LdN 367 - Krankenhausreform

Liebes Lage Team,
ich finde es super, dass Ihr Euch diesem Thema gewidmet habt. Das Thema der DRGs war an manchen Stellen nicht sauber genug aufgearbeitet. Viele haben bereits auf die DRG Auswahl aufmerksam gemacht. Auch Informationen, wie das Pembrolizumab eine Immunchemotherapie ist, hätte auch noch erwähnt werden können.
Es wäre super gewesen, wäre auch einmal erwähnt geworden wäre, dass das DRG System seine Daseinsberechtigung hat, da es hilft ineffizient Prozesse im Krankenhaus zu identifizieren und zu optimieren. Zusätzlich wurden bereits die Pflegekosten aus diesen DRGs herausgerechnet.
Von den allen suboptimalenin Deutschland verwendeten Systemen ist das DRG -System, dass bisher Beste. Vor der DRG Zeit wurden z.B. Patienten auch zu lange im Haus behalten, da man damals über Verweildauertage abgerechnet hat.
Ich bin sehr gespannt, was noch alles in den neuen Folgen kommt.

1 „Gefällt mir“

Liebes Lage Team,

Ich finde es sehr wichtig, dass Ihr in eurem Beitrag über ökonomische Kostenreize sprecht und diese kritisiert, da sie im Zweifelsfall eine Entscheidung Richtung Geld lenken könnten.

Auch von mir (Arzt) einige Gedanken:

  1. Ich hatte nach dem Hören das Gefühl, dass Ihr nicht indizierte OPs als leichtfertige Handlungen darstellt. Eine OP ohne Indikation ist ein schwerwiegender Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, ggf. Straftatbestand. Dessen muss sich jeder Arzt und jede Ärztin bewusst sein - bei unklarem direktem Nutzen für Ärzt/innen (siehe Punkt 3).
  2. Gleichzeitig prägen, anders als durch euch vermittelt, Prüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen den Alltag im Krankenhaus. Hier wird sehr stark darauf geachtet, dass Krankenhäuser nicht übertherapieren – und regelmäßig sanktioniert!
  3. Für mich klang es teilweise in eurem Beitrag, als ob angestellte Ärzte und Ärztinnen einen finanziellen Vorteil durch höhere Eingriffszahlen hätten. Ich habe bisher kein Krankenhaus kennengelernt, in dem sich höhere OP-Zahlen direkt finanziell für die durchführenden Ärzt/innen „lohnen“ - hier wird überwiegend nach Tarif bezahlt. Angestellte Ärzt/innen haben keinen finanziellen Vorteil durch mehr OPs.
  4. Wenn man die These aufstellt, dass finanzieller Druck auf Kliniken sich direkt auf leichtfertige/häufigere Durchführung von OPs auswirkt, dann muss auch eine Analyse des Mechanismus erfolgen und dieser wäre schonmal nicht durch einen direkten finanziellen Vorteil für die Belegschaft gegeben (3). Ob das Krankenhaus gesamtwirtschaftlich überlebt, und das einen Reiz bedeutet, bezweifle ich, da bis auf leitende Ärzt/innen und Chefarzt/innen der allergrößte Teil des ärztlichen Personals hier keinen Einblick bzw. Verantwortung hat. Spannend ist aber wie der finanzielle Druck auf Kliniken über Management auf Chefärzt/innen bis Anfänger weitergegeben wird - Stichwort Abhängigkeiten/Hierarchien. Hier ist eine Detailanalyse sicher hochrelevant.
  5. Ihr beschreibt auch, dass eine bestimmte Behandlung in den letzten Jahren stark vermehrt durchgeführt wurde - und impliziert, dass dies einen finanziellen Hintergrund hat. Andere Faktoren, mit ggf. größerem Einfluss: medizinischen Fortschritt, neue Studienlage, neue Techniken, demografischer Wandel.

Mir war eure Berichterstattung teilweise nicht differenziert genug, teils eine einfache Erklärung für ein hochkomplexes Problem. Durch zu undifferenzierte Berichterstattung, auch bei Gesundheitsthemen, werden Vorurteile geschürt bzw. geht Vertrauen verloren (Finanzielle Anreize über Patientenwohl, „mit meiner OP will man nur Geld verdienen“). Gleichzeitig ist klar, dass durch ökonomischen Druck und die finanziellen Anreize, welche durch das DRG-System vermittelt werden, eine Beeinflussung unseres Gesundheitssystems geschieht. Ob man dann aber direkte Linie zu potenzieller Körperverletzung ziehen sollte, bezweifle ich.

