LdN 367 - Krankenhausreform

Liebes Lage Team,
erstmal danke das ihr euch diesem schwierigen Thema angenommen habt.
Ich selber habe in den letzten Jahren nur mittelbar mit diesem Sektor zu tun gehabt sehe aber auch bei den DRG den größten Hebel. Meines Wissens nach „verhandeln“ die Betreiber mit den Kassen den Katalog. Da hier ein offsichtlich ungleiches Verhältnis besteht kann es dazu führen, dass bei steigenden Fallzahlen die Kassen einen Rentabilitätsabschlag vornehmen also die erstatten Kosten über die Jahre abnehmen. Dies wiedrum wirkt sich dann mitumter sehr negativ auf die wirtschaftliche Lage aus.
Zum Thema Fusionen im ländlichem Raum bin ich über folgenden Fall gestolpert.

Die Rolle des Kartellamtes in diesem Bereich wäre also noch offen. Da ist der Weg des Klinksterbens scheinbar der einzige Ausweg :roll_eyes:

Liebes Lageteam,
vielen Dank für das Thema!
Vorweg: Ich bin Ärztin in Weiterbildung in der Chirurgie und ich möchte etwas zur Eingangs erwähnten Statistik hinzufügen, die am Bundesrat gescheitert ist.
Die Komplikationsrate einer Prozedur hängt von 3 Faktoren ab:

1. Wie gut ist das Team, das operiert
2. Wie krank sind die Patient*innen, die angenommen werden
3. Was zählt als Komplikation

Wenn ich also die Komplikationsrate senken möchte, dann kann ich entweder das Personal besser machen oder nur noch leichte Fälle annehmen, die keine Komplikationen haben werden, selbst wenn das Team nur mäßig gut ist. Dadurch steht ein Team, bei dem ich mich als Fachfrau ncht behandeln lassen würde, in einer Komplikationsstatistik deutliche besser da, als das beste Team des Bundeslandes, weil die eben auch die Schweren Fälle operieren (Stichwort Tumorchirurgie).
Außerdem entsteht der Anreiz zur Komplikationskosmetik: Todesfälle nach einer OP zählen in einem gewissen Zeitfenster als Komplikation der OP. Selbst wenn der/die Patientin einen Unfalltod erleidet oder wenn sich Angehörige nach der OP gegen die weitere Behandlung entscheiden. Dies kann zum einen dazu führen, dass OPs nicht gemacht werden, obwohl sie das Outcome verbessern, weil das Risiko eines anderweitigen Versterbens dem Team zu hoch sind. Oder es kann auch dazu führen, dass Patientinnen unnötig lange am Leben gehalten werden.

Tl;dr: Öffentliche Kompliaktionsstatistiken sind mit vorsichtig zu genießen und beinhalten die Gefahr für Fehlanreize

