcasts und Ärztin, die 3 Jahre in der Inneren Medizin gearbeitet hat, hab ich mich sehr gefreut, dass ihr diese Woche das Thema Krankenhäuser einmal beleuchtet habt.

In eurem Gespräch hat mir aber ein wenig der Perspektive gefehlt, warum das Transparenzverzeichnis von den Praktikern abgelehnt wird. Meiner Meinung nach geht es dabei nicht um Verschleiherungsabsichten, sondern dass es zunehmend zu Mehrfachbelastungen rein aufgrund von Dokumentations- und Nachweispflichten kommt. Die Krankenhäuser sind bereits seit 2018 verpflichtet sind, sogenannte „Qualitätsberichte“ zu erstellen und anschließend zu übermitteln. Diese sind über die Seiten des G-BA abrufbar: Referenzdatenbank Qualitätsberichte . Weil diese zugegebener Weiße etwas sperrig zu lesen und daher auch nur eingeschränkt für einen Vergleich geeignet sind, haben sich längst Portale darauf spezialisiert, sie interessierten Patienten in besserer Aufbereitung zur Verfügung zu stellen. Zum Beispiel hier Startseite | Deutsches Krankenhaus Verzeichnis. Diese Nachweispflichten würden mit dem Inkrafttreten des Transparenzatlas nicht aufgehoben, es würde vielmehr eine neue Nachweispflicht mit gleichem Ziel entstehen. Das Gesetzesvorhaben birgt insofern überhaupt keinen Mehrwert für Transparenz, schmälert aber wie bereits richtig angemerkt die Planungskompetenz der Länder und führt in den Krankenhäusern zu einem weiteren Anstieg der Bürokratischen Pflichten. Und dass, obwohl eigentlich im Vorfeld angekündigt worden war, mit der Krankenhausreform einen Bürokratieabbau einleiten zu wollen. Ärztinnen und Ärztinnen sind etwa 3-4 Stunden täglich mit Papierkram beschäftigt (https://www.marburger-bund.de/sites/default/files/files/2022-08/4%20-%20Gesamtauswertung%20MB%20Monitor%202022%20-%20Grafische%20Darstellung_0.pdf ) – Und das auch nicht erst seit gestern (https://www.dragon-speaking.de/download/HIMSS-Europe-Studie.pdf ). Diese Zeit fehlt dann für den direkten Patientenkontakt bzw. verursacht viele Überstunden, weil man den Patientenkontakt natürlich nicht beliebig reduzieren kann und will. Vor diesem Hintergrund wird der „No Brainer“ etwas relativiert.

Ich stimme zu, dass System ist hochkomplex. Aber die Fallgewichte werden jedes Jahr aus einer repräsentativen Stichprobe an Krankenhäusern, zu der fast alle Unikliniken (Häuser die transplantieren) zählen kalkuliert. Das ist eine Qualität an Preissystem, die es sonst z.B. im EBM oder der GOÄ nicht gibt. Da herrscht das Recht der stärkeren Lobbyisten.
Es gibt einen regelmäßigen Sonderbericht der Extremkostenfälle des INEK (die führen die Kalkulation durch) Und es gibt keinen Hinweis auf relevante Fehlbewertungen unter den einzelnen den Relativgewichten (Preisen). Das Preissystem ist durch immer weitere Ansprüche an Preisgerechtigkeit extrem Komplex geworden auch um damit Rosinenpickerei unattraktiver zu machen. Das geht aber aufgrund variabler Vorhaltungen nicht völlig. Es war nie zur Vollfinanzierung gedacht sondern sollte immer schon durch Pauschalen ergänzt werden. Daher ist die Ergänzung um Vorhaltepauschalen auch mehr als überfällig. Abschläge und Zuschläge sind im übrigen ebenfalls spitz kalkuliert und folgen der Logik, dass der Sach- und nicht-pflegerische Personalaufwand ja nicht oder zusätzlich anfällt. Pflege wird eh tageweise nach Aufwand bezahlt.

