LdN 367 - Krankenhausreform

Einundzwanzig nach Einführung des DRG nun eine „Analyse“ des Krankenhaus-Abrechnungssystems. Dass es sich beim DRG um ein damals den Krankenhäusern auferlegtes System handelt, das jedem aber nicht dem KH und schon gar nicht dem Patienten nutzt, war schon bei der Einführung klar.

  1. Beim DRG wird im KH nicht nach irgendwelchen Diagnosen gesucht - der Patient bringt diese Diagnosen als Vorerkrankungen mit. Im KH erfasst man diese Diagnosen möglichst vollständig, weil sie sich auf das effektive Kostengewicht auswirken. Die Darstellung ist also falsch, überzogen und in meinen Augen populistisch.

  2. Bestimmte Diagnosen sind relevant, weil sie die individuelle Komplikationsrate und den Aufwand für den Patienten erhöhen - ausserdem, weil sie die Verweildauer des Patienten im KH beeinflussen. Es ist also legitim, dass ein KH diese vorbestehenden Diagnosen zusammenträgt - zumal hiervon auch abhängt, wie hoch Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Patient nach Entlassung wiederaufgenommen und erneut behandelt werden muss - eine Folgebehandlung, für die das KH dann kein Geld mehr bekommt.

  3. Wir Ärzte sind Menschen, die Vor-und Nachteile einer Operation ausführlich mit den Patienten besprechen und gemeinsam mit dem Patienten entscheiden, was das individuell beste Verfahren ist. Wir wissen selbst sehr genau, wie viele Komplikationen bei einer Operation auftreten können, weshalb die grundlegende Einstellung ist, Operationen nur dann durchzuführen, wenn sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu einer relevanten Verbesserung der Situation führen - unter Berücksichtigung aller Nachteile. Es mag wenige Ausnahmen geben, aber solange es keine individuelle Aufschlüsselung der Einzelfälle bezogen auf Eingriff, Diagnose und Patient gibt, kann die Aussage, dass überflüssig Operationen durchgeführt werden nur als billiger Populismus aufgefasst werden. Die Quellen hierzu dürften sehr dürtig sein - ein Grund mehr, sich nicht auf den Medienpopulismus einzulassen, sondern besser zu sein als der Rest der eigenen Zunft.

  4. Dass Veränderungen an der Wirbelsäule zunehmen, ist unter anderem eine Folge der älter werdenden Bevölkerung und der Zunahme von Volkskrankheiten, zu denen vor allem die Adipositas gehört. Dass die Anzahl der Eingriffe an „Rücken“ heute zunehmen, liegt zusätzlich aber auch an den Fortschritten in der medizinischen Entwicklung, die es heute erlauben, Veränderungen der Wirbelsäule adäquater zu behandeln als früher - zum Vorteil eines jeden Patienten.

Liebe Grüße
Sebastian

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Und eine Sache noch: nach der Corona-Zeit haben wir alle mitbekommen, wie wichtig es ist, eine flächendeckende und unabhängige medizinische Versorgung verfügbar zu haben und wie schnell wir an unsere Kapazitätsgrenzen kommen. Ja, es ist tatsächlich so, dass man gewisse und vor allen spezialisierte Eingriffe in Zentrumspitäler kanalisieren kann. Das ist aber nicht die Masse der Eingriffe, wegen der man die ländliche Versorgung auf’s Spiel setzen und sogar aushungern lassen sollte. Zur Masse gehören ganz andere Erkrankugen und Indikationen. Am Ende sind es ja nicht die Medien, die die Verantwortung übernehmen, wenn eine Not-Sectio dann in ein entferntes Zentrumspital geflogen werden muss.

Da ich mich bei dem Thema Krankenhausreform nicht auskenne kann ich nicht viel dazu beigetragen, aber ich hätte trotzdem ein paar Fragen die evtl wichtig wären.
Die Zusammenlegung von Krankenhäusern finde ich schon wichtig aber befürchte das es da wieder zum Konflikt zwischen Stadt und Land kommt. Es wird doch dann eher die kleine Klinik auf dem Land/ Landkreis geschlossen und die Menschen müssen weite Wege auf sich nehmen.
Ich habe mal oberflächlich gegoogelt und festgestellt das in Dresden min. 8 Krankenhäuser existieren und das wird in anderen Großstädten nicht anders sein. Wäre es da nicht sinnvoller in den Großen Städten die Anzahl zu reduzieren und dafür die Krankenhäuser in den Landkreisen besser auszustatten und zu spezialisieren?