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Liebes Lage-Team,

danke für eure Recherche zum Zustand der Krankenhäuser in Deutschland. Als Ärztin, die früher jahrelang selbst in mehreren Kliniken und jetzt ambulant tätig ist, möchte ich versuchen, aus meiner Sicht noch ein paar Dinge „gerade zu rücken“.
Der Anreiz, sich für eine Therapie mittels „Eingriff“ zu entscheiden, ist nicht nur rein finanzieller Art. Ein Patient, der sich mit dem Problem „Rücken“ in ein Klinikum begibt, wünscht sich i.d.R. eine schnelle Lösung durch einen Spezialisten. Konservative Behandlungen kosten Zeit, aktive Mitarbeit und werden sowieso nicht im Krankenhaus durchgeführt.
Ein Arzt, dessen Haupttätigkeit aus dem Durchführung von Operationen besteht, wird diese Option dem Patienten immer als erstes vorschlagen. Da die allermeisten Ärzte, zumindest in den operativen Fächern, ihre Weiterbildung in Kliniken absolvieren müssen, wird ihnen quasi schon automatisch beigebracht, einen „Eingriff“ als Therapie der ersten Wahl vorzuschlagen. Außerdem muss für die Weiterbildung in den operativen Fächern eine Mindestzahl an OPs nachgewiesen werden, was einen weiteren Anreiz darstellt.
Was wenig bekannt ist: für Patienten gibt es bei manchen OPs ein Recht auf Zweitmeinungsverfahren, d.h. ein zweiter unabhängiger Gutachter muss die OP-Indikation bestätigen (z.B. bei Amputationen).
Weiterhin ist es so, dass bei vielen Krankheitsbildern keine ausreichenden wissenschaftlichen Daten existieren, ob der Verzicht auf einen Eingriff „besser“ ist. Das macht die Entscheidung in Zeiten von „evidence based medicine“ nicht leichter.
Für die Abrechnung in den Kliniken gibt es med. Dokumentationsassistent/innen, die die Verschlüsselung der Patienten überprüfen und die Ärzte nach mglw. „vergessenen“ Diagnosen befragen, die den Fallwert steigern könnten. Dabei steht im Vordergrund, die Verschlüsselung finanziell zu optimieren. Manche zusätzlich verschlüsselte Diagnosen bringen viel Geld, andere nicht. Die im Podcast gewählten Beispiele des „upgrading“ sind m.E. insofern etwas zu krass gewählt, als dass der Eindruck aufkommt, dass eine Dialyse oder intensivmedizinische Behandlung nur wegen des Zuschusses durchgeführt würden. Das ist definitiv nicht der Fall.
Die Behandlungsqualität von Kliniken wird von den Kassen kaum kontrolliert, da die beim MdK tätigen Ärzte selbst keine Experten auf dem jeweiligen Gebiet sind. Eine Reihe von Kliniken weisen sich mittels Zertifizierung als „Behandlungszentrum“ aus, aber auch da gibt es Probleme, worauf eine andere Kommentatorin schon hinwies. Viele ambulante Ärzte empfehlen sich gegenseitig informell, mit welchen Kliniken sie gute Erfahrungen haben.
Den meisten Patienten wiederum ist es egal, ob die Komplikationsrate bei einem Eingriff 0,5 oder 5% beträgt - für sie zählen kurze Wege, genug Parkplätze und freundliches Pflegepersonal.
Vielleicht könnt ihr einmal einen Vertreter des Gemeinsamen Bundesausschusses einladen und zum Thema Qualität in Krankenhäusern befragen?

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Es ist ein emotionales Thema, das mit den Bedürfnissen und Nöten der Menschen zu tun hat. Jeder Mitarbeiter*in, der direkt mit Patienten zu tun hat, und zwar jeden Tag, wird nicht ganz unemotional zuhören und daher auch emotional argumentieren. Es geht hier halt nicht um technische oder juristische Themen und ja/nein-Entscheidungen.

Harter Tobak für mich. Und die Angehörigen? Was macht es mit mir? Schonmal mit einem Tumorpatienten, oder den Angehörigen geredet? Und oft kommen die Patienten*innen dann früher oder später doch zur Schulmedizin. Und das lässt einen nicht kalt!

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Das Problem kann ich aus Sicht einer interessierten Laiin und klinikerfahrenen Mutter eines Kindes mit Seltenen Erkrankungen grundsätzlich bestätigen.
Beispiel Angeborene Fehlbildungen bei Kindern: Die Kliniken mit mehr (aber in absoluten Zahlen dennoch überschaubaren) Fallzahlen, die in der Behandlung von seltenen Fehlbildungen sehr gut, kompetent und interdisziplinär arbeiten, bekommen oft die besonders schwierigen Fälle und übernehmen die Nachbehandlung/ Folgeoperationen von Kindern, bei denen in anderen Kliniken bereits Dinge falsch bis katastrophal liefen. Das verzerrt die Statistik insbesondere bei niedrigen Fallzahlen erheblich.
Es gibt dafür aber Ansätze, um dennoch Qualität zu messen: „subsidiäre Evidenz“, also keine Vergleiche von direkt messbaren, klassischen Parametern wie Mortalität, Morbidität usw. zwischen deutschen Krankenhäusern, sondern zum Beispiel Vergleiche mit Daten aus anderen Ländern, in denen Zertifizierungen genutzt werden / Zentralisierung umgesetzt ist.
Das ist natürlich aufwändig und bringt nicht die schnelle Transparenz für alle.
Aber zusätzlich zu den klassischen, direkten Kennzahlenvergleichen wäre subsidiäre Evidenz sicher eine große Chance.