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Es lohnt sich mal den
Strukturveränderung simulieren - GKV-Kliniksimulator durchzusehen. Er enthält alle Kliniken in Deutschland. Simuliert man den Wegfall eines Hauses so wird transparent wer nicht mehr in einer bestimmten Fahrzeiten (i.d.R. 30 min) zum nächsten Klinikum versorgt sein wird. Was die Entfernungen angeht, so sind viele Kliniken für die Notfallversorgung entbehrlich. Natürlich müssten an den verbliebenen Standorten die Kapazitäten angepasst werden. Das ist leider genau das, was die Länder nicht finanzieren wollen.

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Liebe Lila, ich bin zwar selbst Ärztin, stimme dir aber in vielem was du sagst ausdrücklich zu! Es ist -v.a. wenn man in andere Länder guckt- unfassbar, was die Pflege bei uns für einen Stand hat. Pflegekräfte teilen Essen aus, machen die Betten, putzen wenn gerade keine Reinigungskraft verfügbar ist und währenddessen erledigen Ärzt:innen unzählige Dinge, die viel besser von Pflegekräften erledigt werden könnten. Angesichts des ausgiebig diskutierten Fachkräftemangels macht einen diese Lage fassungslos.
Zwei kleine Lichtblicke: Das Pflegestudium soll stärker gefördert werden uns es gibt jetzt zunehmend Studiengänge, die auf Berufe „zwischen pflegerischem und ärztlichem Personal“ abzielen, wie z.B. Physician Assistant. Außerdem sollen sog. „Gesundheitskioske“ (den Namen finde ich ungünstig gewählt) gebaut werden, die pflegerisch geleitet werden sollen. In der geplanten Kombination mit Telemedizinischen Angeboten sind sie v.a. auf dem Land in meinen Augen wirklich sinnvoll. Ein schönes Beispiel in Thüringen: Urleben hat den ersten Thüringer Gesundheitskiosk | MDR.DE

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Viele kleine Krankenhäuser bis 400 Betten verfügen nicht über eine Strukturqualität, die den Patienten, die sie behandeln in 99,5% der Fälle gerecht werden würde. Es wird regelhaft auf Vorhaltung (Präsenzlabor, Blutbank vor Ort (nicht nur ein paar vermeintliche Universalkonserven), Pathologe werktäglich vor Ort der während der Operation Gewebe untersuchen kann, eine Sterilisation vor Ort, Anästhesist vor Ort (24/7) und viele mehr verzichtet. In der Regel ist das unproblematisch aber halt nicht immer. Leider besteht häufig auch keine Kultur Patienten weiter zu leiten, die höhere Anforderungen bedürfen. dabei muss aber auch gesagt werden, dass die Maximalversorger nicht dazu verpflichtet sind, komplexer Fälle aus anderen Häusern zu übernehmen und oft keine Kapazität haben.
Die leistungsgruppen nach NRW, die eingeführt werden sollen und deren Regeln die Länder gerne aufweichen würden, sind aber in ihren Anforderungen so lax, dass die oben genannten Probleme nicht verbindlich behoben werden würden.

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Der Spielraum berührt das mit den unnötigen Prozeduren in meinen Augen sehr wohl. So sehr ich zustimme, dass per se keine unnötigen Prozeduren durchgeführt werden und auch ich mich als eine Ärztin mit hohem moralischen Werten begreife, empfinde ich mich als ökonomisch Getriebene. Es gibt eben Spielräume und Graubereiche und in diese dringt ökonomisches Denken immer mehr ein.