Viele Grüße!

Nur ein Hinweis zu Punkt 3:
Vor 10 Jahren wurde der Paragraf 135c ins Sozialgesetzbuch formuliert. Der verpflichtet DKG und BÄK Formulierungshilfen für Verträge zu machen, die Zielvereinbarungen ausschließen, die auf finanzielle Anreize insbesondere für einzelne Leistungen, Leistungsmengen, Leistungskomplexe oder Messgrößen hierfür abstellen. Das ist auch im Qualitätsbericht anzugeben. Ich habe das jetzt nicht systematisch ausgewertet, aber zumindest findet sich die Angabe öfter. Wäre natürlich schön, wenn es was gebracht hat. Vielleicht war es auch nie ein größeres Problem. Aber wenn sie ein neues Gesetz schaffen, müssen sie schon geglaubt haben, das da was nicht funktioniert.

1 „Gefällt mir“

Interessant in diesem Zusammenhang finde ich eine Diskussion darüber, welche Anreize man auch im positiven Sinne mit dem DRG System setzen könnte. Z.b. eine Vergütung nicht nur Anhand von Diagnosen, sondern weiterer Indizes wie Qualität, Patientenzufriedenheit, Mitarbeiter/innenzufriedenheit(!) - Belohnen was zu belohnen gilt. Hier könnte eine ausgewogene(re) Gewichtung eine positive Lenkungswirkung haben.

1 „Gefällt mir“

Danke für diese wichtige Information!
Allerdings steht dort auch, dass diese vor 10 Jahren getroffene Regelung leitende Ärzt/innen (Chefarzt/innen) betrifft - und die machen nunmal nur den kleinsten Teil der ärztlichen Belegschaft aus. Ich würde daher weiterhin bei der Aussage bleiben, dass angestellte Ärzt/innen die tariflich bezahlt werden mit übergroßer Mehrheit nie von Leistungssteigerungen direkt selbst profitieren und damit auch keinen Anreiz haben, OPs durchzuführen, die nicht indiziert sind.

Das schließt natürlich nicht aus, dass der finanzielle Druck via Geschäftsführung über andere Wege weitergegeben wird, aber das zeigt, dass der Bogen von „Krankenhaus hat finanzielle Schwierigkeiten“ zu „Ärzt/innen führen nicht indizierte OPs durch“ eine gewagte Hypothese ist. Und diese wurde im Podcast nicht hinreichend bewiesen.

1 „Gefällt mir“

Mit fehlt in der Debatte immer noch ein bisschen die Wahrnehmung und Position der Beschäftigten. Meines Wissens nach ist ver.di die größte Organisation in der sich Beschäftigte des gesamten Gesundheitssystems zusammengeschlossen haben und sie haben eine wie ich finde sehr kompakte Position veröffentlicht, in der einerseits die Reform kritisch eingeordnet, aber auch eine Vision gezeichnet wird, wie Versorgung aussehen soll. Finde ich einen Blick wert: http://www.krankenhausreform.verdi.de/

Das KH-Transparenzgesetz hat die Hürde des Vermittlungsausschusses genommen. Aus der PM des Bundesrates:

Das Vermittlungsverfahren zum Gesetz zur Förderung der Qualität der stationären Versorgung durch Transparenz ist beendet: Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat empfiehlt, das Gesetz ohne Änderungen zu bestätigen.

Ab 1. Mai wird es dann wohl das Transparenzverzeichnis im „Soft Launch“ geben.

Vermittlungsergebnis

NB: Das Wachstumschancengesetz ist mit diversen Änderungen (keine Synopse :sob:) auch durch.

Ich möchte etwas aus Sicht einer Beschäftigten beitragen.
Krankenhausreform:
Ich arbeite in einem Klinikverbund mit mehreren Krankenhäusern, wir haben in allen Häusern massiven Personalmangel, also wäre es eigentlich nur logisch die Krankenhäuser zusammenzulegen, das ist auch allen Beschäftigten klar, trotzdem wehren sie sich dagegen -
Es wird immer über Wohnortnähe gesprochen, aber denkt man da auch an die Beschäftigten?
Wie kommen Sie an ihren Arbeitsplatz? Schon heute ist es in unseren Landkreisen kaum möglich mit den Öffis pünktlich zum Dienst zu kommen. Wohnungen in Krankenhausnähe zu finden ist nahezu unmöglich und nicht finanzierbar. Kein Krankenhaus funktioniert ohne Reinigungskräfte, etc. (überwiegend im Mindestlohnbereich) diese Menschen trifft die Problematik der Öffis und der Wohnungsnot noch mehr.