Das gehe ich mit. Es wäre eine Katastrophe, wenn es reine Zentrierung in den Städten geben würde. Und gibt es überhaupt Belege, dass wirklich niemand auf dem Land arbeiten will und lieber die irrwitzigen Mieten in der Stadt zahlt @SilverRising

Selbsthilfevereine setzen sich seit Jahren dafür ein, dass es auch für Kinder solche Anforderungen (Zentralisierung oder Zertifizierung von erfahrenen Kliniken) gibt, die Qualität gewährleisten, weniger Leid, weniger vermeidbare Folgeeingriffe und (teils lebenslange) Folgetherapien erfordern. Link zu mehr Details: https://www.keks.org/wp-content/uploads/2023/07/K72_Zentralisierung_endf_web.pdf
Nebenbei bemerkt: Zentralisierung und Qualität würden den Kassen auch exorbitante Kosten einsparen…

Aus Sicht von Eltern, die häufig erst nach der Geburt ihres Kindes mit einer oder mehreren seltenen Diagnosen konfrontiert sind, ist es unmöglich, in der nötigen Geschwindigkeit (innerhalb von Stunden!) zu überblicken, was diese Diagnosen bedeuten, geschweige denn, einzuschätzen, ob sie eine OP an der jeweiligen Klinik, in der ihr Kind auf der Intensivstation liegt, durchführen lassen sollten. Man könnte es als Zumutung gegenüber überforderten Eltern und noch mehr als unverantwortlich gegenüber betroffenen Babys bezeichnen, dass (meist unvorbereitete) Eltern solche Entscheidungen treffen müssen (und im Grunde nicht wirklich können) und es am Ende dem geografischen Zufall überlassen ist, wie die Lebens-/Krankheitsgeschichte verläuft.
Wie soll man in einer solchen Ausnahmesituation eine qualifizierte Entscheidung treffen, ob man in der ortsansässigen Klinik richtig aufgehoben ist? Eine Verlegung kostet Zeit, Kraft, Wissen, Organisation. Alles davon fehlt in der Situation.

Der Forderung, dass es eine Zentralisierung auch in der Kindermedizin geben sollte, hat sich die Gesellschaft für Kinderchirurgie bereits angeschlossen: „… dass es für komplexe Fehlbildungen im Neugeborenenalter eine Zentralisierung geben muss. Die begrenzte Inzidenz der Fehlbildungen (zwischen 1:2 000 und 1:20 000 Neugeborene) führt dazu, dass viele Diagnosen nur im einstelligen Bereich pro Jahr und Klinik auftreten. Andererseits wissen wir für die Chirurgie, dass Häufigkeit der OP und Ergebnisqualität miteinander in Beziehung stehen.“ Text der Fachgesellschaft](Bessere Operationsergebnisse und lückenlose Nachsorge bei angeborenen Fehlbildungen)

Wer hat also was gegen die Zentralisierung und Mindeststandards, wenn Betroffene und Kinderchirurgie dafür plädieren und auch Krankenkassen profitieren würden? - Die Kinderkliniken. Kinder mit solchen Diagnosen sind oft monatelang im Krankenhaus, meist Intensivpatient*innen, bevor sie endlich entlassen werden können, und sie bringen der Klinik nicht selten sechsstellige Umsätze. Ein einziges solches Kind kann über die Profitabilität eines ganzen Jahres entscheiden. Nicht sehr wahrscheinlich, dass die Zuständigen dort den Betroffenen eine Verlegung in eine Klinik mit mehr Expertise nahelegen.

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Vielen Dank, dass Ihr das Thema aufgegriffen habt!

Ich habe vor gut einem Jahr schon versucht einen Impuls in diese Richtung zu geben, von daher freue ich mich besonders darüber!

Es ist wirklich unfassbar komplex und selbst einzelne Probleme können einen in den Wahnsinn treiben, wie @mustamie beispielhaft an der Rezeptierung von Medikamenten bei Entlassung einer PatientIn geschildert hat.