Was wirklich fatal wäre: Das Ziel der Transparenz aufzugeben wegen der in den Kommentaren genannten Schwachstellen, die es zweifelsfrei gibt. Die Alternative wäre ja: weniger Qualitätsmessung, weniger Transparenz und weniger gute empirische Basis für Verbesserung.

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Blockzitat

Üblicherweise werden Indikatoren zur Ergebnisqualität risikoadjustiert, nur so kann man fair vergleichen. Abgesehen davon werden die Ergebnisse der gesetzlichen Qualitätssicherung seit Jahren veröffentlicht (z. B. Weisse Liste) interessiert nur keinen. Schlechte Ergebnisse haben für Krankenhäuser relativ wenig Konsequenzen. Stellungnahmeverfahren, Zielvereinbarung oder Begehung sind übliche Maßnahmen, allerdings werden diese je nach Bundesland sehr unterschiedlich eingesetzt. Patientinnen haben oft auch nur einen begrenzten Nutzen von den Informationen, nur wenn es einen planbaren Eingriff geht.

Ich befürchte, dass Thema wird mal wieder einseitig aus der Sicht einer Urbanen Gesellschaft diskutiert. Ja, in den meisten Stadten herrscht eine sehr gute Versorgung. Meine Heimatstadt „garantiert“ zB. ihren Einwohnern innerhalb von 15 Minuten nach Notruf in einer Stoke Unit zu sein. Das ist im speziellen auf dem Land heute schon nicht zu leisten. Eine weitere Ausdünnung der Krankenhäuser dort würde die zeitkritische Versorgung defenitiv nicht verbessern. Mag ja sein, dass ein Patient in einer Spezialklinik besser versorgt wäre, wenn er auf dem Weg dahin stirbt hilft ihm das auch nicht.

Das GG garantiert gleichwertige Lebensverhältnisse, bei allen ökonomischen Überlegungen in der Daseinsvorsorge sollte das mit bedacht werden. Dazu kommt das Signal welches an die zum Teil heute schon Infrastrukturell und Kulturell abgehängte Bevölkerung auf dem Land gesendet wird. Wir sollten darauf achten, hier nicht noch Zunder in das Feuer der Populisten zu werfen, die aus dem Gefühl des abgehängt sein Kapital zu schlagen wissen.

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Liebe Beide!

ich möchte gerne auf folgendes Problem hinweisen: Es droht, wenn die Qualität eines Krankenhauses aus Anzahl der Fälle zu Outcome ermittelt wird, ein sog. „Cherrypicking“. Etwas was man in den USA schon lange kennt: Eingriffe werden bei low-risk Patienten gerne durchgeführt, high-risk Patienten werden hingegen mit fadenscheinigen Argumenten abgelehnt, da diese die Statistik negativ beeinflussen können. Ich habe wiederholt erlebt, dass amerikanische „inoperable“ Patienten dann bei uns völlig problemlos operiert wurden.
Da zudem in den Kliniken, die gewinnorientiert arbeiten müssen/wollen, das Controlling in der Regel bei ärztlichen Entscheidung mit „on board“ ist und die Kostenkalkulation der Patienten während des Aufenthaltes überwacht, kann diese bei dem bestehenden DRG - Entlohnungssystem zum Vorenthalten komplikationsbehafteter Therapien führen. Dieser Trend wird dann noch verstärkt, wenn „gute“ Kliniken besser entlohnt werden sollen, als „schlechte“.

Einen wirklich gute Lösung für dieses Dilemma haben ich jedoch nicht…

Herzliche Grüße

Liebes Lage Team,
ich bin wirklich Fan der Lage, aber hier haben sich aus meiner Sicht die beiden arg verhoben. Das passiert oft, wenn nicht Mediziner das Thema anpacken. Die Medizin ist leider rein wirtschaftlich nicht so einfach fassbar. Trotzdem tolle Hintergrundinfos, die ich zum Teil auch noch nicht kannte. Aber ein bisschen Food for thought (Ich war an 8 oder 9 Kliniken tätig, bin aktuell ärztlicher Leiter)