Krankenhaustransparenzgesetz:
Als Fachkrankenschwester für Hygiene- und Infektionsprävention gehört es zu meiner Arbeit, Daten zu nosokomialen Infektionen zu erfassen, auszuwerten und zu bewerten.
Kurz zu der Erfassung von Komplikationen über IQTIG - bei uns gibt es den sehr unbeliebten Job der QM-Beauftragten beim Ärztlichen Dienst, also einer in der Abteilung muss das machen, das bedeutet, er/sie muss die Bögen für die fallbezogene QS-Dokumentation ausfüllen und vidieren. Die Abteilung Qualitätsmanagement „verschickt“ die Daten an das IQTIG. Auffällig wird ein Krankenhaus wenn es zu viele oder zu wenige Meldungen verschickt. (Quantität nicht Qualität)
Dieser ganze Vorgang ist den wenigsten Mitarbeiter
innen im Krankenhaus überhaupt bekannt.
Die Erfassung der Daten über das NRZ mit dem KISS-System sehe ich ebenfalls sehr kritisch. Denn es sind immer nur einzelne Personen die darüber entscheiden, ob eine Meldung stattfindet oder nicht, es gibt kein Kontrollsystem.
Also wird man womöglich in Zukunft darauf achten, dass man glaubwürdige Daten liefert. Was funktioniert, ich möchte nichts unterstellen - ich möchte nur sagen, dass es möglich ist und aus meiner Erfahrung stimmen die Meldungen bisher nicht mit den tatsächlichen nosokomialen Infektionen überein. (Meldungen vs. PPS Studien)
Also grundsätzlich sind Daten nur so gut, wie die Menschen, die sie erfassen und melden.
Dazu habe ich aber eine Hoffnung - momentan kommen tolle KI-Lösungen auf den Markt. (z.B.HAIDI von Datlowe).
Wenn alle Krankenhäuser digitalisiert sind und die E- Patientenakte funktioniert, könnten echte, vergleichbare Daten mit Hilfe der KI erfasst werden.
Ich kann nur hoffen, dass man diese Chance ergreift und sinnvoll umsetzt.

  • Ob auf ITS oder als Notarzt komme ich auch oft in schwierige Situationen, bei denen von mir in kurzer Zeit erwartet wird, über das weitere Vorgehen (Therapieabbruch vs. komplette Intensivmedizin) des Patienten zu entscheiden, weil sich die meisten Menschen keine oder zu wenig Gedanken über das Lebensende bzw. das Vorgehen nach eingetretenen Komplikationen gemacht haben. Eine Lösung wäre aus meiner Sicht, dass jeder Patient (unabhängig von der Schwere der Erkrankung), der ins Krankenhaus (oder auch zum Hausarzt) kommt eindeutig Stellung zu Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Organspende etc. beziehen MUSS. So kommt keine Behandler-Team in ein moralisches Dilemma.

  • Unabhängig davon sollte sich jeder Volljährige Gedanken zum Thema Patientenverfügung/Vorsorgevollmacht/Lebensende machen. Auch wenn es ein schwieriges Thema ist, mit dem man sich gerade als junger Mensch nicht auseinandersetzen möchte…jeder strebt ein autonomes Leben an, doch über autonomes Sterben wird zu wenig gesprochen. Es wäre fantastisch, wenn ihr dies in eurem Podcast noch einmal hervorheben könntet: eine Patientenverfügung ist kostenlos in wenigen Minuten erstellt. Und wenn diese nicht erstellt wird, dann sprecht bitte zumindest mit euren Angehörigen darüber, was ihr am Lebensende oder im (hoffentlich nie eintretenden Falle XY) alles wollte und was nicht.

Vielen Dank für euren tollen Podcast! Macht bitte weiter so!
Liebe Grüße!

Liebes Lage-Team!

Vielen Dank für eure Beiträge zum Thema Krankenhaus und Co. Ich arbeite als Anästhesist, Intensivmediziner und Notarzt an einer deutschen Uniklinik und möchte ein paar zusätzliche Anregungen geben und gar nicht so sehr Einzelheiten aus eurem Podcast hervorheben oder kritisieren:

  • Wir behandeln viele schwer kranke PatientInnen, die nach einer initialen OP wochen- oder monatelang im Anschluss auf Intensivstation behandelt werden müssen, zahlreiche Folgeoperationen aufgrund von Komplikationen, Langzeitschäden etc. erhalten und am Ende doch versterben. Sicher sind dies nicht nur Patienten nach OPs, aber eben auch einige…Abgesehen von dem Leid für die PatientInnen und deren Familie, ist dies für das behandelnde Team sehr frustrierend und gesellschaftlich frisst dies unglaublich viele Ressourcen, die an anderer Stelle leider fehlen.