Ein konkretes Beispiel aus meinem Berufsalltag:
Ich laufe nun schon zum dritten Mal in einer Stunde im Wartebereich an einem über 90jährigem Patienten im Rollstuhl vorbei, dem es offensichtlich nicht gut geht. Der Transportdienst hat mal wieder massive Verzögerungen- nach zig Personalreduktionen über die Jahre. Ich fasse mir ein Herz und fahren den Patienten selbst auf die Station.
Mir ist sehr wohl bewusst, dass ich als Ärztin für eine solche Tätigkeit systematisch betrachtet, an jemanden delegieren sollte. Doch mir fällt leider keine nicht überlastete Berufsgruppe ein, der ich das noch aufs Auge drücken könnte…

Belohnt werde ich mit einem dankbaren Patienten. Doch es kostet mich Zeit, die ich hinten dran hänge und mich nicht trauen werde aufzuschreiben, (habe schon so viele Überstunden für Dokumentationsnotwendigkeiten, welche ich mich immerhin traue aufzuschreiben- obwohl das nicht alle machen). Auch entsteht mir dadurch mehr Zeitdruck Besorgungen zu machen, bevor die Kinder nach Hause kommen. Am Tagesende passte es für mich. Doch ich habe auch aus diesen Gründen das Teilzeitmodell, welches ich habe. Damit bleibt mir genug Zeit für die Familie und für die Menschlichkeit in meinem Beruf.

An der Stelle möchte ich auf das Thema „moral injury“ (Moralische Verletzungen) verweisen:
"A moral injury is an injury to an individual’s moral conscience and values resulting from an act of perceived moral transgression on the part of themselves or others. It produces profound feelings of guilt or shame,moral disorientation, and societal alienation. "

In er Coronapandemie ist es mir in einem Podcast zum ersten Mal begegnet. Damals hat es mir sehr geholfen mit den Gefühlen der Wut und Verzweiflung umzugehen.

Im Bezug auf den ökonomischen Druck wird das Systemproblem seit Jahren schleichend immer bedrückender.
Um im Krankenhaus weiterhin arbeiten zu können und dabei selbst gesund zu bleiben, exponiere ich mich diesem über eine Teilzeitstelle nur noch begrenzt. Die privaten ökonomischen Einbußen nehme ich dafür in Kauf. Eine hoch individuelle Lösung, welche ich nur aufgrund der Vergütungen von Ärzt:innen wählen konnte.

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In eurem Gespräch hat mir aber ein wenig der Perspektive gefehlt, warum das Transparenzverzeichnis von den Praktikern abgelehnt wird.

Meines Erachtens ist der Hauptgrund, wieso die DKG, der GKV-Spitzenverband, der GBA sowie die Länder das Transparenzgesetz ablehnen, dass sie keinen Einfluss darauf nehmen können, da alles in den Händen von BMG und IQTIG liegt. Bei der Qualitätssicherung im GBA und bei den Qualitätsberichten sitzen sie mit am Tisch und die DKG hat als Vertreterin der Krankenhäuser ein Stimmrecht. Das Allermeiste was wir im Bereich der Qualitätssicherung und Transparenz haben, entstand als Kompromiss unter Beteiligung der Krankenhäuser. Das ist jetzt erstmal nichts Schlechtes, sondern erhöht die Akzeptanz dieser oft bürokratischen Maßnahmen und ist eben Selbstverwaltung. Wenn die Berichterstattung über die Krankenhausqualität denen weggenommen wird, hat natürlich insbesondere die DKG viel zu verlieren.
Im übrigen nutzt das Transparenzportal laut Gesetz die selben Daten wie der Qualitätsbericht und zusätzlich Abrechnungsdaten des InEK. Nur für die Personalausstattung wurde eine neue Informationspflicht eingeführt. Kann man jetzt drüber streiten, ob die Daten nicht sowieso vorliegen und wer das erfasst. Ich vermisse hier etwas Ehrlichkeit in der Debatte.
Und zum Thema Eingriff in die Krankenhausplanung der Länder: das leiten die Länder wie ich es verstehe daraus ab, dass die Darstellung aufgrund von Leistungsgruppen und nicht wie bisher im Qualitätsbericht von Fachabteilungen. Wobei es keine eindeutige Definition von Fachabteilung gibt, sondern hier der verhandelte Abrechnungsschlüsssel zu Grunde gelegt wird. Abgesehen davon unterscheidet sich diese Darstellung auch von der Bettenplanung, die üblicherweise von den Ländern verwendet wird. Letztendlich wird damit der Krankenhausreform zuvorgegriffen und ein Druck auf die Länder ausgeübt auch ihre Planung anzupassen. Kann man verstehen, dass sie nicht begeistert sind. Was man aber auch sehen würde, und auch hier vermisse ich Ehrlichkeit in der Debatte, ist, dass viele Krankenhäuser Eingriffe durchführen, für die sie nicht ausgestattet sind bzw. Gelegenheitsversorgung betreiben. Wie oben ausgeführt. Überhaupt würden die Versäumnisse und Verfehlungen der Krankenhausplanung sichtbar.