  • Thema Betten: da wird so viel Rechentrickserei betrieben, dass Statement mit dieser Rechnung kann man so nicht machen. Das ist auch unzutreffend(…), da die Auslastung teils arg variiert. Es gibt kaum noch ein gut geführtes Krankenhaus mit leeren Betten. Der Druck nahe 100% Bettenauslaustung auf dem Papier zu generieren, ist so stark, das regelhaft kein Bett verfügbar ist, wenn mal ein Patient unvorhergesehen kommt (was in Krankenhäusern ja nie der Fall ist), was dann dazu führt, dass die Notaufnahmen jetzt Übergangsstationen haben - die dann nicht ins Auslastungsmanagement eingehen usw usw.
  • Ganz wichtig: Das Transparenzgesetz ist im Ansatz schon Blödsinn. Warum? Woran will man denn Medizin messen? Im Podcast kam was von Sterblichkeit. Das ist ein Parameter, der auf die allermeisten Prozeduren gar nicht anwendbar ist, weil die Sterblichkeit viel zu klein ist. Und selbst da, wo man die Sterblichkeit nutzen könnte, wird es kompliziert: ist jetzt ein Schockraum in einem kleinen Krankenhaus, der vom Rettungsdienst nicht so oft angefahren wird, weil die schweren Fälle in die Uniklinik gehen jetzt wirklich besser? Aha, da müssen wir die Schwere der Kranken rausrechnen. Da gibt es Scores, und wo es scores gibt…da wird wieder Schmu getrieben. Ist also nicht so einfach. Hatten wir zB bei der Herzchirurgie in einem Krankenhaus in dem ich war. Die hatten eine höhere Sterblichkeit und galten dann als schlecht. Dabei haben die Patienten operiert, die andere Krankenhäuser nicht machen wollten. Da kann man jetzt wieder über die Indikation streiten. Und was ist mit all den Fächern, wo es quasi kaum Sterblichkeit gibt? Hüftprothesen zB? A propos OPs: die Qualität von OPs ist mitnichten abhängig von der Abteilung oder …von der Ausstattung, sondern, und da gibt es auch Literatur zu, vom Operateur, vom einzelnen Menschen. Und zwar ganz hauptsächlich oft. Ein total komplexes Themenfeld. Ich bin mal von einer recht großen Internetfirma angesprochen worden, ob man nicht eine Datenbank zur Medizinqualität ins Leben rufen könnte. Wir haben da nächtelang drangesessen und dann wurde das aufgegeben, weil es seriös nicht machbar ist - und vor allem nicht so, dass Patienten das verstehen. In der Medizin wird heutzutage so viel Unsinn getrieben - und da haben Sie recht - aus Geldgründen oder weil die Leute es nicht besser wissen - und es fällt in der Regel nicht auf.
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Teil 2:

  • Auch ganz wichtig: an dem Plan der spezialisierten Zentren, … ist das Problem, dass Uniklinik gar nicht unbedingt die bessere Medizin machen. Das meint man immer so. Das ist aber gar nicht so. Grade zum Beispiel Gelenkersatzoperationen werden an peripheren spezialisierten Zentren oft viel besser gemacht, weil die an der Uni vergleichsweise selten sind. Und es gibt auch an Unikliniken einfach schlechte Abteilungen. Und es gibt winzige Häuser, die einen herausragenden Operateur haben - ich könnte da jetzt locker ein Dutzend Beispiele nennen, aber will hier keine Kollegen ungefragt ins Internet stellen.
  • die Kritik am DRG system kann ich so nicht nachvollzeihen. Die Diagnosen werden ja in der Regel nicht im Krankenhaus erhoben, sondern die hat der Patient. Klar ist das ein System, was man bespielen kann, aber so willkürlich, …ist es jetzt auch wieder nicht.
    Insgesamt, ich kann Ihnen gern mal ein Hintergrundgespräch zum verständnis anbieten. Da geht wirklich ganz viel, was für Sie ein „no-brainer“ ist im fehlenden Sachverstand verloren. Das Sie da die richtigen wirtschaftlichen Zahlen haben glaube ich Ihnen, da sind Sie sicher besser informiert als ich, aber wie das in der Praxis funktioniert…nee, dass stimmt einfach nicht.

PS Ich lese hier keine kommentare auf meinen kommentar. das schaffe ich zeitlich nicht. Ich poste das hier auch nicht als Meinung, sondern als Resultat von 20+ Jahren Berufserfahrung in entsprechenden Positionen.