Und ich kann aus eigener Anschauung bestätigen, wie Indikationen für OPs und Prozeduren sehr großzügig gestellt werden, wenn es sich lohnt. Das wird dann natürlich nicht explizit so formuliert, sondern Wege gesucht eine Indikation zu finden. Oder bei Kapazitätsmangel im eigenen Haus und dringlicher Notwendigkeit einer Operation, die Patientin nicht in ein anderes Haus mit Kapazität verlegt, damit „der Fall“ (das Geld) im Haus bleibt. Das war auch schon Grund für mich eine Klinik zu verlassen. Übrigens kommunal geführt.

Eine große Bremse bei durchgreifenden Reformen ist dabei leider auch meine eigene ärztliche Zunft, aus (teils begründeter) Angst vor finanziellen Nachteilen. Das kann aber kein Argument sein.

Ich hoffe ihr arbeitet diese Thematik in der Lage-üblichen Gründlichkeit und dem Auge für die entscheidenden Details auf. Bei Fragen oder Wunsch nach weiteren Perspektiven zum Thema stehe ich gerne zur Verfügung.

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Viele Kliniken in ländlichen Bereich sind schon heute nur noch „Durchlauferhitzer“. Dort gibt es nur noch basis-internistische Versorgung, alles was kompliziert ist, operiert werden muss wird nur anbehandelt und verlegt. Viele haben gar keine richtige Intensivstationen mehr, nur noch IMC ohne Beatmung wenn überhaupt. Keine Geburtshilfe, keine Pädiatrie, keine Unfallchirurgie, keine Neurologie, kein gar nix. Diese Häuser kann man dicht machen ohne die Versorgung merklich zu verschlechtern. Nur lässt man die lieber langsam verhungern statt eine politische Entscheidung zu treffen.

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Mal vom Lande einige Erfahrungen. Zwei kleinere Krankenhäuser in kleineren Orten sind bereits vor Jahren geschlossen worden.
In der etwa 15 km entfernten größeren Stadt gab es bislang 3 Krankenhäuser. Eins wurde jetzt zum Lehrkrankenhaus umgewidmet, ein anderes kleineres in der Innenstadt verfügt nur noch über Neurologie und Stroke Unit bei Schlaganfällen im Schwerpunkt.
Die dritte Klinik wurde aufwändig erweitert und modernisiert, mit zentraler Notaufnahme, Facharztzentren, Geburtsklinik uvm.
Prinzipiell von allen Dörfern in maximal 30 min erreichbar.
Allerdings, ggf auch bedingt durch die noch neuen Strukturen, steht man in der Notaufnahme bei Einlieferung auch mal 1-2 h im Gang samt Bett, bis was frei wird. In der Notfallambulanz sollte man mindestens einen halben Tag bis einen ganzen Tag einplanen. Mit meiner Tochter nach Sturz vom Pferd saßen wir mal 11 h dort
Die kleinere Notfallpraxis, die von lokalen Hausärzten in unserer 5km entfernten Stadt betrieben wurde und kleinere Fälle aufgefangen hat, wurde auf Drängen der Kassenärztlichen Vereinigung zum Jahresbeginn geschlossen.

Nichts gegen eine Spezialisierung und Zentralisierung von Krankenhäusern, aber eine erste Akutversorgung in den umliegenden Städten fände ich gar nicht so verkehrt, besonders für Ältere. Entlastet die großen Kliniken dann ja auch.

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Hallo Zusammen,
ich finde gerade beim DRG System extrem viel Punkte einfach falsch.
Das ganze Fallpauschalen system ist auf Statistik aufgebaut, man kriegt auch Geld abgezogen wenn ein Patient über der mittleren Verweildauer liegt.

Dabei wird vollständig außer acht gelassen, dass eine 80 Jähre Oma leider anders heilt als der/die 50 Jähre.

Gerade bei Sportverletzungen, die aber auch im Alltag passieren können ist das leider ein riesen Problem. Bsp. Ist hier Mal ein Kreuzbandriss, da eher junge Menschen den bekommen, ist es für die Krankenhäuser ein Minus Geschäft, wenn sie es bei alten Leuten machen.

Da setzt auch meine Kritik am Transparenzgesetz an, im privaten Krankenhausverbund (wird nie einer öffentlich sagen), werden Risikopatienten oder Verlustgeschäfte nicht behandelt/gemacht. Das sieht in der Statistik natürlich gut aus, wenn bei den letzten 100 Bypass OP’s kein Zwischenfall war, wenn man aber nur Patienten unter 50 nimmt ist das statistisch auch deutlich einfacher zu erreichen.