Evt auch ein Aspekt?

Hallo,
In der Lage wurden Helios und Vivantes als private Klinikbetreiber gekennzeichnet. Das ist aus mehreren Gründen nicht zutreffend.

  1. Der größte Unterschied ist, dass private Betreiber auch in den letzten Jahren Gewinne gemacht haben und die Öffentlichen meist nicht, hier auch Vivantes. Zusätzlich wird Vivantes auch jährlich mit einem zweistelligen Millionenbetrag gestützt von der Stadt Berlin (unabhängig von der Infrastrukturunterstützung), was nicht unumstritten ist. In der Folge heißt das, private Konzerne fokussieren alles auf Gewinnmaximierung, was zu schlechterem medizinischen Outcome führt.
    Bspw. USA (Changes in Hospital Adverse Events and Patient Outcomes Associated With Private Equity Acquisition - PubMed)
    Diese hoch publizierte Studie hat im Übrigen den Unterschied zwischen privaten und öffentlichen Krankenhäusern auch anhand der privaten Kapitalbeteiligung definiert.

  2. Private Klinikbetreiber müssen meist um 10 % Gewinn erwirtschaften, Vivantes muss das nicht.
    (Privatkliniken - Gewinn der größten Klinikbetreiber | Statista). Im Gegenteil wird es sogar von der Stadt Berlin unterstützt. (Streit um Klinik-Zuschüsse in Berlin: Czyborra signalisiert Gesprächsbereitschaft | rbb24)

  3. Bei privaten Klinikbetreibern sind die Arbeitsbedingungen meist härter. Bspw. wurde kürzlich bei Helios eine Ärztin entlassen, letztlich weil sie einen Streik organisiert hat. Heliios musste im Nachgang 400.000. Euro zahlen. So werden bei privaten Klinikbetreibern kritische Stimmen unterdrückt.
    (Helios-Kündigung einer Klinikärztin: Satte Abfindung beendet Prozess - taz.de). Das passiert bei privaten Klinikbetreibern in wesentlich größerem Ausmaß als bei öffentlichen.

  4. Wenn die Geschäftsform die entscheidende Rolle spielen würde, müsste man ja auch bspw. die Autobahn GmbH als privat bezeichnen. Das trifft es aus meiner Sicht nicht.

Zusammenfassend gibt es sowohl rechtlich, finanziell als auch von der Form der Mitarbeiterführung substantielle Unterschiede. Die These, dass Helios und Vivantes somit beide als private Betreiber benannt werden, obwohl helios zu 100% privates Kapital hat und Vivantes zu 100% öffentliches Kapital halte ich somit für falsch. Im Gegenteil ist Berlin hier (im Gegensatz zu Hamburg) einen viel besseren Weg gegangen als alle Kliniken zu verkaufen.
Zusätzlich wurde das auch in der hochrangig publizierten Studie nach Kapitalherkunft differenziert und damit relevante Unterschiede identifiziert (Einschränkung: es wurden nur nordamerikanische KH untersucht), was auch auf die Wichtigkeit dieser Unterscheidung hindeutet.
Ich würde mir diesbezüglich eine Richtigstellung wünschen.

Freundlichen Gruß,

David Voigt

Bitte hört die aktuelle Lage. Dort gibt es ein Fazit aufgrund eurer Feedbacks und zwei Richtigstellungen.