Wenn alleine die Rechtsform (Vivantes ist eine GmbH in Besitz des Landes Berlin) entscheidend für die Zuordnung privates oder kommunales Krankenhaus sein soll, wären fast alle kommunalen Krankenhäuser Privat, da die allermeisten von Ihnen als GmbH organisiert sind. Das ignoriert aber, dass die meisten kommunalen Krankenhaus GmbHs nicht gewinnorientiert arbeiten, sondern lediglich zu einem ausgeglichenen Ergebnis verpflichtet sind. Die richtig privaten Klinikbetreiber müssen Aktionäre befriedigen und Wagniskapital verzinsen. Umso erstaunlicher ist es, dass sie dies unter den aktuellen Gegebenheiten noch schaffen. Alle großen kommunalen Krankenhäuser schreiben derzeit tiefrote Zahlen nicht nur Vivantes, sondern auch die Gesundheit Nord in Bremen, die städtischen Kliniken in München, das Klinikum Stuttgart, das Klinikum Frankfurt Höchst, die städtischen Kliniken in Köln und so weiter.

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Unser Altenheim im Ort ist eine gGmbH, damit ist sicher gestellt, dass es gemeinnützig arbeitet. Diese Form steht auch Krankenhäusern offen - wenn sie das denn wollen.

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Hallo liebes Lage-Team

Ich höre Euch seit Jahren und habe mich vielleicht das erste mal wirklich geärgert.

Ich bin selbst Leitender Oberarzt an einem großen Zentrum für Wirbelsäulenchirurgie, also einer von denen die laut Eurem Beitrag 95% unnötige Operationen durchführen.

  • Es ist doch sehr einseitig, wenn als Grundlage für obige sehr steile These ein(!) Schmerztherapeut zitiert wird. Außer das diese in der Regel selbst keine operativ tätigen Chirurgen sind und das alleine aus diesem Faktum heraus nicht beurteilen können, würde ich schon erwarten, dass z.B. die größte Vertretung wirbelsäulenchirurgischer Ärzte in Europa, die Deutsche Wirbelsäulengesellschaft (DWG) zu diesem drastischen Vorwurf befragt wird. Es gibt nämlich keinerlei Evidenz für diese Aussage. Mal eben einen ganzen Berufsstand unethisches und letztlich illegitimes Verhalten vorzuwerfen grenzt schon an Populismus.

  • Zur Wahrheit gehört auch, dass garantiert sehr viele WS-OPs vermieden werden könnten, wenn die Patienten die elementaren Empfehlungen- viel Sport, Normalgewicht, regelmäßige Rückenfitness- umsetzen würden. Alleine es ist einfacher, sich unter „das Messer“ zu legen als den inneren Schweinehund zu überwinden.

  • Ich habe heute eine wirklich komplizierte Revisionsoperation bei einem sehr dicken Patienten durchgeführt, die mich 4 h gekostet hat. Dafür gibt es laut DRG für unser kirchliches Krankenhaus ca. 4200,-. Es sind aber 3 examinierte Akademiker sowie 3 weitere Fachpflegekräfte Anästhesie und OP für den Eingriff nötig. Zusätzlich >2000,- Verbrauchsmaterial und Implantatekosten. Eine Goldgrube sieht anders aus.

Insgesamt wurde leider der Eindruck erweckt, dass mit viel Halbwissen einfache Schlüsse gezogen wurden. Und eines ist Gesundheitspolitik leider nie - einfach!!

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Wer auf dem Weg zur Spezialklinik stirbt, hat im kleinen Krankenhaus im Ort von vornherein keine realistische Überlebenschance.
Ich weiß, man denkt gerne Krankenhaus=Krankenhaus, aber das ist einfach fern der Realität. Dänemark zeigt ja gerade, dass die Sterblichkeit sinkt, wenn Menschen mit schweren Erkrankungen direkt in ggf. weiter entfernte Zentren gebracht werden.

Ich lebe auf dem Land und damit geht eben einher, dass bestimmte Dinge schwerer erreichbar sind. Ich kann nicht erwarten, wenn ich im Schwarzwald oder in Mecklenburg lebe, dort die gleiche Konzentration an Kliniken zu haben wie in Stuttgart oder Berlin. Wenn ich das will, muss ich da eben hin ziehen.