In meinem Umfeld hab ich schon oft gehört das ältere Menschen gesagt wurde, sie mögen sich bitte eine Zweitmeinung einholen, klingt erstmal super, ist aber ein Code für „gehen sie Mal zu den kirchlichen Trägern die machen so nen Zeug“.

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Hallo, danke für eure Arbeit!
Richtig, es ändert nichts an der Grundaussage des tollen Beitrags. Ihr habt aber eine Korrekturpolitik, die ich sehr schätze und bewundere, daher ist die Info über diesen verständlichen kleine Fehler auf einem fremden Fachgebiet vllt. doch angebracht.

Als Assistenzarzt in der Inneren Medizin werde ich regelmäßig unter Druck gesetzt, Komplikationen wie Schmerzen oder Harnwegsinfekte zu dokumentieren, damit ein lukrativerer Satz abgerechnet werden kann. Das System ist kränker als viele meiner Patienten.
P.S.: Pembrolizumab ist ein Antikörper, der in der Krebstherapie eingesetzt wird und parenteral (=über eine Vene) gegeben wird.

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Vielen Dank für diese ausführliche und verständliche Ausführung eines so wichtigen und komplexen Themas. Was hier hoffentlich in künftigen Beiträgen aufgegriffen wird ist die absolute Hoheit von Arzt*innen in Deutschland, die eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung von Gesundheitspolitik spielen und die Aufwertung von Pflegekräften in der Gesundheitsversorgung erschweren. Der Pflegerat hat dazu mehrere wichtige Positionspapiere veröffentlicht, die zentralen Forderungen sind: Eine Leitung der Primärversorgungszentren bzw. Level-Ii-Krankenhäuser durch qualifizierte Pflegefachpersonen muss möglich sein. Der Versorgungsschwerpunkt dieser Einrichtungen liegt auf komplexen Pflegebedarfen. Notwendig geschlossen wird mit ihnen eine Versorgungslücke.

Die Qualitätskriterien in den Leistungsgruppen müssen die pflegerische Leistung spiegeln und einen bedarfsgerechten Personalschlüssel sowie den notwendigen Qualifikationsmix für die Pflegeberufe beinhalten.

Die Heilkundeübertragung auf Pflegefachpersonen muss neu geregelt werden, damit sie eigenverantwortlich ihre differenzierten Kompetenzen einsetzen können.

Benötigt werden neue Lösungen in der Gesundheitsversorgung mit einem Fokus auf Gesundheitsförderung, Prävention und das Leben mit chronischen Erkrankungen. Erforderlich sind eine Professionalisierung und ein adäquater Qualifikationsmix in Krankenhäusern aller Level. Aufgaben müssen umverteilt werden, Kompetenzen und Verantwortung erweitert.

Noch dazu muss es ein Pflegekammer geben, der als gleichberechtigter Partner in den Gesprächen um den Krankenhausreform einbezogen werden muss.

Ich habe in kaum einem anderen Land erlebt, wie sehr Ärztinnen den Ton angeben und Pflegepersonal in ihrem Tun und Handeln nicht wertgeschätzt wird. Ich stelle zudem in Frage, wie viel Sinn es macht Krankenhäuser als „Daseinsvorsorge“ zu sehen in einem Land, in dem viele Orte weder Allgemeinmedizinerinnen und Kinderärzt*innen haben. Es muss in Prävention und in der primären Gesundheitsvorsorge investiert werden, nicht in Krankenhäuser. Auch was Geburten angeht - gerade hier ist die Konzentration auf Krankenhausgeburten für Mutter und Kind und die prekäre Lage von Hebammen eine negative Entwicklung.

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DANKE, dass ihr dieses Thema aufgreift! Bitte beleuchtet das weiter intensiv!