Als auch betroffener Elternteil kann ich das nur bestätigen. Auch wenn ich im Nachhinein durchaus zufrieden mit der Erstbehandlung inkl. OP sein kann, so verwundert es mich schon, dass z.B. in Nürnberg zwei Kliniken Ösophagusatresien operieren, mit Fallzahlen von 1,x pro Jahr, wenige Kilometer weiter in Erlangen aber eine Klinik ist die auf 4,0 pro Jahr kommt. Warum bündelt man hier nicht die Fälle an einer spezialisierten Klinik je Region?

Das heißt ja nicht, dass man nicht trotzdem die Folgebehandlung dann wohnortnäher an den Krankenhäusern und Kliniken die nicht auf das Thema spezialisiert sind durchführen könnte.

Da sich verschiedene Kliniken auf bestimmte OPs spezialisieren könnten wären nur die Arten der OP anders verteilt, nicht aber zwangsläufig die Anzahl der OPs.

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Im Alter wird in der Regel kein VKB Ersatz mehr durchgeführt weil es medizinisch nicht indiziert ist. Patienten mit Kreuzbandriss bekommen die OP um die Stabilität wiederherzustellen und somit die Entstehung einer Arthrose zu verhindern/aufzuhalten. Also wird z.B. ein Patient mit 60 idR kein Kreuzband mehr erhalten da er sowieso schon Verschleiß des Knorpels (beginnende Arthrose) hat. Das wird dann konservativ behandelt. Kommt so ein Patient ein paar Jahre nicht zurecht erhält er als definitive Lösung eher ein künstliches Kniegelenk. Habe lange in einer Uniklinik in der Orthopädie gearbeitet.

Was hatte deine Tochter am Ende wenn ich fragen darf? Gab es eine Triage (Ersteinschätzung mit nicht ärztlichen Personal). Wart ihr vorher beim ärztlichen Bereitschaftsdienst? Seid ihr fussläufig in die ZNA gekommen? Wann war der Erstkontakt mit einem Arzt/Ärztin? Bin selber Arzt in der Notaufnahme deshalb frage ich. So oder so ist nach 11 h drankommen natürlich viel zu lange. Grüße

Sie haben recht wir implantieren weltweit die meisten Hüftprothesen mit 314 pro 100.000 Menschen. Die Zahl liegt jedoch nicht deutlich höher als in Österreich 294, Schweiz 312, Belgien 283.
##Quelle: Number of hip replacement surgeries in select countries in 2019<
(Statista)

Rippe geprellt und Daumen gebrochen

Qualitätsberichte (QB) und der geplante Transparenzbericht (TB) haben unterschiedliche Daten trotz gleicher Datengrundlage.
Der QB entsteht aus Falldaten, und wird als fertiges Produkt in HTML-Form abgegeben. Die Diagnosen und Prozeduren sind mehr zu den Falldaten verknüpft. Es gibt keine Plausibilitätsprüfung in der Datenannahme. Häuser mit 10 mal mehr Hauptdiagnosen als Fälle kommen vor. Die Zuordnung von Fällen zu Fachabteilungen darf von den behördlichen Regeln abweichen.
Für den TB sollen die bereits quartalsweise an das INEK zu liefernden sog. §21-Daten verwendet werden. In diesem Datensatz sind
div. Merkmale der Fälle wie Geburtsdatum, PLZ, Haupt- und Nebendiagnosen und vieles mehr relational über eine Fall-ID und die Versicherten-NR verknüpfbar. Nur so lässt sich der Bedarf in Leistungsgruppen regional darstellen. Diese Daten werden aktuell nur hochaggregiert pro Land nicht je Haus Berichtet. (INEK Report Browser). Die Personaldaten werden meist auch schon erhoben (PPugV und MD-Strukturprüfungen) aber stehen nicht öffentlich zur Verfügung. Es geht also kaum um Bürokratie sonder nur um nicht gewollte Transparenz.

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