  • Zudem fehlt in DL viel zu sehr eine konstruktive Diskussionskultur darüber, ob wir wirklich jedem Patienten jede OP/Therapie anbieten müssen/können: bspw. sollten elektive Herzoperationen aus meiner Sicht nur Patienten erhalten, die gewisse Gesundheitsanforderungen erfüllen (BMI, Alkoholkarenz, gesunde Lebensweise, etc.), um auch einen Langzeiterfolg zu gewährleisten. Bei Transplantationen ist dies bereits erfüllt und gesellschaftlich akzeptiert. Eine solche Vorselektierung findet sicherlich auch zu wenig statt, da die finanziellen Anreize viel zu operieren zu attraktiv für die Krankenhäuser sind. Die moderne Medizin macht so vieles möglich und kann so viel, doch über Sinnhaftigkeit wird aus meiner Sicht zu selten gesprochen. In diesem Zusammenhang würde eine Stärkung palliativer Langzeitkonzepte die Lebensqualität von vielen PatientInnen mehr verbessern als Operationen und Intensivmedizin.

  • Ich erlebe in meinem Arbeitsalltag oft, dass PatientInnen zu wenig über Komplikationen oder Langzeitschäden informiert werden oder Bescheid wissen. Sicher ist es für Menschen, die nicht im Gesundheitssektor arbeiten, schwierig vorzustellen, was künstliche Langzeitbeatmung, Luftröhrenschnitt, neurologische Schäden, künstliche Ernährung etc. für die Lebensqualität bedeuten. Doch über solche Dinge muss realistisch und unverblümt gesprochen werden!

4 „Gefällt mir“

In Hamburg ist die Situation mit den behandelnden Kliniken noch fragmentierter, und selbst bei den zwei Kinderkliniken, die sich eine Kinderchirurgie teilen (gleicher Chefarzt und chirurgisch aus unserer Sicht gute Arbeit), werden die Fälle in beiden Häusern operiert und eben auch vor/nach den Eingriffen versorgt.
Aus unser persönlichen Erfahrung kann ich sagen, dass jedenfalls in einem dieser Häuser die sehr wichtige Intensivpflege vor der OP unerträglich unkonstant und mangelhaft war (nach wochenlangen Mängeln bei der Absaugung und unsagbarem Stress für das Kind schließlich Asprirationspneumonie mit künstlichem Koma und Pneumothorax… Wir haben unser sehr schwaches Frühchen aus einer Klinik in der Großstadt Hamburg in eine Uniklinik in anderer Stadt verlegt, haben dort am Ende noch drei Monate zugebracht und sind trotz aller Belastungen bis heute froh darüber…). Und wir fragen uns bis heute: Warum um alles in der Welt bündelt man sogar bei zusammenhängenden Kliniken einer Stadt nicht die Expertise (relevant sind eben auch die Pflege und andere relevante Disziplinen) für solche seltenen Fälle?

Entkoppelung von Erstversorgung und Nachsorge sehe ich gerade bei Seltenen Erkrankungen kritisch.

3 „Gefällt mir“

Sicherlich auch eine Frage des Einzelfalls. Bei uns verlief die erste OP im Rahmen der Gesamtsituation wohl optimal und es musste nur wenig gestreckt werden.

Da wir seitdem über 10 Ballondillatationen hinter uns haben, die ja nicht spezifisch nur bei dieser Erkrankung angewendet werden, sehe ich schon auch Vorteile darin wenn das dann weitere Versorgung in den Folgejahren wohnortnahe stattfinden kann. Sonst müsste man ja jedesmal am Vortag zur Voruntersuchung und am Tag des Eingriffs weite Strecken zurücklegen.

Das heißt ja nicht, dass nicht auch die Zentren weiter mit eingebunden werden könnten oder schwere Fälle auch in der Folge in den Zentren betreut werden könnten.

1 „Gefällt mir“

Vielleicht sollten wir das Thema an dieser Stelle einmal schließen und ggf. neue Threads öffnen, am besten differenziert nach Unterthemen.