Zum Thema Spezialisierung/Zentralisierung hier Einblicke und Ergänzungen aus der Kindermedizin und aus Sicht betroffener Eltern:
Wir bekamen 2021 völlig unerwartet acht Wochen zu früh ein Kind mit (ebenfalls völlig unerwartet) mehreren seltenen Fehlbildungen des Ernährungs- und Verdauungstrakts. Früh- und Neugeborene wie unseres sind komplexe, intensivmedizinische Patientinnen und brauchen spätestens am zweiten Lebenstag lebensrettende chirurgische Eingriffe (und oft im Verlauf weitere Operationen und Therapien), die selbst für erfahrene Kinderchiriurginnen und andere Kinderfachärzte alles andere als Tagesgeschäft oder Routine sind. Diese erste Korrektur-OP beeinflusst maßgeblich die Lebensqualität der Kinder für ein ganzes Leben (z.B. Essen, Schlucken, Verdauung, Kontinenz…). Das Haarsträubende ist: Diese Operationen darf JEDE Kinderklinik und jeder Kinderchirurg*in durchführen. Wo und wie gut Kinder mit diesen seltenen Fehlbildungen operiert werden, ist aktuell ganz einfach eine Frage des Glücks - wohl denen, die zumindest in einer Großstadt mit großer Kinderklinik geboren werden…

In der Erwachsenenmedizin gibt es in Deutschland zum Beispiel für Operationen der Speiseröhre eine Mindest-Fallzahl, die eine Klinik jährlich erreichen muss, um diese kritischen Eingriffe durchführen zu dürfen. In der Kindermedizin gibt es dieses Minimum in Deutschland nicht (in England hingegen schon, mit nachweislichem Erfolg), obwohl die Evidenz aus der Erwachsenenmedizin belegt, dass mit Einführung von Mindest-Fallzahlen die Behandlungserfolge enorm steigen und die Mortalität deutlich sinkt (von 20% auf 4,5%).


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Liebe Lage,
die Pauschale, die Ihr bei Min 43:55 zitiert beschreibt die Vergütung der Operation eines schwerstkranken Patienten z.B eines Kindes mit einem Tumor (Neubildung) im Gehirn oder Rückenmark. Die 30000,- Euro gibts also nicht für „Rücken“ oder „Bandscheibe“,…
Nach meiner Meinung müsst Ihr das dringend berichtigen. HörerInnen, denen eine Bandscheiben OP empfohlen wird nehmen bei Euch mit, die Klinik will sich mit 30000,- bereichern und dem Arzt oder der Ärztin das vorhalten. Bei diesem Thema müsst ihr bitte ganz vorsichtig sein bei der Recherche - da gehts wirklich um etwas…

Ich habe 20 Jahre im Krankenhaus gearbeitet und so etwas, wie ihr beschreibt, nie erlebt…da arbeiten normalerweise immer noch Menschen, die grundsätzlich anderen nicht schaden wollen…

Viele Grüße,
Wolfgang

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Ich kann das nicht beurteilen, aber in der Lage ging es eigentlich nicht primär um Details, sondern um das grundlegende Problem, das es erkennbar gibt. Eigentlich denke ich, dass das auch alle Hörer:innen mit Bandscheibenvorfall verstanden haben.

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…die von euch zitierte ‚Rücken-DRG‘ (ist) keine für klassiche Rückenschmerzen, sondern für Tumorbehandlungen am Gehirn und der Wirbelsäule. Zum anderen verpasst ihr zu sagen, dass bei durchgeführten Prozeduren insbesondere die OPS-Codes häufig relevaner als die DRG sind. Diese sind es nämlich, die lukrativ sind. Im Vergleich dazu sind viele konseravtive DRGs nicht kostendeckend konzipiert, in der Annahme, dass sich das schon ausgleichen wird.
Das führt dazu, dass gewinnorientierte Unternehmen wie Helios, welche gut 6% Gewinn machen, natürlich vor allem Leistungen anbieten, die auch lukrativ sind und lassen so den Rest für die öffentlichen Träger übrig.
…Konzern-Manager:…Natürlich wird er nicht sagen: „Machen sie unsinnige Prozeduren damit wir Geld verdienen“ (oder würde es zumindest nicht zugeben), sondern wird die Chefärzte an ihre Leistungsziele erinnern, die vertraglich festgelegt sind.
Die Vergleiche mit Dänemark sind grundsätzlich gut. Aber leider haben wir haben ein gänzlich anders strukturiertes Gesundheitssystem und auch eine viel höhere Bevölkerungszahl/ andere geografische Vorraussetzungen, sodass ein 1:1-Umbau schwierig wird.
Aber die Frage insgesamt sollte eher sein: Wieso implantieren wir deutlich mehr künstliche Gelenke ohne wesentlich mehr Kranke?
Denn das wird wohl eher nicht in der ländlichen Klinik mit 3 Hüft-Ops in der Woche passieren sondern in den Zentren.
Weiterhin gibt es ja zur Qualitätssicherung Untergrenzen vom GBA, die erreicht werden müssen, um die volle Vergütung zur erhalten. Ob das ein geeignetes Tool ist, bleibt zu hinterfragen.
Zusammenfassend würde ich mir zu dem Thema… eine Sonderfolge mit viel fundierter Recherche wünschen.