Zudem ja gerade kleine Kliniken auf dem Land erhalten bleiben sollen, wenn sonst bestimmte Fahrtzeiten für die Bevölkerung überschritten werden. Es geht bei den Schließungen vor allem um die vielen kleinen Häuser im städtischen Bereich.

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Die üblichen Geburten müssten meines Erachtens gar nicht im Krankenhaus stattfinden. Da sind Geburtshäuser besser geeignet.
Für andere übliche Dinge die besser dezentral gemacht werden, habe ich immer so etwas wie Polikliniken im Kopf. Die könnten erste Anlaufstelle sein und entscheiden, ob Überweisung ins KH notwendig ist.

Was für Leistungen fehlen da, die nicht ambulant gemacht werden können aber auch keine Spezialisierung erfordern?

Diese Aufschlüsselung von Einzelfällen wurde im Rahmen von Studien gemacht und die Ergebnisse statistisch ausgewertet.
Die Idee, dass die tausende Operationen bei der journalistischen Aufbereitung individuell aufgelistet werden müssen, ist doch recht abwegig.
Dafür dass Dein Argument auf so tönernen Füßen steht, ist der Vorwurf des Populismus für die Darstellung eines offenbar weithin als Tatsache anerkannten Sachverhalts, ganz schön hart.

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Ich habe kurz vor dieser Sendung eure Sendungen zur Infrastruktur gehört. Ich habe mich gefragt, ob Krankenhäuser nicht auch ein Teil der Infrastruktur sind? Die Ursachen der Probleme, die ihr beschreibt, sind ja bei beiden Themen die gleichen: unzureichende Finanzierung durch die Kommune/Länder. Über die finanzielle Lage der Länder und Kommunen habt ihr in der Infrastruktur-Sendung interessante Hintergründe beschrieben….

Mir ist schon klar, dass man eine Brücke nicht mit einem Krankenhaus vergleichen kann, trotzdem sehe ich gewisse Parallelitäten. Die Überlegung, Krankenhäuser zu zentralisieren, lässt sich umgekehrt eigentlich gut auf Brücken übertragen: Einfach die maroden Brücken sperren und die restlichen ein bisschen verbreiten und gut Instandhalten!

Vielleicht sollten Krankenkassen einen Teil ihrer Gelder an die Länder auszahlen, die diese dann zweckgebunden für ihre Krankenhäuser nutzen müssen. Dadurch könnte die Infrastruktur Krankenhaus erhalten werden können, ohne dass gegebenfalls unnötige Operationen durchgeführt werden müssen.

Uff, also ehrlich gesagt war ich doch ein wenig schockiert, wie ihr es als selbstverständlichen Lowbrainer dargestellt habt, dass ein Ausdünnen der Krankenhäuser eine tolle Lösung sein soll. Das mag vielleicht in Großstädten funktionieren, aber gerade auf dem Land, wo die Anfahrtswege heute ohnehin schon teilweise problematisch sind, ist das doch kompletter Irrsinn. Und gerade, wenn der Zweck der Maßnahme die Wirtschaftlichkeit ist, kann man sich ja vorstellen, welche Krankenhäuser dann als erstes auf der Abschussliste wären.

Gerade in Notfällen, wo es auf jede Minute ankommt, ist es garantiert keine sinnvolle Idee, die Anfahrtswege durch eine Ausdünnung des Krankenhausnetzes noch größer zu machen. Oder um es etwas lapidar auszudrücken: Wenn der Patient auf dem Weg ins Krankenhaus stirbt oder bleibende Schäden davon trägt, weil die Anfahrtsweg einfach viel zu weit sind, dann dürfte diesem herzlich egal sein, ob in der Klink in der nächsten Großstadt dann die Behandlungsmethoden hochwertiger sind. Vor allem für die Erstversorgung ist es essentiell wichtig, dass Krankenhäuser auch in akzeptabler Reichweite sind.

Wenn man überhaupt das Krankenhausnetz ausdünnen muss, dann sollte dies ausschließlich auf die Ballungsräume beschränkt sein. Und es sollte am besten flankiert werden mit einer entsprechenden Richtlinie, die explizit vorschreibt, in welcher maximalen Fahrzeit ein Krankenhaus erreichbar sein muss. Daraus ließe sich dann ableiten, welche Krankenhäuser wirklich wegfallen könnten und welche absolut tabu sind.

