Liebes Lage Team,
an den vielen Erstbeiträgen im Forum erkenne ich, wie ähnlich es vielen meiner Kolleg:innen aus dem Gesundheitswesen geht- ENDLICH! Die Situation in der Krankenversorgung wird immer schwieriger. Die systematischen Fehlanreize, welche letztlich die Versorgung der Patient:innen verschlechtern, sind groß diesem System. Vielen Dank, dass Ihr Euch dem Thema nähert.
Ich finde es sehr gut, wie Ihr versucht, dass Systemproblem in den Grundlagen zu erläutern. Es ist hochkomplex. Um die entstehenden Zwänge und Fehlanreize nachvollziehen zu können, braucht es diese Tiefe. Die Kleinteiligkeit mit der Lerneinheit „Was sind DRGs?“ fand ich prinzipiell gut erklärt, und die Schlüsse waren richtig. Mir fehlt aktuell noch der Block: „Was hat es mit der Verweildauer auf sich?“
Als Berufsanfängerin musste ich kodieren und habe mich aus dem Anlass damals in die Thematik eingearbeitet. Leider begleitet sie mich über die Jahre und muss ins Denken mit einbezogen werden.
DRGs haben eine obere und untere Grenzverweildauer. Innerhalb dieser wird eine Pauschale gezahlt. Wird unterschritten, gibt es Tagesabzüge entsprechend der von Euch vorgestellten Tabelle. Wird überschritten, gibt es pro Tag mehr-theoretisch.
https://www.researchgate.net/figure/Abb-2-Kosten-und-Erloese-entlang-der-Verweildauer-blau-Erloeskurve-rot-gestrichelt_fig1_312583733
Die obere Grenzverweildauer generiert in meinen Augen deutliche systematische Fehlanreize. Ich selbst bin Ärztin in einem Haus der Maximalversorgung. Deshalb behandeln wir viele komplexe Fälle, welche diese Überschreiten. Damit wird die Grenzverweildauer jeden Tag mehr und die Rechnung höher. Der MDK (Medizinischer Dienst der Krankenkassen) prüft dann häufig. Das ist für diesen attraktiv. Denn es können einzelne Tage gekürzt werden- die Rechnung wird also praktisch günstiger bei entstandene Kosten die jeder einzelne Behandlungstag verursacht.
Sobald jemand deutlich über die Grenzverweildauer kommt, wird dies ein Thema. Der Druck zu entlassen wächst und die medizinisch notwendige Behandlungsgüte kann dadurch bedroht werden.
Nicht umgehend durchgeführte Untersuchungen/Behandlungen können zu Kürzungen führen. Auch im Haus der Maximalversorgung gibt es die bereits erwähnten „soziale Indikationen“ mit schlicht nicht entlassfähigen Patient:innen. Die Sozialdienste z.B. müssen an dieser Stelle einen unheimlich Druck aushalten. Sie sollen Pflegeplätze herbeizaubern in den bereits überfüllten Pfegeheimen.
Der MDK kürzt die Tage, die Krankenkassen sparen und die entstandenen Kosten für solche Überbrückungen landen bei dem behandelnden Krankenhaus. Genau das Krankenhaus, welches die von Euch so schön dargestellte notwendige Finanzierung der Länder für die Infrastruktur des Hauses nicht erhält.
Im Hinblick auf diesen Aspekt begrüße ich die Reformidee der Vorhaltepauschalen. Bin gespannt, wie Eure Beiträge in der Lage weiter gehen.