Hallo,

ich bin selber Assistenzarzt in der Inneren Medizin und freue mich dementsprechend, dass dieses Thema mal aufgegriffen wird.
Ich wollte allerdings noch einige Punkte hinzufügen:

  1. Durchführung unnötiger Prozeduren im Krankenhaus
    Im Podcast wird lange und ausführlich diskutiert, dass viele (insbesondere operative Prozeduren) durchgeführt werden, damit das KH die entsprechenden DRGs abrechnen kann und somit die Einnahmen steigert.
    Das ist MMN aber nur die eine Seit der Medaille. Es ist für Patienten und Angehörige mittlerweile selbstverständlich, dass alles medizinisch mögliche (!!), sofort unternommen wird - unabhängig davon, ob das notwendig, zweckdienlich, wirtschaftlich oder sinnvoll ist. Wenn man dann als Arzt diskutiert, dass eine entsprechende Prozedur in der aktuellen Situation evntl. medizinisch möglich aber eben nicht sinnvoll ist, dann sieht man sich regelmäßig mit Anwaltsdrohungen, Beschwerden, Pöbeleien, Beschimpfungen und sogar Gewalt konfrontiert.
    —> sodass - um so etwas zu vermeiden - häufig sinnlose Medizin betrieben wird.

  2. soziale Funktion der Krankenhäuser
    Insbesondere die kleineren Krankenhäuser - die eventuell nicht mehr Medizin auf Universitätsniveau machen - erfüllen mittlerweile eine massive soziale Funktion. Eine große Menge an Patienten kommt ins Krankenhaus wegen einer „sozialen Indikation“; d.h. sie können sich aufgrund von Alter & Gebrechlichkeit, Demenz o.ä. nicht mehr hinreichend in der häuslichen Umgebung selber versorgen.
    Dieser Patient kommt dann über den Rettungsdienst in ein kleineres Krankenhaus. Da aber keine Versorgung über ein Pflegeheim organisiert ist, in vielen Fällen es keine Angehörigen mehr gibt und keine Freunde ist eine Rückführung bei fehlender Versorgung in die häusliche Umgebung nicht möglich. In diesen Fällen liegen Patient oft wochenlang im Krankenhaus, bis ein Pflegeheim gefunden wurde.
    Diese zugegebenermaßen nicht medizinische Aufgabe, aber maximal wichtig, soziale Aufgabe wird in DRGs nicht wiedergespiegelt.
    Auf diese Aufgabe haben die großen Maximalversorger und Unikrankenhäuser natürlich keine Lust, hier werden Herzentransplantiert, schwerste Unfallopfer versorgt… aber wer übernimmt dann die soziale Aufgabe, sollten die ganzen kleinen Häuser wegrationalisiert werden.

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  1. Multimorbidität
    Bedingt durch die zunehmende Überalterung der Gesellschaft werden auch die Patienten immer älter und haben natürlich viel mehr Krankheiten gleichzeitig.

Jetzt muss man noch hinzufügen, dass bei der Abrechnung über die DRGs immer nur die HAUPT-Diagnose ausschlaggebend für den Betrag ist, den das Krankenhaus erhält. Nebendiagnosen sind insofern wichtig, als dass sie den Zeitraum verlängern in denen es zu keiner Kürzung über den MDK kommt - der Erlös für das KH steigert sich durch Nebendiagnosen aber eben nicht.

Nun kommt ein 92-jähriger Patient mit Diagnose A. Also erhält das KH den DRG für Diagnose A.
Werden während des KH-Aufenthaltes allerdings noch Diagnosen B,C,D festgestellt und auch noch behandelt, erhöht sich nicht der Ertrag für das KH aber natürlich die Kosten.