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Es ist noch nicht so wahnsinnig lange her, da war es einfach im Bereich des Üblichen, dass Kind und/oder Mutter bei oder kurz nach Geburt gestorben sind. Das ist heute komplett unvorstellbar und passiert nur in extremen Ausnahmen. Warum? Vor allem, weil ein OP wenige Meter neben dem Kreißsaal ist und es Notfallroutinen gibt, die eine Intervention innerhalb von wenigen Minuten ermöglichen, wenn etwas schief läuft. Und das ist nicht so selten.
Wer schonmal eine blutende Mutter direkt nach Entbindung im Geburtshaus mit wehenden Fahnen ins Krankenhaus gebracht hat, weiß was ich meine.
Es gibt nicht so viele Situationen in der Medizin bei denen tatsächlich Minuten über Leben und Tod entscheiden, aber Notfälle bei Geburten gehören dazu.

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Liebes Lage-Team,

zunächst einmal freut es mich als Mediziner sehr, dass ihr das Thema Gesundheitssystem aufgegriffen habt.

Es gibt, neben den Krankenhäusern an sich, noch ein weiteren Punkt, der sowohl bei euch, als auch in der Politik vollkommen unterbelichtet ist, unter uns angestellten KrankenhausärztInnen aber klar eines der wichtigsten Probleme darstellt: Das System der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte.

Ich meine dabei nicht die Grundversorger, wie Allgemein– und KinderärztInnen, sondern vor allem die operativ Tätigen oder zumindest instrumentell arbeitenden. Diese Gruppe, die in etwa einen genauso großen Anteil des Geldes im Gesundheitssystem in Anspruch nimmt, wie die stationäre Medizin ist ein zu 100 % privatwirtschaftlich agierender Player.
Im Gegensatz zum angestellten Krankenhausarzt, der unabhängig von den Indikationen, die er oder sie stellt, das gleiche Gehalt am Ende des Monats bekommen wird, hängt der Gewinn der Niedergelassen direkt mit den Indikationstellungen zusammen.

Die Problematik der Niedergelassenen ist mannigfaltig.
Z.B. werden Eingriffe häufig als belegärztliche Operationen im stationären Rahmen durchgeführt (die mieten sich also in einem Krankenhaus ein) und tauchen dann in der Krankenhausstatistik auf, obwohl sie das Werk eines Niedergelassen sind.

Mindestens genauso dramatisch ist es aber auch, dass das System der Niedergelassen die gesamte Gesundheitsversorgung verändert:
In Kliniken wird ausgebildet. Das bedeutet, dass unerfahrene ÄrztInnen und Ärzte auch Eingriffe durchführen können und dabei angeleitet werden. Unsere AssistentInnen zum Beispiel brauchen im Schnitt etwa doppelt so lange, um einen (Standard-)Eingriff durchzuführen, wie ich es selbst brauche.
Dies führt jedoch dazu, dass Niedergelassene, die nicht ausbilden und in der Regel Standardeingriffe an „StandardpatientInnen“ durchführen mit Klinikabteilungen um die zunehmend knappe OP Zeit konkurrieren.
Um noch wirtschaftlich agieren zu können, werden dann in Kliniken Abläufe erarbeitet, bei denen nur noch die schnellsten Operateure Eingriffe durchführen und die Ausbildung weg fällt.

Ihr nehmt Dänemark als positives Beispiel einer Krankenhausreform und das zu Recht.
Aber:
Dänemark hat ein steuerfinanziertes Gesundheitssystem. Also nicht ca. 100 Krankenkassen + Private, die alle Werbung schalten, eigene Verwaltungen betreiben und unterschiedlich vergüten.
Und Dänemark hat ambulante Strukturen, die in staatlicher Hand sind.

Ihr sagt sinngemäß, dass ein Krankenhaus nicht nah am Wohnort sein muss.
Es stimmt, dass man für eine relevante stationäre Behandlung auch mal weiter fahren kann. Aber das Krankenhaus ist auch gleichzeitig ein Ambulatorium, wenn Niedergelassene nicht da sind oder geschlossen haben (jede Nacht und jedes WoE und manchmal Mittwoch Nachmittags).

Man muss Krankenhäuser gemeinsam mit dem Thema der Niedergelassenen und Krankenkassen diskutieren, um das ganze Bild zu haben und Lösungen erarbeiten zu können.

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