Jeder 5. Klinik droht Insolvenz - Wie werden Krankenhäuser eigentlich finanziert?

Das Gesundheitswesen beschäftigt uns die letzten Jahre ja mehr als den meisten lieb ist. Und aktuell gibt es sehr konkrete Pläne des Gesundheitsministeriums, wie die Struktur und Finanzierung der Kliniken umgestaltet werden kann, mit vielen m. M. n. sinnvollen Ansätzen.
Die ganze Krankenhausfinanzierung wird geändert? Nein, nur ein Teil. Und das ist Teil eines chronischen Problems:

Kurzversion: Krankenhäuser werden dual finanziert.
Die Kosten für die unmittelbare Behandlung von PatientInnen kommt von den Versicherungen (Personal, Verbrauchsgüter, laufende Kosten).
Die Kosten für Infrastruktur (Gebäude, Sanierung, Großgeräte wie MRT und CT, OP-Einrichtung) sollten vom jeweiligen Bundesland getragen werden. Sollten. Denn, die Bundesländer ziehen sich seit Jahrzehnten zunehmend aus der Finanzierung zurück.

Das hat natürlich Konsequenzen.
Wenn ein Krankenhaus z.B. einen Neubau plant, weil mehrere Standorte zu einem zentralen Standort zusammengefasst werden sollen, dann müsste das eigentlich vom Land finanziert werden.
De facto läuft es in der Regel so, dass das Land bestenfalls die hälfte finanziert, den Rest muss die Klinik irgendwie selbst bezahlen. Dafür muss sie dann auf das Geld der Krankenversicherungen zurückgreifen, obwohl das eigentlich für Personal und laufende Kosten bestimmt ist. Es wird also Geld aus der unmittelbaren PatientInnenversorgung abgezogen und für bauliche Zwecke verwendet. Das erklärt warum die Kliniken so ein Problem haben ihr Personal vernüftig zu bezahlen bzw. für eine ausreichende Personaldecke zu sorgen.

Bringen die Reformpläne eine Lösung? Nein, sie betreffen nur den Teil, der die laufenden Kosten decken soll. Und das natürlich Kostenneutral.

Kann man die Bundesländer dazu bringen ihrer gesetzlchen Pflicht nachzukommen? Wenn, dann nur durch politischen bzw. gesellschaftlichen Druck. Denn die Länder legen selbst die Regeln fest, nach denen sie sich richten.
Ich habe es selbst mehr als einmal erlebt, dass Krankenhäuser dringend Erweiterungen gebraucht haben, z. B. weil die Notaufnahmen teilweise doppelt so viele PatientInnen versorgen müssen, als ursprünglich mal geplant. Entsprechende Anfragen beim Gesundheitsministerium wurden einfach mit „Nein“ beantwortet, und das war es dann.
So richtig dagegen rebellieren möchte keine Klinik, denn sie sind davon abhängig, dass zumindest die anteilige Finanzierung noch kommt. Einzig die Krankenkassen monieren gelegentlich, dass ihre Gelder letztlich veruntreut werden:
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/140032/Krankenkassen-werfen-Laendern-fehlende-Klinikinvestitionen-vor

Der Eindruck ist: anstatt gezielt Kliniken zu schließen und mit ein bisschen Plan und Augenmaß eine Zentralisierung der Standorte sinnvoll zu steuern, werden die Krankenhäuser einfach langsam ausgeblutet. So werden es auch weniger Häuser, aber keiner muss sich so richtig dafür verantwortlich fühlen.

Es ist ein umfangreiches, komplexes Thema mit mannigfaltigen Interessen aus allen Richtungen. Aber es betrifft einen Pfeiler unserer Daseinsfürsorge und ich denke es lohnt sich, sich damit ein bisschen zu beschäftigen.

Quelle zum Titel:

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Das mag daran liegen, dass Klinikschließungen schon immer in der Bevölkerung extrem unbeliebt waren und nach der Pandemie erst Recht sind¹. Es ist wahrscheinlich kein Wunder, dass Lauterbach in der Opposition noch Klinikschließungen forderte², nun aber in seiner Reform davon nichts zu sehen ist³.
1 DKG-Umfrage - Mehr als 30 Minuten zur nächsten Klinik ist für die meisten Bürger inakzeptabel
2 https://mobile.twitter.com/karl_lauterbach/status/1135874165599285249
3 „Klasse statt Masse“: So will Lauterbach die großen Probleme der Krankenhäuser lösen

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Der ist gut ^^

Die 30 Minuten brauch hier ein Rettungswagen mit Sonderrechten.

Ich als Normalsterblicher eher so 45 Minuten.

Ach und ich habe den „Luxus“ dass der Rettungswagen von seiner Einsatzstelle „nur“ 20 Minuten bis zu mir braucht.

Hatte mal eine Auswertung über Rettungsdienst in Schweden gesehen. In Nordschweden ist man schneller mit dem eigenen PKW in der Notaufnahme als der Rettungsdienst am Einsatzort :crazy_face:

Wenn man das deutsche Gesundheitswesen erstmal dahin bringt als Zielsetzung zu haben, dass ihre Kunden nicht mehr wiederkommen würde sich da einiges an Geld und Arbeit sparen lassen.

PS:

Eine Liste über die Anzahl Krankenhausbetten pro 1000 EW

Deutschland liegt mit 8 ziemlich weit vorne, Schweden ist mit 2 Schlusslicht.

Jetzt müsste man noch über die Qualität und die Gesundheit der jeweiligen Dienste und Bevölkerungen recherchieren, dann könnte man darüber nachdenken wer was falsch macht und ob das wirklich so teuer sein muss wie in DTL.

Es steht für mich außer Frage, dass wir Krankenhausbetten abbauen werden. Und das muss auch nicht problematisch sein, wenn wir es schaffen die ambulante und pflegerische Versorgung zu verbessern.
Derzeit sind nicht so wenige PatientInnen im Krankenhaus, einfach weil sie zu Hause nicht mehr klar kommen oder tägliche Wundpflege o.ä. brauchen. Wenn es ambulante Kapazitäten dafür gäbe, müsste das nicht in der Klinik passieren. Das wäre wahrscheinlich günstiger und es käme gerade den älteren Menschen entgegen, die oft nicht ins Krankenhaus möchten.
Dafür gibt es auch gute Pläne und Konzepte.

Was ich kritisiere ist, dass die Länder versuchen das durch ausbleibende Investitionen in die Infrastruktur zu erreichen. Damit werden alle Kliniken ausgezehrt, obwohl man nur einige schließen muss. Das geht an die Substanz, vor allem an die personelle.

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