(hier ist auch erklärt, warum einige Prozeduren viel profitabler sind. Ein Meniskusriss bei einem 25-jährigen ist NUR ein Meninskusriss bei einem 25-jährigen, mit sehr kurzer Verweildauer. Eine Herzinsuffizienz bei einer 85-jährigen sind aber mit großer Wahrscheinlichkeit, noch 5 andere behandlungswürdigen Diagnosen, mit eventuell wochenlanger Verweildauer)

  1. Inflation
    Natürlich spielt auch die aktuelle Inflation eine immense Rolle.
    Während die Kosten für KH teilweise um ~10% gestiegen sind, kam es nur zu einer Steigerung von ~2% für den Erlös über DRGs.
    Auf der Differenz bleiben die KH sitzen.

Unabhängig von diesen Faktoren hat das DRG-System spannende Folgen für das deutsche Gesundheitssystem.
Da anfangs in den DRGs ALLE Leistungen die ein KH erbracht hat, enthalten waren, ergab sich für die KH natürlich ein Anreiz zu sparen.
Wenn für eine Prozedur 2000€ erhält, diese aber nur 1800€ kostet, hat man 200€ gewinn gemacht.
Und es wurde zunächst an den größten Kostenpunkten gespart - das war die Pflege. Und an der Pflege wurde jahrelang gespart. Das erklärt einen großen Teil des Pflegemangels in D.
Irgendwann hat das auch die Politik erkannt und die Pflegekosten aus den DRGs rausgenommen. Dementsprechend bekommt das KH nun die 2000€ für die Prozedur + mehr oder weniger alle Pflegekosten die entstehen.
Allerdings spart das KH weiter. Und was ist der nächste große Kostenpunkt im KH? Die Ärzte.

Und wie „Mustamie“ etwas weiter oben schon formuliert hat, die Arbeitsbedingungen im KH für medizinisches Personal sind nicht nur katastrophal, sondern häufig auch gesetzeswidrig (aber das war ja weniger Thema des Podcasts).

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Ich bin euch extrem dankbar dass ihr dieses Thema anfasst. Dafür Hut ab. Ich habe ein paar konstruktiv gemeinte Anmerkungen aus dem „Maschinenraum“ der Patientenversorgung:

  1. Ich finde die Prämisse hinterfragenswert, dass 88 Mrd Euro pro Jahr ein hoher Betrag der eigentlich ausreichen muss. Wenn ich mich nicht sehr verrechnet habe macht das tausend Euro pro Versicherten und Jahr um 24/7 eine funktionierende Gesundheitsinfrastruktur zur Verfügung zu stellen. Warum finde ich das nicht viel? Das von euch erwähnte Pembrolizumab kostet pro Gabe (die alle 6 Wochen gegeben werden) 22.000 Euro. Ein Tag Intensivstation? Zwischen 1500 und 3000 Euro. Die Hälfte der Bevölkerung ist über 44 Jahre alt, die Hälfte ist Übergewichtig. Wir sind statistisch ein altes Land voller Wohlstandserkrankungen. Geräte sind teuer, qualifziertes Personal erst recht. Was erwarten wir denn?

2.Dennoch habt ihr Recht, dass es Ineffizienzen gibt, und Fehlanreize. Ein Beispiel seie hier Verträge von Chef- oder Oberärzten die üppige Boni bekommen wenn sie pro Jahr eine bestimmte Zahl von OP X schaffen. Das ist ein gefährlicher Fehlanreiz und gehört in meinen Augen schlicht verboten.

  1. Wir müssen aber aufpassen dass wir nicht vom Regen in die Traufe geraten. Ich unterstütze die Bestrebungen dass bestimmte Eingriffe (gerade die die nicht kurzfristig gefährlich sind, für die also ein Transport an ein Zentrum möglich ist) nur dann sicher durchgeführt werden können wenn es in dem Haus einen Gewissen „Durchsatz“ gibt. Wenn wir die Hürden dafür zu hoch legen Eingriffe durchführen zu dürfen, entsteht ein Fehlanreiz. Dann muss ein Haus auf einmal auf X Eingrife vorweisen… nicht damit der Chef seinen Bonus kriegt, sondern damit das Haus ein Zentrum bleibt. Auch hier drohen „unnötige“ Ops. Da braucht es Fingerspitzengefühl beim setzen der Rahmenbedingungen
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  1. In eurem Beitrag werden „nötige“ und „unnötige“ Ops als harte Kategorien verwendet. Ich weiß dass Ihr das nicht damit sagen wolltet, aber es seie noch einmal hingewiesen dass die Indikationsstellung in vielen Situationen extrem Komplex ist. Manchmal ist es klar nötig, und es gibt auch klar nicht indizierte Eingriffe. Meistens aber bewegt man sich in einem Graubereich dazwischen in dem dutzende Faktoren, nicht zuletzt der Patientenwille und der Leidensdruck im Status quo, die Entscheidung beeinflussen. Deshalb wäre ich mit solchen Begriffen vorsichtig, was aber nicht heißt dass das Problem nicht grundsätzlich besteht.

  2. Ihr deutet an, dass eine Lockerung des finanziellen Druckes möglicherweise die Fehlanreize reduziert. Ich halte das zumindes teilweise für eine Fehlattribution. Wie ihr schon erwähnt habt ist ein Drittel der KH in privater Hand. Hier zählt also kategorisch schon nur die Zahl unter dem Strich, und die kann immer noch grüner sein. Im Zweifel erhöhen diese Konzerne die Renditen für Ihre Aktionäre wenn sich die FInanzierungssituation entspannt. Ob das der sinnvollste Weg ist den unsere Krankenkassenbeiträge nehmen können würde ich mal vor der Klammer lassen. Meiner Meinung nach sollte es eine Reinvestitionspflich von Überschüssen geben.

  3. Ein weiteres Drittel der KH sind in kirchlicher Hand. Sprich: In einem drittel der deutschen Krankenhäuser haben die Mitarbeiter kein Streikrecht, und können sich nicht für die Verbesserungen der Bedingungen einsetzen. Dass das in Deutschland im Jahr 2024 noch so ist kann ich nicht nachvollziehen. Vielleicht könnt ihr mich da erleuchten?

  4. Das Transparenzgesetz war in meinen Augen eine katastrophale Idee, und ist völlig zurecht gescheitert. Nicht weil ich nicht den Bedarf an mehr Transparenz sehe, sondern weil die falsche Kennzahl gewählt wurde. Auch hier lauert ein Brandgefährlicher Fehlanreiz: Wenn ein Klinikum weiß, dass es auf eine niedrige Komplikationsrate angewiesen ist um weiter Patienten zu bekommen, wird es sich im Zweifelsfalle weigern alte oder komplex erkrankte Patienten anzunehmen die ein hohes potential haben sich negativ auf diese Kenngröße auszuwirken. Wenn ich dann als herzkranker Patient keinen Chirurgen mehr finde der bereit ist meinen Krebs zu operieren, weil er sonst um seinen Ruf und somit das Fortbestehen seines Lebensunterhaltes fürchten muss wenn er zu viele Patienten wie mich annimmt, dann kann ich mich bei Herrn Lauterbach bedanken. Ggf wären hier die in einem Krankenhaus vorgehaltenen Personalschlüssel ein Weg. Oder man verkompliziert das Ganze durch einen Casemix-Index.

  5. habe ich einen weiteren Kommentar verfasst in dem ich sachlich und konstruktiv die Reaktion auf die oben angebrachten inhaltlichen Korrekturen kritisiert habe. Davon gäbe es noch mehr, aber solche Kommentare werden anscheinend nicht mal mehr frei gegeben. Was ist das für eine Fehlerkultur?

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Rückfrage zu der Schließung von Kliniken: Was gibt es dann für Lösungen für die Notfallversorgung in der Fläche? Sind die lokalen Gesundheitszentren dann mit einer kleinen Flotte von Rettungsfahrzeugen und einer notfallmedizinischen Erstversorgung ausgestattet? Ihr stellt es in der Folge so dar, als ob das Hängen am lokalen Kreiskrankenhaus eine reine Bequemlichkeitssache wäre, aber bei Unfällen oder auch Herzinfarkten kann der kurze Anfahrtsweg eine Sache von Leben und Tod sein. Wenn das nächste Krankenhaus zwei Stunden entfernt ist, müssen da andere Lösungen her. Geburtstationen sind auch ein Thema…

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